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Siebenundzwanzigstes Kapitel

Auf dem Fest für Mr. Williams hatte Frau Inge gegen Schluß die Verlobung Rolf-Häslein verkündet. Der Eindruck, den es hervorrief, war nicht überwältigend. Williams nahm zu sehr das Interesse in Anspruch, als daß man noch Sinn für anderes hatte. Der Verkündigung war eine kurze Aussprache zwischen Rolf und Häslein vorausgegangen.

Rolf hatte mehrfach ohne Erfolg eine Gelegenheit gesucht, Häslein für ein paar Augenblicke allein zu sprechen. Sie stand wie alle Andern zu sehr unter dem Eindruck der Vorgänge im Saal und sagte jedesmal, wenn Rolf um eine Unterhaltung bat:

»Später! – es eilt ja nicht.«

Und da er derselben Ansicht war, so fanden sie sich erst während der Ansprache des Ministers in einem Salon, der an den großen Saal stieß, zusammen.

»Es wird sehr schnell gehen, was ich dir zu sagen habe, Häslein!«

»Um so besser.«

»Wir kennen uns nun bald fünf Jahre.«

»Viereinhalb,« erwiderte sie.

»Wie genau du das weißt.«

»Ich war damals mit dem Baron …«

»Laß das! – Es paßt nicht zu dem, was ich dir sagen will.«

»Ich war ja damals noch nicht deine Freundin.«

»Ich weiß.«

»Du kannst nicht verlangen, daß ich dir treu war, ehe wir zusammen gingen.«

»Gewiß nicht. – Ich möchte dich aber bitten, es in Zukunft zu sein.«

»Nanu?«

»Da ich die Absicht habe, dich zu heiraten.«

»Rolf!«

»Ueberrascht es dich?«

»Und wie!«

»Hat denn Frau Inge nicht mit dir gesprochen?«

»Doch! – Aber denke nur, was alles dazwischen liegt.«

»Wenn ich nicht irre, nur der heutige Abend.«

»Nur? – Ist das nicht genug?«

»Als meine Frau wirst du eine gesellschaftliche Position einnehmen.«

»Ich fürchte, daß das sehr unbequem ist.«

»Wir werden ein großes Haus machen.«

»Du! Illes will seine Villa im Tiergarten verkaufen.«

»Wenn sie groß genug für uns und unsere Dienerschaft ist und genügend Räume für Gesellschaften und Empfänge hat, werde ich sie kaufen.«

»Er verlangt sechzigtausend Dollars.«

»Er wird sie auch für fünfundvierzigtausend lassen.«

»Laß mich mit ihm reden! Dann macht er's bestimmt billiger.«

»Gut! aber vergiß nicht, daß du von diesem Augenblick ab meine Braut bist.«

»Vielleicht ist es dann besser, wir verloben uns erst morgen.«

»Nein!«

»Dann wirst du wohl sechzigtausend Dollars bezahlen müssen.«

»Wenn es nicht anders geht, werde ich auch das bezahlen. – Wichtiger ist, daß wir einen Uebergang schaffen.«

»Was für einen Uebergang?«

»Alle Welt kennt dich als meine Freundin.«

»Das macht doch nichts.«

»Es gibt Familien, bei denen wir verkehren müssen, die sich daran stoßen.«

»Laß sie doch!«

»Du mußt auf ein, zwei Monate aus Berlin verschwinden und zu deiner Mutter nach Bremen gehen.«

»Rolf! Da mopse ich mich tot.«

»Ich mache unsere Verlobung bekannt, und man wird mich bis zum Tage der Hochzeit immer allein sehen.«

»Das hältst du nicht aus, Rolf! Ich kenne dich.«

»Es muß sein!«

»Hast du mir sonst noch was zu sagen?«

»Ich wüßte nicht.«

»Ich bin nun also deine Braut?«

»Ja! – gib mir die Hand.«

»Da hast du sie.«

Sie reichte ihm die Hand; er führte sie zum Mund und küßte sie.

»Wie vornehm!« sagte Häslein.

Etville kam eben aus dem Saal, sah sie und fragte:

»Was geht denn mit euch vor?«

»Rate!« sagte Häslein.

»Na, sehr zärtlich scheint ihr ja gerade nicht miteinander.«

»So rate doch!« drängte Häslein.

»Ihr wollt euch doch nicht etwa trennen?«

»Beinahe erraten! Ungefähr so.«

»Oh, da komme ich dann ja gerade zurecht.« – Er trat an Häslein heran und wollte den Arm um sie legen. Sie wehrte ab und sagte:

»Pscht! – Wir haben uns soeben verlobt. Wir heiraten.«

»Nicht möglich!«

»Tatsache!« erwiderte Häslein, und Rolf bestätigte auf Etvilles fragenden Blick:

»Es ist so!«

Etville fand sich schnell auch in diese Situation, gratulierte und sagte:

»Als erster Gratulant habe ich Anwartschaft auf die Stelle als Hausfreund.«

»Alles zu seiner Zeit,« erwiderte Rolf. »Darüber könnt ihr einen Tag nach der Hochzeit sprechen.« –

Während das junge Paar in den Saal ging, überlegte Etville, wie er seinen Antrag bei Frau Inge vorbringen sollte. Die hatte eben die Verlobung Rolfs und Häsleins verkündet, als er an sie herantrat und sagte:

»Auf ein Wort, Frau Inge.«

»Gern, Baron.«

»Sie stiften anderer Leute Ehen, ohne an die Ihre zu denken.«

»Ich stifte nicht – ich verkünde nur.«

»Wollen Sie mir einen Gefallen tun?«

»Gern!«

»Da Sie doch gerade mal dabei sind …«

»Baron, Sie haben sich verlobt?«

»Ich stehe im Begriff, es zu tun. – Vorausgesetzt, daß Sie bereit sind, es zu verkünden.«

»Herzlich gern. – Also mit wem?«

»Klopfen Sie nur ans Glas! Ich spreche es Ihnen vor.«

»Warum so geheimnisvoll?«

»Ich bin abergläubisch.«

»Also gut!« – Frau Inge klopfte ans Glas und verkündete: »Die Ereignisse jagen sich. Ich habe das Vergnügen, eine weitere Verlobung zu verkünden. Der Ihnen allen bekannte Baron Ottmar von Etville hat sich soeben mit …«

»... der Baronin,« flüsterte ihr Etville zu, der neben ihr stand, und sie fuhr fort:

»... der Baronin …«

»Inge von Linggen,« soufflierte er.

Frau Inge stutzte. Es hing an einem Haar und sie hätte den Namen ausgesprochen. Sie senkte für einen Augenblick den Kopf. Im Saal herrschte atemlose Stille. Frau Inge hob langsam den Kopf und fuhr fort: »Die Braut hat den begreiflichen Wunsch, zunächst ihre Eltern von ihrer Verlobung in Kenntnis zu setzen. Wir müssen uns also darauf beschränken, den Baron zu beglückwünschen. Er und die ungenannte Braut, sie leben hoch!«

Die Hochs ertönten, die Gläser klirrten, die Neugier triumphierte.

»Wie hab' ich das zu deuten?« fragte Etville in dem allgemeinen Lärm, und Frau Inge erwiderte:

»Sie sind ein großer Frechdachs! Und ich will Ihnen verraten, daß es Ihnen um ein Haar geglückt wäre!«

»Ein Jammer!« erwiderte er. »Na, vielleicht beim nächsten Mal.«

»Dann wenden Sie sich aber bitte direkt an mich!«

»Sie raten mir?«

»Ich finde, daß es schade wäre, unsere Freundschaft für das zweifelhafte Glück einer Ehe auf das Spiel zu setzen.«

»Sie haben recht! Um uns nicht zu verlieren, wollen wir die Ehe ausschalten.«

»Sehr vernünftig, Baron!« erwiderte Frau Inge und stieß mit Etville an.

Im Saal war außer Töns niemand, der nicht überzeugt war, daß Etvilles Braut: Inge von Linggen hieß.


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