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Der Herzog von Friedland ging mit Hans von Starschädel schweigend durch die Säle in sein Zimmer. Auf seinen Wink schlossen sich alle Thüren hinter ihm.
Es war dasselbe Zimmer, in welches Leo vor einigen Stunden gerufen worden war, ein weiter Raum; an allen Wänden lange Tische mit wohlgeordneten Papieren bedeckt; ein großer offener Schreibtisch in der Mitte; große Sessel in reichlicher Anzahl; der Fußboden mit dicken Teppichen bedeckt. Waldstein war ein sehr genauer Verwaltungsmann. Seine ungeheuren Güter beaufsichtigte er mit strenger Sorgfalt; jede Abtheilung derselben hatte ihren Actenauszug auf einem der Tische, und diese Auszüge folgten ihm überall hin, auch in das fernste Feldlager. Seine sogenannte »Kanzlei« war weltberühmt. Sie allein bildete einen langen Wagenzug, den man schon von Weitem erkannte an den rothen Lederdecken, welche die Wagen zur Sicherstellung gegen jedes Wetter dicht überspannten.
Er selbst widmete diesem Verwaltungsgeschäfte täglich eine große Anzahl von Stunden. Auf sorgfältigen Haushalt, auf genauen Erwerb, auf sparsamsten Zusammenhalt seines Erwerbs war seine Macht gebaut. Ordnung im Besitz war ihm die Quelle eines mächtigen Herrn. Alle Welt in Europa war verschuldet und krankte am Mangel des Geldes. Er allein war in Ordnung, war reich und wurde durch regelmäßige Verwaltung täglich reicher.
Täglich schrieb er oder dictirte er – letzteres immer vorherrschender, je mehr ihn die Gicht auch in den Händen plagte – eine Masse von Vorschriften und Zuschriften an jenem Schreibtische, neben welchem er sich jetzt niederließ, indem er mit einer Handbewegung auf einen kleinen Stuhl deutete, der in der Nähe seines mit Juchtenleder überzogenen Lehnsessels stand.
Hans von Starschädel setzte sich schweigend und erwartete die Anrede des Herzogs. Das große Zimmer war durch Wandleuchter tageshell beleuchtet. Die beiden Männer saßen nahe bei einander, und Waldstein betrachtete den sächsischen Edelmann so genau, als ob er ihn zeichnen wollte. Starschädel blickte ruhig, fast streng auf den Herzog.
Endlich begann der Herzog mit trockener Stimme:
»Drei Tage dauern bei Euch, Herr von Starschädel, sehr lang. Mehr als dreimal drei Jahre. Im Gasthofe auf der Wiener »Freiung« verspracht Ihr mir damals, binnen drei Tagen wieder bei mir zu sein, und heute – kommt Ihr.« – Der Vorwurf von Eurer Durchlaucht ist gerecht; ich habe mir ihn selbst damals bitterlich gemacht. Ich war außer Stande. Feindschaften und Gefahren machten mich unfrei. Dennoch ist Durchlaucht berechtigt, mir zu mißtrauen, wenigstens in mein Wort kein unbedingtes Vertrauen zu setzen. Das ist mir sehr leid, denn was ich Durchlaucht heute mitzutheilen habe, ist sehr wichtig und für mich vom höchsten Werthe. Es betrifft das Schicksal meines Vaterlandes und kann entscheidend werden für die Zukunft desselben. – »Ihr kommt vom sächsischen Feldhauptmanne Arnimb?« – Ich komme von ihm. Und ich komme ohne eigentliches Beglaubigungsschreiben. Ich habe es selbst abgelehnt, weil meine Person in kaiserlichen Landen verdächtig und unsicher ist, Ihr also selbst, Durchlaucht, verdächtigt werden konntet, wenn man mich aufgriff. – »Das nicht. Der Kaiser hat mich selbst beauftragt, mit Arnimb zu unterhandeln.« – Um so schlimmer für mich. Wenn ich das gewußt, so hätte ich mich sicher stellen können gegen die Kaiserlichen, falls sie mich ergreifen, und sicherstellen für Euch, dessen Vertrauen ich mir gewonnen hätte durch ein Beglaubigungsschreiben. – »Dies Vertrauen habt Ihr ohne Creditiv. Ich halte Euch – trotz jener drei Tage – für einen ehrlichen Mann, und für einen guten deutschen Patrioten. Ich kenne Euch durch die Schilderung meiner Frau, und die – Lady Ludmilla hat dafür gesorgt, daß wir über Euer Leben und Handeln in den letztvergangenen zehn Jahren genau unterrichtet geblieben sind. Ihr habt ununterbrochen gegen uns, gegen die kaiserliche Armada gefochten.« – Ja, seit der Dänenkönig an die Spitze der Protestanten getreten ist. – »Und nachdem der besiegt war, seit der Schwedenkönig seine Stelle eingenommen hat.« – Das nicht. Seit der Kurfürst von Sachsen ins Feld gerückt ist gegen den Kaiser. – »Macht Ihr darin einen Unterschied?« – Allerdings. – »Zur Sache! Was sendet Arnimb für Botschaft? Ich erwarte vergeblich seine Salveguardia-Scheine für meine Güter. Er beeilt sich nicht mit den ersten und nöthigsten Freundschaftsdiensten.« – Die Salveguardia-Scheine sind schon an Ort und Stelle. – »Was heißt das?« – Euer Unterhändler Raschin ist mit mir aus Dresden gereist – »Ihr kennt ihn?!« – Ich kenne ihn. Habe seiner letzten Unterredung mit Arnimb beigewohnt. Raschin wird Euch wiederholen, was ich Euch zu sagen habe. Hier ein Zettel von ihm, der Euch anzeigt, daß er über Bautzen und Löbau recta nach Schloß Friedland abgegangen ist, um die Salveguardia-Scheine ohne Umweg an Eure Amtleute zu bringen. Es war nöthig, denn unsere Truppen sind bereits eingerückt, und Schloß Friedland liegt ja ganz nahe an der Grenze, Eure dortige Herrschaft wäre jetzt schon von unseren Requisitionen heimgesucht, wenn die Scheine über Prag hätten wandern müssen. – »Das ist gut, ganz gut. Ich bedanke mich bei Arnimb. Nur ist mir's nicht lieb, daß der Raschin so bekannt wird.« – Ich war allein bei Arnimb, als die Unterredung mit ihm stattfand. – »Nun denn! Ihr seid ja also, wie sich herausstellt, mehr als beglaubigt. Gehen wir zu den Hauptfragen. Was sagt Arnimb?« – Er fragt: was Eure Durchlaucht sage? – »Das weiß er ja!« – Er weiß es nicht. Eure Sprache ist stets bedingt gewesen, bedingt von Umständen, die eintreten würden, die eintreten könnten. – »Natürlich. Politik heißt Handlung unter wechselvollen Umständen.« – Wenn der Wechsel ewig vorausgesetzt wird, dann ist kein Vertrag, kein Bündniß möglich.
Waldstein schwieg eine Weile, dann öffnete er ein Schubfach seines Schreibtisches und nahm ein Papier aus demselben.
»Dies ist die letzte Erklärung Arnimb's. Kennt Ihr sie?« – Ich kenne sie. Sie besagt, daß Kursachsen dem Kaiser zur Seite treten wolle, wenn der Kaiser das Restitutionsedict zurücknehmen und volle Gleichberechtigung der Confessionen in allen Fragen des Reichs einführen wolle. – »Nun, da zeigt Ihr ja nochmals Euer Creditiv! Ihr seid vollständig eingeweiht. Ist diese Forderung auch die Eurige?« – Nein, Sie genügt mir nicht. – »Das wußt' ich. Sie gefällt auch dem Kaiser nicht. Seine Pfaffen lassen ihn nicht los vom Restitutionsedicte.« – Glücklicherweise. – »Glücklicherweise? – Und damit lassen sie ihn nicht los vom Kriege! Machen einen Frieden nicht möglich!« – Einen Frieden, den wir nicht wünschen können, weil er kaum ein Waffenstillstand würde, einen Frieden, den Ihr nicht wünscht! – »Warum nicht?« – Weil er Eure Lebensaufgabe auf halber Höhe beendigte, weil er Euch als einen, wenn auch reichen, doch wenig bedeutenden kleinen Fürsten zurückließe inmitten geflickter Verhältnisse, vielleicht nicht einmal als Reichsfürsten zurückließe, denn Euer Besitz Mecklenburgs würde schwerlich zu retten sein. Ihr müßtet in die Reihe der Unterthanen hinabsteigen und der Launen eines unmittelbaren Herrn gewärtig bleiben. Wie könntet Ihr das, nachdem Ihr so lange unmittelbar geherrscht habt an der Spitze eines Euch allein gehörigen Heeres?! Ihr könnt es nicht. Und weil wir das wissen, weil wir Euern Herrschersinn kennen, weil wir außer Zweifel sind, daß ein fauler Friede Euer Untergang wäre, deshalb vertrauen wir Euch bis zu einem gewissen Grade, deshalb unterhandeln wir mit Euch, wie schwer dies auch sei, wie undankbar dies auch scheine bei Eurer – »Sprecht das Wort aus! Ich vertrage Alles unter vier Augen.« – Unentschlossenheit wollte ich sagen. Uebertriebene Vorsicht ist vielleicht richtiger. – »Beide Ausdrücke sind mäßig. Ich erwartete einen schlimmeren. Falschheit pflegen mir die Eurigen vorzuwerfen.« – Wenn Ihr falsch seid, so ist es Euer eigenes Unglück. Ihr habt auf der Seite des Reichs Alles. Was kann Euch der Kaiser geben? Im glücklichsten Falle, das heißt, wenn Pfaffen und Ausländer es zuließen, mittelmäßige Dinge. Wenn Ihr mächtig werdet, so seid Ihr ihm im Wege; uns nicht. Betrügt Ihr also uns, so betrügt Ihr Euch. Und da ich Euch für klug und verständig, für einen wirklichen Politiker halte, so theile ich die Meinung über Eure Falschheit nicht. Wol aber glaube ich, daß Ihr durch zu langes Zögern, durch zu große Vorsicht Euch und uns um alle Früchte bringen könnt, welche die augenblickliche Lage bietet. Der Augenblick wechselt. Faßt also, Durchlaucht, den Entschluß bei Zeiten, faßt ihn jetzt! Denn endigen müßt Ihr doch mit diesem Entschlusse, und dann kommt er vielleicht zu spät. – »Und dieser Entschluß heißt –« Spielt nicht mit mir, Durchlaucht! Ich bin ein stockernsthafter Mensch. Das weiß Arnimb, und darum schickt er mich. Ich weiß genau, welche Frage zwischen Euch und Arnimb um Ja oder Nein tänzelt. Sagt Ihr nicht Ja, so habt Ihr Nein gesagt für mich und für uns. Dies erkläre ich Euch im voraus. – »Ho, ho, ho! Ihr seid eben viel jünger als ich und liebt rasche Gangart. Zwischen Ja und Nein liegen Quartiere, in denen sich die Truppen sammeln. Man führt sie nicht in einem Athem aufs Schlachtfeld.« – Das thut man doch, wenn das Schlachtfeld vor der Thür liegt. Und es liegt vor der Thür für Euch, Durchlaucht, und für uns. Wir rücken soeben in die kaiserlichen Lande. Ihr habt Euch bereit erklärt, auf unsere Seite zu treten. Wollt Ihr das, wollt Ihr es nicht? – »Ihr sprecht ganz wie ein Römer. Wol denn, hier meine Antwort! Die Hauptfrage zwischen mir und Arnimb liegt nicht so, wie Ihr sie stellt. Sie liegt einen Schritt weiter und lautet: Soll und will ich als Herzog von Friedland zu Euch treten, oder als kaiserlicher Feldhauptmann? Nur wenn ich als Herzog von Friedland zu Euch träte, könnte der Entschluß sogleich gefaßt werden. Will und soll ich als kaiserlicher Feldhauptmann mit Euch gehen, so muß ich erst kaiserlicher Feldhauptmann sein. Noch bin ich's nicht. Und vor einigen Stunden erst hab' ich wieder abgelehnt.« – Also entscheidet die Hauptfrage: Wollt Ihr als Herzog von Mecklenburg und Friedland Euch für uns erklären? – »Wünscht Ihr das?« – Ich wünsche es. – »Wünscht es Arnimb? – Ihr zögert mit der Antwort. – Kann er's wünschen! Wie viel bedeute ich als Herzog ohne Heer?« – Sehr viel. Zunächst erscheint Ihr als ehrlicher Mann. Ihr habt kein Amt übernommen, das Ihr veruntreuen müßtet. Das ist auf unserer Seite, die wir moralische Güter am höchsten achten, von überwältigendem Einflusse. Alles Zutrauen käme Euch entgegen. Und wie viel bedeutet das, wenn es einem Manne zuströmt, der den Ruf genießt, des deutschen Reiches geübtester und erfahrenster Heerführer zu sein. – »Ein Heerführer ohne Heer!« – Innerhalb eines Monats stünde das Heer hinter Euch. Die meisten Regimenter, welche der Kaiser jetzt noch besitzt, stammen aus der Zeit Eurer Werbung, Eurer Führung. Die Obersten sind von Euch ernannt worden, sind Euch verpflichtet und ergeben. Sie strömen zu Eurer Fahne, wenn Ihr diese Fahne aufrichtet. Und die Gelegenheit ist durch unseren Einmarsch günstiger, als sie je wieder werden kann. Böhmen am rechten Elbufer ist binnen einer Woche in unserer Gewalt. Dort, bei Melnik etwa, pflanzt Ihr die Friedländische Fahne auf, gedeckt in weitem Umkreise durch unsere Truppen. Dort sammelt sich Euer Heer. Binnen einem Monate ist es bei Euren Geldmitteln eine Macht, vor welcher die wenigen Regimenter der wälschen Obersten, welche dem Wiener Hofe anhangen, wie Spreu vor dem Winde sind. Ihr setzt Euch in Marsch, Prag öffnet seinem Landeskinde die Thore wie seinem Landesfürsten, denn alle vor zehn Jahren niedergeworfenen Protestanten, die Mehrzahl im Lande trotz aller Executionen und gewaltsamen Bekehrung, kommen Euch entgegen, besonders wenn Ihr die Unabhängigkeit des Königreichs Böhmen proclamirt. Euer Heer wächst wie der Strom beim Wolkenbruche; Ihr breitet Euch aus, Ihr marschirt gen Süden; Mähren und Schlesien treten Euch bei, Oesterreich ob der Enns, ein ganz protestantisches Land, erhebt sich für Eure rechte Flanke; Ihr seid noch im Winter an der Donau und erobert endlich Wien; die Entscheidung über das deutsche Reich liegt in Euren Händen, was wollt Ihr mehr?! Und da ist kein Punkt übertrieben! Ich gelte für einen nüchternen Menschen und kenne diese Länder vom böhmischen Kriege her. Entschließt Euch! Der Augenblick kehrt vielleicht nie wieder. –
Waldstein erhob sich rasch, und schien ins Zimmer hinein schreiten zu wollen. Der gichtische Schmerz, welcher sich in einem heftigen Zucken des Antlitzes verrieth, hinderte ihn. – Da seht Ihr – sprach er knirschenden Tones – daß ich nicht mehr angethan bin, rasch zu verfahren. – Nach dem Körper gestaltet sich auch der Geist. Man wagt nicht mehr ohne kräftige Beweglichkeit. Man stellt sich sicher; man baut Uhren, die ihr Geschäft verrichten ohne unser Zuthun, wenn sie einmal aufgezogen sind. Solch eine Uhr muß ich haben, wenn ich wirken soll. Die baut sich nicht aus dem Stegreif. Auch nicht bei Melnik, welches sonst ein ganz richtiger Punkt wäre. Und so vollständig, wie Ihr meint, verliefe das überhaupt nicht. Die vereinzelt liegenden Regimenter lassen sich nicht so bewegen, wie Ihr Euch vorstellt, selbst nicht, wenn der Oberst es will, selbst nicht, wenn ein großer Theil der Soldaten es will. Das hängt Alles zusammen, auch unter einem schwachen Oberkommando, und Hauptgewichte fehlen, wenn sich das Einzelne vom Ganzen lösen will. Zum Beispiel das Kriegsmaterial. Für die meisten abgelegenen Regimenter bliebe nichts übrig als Auflösung, so daß sich die Leute einzeln oder truppweise zu mir durchschlichen. Das ist sehr mißlich; die Hälfte geht dabei verloren. Und für alle die kleinen Hindernisse sind die wälschen Officiere gewandt und erfinderisch, kurz, es würde sich nur ein schwächlicher Körper um mich bilden bei Melnik; ich würde eine geringe Figur spielen neben Eurem geordneten Heere, und – das ist gegen meine Natur. Mein erstes Auftreten in so großer Wandlung würde dem Bilde nicht entsprechen, welches man von mir hat; ich würde mich entwerthen. Das wäre aber auch für Euch ein Verlust. Es geht nicht. Euer Plan ist gut gedacht, er ist lockend: aber er ist ungeeignet für mich; ich kann ihn nicht ausführen. –
Jetzt erhob sich Starschädel von seinem Sitze, und der Ausdruck seines Gesichtes war mißfällig für den Herzog. Dieser meinte fast ein leichtes Achselzucken an dem sächsischen Edelmanne zu gewahren.
»Ueberhebt Euch nicht, Herr, in jugendlicher Gesundheit und kriegerischer Kurzsichtigkeit« – rief der Friedländer fast mit der ganzen Herbigkeit und gebieterischen Abschmeckenheit seines Wesens, das er bisher dem Starschädel gegenüber verläugnet hatte – »überhebt Euch ja nicht! Ich bin nicht der Mann dafür. Wenn auch gichtbrüchig, in den Kreisen Eurer Gegner bin ich noch auf dem Sterbelager Mannes genug, Euch alle zu zerschmettern. Euren schwedischen König mit einbegriffen. Dieser König ist überhaupt ein Hinderniß. Wie können wir nebeneinander bestehen!« – Das muß Eure Durchlaucht doch längst überlegt haben, denn Euer Raschin hat ja schon längst mit ihm unterhandelt. – »Was?!« – Zu Brandenburg an der Havel ersichtlich für uns Alle. Graf Thurn, welcher den Raschin eingeführt, macht dessen gar kein Hehl. – »Thurn ist ein Allerweltsmann, wenn's gegen die Kaiserlichen was zu schmieden gilt! Und wenn ich den Schwedenkönig ausforschen lasse, so kann das zu allem Uebrigen eher führen als zu einer Verbindung mit ihm. Ich denke nicht so nachsichtig über das Hereinziehen fremder Potentaten in einheimische Händel wie Eure protestantische Partei, und ich finde Euch persönlich, Herr von Starschädel, nicht eben folgerichtig und charaktervoll in Eurer Allianz mit einem ehrgeizigen Ausländer, welchem deutsche Länder überantwortet werden. Ihr persönlich habt ja, wie mir erzählt worden, immer einen großen Nachdruck gelegt auf Eure deutsche Ausschließlichkeit. Sie scheint in die Brüche gegangen zu sein, damit nur dem unbeliebten Oberhaupte des deutschen Reiches weh gethan werden könne.« – Nun, was die Hereinziehung fremder Kräfte in unsere einheimischen Händel betrifft – erwiderte gereizten Tones Starschädel – so haben sich die Parteien nicht viel vorzuwerfen. Ihr habt vorhin selbst der wälschen Officiere gedacht im kaiserlichen Heere, und was die spanische Partei unter Euch bedeutet, ist weltbekannt. – »Das ist im Verhältnisse zu Euch etwas ganz Anderes. Unsere Dynastie und die spanische sind eng verwandt und hängen auch politisch im Machtbesitze eng zusammen. Ein Blick auf die Niederlande und Italien zeigt das deutlich.« – Und macht es erklärlich, daß wir kein halbspanisches Oberhaupt wollen fürs deutsche Reich. Wir nicht, und – Ihr nicht, Herr Herzog. Was übrigens mich persönlich angeht, so hat Eure Durchlaucht ganz Recht, meine Anhänglichkeit für den Schwedenkönig zu bemängeln. Sie ist aber nicht vorhanden, diese Anhänglichkeit. Ich bin gegen den Schwedenkönig, insofern er eine maßgebende Rolle spielt in den Angelegenheiten meines Vaterlandes, und das ist einer der Gründe, welche mich vermocht haben, die Sendung an Euch zu übernehmen. – »So?! – Das ist mir recht. Nur auf diesem Boden können wir miteinander zur Einigung kommen. Ich unterhandle mit Euch, mit den deutschen Protestanten, nicht mit dem Schwedenkönig. Und da fragt sich's: was bietet Ihr mir für Sicherstellung? Der Schwedenkönig ist jetzt die gebietende Macht drüben jenseits des Erzgebirges; er beherrscht Euch – was vermögt Ihr ohne ihn, was vermögt Ihr gegen ihn?« – Durchlaucht! Damit wird von der Hauptfrage abgelenkt! – »Keineswegs.« – Wir sind eine hinlängliche Macht, den Schwedenkönig in Schranken zu weisen, wenn Ihr an die Spitze eines Heeres tretet und Euch mit uns verbündet. Die Hauptfrage bleibt also: Wollt Ihr das oder wollt Ihr's nicht? – »Wenn ich's nicht wollte, wie käm't Ihr hierher in mein Zimmer! Wozu unterhandle ich mit Arnimb! Ihr seid zu kurz angebunden, junger Herr. Ich will was Ihr wollt; aber ich will es gründlich, will es auf sicherem Wege. Diese Gründlichkeit, diesen sichern Weg würde ich Euch bis in alle Einzelnheiten schildern, säßet Ihr als Herr Hans von Starschädel neben mir. Als solcher seid Ihr, ich weiß es, ein zuverlässiger, gediegener Mensch, der ein Geheimniß fest bewahren kann. Aber Ihr sitzt neben mir als ein Unterhändler. Diesem kann ich nur Umrisse andeuten, welche den Seinigen mitgetheilt werden können; mehr nicht. Dies ist der Grund, daß ich Euch nicht all das sagen darf, was ich Euch sagen möchte und was Euch befriedigen würde.« – Betrachtet mich getrost als Privatmann, wenn Ihr diesem größeres Vertrauen schenken zu dürfen glaubt; ich werde für mich zu bewahren wissen, was nur für mich bestimmt ist. Aber laßt mich ganz aufrichtig reden! Ich begehre keine Vertraulichkeit, welcher ich nicht mit Vertrauen entgegenkomme. Dies Vertrauen heg' ich nicht, seit ich Euer ausweichendes Benehmen im Verlaufe dieser halben Stunde kennen gelernt. Ihr seid nicht der Mann offener Mittheilung, sobald diese große Angelegenheiten betrifft. Wenn Ihr mir also eine solche ankündigt und in so schmeichelhafter Weise machen wollt, so habt Ihr besondere Gründe, und ich würde – »Freilich hab' ich besondere Gründe. Ich will im protestantischen Lager einen Mann haben, der mit gutem Fuge sagen kann: »ich kenne Waldstein's Gedanken ganz und deshalb vertraue ich ihm und empfehle Euch volles Vertrauen!« Dieser Mann könnt Ihr sein, wenn Ihr – zu hören und zu warten versteht.« – Ich höre, Durchlaucht. – »Nun denn! Die Welt meint –«
Ein Klopfen an der Thür, welche zu der langen Reihe von Gemächern führte, unterbrach ihn. Er hielt inne. Verdrießlichkeit lagerte sich auf seinem Antlitze, und er stand auf. Von dieser Seite konnte nur seine Frau oder Tochter eine solche Unterbrechung wagen. Das wußte er, und deshalb war er nur verdrießlich. Er ging langsam zur Thür und sprach: – Oeffne.
Die Thür ward geöffnet, wenn auch nur eine Spalte breit. Es war seine Frau und sie flüsterte ihm zu: – Verzeih', Albrecht! Es ist Gefahr im Verzuge. Oberst Sparr hat uns angezeigt, daß Marradas vom Eintreffen eines sächsischen Unterhändlers unterrichtet ist mit dem Zusatze, daß dieser Unterhändler ein in Wien zum Tode verurtheilter Mann sei. Marradas hat Ordre gegeben, diesen Mann festzunehmen.
»Es ist gut«, erwiderte Waldstein, und auf einen Wink von ihm schloß sich die Thür. »Habt Ihr verstanden?« sagte er gleichgiltigen Tones, indem er an seinen Sessel zurückkehrte. – Nein. – »Nun, dann erinnert mich wenigstens, bevor wir scheiden, daß etwas für Eure Sicherheit geschehen muß; sie ist bedroht. In mein Haus einzudringen wagt der spanische Hohlkopf nicht. Setzt Euch.«
»Die Welt meint« – fuhr er nach kurzer Pause fort, nachdem er sich ebenfalls niedergelassen hatte in seinen ledernen Sessel – »ich sei nur deshalb zu Allem fähig, weil ich von Zorn und Rachsucht erfüllt sei gegen Kaiser und Reich. Ich vergäße die Absetzung von Regensburg nicht und vergäbe sie nicht. Die Welt hat nicht ganz Unrecht. Ich bin ein gallichter Mensch, der seinen Grimm festhält und nachträgt. Dies ist auch nicht blos meine Natur, es ist Regel und Grundsatz darin. Sowie ich den guten Dienst nicht vergesse, so vergesse ich auch den schlechten nicht. Die Menschen sollen merken, daß Alles seine Folge in mir hat. – Trotzdem hat die Welt Unrecht, wenn sie blos meinen Zorn und Ingrimm vor Augen hat bei der großen Frage, die uns beschäftigt. Sie hat Unrecht. Je älter man wird, desto deutlicher bildet sich in uns der Sinn aus für große Zwecke, das Bedürfniß, für etwas Dauerndes gelebt zu haben. Schwärmerische Jugend wie die Eurige, Junker Hans, mag das für ein nebelvolles Gebilde thun, nüchternes Mannesalter wie das meine thut es für ein klar gestelltes Ziel. – Inmitten meiner Siege gegen Mansfeld und gegen den Dänen entstand mir dies Bedürfniß. Es ward mir klar, daß der Krieg nicht endlos dauern könne, daß er eine Grenze finden müsse, und daß diese Grenze nur zu finden sei, wenn man eine neue Gestaltung hinstelle für das Reich. Das beschäftigte mich namentlich im Jahre Siebenundzwanzig. Man erwartete den Kaiser hier in Prag; er wollte hier längere Zeit sein Hoflager halten. Auf diesen Zeitpunkt richtete ich den Abschluß meiner Pläne. Kaiser Ferdinand kam und bezog den Hradschin. Ich sprach ihn täglich, ich bereitete ihn vor auf die endlichen Entschlüsse, welche er fassen müsse, wenn etwas Dauerndes hervorgehen sollte aus unseren Siegen. Er verstand meine Einleitung kaum. An einem Beispiele mußte ich mich deutlicher machen für ihn. Dies Beispiel mußte er verstehen. Es war aus Frankreich genommen, es war Richelieu, und was mehr als Alles für ihn bedeutete, es war ein Kirchenfürst, ein Cardinal. Es war nicht zu verkennen, wie dies innerlich zerklüftete und nach außen machtlose Frankreich von Jahr zu Jahr erstarkte und uns immer gefährlicher wurde. Wodurch? Dadurch, daß jener Cardinal alle die kleinen Dynasten Frankreichs, die Guisen, die Montmorencys, die Rohans und wie sie weiter heißen, niederbeugte und unter die Krone der Bourbons zwängte, dadurch, daß er das Centrum stark und immer stärker machte. Noch mehr! Obwol ein Kirchenfürst, stellte er die Religionsfrage in zweite Linie, stellte er sie hinter das politische Centrum, stellte er sie unter dasselbe. Wenn er für sein politisches Centrum einen Bundesgenossen braucht, so fragt er nicht darnach, welchem Glaubensbekenntniß dieser Bundesgenosse angehört, ganz so wie er jetzt die Angel auswirft nach dem ketzerischen Schwedenkönige. Das that er und das thut er, obwol ein Cardinal! Und wenn der Papst die Stirn runzelt darüber, so zuckt der Cardinal die Achseln zu diesem Stirnrunzeln, und allmälig wird die Einwirkung des Cardinals auf den Papst stärker als die Einwirkung des Papstes auf den Cardinal. Der Papst fängt auch an, die politischen Grundsätze voranzustellen. Ich zeigte dem Kaiser die Striche und Linien, die Fäden und Stricke, welche ich genauer kannte als er, und ich ging nun zur Anwendung über, zur Anwendung aufs deutsche Reich.« – Das einem tyrannischen Alleinherrscher anheimfallen soll, wie Richelieu im Namen des Königs allein zu herrschen anfängt in Paris! – »Geduld, junger Herr! Ein ähnlicher Gang führt nicht in jeder Gegend zu gleichem Ziele. Im deutschen Reiche hindern uns nicht die kleinen Dynasten, sondern die großen. Die Kurfürsten lassen keinen Kaiser aufkommen, sie zerstückeln das Reich. Unter ihnen sind drei geistliche; diese lassen kein Centrum aufkommen; ihr Centrum ist Rom; sie betonen es mit Salbung, daß unser Reich ein heilig römisch-deutsches Reich sei. Darin muß reformirt werden, wenn ein Kaiser und ein mächtiges Reich entstehen soll.« – Und Kaiser Ferdinand?
Waldstein pausirte. Sein graugelbes Antlitz verzog sich widerwärtig; Geringschätzung, Verachtung sprach aus jeder Miene.
»Dieser Kaiser« – sagte er endlich mit kaum hörbarer Stimme – »ist durch die Pfaffen völlig entmannt. Er redete mir nur von den Verpflichtungen, welche er den katholischen Kurfürsten schulde, von den Gefahren des katholischen Glaubens, wenn man den Protestanten politische Zugeständnisse mache. Das Ziel, größere Kaisermacht, gefiel ihm wohl, aber die Mittel mochte er nicht billigen, und der Beichtvater werde nimmermehr Amen dazu sagen. »Nein, Majestät«, erwiderte ich, »und wenn wir dies Amen brauchen zur Reformirung des deutschen Reiches, dann müssen wir verzichten und haben umsonst gesiegt –« Was kam, wißt Ihr selbst. Meine Absetzung und das wahnsinnige Restitutionsedict, welches den Krieg in Permanenz erklärt und dem Schwedenkönig den Weg gebahnt hat, kurz, das Gegentheil von dem, was ich wollte und konnte. – Was in mir vorging, könnt Ihr ermessen, auch wenn Ihr mich nur halb kennt. Ich war fertig mit diesem Manne, der für den Fürstenstuhl in Mainz, Cöln und Trier taugen mag, nicht aber für den Kaiserstuhl. Wie viel hab' ich noch zu leben? Seht mich an! Die Gicht verzehrt meine Kräfte. Was hab' ich also zu fürchten von weltlicher Noth? So gut wie nichts. Zu hoffen hat man aber auch mit siechem Körper, wenn man für große Ziele seines Geistes, nennt es meinethalben des Ehrgeizes, es ist kein schlechtes Wort! wenn man für den Drang seiner Seele eintreten kann mit großen Mitteln, mit voller Wucht. Zu hoffen hat man! Man lebt, man lebt in großer Art, man erfüllt sein Leben. So findet Ihr mich gesinnt, und nun werdet Ihr mich verstehen, daß ich halbe Maßregeln wie die bei Melnik ablehne, zu ganzer und großer Maßregel aber entschlossen und bereit bin. Was Ihr Mangel an Ehrlichkeit nennt, macht mir keine Sorge. Die da in Wien herrschen, sind keineswegs ehrlich gegen mich. Sie brauchen mich und haben die beste Absicht, mich zu mißbrauchen, ja, wenn sie können, mich in den Abgrund zu stoßen, sobald sie es im Stande zu sein glauben. Ich weiß das genau. Sie führen Krieg gegen mich, wie gegen Euch. Was wär' ich für ein Thor, wenn ich Kriegsgebrauch gegen mich anwenden ließe und ihn nicht selbst anwenden wollte. Ich nehme den Krieg an, und sie sollen zusehen, ob sie ihn gewinnen. So steht's, junger Freund. Wir operiren jetzt, sie und ich, wie viel ich Macht bekommen soll. Rückt nur vor mit Euren Sachsen und nehmt vor allem Anderen Prag. Ich mach' Euch deshalb morgen schon Platz. Je mehr Ihr erobert, desto schwerer wird meine Wagschale. Ich zögere in Pardubitz, bis sie voll ist. Alles muß mir die Pfaffenregierung in die Hand gelegt haben, ehe ich das Commando übernehme, und wenn ich Alles habe, dann verkette und verniete ich mir langsam Alles, so daß es an mir, an meiner Person hängt, und nur an mir. Ist das erreicht – und dies dauert bis zum Frühjahr – dann erheb' ich mich von meinem Lederstuhle und steige zu Pferde, die gichtischen Glieder mögen sagen, was sie wollen, und dann Freund, reformiren wir das deutsche Reich.«
Schneidend scharf hatte Waldstein den letzten Theil dieser Rede gesprochen, und am Schlusse derselben hatte er sich erhoben starr in seiner ganzen Länge – der Körper war plötzlich fest und gelenk, das Antlitz gebieterisch, das Auge sprühend.
Starschädel war unwillkürlich mit ihm aufgestanden. Er hatte den Eindruck dies sei Ernst; denn es lag ein noch viel stärkerer Accent des Hasses in Waldstein's Aeußerem, als in seinen Worten, ein Accent des Hasses und der Geringschätzung für die Gegner in Wien, wie des Hochmuthes, des Stolzes, der Zuversicht auf eigenes Vermögen.
Starschädel wollte diese Pause nicht rasch unterbrechen, obwol er seine Bedenken nicht verschweigen wollte, Bedenken über die lange Zögerung bis zum Frühjahre. – Ehe er aber dazu kam, diesen Bedenken Worte zu leihen, unterbrach ein Geräusch die lautlose Stille. Es drang aus den Vorzimmern, welche Rostok vor einigen Stunden zum Erstaunen Leos beherrscht hatte. Laute Stimmen bildeten dies Gespräch, und zwar eine tiefe Baßstimme, eine sanftere Stimme und die fast schreiende Stimme Rostok's. Rostok schreiend in der Nähe seines Herrn, für dessen tiefste Ruhe er Tag und Nacht aufs Sorgfältigste beflissen war! Was konnte ihn dazu verleiten? Sicherlich nichts Geringeres als ein förmlicher Ueberfall. – Sollten die wälschen Kaiserlichen es wagen –?
Dieser Gedanke schoß auch durch Waldstein's Kopf. Er stand einen Augenblick horchend mitten im Zimmer. Dann winkte er stumm mit der Hand und deutete auf die Thür, an welcher er kurz vorher bei seiner Frau gestanden. Starschädel folgte dem Winke und ging durch diese Thür hinaus, sie hinter sich schließend. –
Waldstein dagegen ging krampfhaft festen Schrittes auf die Thür zu, durch welche die Stimmen hereindrangen. Ehe er sie noch erreicht hatte, flog sie auf und ebenso rasch wieder zu, Rostok aber, welcher sie aufgerissen und wieder zugedrückt, hatte in dieser Schnelligkeit Zeit gefunden, seinen geschmeidigen Körper hereinzuschieben und sich im Zimmer des Herzogs mit dem Rücken gegen die Thür zu lehnen. Sein Gesicht war bleich und die Kinnlade klappte auf und nieder, es glich jetzt ganz einem erschrockenen und erbosten Affen. Stammelnd nur stieß er die Meldung hervor: Don Balthasar Marradas und der Wiener Jesuit hätten den Zutritt erzwingen und ihn auf die Seite schieben wollen –
»Sind sie allein?« fragte Waldstein halblaut. – Hier oben, ja, wie's scheint. Aber unten vom Ring her sind Truppen aufgestellt und, wie ich glaube, vertheilt – in Bogen – weit – um das Palais –
Waldstein schwieg. Es schien ihm wol unmöglich, daß Don Balthasar etwas Gewaltsames gegen ihn wagen sollte. Aber wenn man sich schlimmer Liebe bewußt ist gegen seinen Herrn, so fehlt es doch in bedenklichen Augenblicken nicht an einer innern Stimme, welche flüstert: Sie durchschauen dich ganz, sie haben bestimmtere Zeugnisse als du glaubst, daß sie haben können, sie fassen sich verzweiflungsvoll ein Herz, sie fassen dich –! Selbst Waldstein, ein Mann von hochmüthiger Dreistigkeit, hörte in diesem Moment das Flüstern jener Stimme: »Du hast soeben wieder hochmüthig, ja beleidigend abgelehnt, dem Kaiser zu gehorchen – sollten sie doch einen vorgesehenen Schluß wider dich in Händen haben –?« flüsterte es auch in ihm. Dann zuckte seine rechte Hand und er rief mit voller Stimme: – Oeffne!
Rostok gehorchte, und mit gutem Tacte riß er beide Flügel der Thür auf – drüben im lichten Vorsaale stand Don Balthasar von Marradas und Pater Norbert; hier stand in noch hellerer Beleuchtung der Herzog von Friedland. – Langsamen, festen Schrittes, ohne Stock ging er durch das Zwischenzimmer hinüber in den Vorsaal bis dicht zu den beiden Männern, ohne ein Wort zu sagen.
Sie verbeugten sich, gleichsam vor seinem furchtbaren Blicke. Don Balthasar tiefer als der Jesuit.
Don Balthasar war ein Mann von kleiner Mittelgröße, ein Mann noch in frischen Jahren, von brauner Gesichtsfarbe, aber von ganz weiß gebleichtem, wollig gekraustem Haar und Bart und mandelförmig geschlitzten braunen Augen.
»Was heißt das, Don Balthasar – begann endlich Waldstein mit tiefer, grollender Stimme, – daß Ihr meinen Hausfrieden so grell zu stören wagt!? Wißt Ihr, wo Ihr seid und was Sitte ist um den Herzog von Friedland? Was unterfangt Ihr Euch?«
Don Balthasar war nicht ohne spanischen Stolz, und diese Behandlung von Seiten Waldstein's empörte ihn. In Wahrheit war ihm gegenüber Waldstein nichts als ein vornehmer Privatmann, und er, Don Balthasar, war als Commandirender in Böhmen die erste Person des Landes, der Vertreter des Kaisers. Er kam in einer öffentlichen Angelegenheit; denn der Marchese di Grana und Pater Norbert hatten ihm klar gemacht, daß der sächsische Edelmann nicht nur ein Unterhändler des Feindes, und zwar wahrscheinlich ein Unterhändler in Dingen und Plänen sei, welche der Herzog verrätherisch gegen den Kaiser betreibe, sondern daß dieser Edelmann ein in Wien zum Tode verurtheilter, ganz besonders verhaßter Mann war. Ihn festzunehmen werde in Wien willkommene Folgen haben. Man könne vor allen Dingen aufklärende Papiere bei ihm finden. Nur in solcher Stellung, in Ausführung solcher Aufgabe, nachdem er noch keinen weiteren Schritt gethan als den, die Zimmer des Herzogs zu betreten, fahre ihn der Herzog an wie einen zudringlichen Diener?! – Er war im Begriff, nachdrücklich zu antworten. – Aber das Auge des Friedländers befing ihn. An diesem Auge hatte Jahre lang seine ganze Laufbahn gehangen – die Laufbahn! Das war es. Don Balthasar war zuerst und zuletzt ein Glücksritter. Stellung und Vermögen wollte er sich erringen, und bei aller Eigenliebe mußte er sich doch eingestehen, daß seine Geistesgaben allein kaum zureichen würden, sehr hoch hinauf zu kommen. Gunst war doch erforderlich für ihn, und trotz dem Marchese und dem Pater Norbert raunte ihm doch sein Instinct des Glücksritters zu: Sei vorsichtig! Dieser fürchterliche Herzog da vor dir hat doch ein Etwas, das sich nicht wegläugnen läßt, ein Etwas vom gebietenden Herrn, das selbst der Kaiser nicht wird entbehren mögen, oder nicht wird brechen können. Am Ende ist doch im Handumkehren dieser Friedländer wieder allmächtig und wirft dich zu den Todten, wenn du – kurz, Don Balthasar fand eine Vermittlung zwischen seinem Stolze und seiner Furcht, und entschuldigte sich mit seiner Amtspflicht. Diese gebiete, auch im Interesse des Herrn Herzogs selber, ein Einschreiten gegen den verurtheilten und kaiserfeindlichen Edelmann aus Sachsen, welcher wol den Herzog von Friedland selbst mißbrauche.
»Unverständliches Zeug, was Ihr da sprecht« – erwiderte Waldstein, der noch nicht durchsah, wie viel oder wie wenig gegen ihn selbst dahinter liege – »was wollt Ihr eigentlich?« – Den gefährlichsten Ketzer, den schlimmsten Feind unserer Kirche nach Wien abliefern, Durchlaucht! – antwortete in sehr höflichem, aber sehr bestimmtem Tone Pater Norbert, welcher innerhalb der letzten zehn Jahre ein vollendeter Diplomat des Jesuitenordens geworden war. – »Ah so?!« entgegnete Waldstein – »es rührt von Euch her, mein Herr Pater? – Der kaiserliche General Marradas kommt als Diener der Inquisition?!« – Das nicht! schaltete Marradas ein. – »Nun dann«, rief Waldstein plötzlich ganz leichten Tones, denn er meinte eingesehen zu haben, daß gegen ihn selbst nichts dahinter lauere – »dann schickt nur eilig Reitende nach Wien. Ich glaube, der Sachse ist schon auf dem Wege dorthin, um vom sächsischen Kurfürsten Vorschläge an den Kaiser zu überbringen.«
Don Balthasar war von dieser Rede sehr betroffen, und Pater Norbert sah fragend in das Angesicht Waldstein's, welches sich zu einer malitiösen Heiterkeit verzogen hatte.
»Glückliche Reise, Ihr Herren von Rom und Oesterreich nach Wien!« rief in die kurze Pause hinein eine tiefe Frauenstimme.
Hinter dem Herzoge, aus dem Zimmer des Herzogs war eine hochgewachsene, schwarz gekleidete Frau eingetreten, eine alte Frau mit schneeweißem Haar, mit stechendem, grauem Auge, mit einer aufgestülpten Nase und einer rothen Gesichtsfarbe, die grell abstach von dem weißen Haar. Sie war aus den Sälen gekommen, in welchen die Herzogin und Herr von Starschädel verschwunden waren, und hatte die letzte Rede Waldstein's im Hereinschreiten angehört. Näher tretend, wiederholte sie ihren Wunsch: »Glückliche Reise!« und setzte mit ihrer langsam betonenden Altstimme hinzu: »Den sächsischen Edelmann werdet Ihr freilich in Wien nicht finden, denn mein Herr Vetter, der Herzog, irrt sich, der Sachse ist noch hier, er courtoisirt da drüben dieselben Damen, welchen dieser fromme Herr Pater in jüngeren Jahren recht warme Aufmerksamkeit geschenkt hatte«.
Ueberrascht und erstaunt sahen alle drei Männer auf die starkknochige Frauengestalt. Es war die alte Gräfin Tertschka, die Mutter des Generals Adam Erdmann Dertschka von Lipa. Dieser ihr Sohn Adam hatte wie Waldstein eine Harrach zur Frau, eine Schwester Isabellens. Dies war die Verwandtschaft, durch welche sie sich ermächtigt glaubte, den Herzog von Friedland ihren Vetter zu nennen. Sie glaubte sich überhaupt zu allem Möglichen ermächtigt, wie diese unberufene Einmischung zeigte. Sie war entschlossen wie ein Kriegsmann, war klug und begabt, aber über die Maßen leidenschaftlich. Sie liebte und haßte mit fast thierischer Rücksichtslosigkeit und hatte jetzt in ihren alten Tagen die Politik zu ihrem Steckenpferde erwählt. Die Herrschaft des Kaisers über Böhmen war ihr ein Gräuel; diese Herrschaft um jeden Preis abzuschütteln war ihr Lebensziel, und Waldstein war in diesem Betrachte ihr Messias. Daß er es vollbringen könne, war ihr außer Zweifel, daß er so lange zögerte mit der Vollbringung, war ihr Höllenpein. Schon vor der Absetzung in Regensburg hatte sie seinen Ausbruch erwartet. Daß Waldstein damals sich schweigend gefügt, hatte sie an den Rand des Grabes gebracht: ein hitziges Nervenfieber hatte ihr Wochen lang die Besinnung geraubt. Daß er jetzt wieder zögerte, da die Sachsen bereits einrückten, war ihr ein Abscheu. Sie war ganz und gar gegen Waldstein's neue Uebernehmung des Commandos. Nicht weil er dann durch eine große Pflicht an den Kaiser gebunden würde, o nein! Solche Scrupel hegte sie nicht. Aber sie kannte den Herzog, sie fürchtete einen Charakterzug desselben. Dann wird er wieder ruhig im Besitze der Macht – rief sie – dann lächelt er über uns weg, wenn wir zum letzten Bruche treiben, dann kommt die astrologische und strategische Manie wieder oben auf, welche Alles, auch das Kleinste erst sicher gestellt haben will. In die Schlacht hinein muß man ihn stoßen, keine Wahl muß man ihm lassen, dann erheben sich all seine Kräfte mit einem Male, und er besiegt Alles, Alles! – Sie hatte nämlich ein grenzenloses Zutrauen in seine Fähigkeiten, sie liebte ihn eben wie ihren Messias. Das wußte Waldstein, und deshalb war er schwach gegen sie, deshalb vergab er ihr so viel. Die menschliche Eigenliebe und Eitelkeit ist nun einmal so geartet, daß sie den Zudringlichkeiten nicht gram werden kann, wenn diese aus Zutrauen zu uns entspringen. Zehnmal schon hatte sie ihn wie jetzt seinen Gegnern gegenüber bloßgestellt, er wußte, daß sie es systematisch that, daß sie die Anderen, Ludmillen zum Beispiel, hetzte, desgleichen zu thun, damit ihm der Rückweg abgeschnitten, damit er zum Vorwärtsgehen genöthigt würde, zehnmal hatte er's ihr vergeben – jetzt auch vielleicht vergab er's ihr wieder, wenn sie nicht weiter ging.
Aber sie ging weiter. Sie hielt die Gelegenheit für zu günstig. Der Wiener Jesuit besonders, der Pater Norbert, war ihr unschätzbar. Sie wußte recht gut, wie Waldstein mit den Jesuiten stand, und daß er sie mit Wohlthaten fesselte, um ihre directe Gegnerschaft zu ersticken. Diesem Pater mußte rasch ein Stichwort gegeben werden, daß er es eilig zu Lamormain in die Wiener Hofburg trage. Höhnisch also wendete sie sich gerade an ihn, ehe Waldstein noch ein Wort erwidert hatte auf ihre Einmischung, und sagte: – Ja, ja, Herr Pater Norbert, einst Jaromir von Zierotin, durch Herkunft berufen, ein freier mährischer Cavalier zu sein und nun ein Diener des gestrengen Ordens, er ist da drinnen, derselbe Junker Hans, welcher Euch damals im Wege stand vor der schönen Ludmilla. Er plaudert eben mit ihr in einer Fenstertiefe. Sie haben sich so viel zu sagen! Die Welt ist endlich in den Zug gekommen, den Ihr und die Euren so lange gehemmt, das Ketzerthum ist im Siege und bricht herein über alle die Grenzen, welche das römische Pfaffenthum sorgfältig versperrt hielt, in die sogenannten Erblande wälzt sich die Fluth, und Ihr habt Eile, die nöthigen Habseligkeiten und Eure Person zu retten. Die größte Eile, denn man sagt, mit nächstem Neumond schon werde ein neuer König von Böhmen proclamirt werden, und diesmal kein unerfahrenes Männchen deutschen Blutes, sondern ein kriegserfahrener böhmischer Herr, ein Feldhauptmann sonder Gleichen –
»Gräfin Wanda, was soll die Faselei –?!« rief Waldstein, und griff nach ihrem Arme. – Die Herren da halten's nicht für Faselei. Sie wissen recht gut was ich meine, und in ihren Stiefeln krabbelt's wie von Ameisen, hinaus zu kommen aus diesem Hause, aus dieser Stadt, aus diesem Lande, wo die Rachegeister überall den Boden öffnen, um sie zu verschlingen und die fremde Gewaltherrschaft von Wien und Rom – »Basta!« rief Waldstein mit erhobener Stimme, in welcher jener Ernst waltete, welchem selbst die freche Gräfin Wanda sich nicht entziehen konnte. Sie schwieg mit offenem Munde. Waldstein aber fuhr kühlen Tones fort gegen Don Balthasar und Pater Norbert: »Unser Geschäft hat nichts mit Weibern zu thun. Wäre der sächsische Edelmann wirklich noch da, was ich bezweifle, so wiederhole ich Euch: seine Botschaft geht an den Kaiser selbst, und zwar durch mich. Wollt Ihr ihn also antasten, so habt Ihr's mit mir zu thun. Ich gehe morgen schon nach Pardubitz und erwarte dort den Fürsten von Eggenberg von Seiten des Kaisers. Ihr, Pater Norbert, mögt in Wien dem Pater Lamormain von mir ausrichten, daß sein Brief an mich gelangt ist, und daß nach Rücksprache mit Eggenberg meine Antwort von Pardubitz erfolgen werde. Ihr, Don Balthasar, da Ihr einmal da seid, mögt die Kunde mitnehmen, daß das kursächsische Heer unsere Grenze bereits überschritten hat, daß es am rechten Elbufer aufwärts rücken und wahrscheinlich Prag umgehen wird. Wie Ihr Euch dabei benehmen könnt, wenn Ihr im Osten überflügelt werdet, das bleibt Eurer Verantwortung überlassen. Habt Ihr diese Verantwortung mir zu leisten, dann seht Euch vor! Ihr wißt, daß ich strenge Forderungen mache in strategischen Dingen, und daß mir der Krieg eine Wissenschaft heißt und eine Kunst. Noch Eins! Arnimb selbst commandirt die Sachsen, und er versteht nicht nur das Handwerk, er versteht die Kunst des Krieges. Nehmt Euch in Acht vor ihm und – vor mir. Mein Haus zu überfallen ist freilich leichter als ein Kriegsheer zu lenken. Im Uebrigen Gott befohlen!«
Don Balthasar und Pater Norbert entfernten sich unter tiefer Verbeugung. Als sie an der Ausgangsthür waren, schlug die alte Gräfin Tertschka ein schallendes Gelächter auf. – Beide wendeten sich um. – Waldstein winkte ihnen verabschiedend. Sie schritten über die Schwelle hinaus. – Genug! sprach Waldstein stark in das fortdauernde Gelächter der Gräfin hinein – das Gelächter hörte auf.
»Wir sind zu Ende mit einander, Gräfin«, fuhr er fort, »solcher Weiberkram widert mich an. Wenn ich nicht eben fortginge, würde ich Euch den Zutritt in meinem Hause untersagen. Ihr habt den letzten Moment wahrgenommen, Euch unnütz zu machen. Thörin! Du wirst mich nicht übereilen dadurch, daß Du die Gegner in Wien auf mich hetzest. Ich selbst bezeichne Dich dort als verrückt und als Eine, die ich endlich aus meinem Hause gewiesen. Was bist Du nun? Eine schwatzhafte Närrin.«
Er hörte nicht auf ihre Erwiderung, an welcher sie es ganz tapfer nicht fehlen ließ, sondern schritt nach seinem Zimmer. Sie folgte ihm auch dahin. Es war offenbar, daß Waldstein ihr einen intimeren Verkehr gestattet hatte als sonst Jemand, und es war dies auch natürlich. Die alte Gräfin Wanda von Tertschka lebte nur in ihm und für ihn; er war ihr Landesherr, er war ihr König von Böhmen. Daß sie Gut und Blut für ihn opfern würde im Falle der Noth, war zweifellos für ihn. Ebenso zweifellos war ihr männlicher Verstand, ihre männliche Willenskraft. Wie hätte sich Waldstein's Interesse, wie hätte sich seine Eigenliebe solcher Hingebung entziehen können, entziehen mögen!
Dennoch hörte er jetzt nicht mehr auf sie. Es war wirklich seiner Natur widersprechend, daß seine Anhänger ihn leiten sollten. Vollends Weiber. Daß Ludmilla schon etwas Aehnliches versucht, belehrte ihn, daß hier ein völliger Plan vorliege. Jetzt war es aus bei ihm mit irgend welcher Nachsicht. – Er ging durch sein Zimmer hindurch in die Säle hinein, Starschädel aufzusuchen. Die ihm folgende alte Gräfin war nicht vorhanden für ihn –
Starschädel stand mitten im Saale, umgeben von Isabella, Ludmilla, Magna und Magna's Vater, dem Obersten Sparr. Letzterer schritt dem Herzoge entgegen, und wollte sprechen –
»Still, Sparr! Nichts mehr vor Weibern! Folgt mir sammt Herrn von Starschädel. – Isabella, es bleibt dabei: wir reisen morgen. Triff Deine Vorbereitungen. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Du vor dem Sommer hierher nach Prag, oder überhaupt nach Böhmen zurückkehrst.« – Und Herr von Starschädel? fragte Isabella. – »Steht unter meinem Schutze. Ade.«
Er ging in sein Zimmer zurück. Sparr und Starschädel folgten ihm. Die alte Gräfin Tertschka machte auch Miene dazu – ein strenger Blick und eine scharfe Armbewegung des Herzogs wies sie zurück. Im Zimmer angekommen setzte er sich und winkte in den Vorsaal hinüber, zu welchem die Thüren noch offen standen, und in welchem Rostok seines Winkes gewärtig war. Rostok glitt wie ein Fisch durchs Wasser herbei.
– Scherfenberg rufen lassen! Nach ihm Zenno! Morgen Vormittag reisen. Alles mitnehmen wie ins Feld. Weiter! Rostok glitt von dannen, und schloß die Thüren hinter sich.
»Herr von Starschädel, Ihr seid wirklich gefährdet; ich weiß kaum wie weit. Der Jesuit ist hier und der Marchese kann Vollmachten haben. Der Ueberfall bei mir deutet darauf hin. Marradas hätte ihn auf seine Faust nicht gewagt. Ihr müßt Euch also ganz meinem Schutze anvertrauen und könnt nicht mehr versuchen, allein aus Prag zu gehen. Nehmt Nachtherberge in meinem Hause an und verlaßt mit mir morgen die Stadt in meinem Gefolge. Ist's Euch recht?« – Ich bin Eurer Durchlaucht dankbar. – »Sparr! Ist's wahr, daß Truppen vertheilt worden sind vom Ring herauf?« – Es hat mir so geschienen, als ich kam. – »Besser wär's, Ihr wüßtet es genau. Es liegt darin ein Merkmal, wie weit die Spanischen vorzugehen wagen. Gehen wir sicher und nehmen wir das Aeußerste an. Ist Dein Regiment schon herein?« – Noch nicht! Es liegt noch draußen auf den Dörfern. – »In welchen Dörfern?« – In Chwala und Nehwizd. – »Das ist gut; dort will ich hinaus. Und die Stücke?« – Sind ebenfalls noch draußen. – »Gieb Ordre, daß nach Sonnenaufgang morgen Alles bis ans Glacis hereinmarschirt. Die Stücke voran. Stell' sie schußfertig auf mit brennender Lunte. Vom Glacis herein bis nahe an den Pulverthurm. Deine sichersten Compagnien. Wenn man Dich fragen will, so bist Du nicht zu finden, bis ich hinaus bin, und dann –« Sorgt nicht, Durchlaucht! Meine Truppen haben's erbeten, um ihren alten Feldhauptmann zu begrüßen, der ja vom Kaiser neuerdings zum Capo der ganzen Armada berufen sei. – »Meinetwegen. Sollten die Spanischen das Geringste versuchen, und solltet Ihr erkennen, daß meine Leute nicht genügten, so macht Ernst. Vor allen Dingen nehmt dann Marradas fest und bringt ihn zu mir, damit ihnen die Einheit des Commandos zerbrochen werde. – Da kommt Scherfenberg!«
Ein stattlicher Mann in den Dreißigen trat ein. Er trug die rothen Farben des Friedländers und stellte sich schweigend hin.
»Sind heut Abend kaiserliche Truppen aufgestellt worden vom Kleinstädter Ring her?« – Ja, Durchlaucht. Piquets, die Fühlung an einander nahmen. – »Also wirklich! Warum habt Ihr's nicht gemeldet?« – Ich dachte nicht, daß es Bedeutung für Durchlaucht habe. Stieg übrigens soeben herauf, um Rostok zu fragen, ob Durchlaucht mich annehmen wollte. – »Scherfenberg! Meine ganze Leibwache fertig machen zum Ausrücken morgen Vormittag. Kriegsmäßig. Das Geleit in voller Strenge, als marschirten wir durch feindlich Land. Euer Posten an meinem Wagen. Weiter!«
Scherfenberg verbeugte sich und trat ab. – Der Herzog griff nach der Glocke auf seinem Schreibtische und bewegte sie. Rostok trat ein.
»Ist Zenno da?« – Zu Befehl, Durchlaucht. – »Dem Herrn von Starschädel hier ein Gastzimmer neben meinen Gemächern anweisen und Dienerschaft zu Gebote stellen auch für die Stadt. Ihr verlaßt mein Haus nicht, Herr von Starschädel, und laßt Eure Begleitung und Pferde hierher bestellen. Gute Nacht!«
Sparr und Starschädel grüßten und gingen. Der Herzog blieb eine Weile allein; er stand nachdenklich mitten im Zimmer. Dann öffnete sich leise die Thür und geräuschlos trat ein kleiner Mann ein im schwarzen Talare. Ein langer, schwarzer Bart wallte ihm bis tief auf die Brust herab. Es war Zenno, des Herzogs Astrolog. »Wie stehen die Zeichen?« fragte der Herzog. – Trübe! antwortete der Astrolog.