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Wiederaufleben des Kampfes um die Mädchenbildung

Im August 1908 kamen die revidierten Pläne. Sie brachten Sieg und Niederlage der Frauen in genau umgekehrtem Verhältnis wie die Entwürfe von 1906. Das Prinzip der Gabelung war zugestanden, dafür aber waren dem höheren Lehrerinnenseminar (erst 1911 wurde sein Charakter durch den Namen »Oberlyzeum« verhüllt) höchst verhängnisvolle Universitätsberechtigungen zugedacht (vierter Weg!), was sich erst im Laufe der nächsten Jahre entschleierte. Und hinsichtlich des weiblichen Anteils an Leitung und Unterricht ließ die Regierung die Frauen ganz und gar im Stich. Von einer Wirkung der der Konferenz vorgelegten und von ihr so nachdrücklich bejahten Frage: »Ist nicht darauf Bedacht zu nehmen, die Leitung der höheren Mädchenschulen in weitgehendem Maße in die Hand von Frauen zu legen?« war in der Neuordnung von 1908 nichts zu spüren; ja die Stellung der Frauen war durch neue, bis dahin unerhörte Bedingungen bedeutend erschwert Vgl. »Die Frau«. Oktober 1908..

Das war um so peinlicher, als die erste Anerkennung unseres Grundsatzes einen Kampf heraufbeschworen hatte, der zu den abstoßendsten und widerwärtigsten Episoden der ganzen deutschen Frauenbewegung gehört. An den Kampf gegen die weibliche Leitung öffentlicher Mädchenschulen heftete sich ein organisierter und konzentrierter Widerstand gegen die Frauenbewegung überhaupt, den der zu diesem Zweck gegründete »Bund zur Bekämpfung der Frauenemanzipation« unter Leitung von Oberlehrern führte.

Er setzte im Frühjahr 1906 ein mit dem Protest von 126 Direktoren öffentlicher Mädchenschulen in Preußen gegen jede Bevorzugung von Frauen für leitende Stellen. Gleichzeitig fanden die zunächst verstummten Oberlehrer die Sprache gegen »die Anmaßung der Frauenrechtlerinnen«, und da der Deutsche Lehrerverein in München Pfingsten 1906 die »Lehrerinnenfrage« behandelte und mit einem Verdikt über die erziehliche Minderwertigkeit der Lehrerin »löste«, so war dafür gesorgt, daß die richtige Stimmung auch in weiterem Kreise den Kampf gegen die Frauen in der Schule stützte Gertrud Bäumer: »Die Gegner der weiblichen Leitung und ihre Kampfesweise«. »Die Frau«, Februar 1911..

Ich habe kaum je in meinem Leben so stark das Bewußtsein gehabt, im Kampf zu stehen, als vor der vieltausendköpfigen Lehrerversammlung in München, die mit Ausnahme einer kleinen Minderheit unserem Grundsatz, daß Mädchenbildung in erster Linie Frauensache sei, den geschlossenen Widerstand des »verletzten Mannesgefühls« und der bedrohten Berufsinteressen entgegenwarf und angesichts der Lehrerinnen jeden Anwurf, jeden uralten Witz über sie mit breitestem Behagen quittierte. Niemals habe ich so deutlich gewußt wie damals, daß hier uns eine Macht entgegenstand, die nie »gewonnen«, sondern nur durch unbeugsames Beharren auf unserem Boden gebrochen werden konnte. Niemals ist mir das Wesen der Widerstände, denen die Frauen ihr Recht auf geistige Wirkung abringen müssen, so greifbar gewesen, wie in der Haltung der Mehrheit dieser Versammlung. Nie aber auch die Bedeutung des geschlossenen Zusammenstehens der Frauen so deutlich, wie in der der Tagung unmittelbar folgenden Protestversammlung des Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenvereins, in der auch ein Mann wie Kerschensteiner sich mit dem Ausspruch, daß für die Mädchenerziehung zweifellos nur die Frau in erster Linie in Frage kommen könne, auf unsere Seite stellte.

In der Folge organisierte sich ein richtiger Feldzug gegen die weibliche Schulleitung. Oberlehrer und Lehrer an Volksschulen fanden sich in nie dagewesener Harmonie zu diesem edlen Zweck zusammen. Durch die Standesorganisationen wurden die Oberlehrer verpflichtet, sich unter keinen Umständen an einer Schule mit weiblichem Direktorat anstellen zu lassen, und da die Bestimmungen verlangten, daß mindestens ein Drittel der Lehrkräfte an höheren Mädchenschulen männlich sein müsse, so konnte ein solcher Boykott eine höhere Schule unter weiblicher Leitung natürlich unmöglich machen. Das Publikum wurde mit allen Mitteln zur Unterzeichnung von Petitionen bearbeitet, die dartun sollten, daß das Volksempfinden sich dagegen auflehne, daß ein Mann eine Frau, »noch dazu eine ledige«, zur Vorgesetzten habe. Andere männliche Berufsorganisationen, Handelsangestellte, Militäranwärter usw. wurden als Bundesgenossen eingesetzt. Die Jahrzehnte alten Spießbürgerideale wurden noch einmal, neu auflackiert, gegen die Frauen ins Feld geführt. »Für den Ehemann« – so der bei uns zur komischen Figur gewordene Führer dieses Kampfes, Herr Langemann – »sei die Erhaltung der echten weiblichen Eigenart geradezu eine Lebensfrage. Er sei einfach nicht imstande, den doppelten Kampf zu kämpfen, einmal mit den Widerwärtigkeiten, Mühen und Sorgen des Berufslebens und danach noch mit widerstrebenden, eigenwilligen, selbstsüchtigen häuslichen Gewalten.« Er bedürfe einer Frau der alten Eigenart, um, wenn er »nach dem schweren Kampf da draußen seinem trauten Heim entgegeneilt, dort die Liebe und Hingebung zu finden, die er in der kalten Welt nicht fand.« Und dieser Schätze wollten wir ihn berauben, indem wir die Mädchen schon mit dem Ideal der »geistig und sittlich freien Persönlichkeit« erfüllten. – So war alles noch einmal wieder heraufbeschworen, was jemals uns widerstanden hatte. Wie zäh war das Leben dieser philisterlichen Herrengefühle!

Heute kommt mir dieser Kampf, der selbstverständlich mich selbst im besonderen zur Zielscheibe nahm und schließlich nicht ohne heitere Eindrücke war, wie ein Riesenrückzugsgefecht eines schon die künftige Niederlage ahnenden Feindes vor. Auch damals hat uns das fröhliche Gefühl nie verlassen, daß dies eine notwendige und natürliche Entwicklung wohl hemmen, aber nicht abschneiden könne. Und schließlich konnte es uns ja recht sein, wenn der Kampf in einer Form geführt wurde, bei der schließlich doch vor dem Geschmack aller irgendwie belangvollen Leute diese Gegner abwirtschaften mußten.

Der Krieg brachte diese Auseinandersetzungen zum Schweigen. Die Entwicklung des Mädchenschulwesens war bis dahin zwar äußerlich in den meisten Punkten unserem Ziel naher gerückt, in der einen großen und für mich entscheidenden Frage des weiblichen Einflusses aber eher zurückgeworfen. Hier ist die Zukunft uns noch alles schuldig.


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