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»Von wannen ich fahr'? Ach, weh ist mir: Ich fahre von der Assentierung. Das dort ist mein Sohn, der junge Mann, der da ausgezogen auf der Bank liegt. Mit ihm fahr' ich von Jehupetz. Bin beim Advokaten gewesen, mit ihm zu beraten, und auf dem Wege habe ich bei Professoren gehorcht, was sie etwa sagen möchten. Eine Assentierung hat mir Gott zugeschickt! Viermal habe ich dort gestanden und bin noch nicht fertig. Und gerade er ist ein einzigdiger Sohn, der einundeinzigdige, ganz echt, wahrhaftig, koscher, mit einem vollkommenen Militärbefreiungs-Privileg ... Was kuckt Ihr mich an! Ihr glaubt nicht? Ihr mögt zuhören, mögt Ihr!
Das Begegnis von der Geschichte ist nämlich die Mahße: Ich selbst bin ein Meseretscher von Meseretsch. Geboren bin ich in Masepewka und zugeschrieben bin ich in Worotiliwka. Einmal bin ich nämlich – nicht gedacht soll es heute werden! – in Worotiliwka ansässig gewesen. Heute aber wohne ich in Meseretsch. Wer ich bin und wie ich heiße, macht Euch wohl nicht viel aus, meine ich. Doch meines Sohnes Namen muß ich Euch sagen, denn das gehört zur Hauptsache, sehr sogar, Er heißt Itzig, das heißt Awrohom Itzchok, aber man ruft ihn Alterchen. Den Namen hat sie ihm gegeben, meine Frau, sie soll gesund sein, weil er ein Angstkind ist, ein einzigdiger, ein einundeinzigdiger. Das heißt, wir hatten außer ihm noch einen Jungen gehabt, um ein Jahr oder anderthalb Jahr jünger als jener, ihm zu längeren Jahren, Eisik hat er geheißen, Eisik. Ist ein Unglück gekommen. Man hat ihn, nämlich Eisik, einmal allein gelassen – ich bin damals, es soll nicht gedacht werden, noch ein Worotiliwkaer gewesen, das heißt, ich hatte mich in Worotiliwka ansässig gemacht – und da hat er, nämlich Eisik, sich niedergesetzt und ist unter den Samowar gekrochen und hat den siedigen Samowar – nicht für Euch soll es gedacht werden – auf sich gegossen und sich zu Tode gebrüht – jenem zu längeren Jahren. Von der Zeit an ist er, Itzig nämlich, das heißt Awrohom Jitzchok, unser einzigdiger gewesen, und sie hat ihn verzogen, meine Frau, sie soll gesund sein, und hat ihm den Namen Alterchen gegeben. Werdet Ihr fragen: Wie heißt? Ein Einzigdiger ein Einundeinzigdiger, was hat der mit der Militärgestellung zu tun? – Hört nur, das ist doch eben mein ganzer Verdruß! Ihr glaubt vielleicht, er ist, Gott soll hüten, ein gesunder Jung, wie es einmal vorkommt bei Kindern, die im Überfluß aufwachsen. Seid Ihr auch im Irrtum! Nicht zwei Groschen möchtet Ihr für ihn geben. Ein Versehnis ist er, ein kranker Jung. Das heißt, krank, Gott soll hüten, ist er auch eigentlich nicht; aber gesund ist er gewiß nicht. Schade, er schläft jetzt, ich will ihn nicht wecken. Wenn er aufsteht, werdet Ihr sehen: ein Schatten von einem Menschen, Haut und Knochen, lang und schmal, ein Gesicht, wie die ausgespiene Feige, die Rebi Zadok verschluckt hat, und eine Gestalt – Steins geklagt! – dünn wie ein Lulew, im ganzen nach ihr geraten, nach meiner Frau, sie soll gesund sein, auch hochgeschossen und mager. Nun frage ich Euch: brauche ich etwa an eine Militärgestellung zu denken, so lang und dünn wie er ist. Und tauglich ist er auch nicht, und ein Befreiungsprivileg hat er!
Es ist zur Mlilitärgestellung gekommen. Wie heißt »Befreiungsprivileg«? Was ist mit dem Befreiungsprivileg? Es fängt sich gar nichts an. Und was war die Ursache? Ganz einfach: mein anderes Jüngelchen, Eisik, der sich als Kind – nicht für Euch soll es gedacht sein! – mit dem Samowar zu Tode gebrüht hat, war nicht in der Matrikel gestrichen worden; man hatte es vergessen! man hatte es vergessen! Bin ich hingelaufen zum Kronsrabbiner, dem Schaute, und habe geschrien: »Halunke, Spitzbube, was habt Ihr getan? Warum habt Ihr meinen Eisik nicht ausgestrichen?« Fragt mich der Narr: »Wer ist der Eisik gewesen?« »Wie heißt?« frag' ich, »Ihr wißt nicht, wer Eisik ist? mein Sohn Eisik, der den siedigen Samowar über sich gegossen hat!« – »Was für Samowar!« fragt jener. – »Guten Morgen?« sag' ich; »ein guter Kopf auf Euch! So ein Kopf ist gut, Nüsse darauf zu knacken! Wer kennt nicht die Geschichte von meinem Eisik, der sich mit dem Samowar zu Tode gebrüht hat! Ich verstehe nicht, was Ihr für ein Rabbiner in unserem Städtchen seid. Mit Schales kommt man nicht zu Euch, dafür ist ein Row da, lang soll er leben – sollet Ihr wenigstens Achtung geben auf die Gestorbenen! Zu was hat man Euch und Euere Taxen?...« Endlich stellt sich heraus, ich habe den schönen Row ganz umsonst heruntergemacht; denn die Geschichte mit dem Samowar war gar nicht in Meseretsch passiert, sondern zu der Zeit, wo wir – nicht gedacht soll es heute werden – in Worotiliwka gewohnt haben. Das war mir ganz wie aus dem Kopf herausgeflogen.
Kurz, was soll ich Euch erzählen! – Ich habe mich gerührt und umgetan, Papiere her, Papiere hin, – mein Awrohom Jitzchok, das heißt Itzig, den man Alterchen ruft, war um sein Privileg gekommen. Das ganze Privileg war fort. Ach und Weh und Gewalt! Denkt Euch: ein einzigdiger Sohn ein, einundeinzigdiger, ganz echt, wahrhaft, koscher, mit einem vollkommenen Militärbefreiungsprivileg – und keine Spur von einem Privileg! Nun geh und schrei um Hilfe und Erbarmen – aus! verfallen!
Wir haben aber doch einen großen Gott auf der Welt! Geht mein Alterchen, das heißt Itzig, und zieht die höchste Losnummer 699! Die Militärkommission hat sich gewiegt vor Freude. Der Vorsitzende selbst hat ihm einen Stoß in die Rippen gegeben und hat gerufen: »Bravo, Itzig, tüchtiger Junge!« Die ganze Stadt hat mich beneidet. Nummer sechshundertneunundneunzig! Was für ein Glück! Masel tow, masel tow! Mit Masel sollt Ihr leben! Genau, als wenn ich mit dem großen Los von 200 000 Rubel herausgekommen wäre!
Aber unsere Jüdchen! ... Wie man ist gekommen zur Untersuchung, sind auf einmal alle wüste, finstere Krüppel geworden. Der hat den Fehler gehabt, jener hat plötzlich zu hinken angefangen, einem anderen war es auf die Augen gefallen, der hat das Pfeifen bekommen, bei jenem hat sich eine Wunde aufgetan, bei wieder einem hat sich, mit Respekt zu sagen, ein Aussatz auf dem Kopf gezeigt...
Kurz, was soll ich Euch lang erzählen –, man ist bis zu meines Sohnes Nummer gekommen, und mein Itzig, das heißt Alterchen, hat sich nebbich gemußt zur Aushebung stellen. Bei mir in der Stube hat sich ein Gewein erhoben, ein Gewein und Geschrei. Finsterkeit! Meine Frau, sie soll gesund sein, legt die Welt ein, meine Schwiegertochter fällt in Ohnmacht, Wie heißt? Wo ist das erhört gewesen! Ein einzigdiger Sohn, ein einundeinzigdiger, ein ganz echter, wahrhaftiger, koscherer, mit einem vollkommenen Militärbefreiungsprivileg, und kein Stückchen Privileg! Und er, das heißt mein Sohn, ist ganz gleichgültig, als ginge die Sache ihn gar nichts an. »Was wird sein mit Kol Jisroel, wird sein mit Reb Jisroel!« sagt er. Nur der Magen zittert ihm dabei.
Wir haben aber doch einen großen Gott auf der Welt! Der Doktor betrachtet meinen Itzig, das heißt Alterchen, mißt ihn aus in der Länge und in der Breite, beklopft ihn, bekuckt ihn, dreht ihn her und hin und sagt: »Er taugt nicht, der Hund«, das heißt, er taugt schon, nur zum Soldaten taugt er nicht. Er mißt keine dritthalb Werschok in der Breite...
Wieder einmal eine Freude, ein Jubel: Masel tow, masel tow! Mit Masel sollt Ihr leben! Die Familie ist zusammengekommen, man hat einander »lechajim« zugerufen, man hat Gott gedankt, man war die Gestellung los!
Aber unsere Jüdchen! ... Meint Ihr, es hat sich nicht ein Scheikez gefunden, der bei der Regierung angezeigt hat, ich hätte »geschmiert«? Was soll ich Euch sagen – noch nicht zwei Monate vorüber, kommt ein Papier, worin mein Itzig, das heißt Alterchen, gebeten wird, er soll noch einmal zur Gestellung in die Gouvernementsstadt kommen, zur »Revision« heißt man das. Wie gefällt Euch die Mahße? Meine Frau, sie soll gesund sein, legt die Welt ein, meine Schwiegertochter fällt in Ohnmacht. Wie heißt! Wie heißt! Zweimal zur Gestellung ein einzigdiger Sohn, ein einundeinzigdiger, ein ganz echter, wahrhaftiger, koscherer, mit einem vollkommenen Militärbefreiungsprivileg!
Kurz, was soll ich Euch erzählen! – wenn man zur Regierung gerufen wird, darf man nicht ausbleiben, muß man fahren. Sind wir zur Regierung gefahren. Bin ich herumgelaufen hin und her. Vielleicht hilft das Verdienst der Väter, ein gutes Wort, das, jenes. Geh, schrei! Ich erzähle einem die Geschichte – ein einzigdiger Sohn, ein einundeinzigdiger, und nicht einmal gesund. – Der erhebt ein Gelächter. – Und mein Sohn? – Man hat schon schönere begraben, sagt er, eine Revision ist eine Lotterie, die reine Lotterie!
Wir haben aber doch einen großen Gott auf der Welt! Man hat meinen Itzig, das heißt Alterchen, hineingeführt zu der Regierungsrevision und hat wieder von vorn angefangen, ihn zu betrachten in der Länge und in der Breite, hat ihn wieder beklopft und bekuckt, gedreht hin und her. Was? Steins geklagt! »Taugt nicht, der Hund?« Das heißt, taugen taugt er schon, nur zum Soldaten taugt er nicht. Einer hat widersprochen und gesagt: »Tauglich«. Hat der Doktor geschrien: »Nicht tauglich« ... Der sagt »tauglich«, der sagt »nicht tauglich«, tauglich, nicht tauglich, hin und her, bis der Gouverneur selbst sich von seinem Bänkchen erhoben hat, herankommt und sagt: »Ganz und gar nicht tauglich«, das heißt, er taugt auf neunundneunzig Kapores ... Hab' ich sofort weggeschickt eine Depesche nach Haus in verstellter Sprache: »Masel tow, die Ware ist für vollkommen unbrauchbar erklärt.«
Jetzt muß ich noch einmal zu der Zeit zurückkehren, wo ich – nicht gedacht soll es heute werden – in Worotiliwka ansässig gewesen bin, und mein Itzig, das heißt Alterchen, noch ein ganz kleines Kind gewesen ist. Kommt da eine Geschichte, etwas wie eine Revision in der Stadt. Von Stube zu Stube ist man herumgegangen und hat aufgeschrieben von jedem, Klein bis Groß, wie er heißt und wie alt er ist, wieviel Kinder er hat, ob Jungen oder Mädchen, und wie man sie ruft. Ist man auch zu meinem Itzig gekommen fragen, wie man ruft ihn. Sagt meine Frau, sie soll gesund sein: »Alterchen«. Jener ist zufrieden und geht und schreibt auf: »Alterchen«.
Genau ein Jahr nach der Militärgestellung kommt eine neue Schickung: man sucht meinen Sohn Alterchen; er soll, Gott erbarme sich, zur Gestellung kommen in Worotiliwka. Hab' ich denn geträumt jene Nacht und diese Nacht und das ganze Jahr hindurch!
Kurz, was soll ich Euch erzählen! – man ruft Itzig, das heißt Alterchen, noch einmal zur Gestellung. Meine Frau, sie soll gesund sein, legt die Welt ein, meine Schwiegertochter fällt in Ohnmacht. Ist so etwas je erhört worden Eck der Welt zu Eck der Welt, daß ein einzigdiger Sohn, ein einundeinzigdiger, ein ganz echter, wahrhaftiger, koscherer, mit einem vollkommenen Militärbefreiungsprivileg, dreimal zur Gestellung kommen muß! Nun sieh du zu, red' Türkisch, red' Tartarisch! Was tut man da? Bin ich hingelaufen zu unserer Gemeinde, habe Gewalt geschrien, daß zehn Juden sollen beschwören und schriftlich geben, daß sie wissen, daß Itzig ist Awrohom Jitzchok, und Awrohom Jitzchok ist Alterchen, und daß Alterchen und Itzig und Awrohom Iitzchsk alle zusammen ein Mensch sind.
Das Papier habe ich bekommen und bin damit nach Worotiliwka gegangen. Dort trifft mich ein Jud Reb Jossel, und fragt mich: »Was tut Ihr hier?« Will ich ihm doch nicht sagen – wozu auch; es ist schon besser, er weiß es nicht – sage ich ihm: »Ich habe zu tun mit einem Edelmann.« – »Wegen was!« fragt jener. – »Wegen Kleie«, sag' ich. »Ich habe Kleie gehandelt und habe Handgeld gegeben. Nun habe ich keine Kleie und kein Handgeld; verfallen die Kuh mit dem Kalb!« – Nun gehe ich in die Militärkommission. Wie ich hereinkomme, treffe ich einen Schreiber. Dem gebe ich das Papier. Der liest das Papier und wird ganz wild, der Schreiber nämlich, und schmeißt mir mit Gewalt das Papier ins Gesicht, behütet und bewahrt soll man werden! »Geht zu allen Teufeln mit Euren Namen und Euren jüdischen Faxen! Ihr wollt Euch nur um die Gestellung drücken, verdammte Juden! Bei Euch wird Jitzchok aus Awrohom, und Itzig aus Jitzchok, und Alterchen aus Itzig. Nein, solche Stückchen gehen bei uns nicht an, solche Schachermachei!« – Nun überlege ich mir: Mit Schachermachei meint er vielleicht einen Rubel. Nehme ich einen Rubel heraus und will ihn ihm in die Hand drücken und sage leise zu ihm: »Entschuldigen Sie, Euer Hochwohlgeboren!« Da erhebt er ein mächtiges Geschrei: »Bestechung!« ... Sind gelaufen gekommen die Schreiber, und was soll ich Euch sagen, man hat mich rausgebracht. So ein Unglück! Muß ich gerade auf einen treffen, der nicht nimmt! ... Nu, zwischen Juden ist man nicht verloren. Ich fand einen Jud, durch den man nimmt. Geholfen hat es, wie einem Toten Schröpfköpfe helfen, und es ist dabei geblieben, daß ich noch einen Sohn habe, der Alterchen heißt, und der soll sich stellen in Worotiliwka zum Militär. Ein gut Päckel!
Ich muß starker sein als Eisen, daß ich das Jahr überlebt habe. Freilich, wenn man zurückdenkt: was brauchte ich Schaute Furcht zu haben? Zehnmal zur Gestellung – ich weiß, er taugt doch nicht, der Hund! Das heißt, wieso taugt er nicht! Taugen taugt er schon, nur zum Soldaten taugt er nicht ... Und da man ihn schon zweimal ausgemustert hat. Aber das überlegt man sich erst nachträglich. Damals, in einer fremden Stadt, ein Amt mit Leuten, die nicht nehmen – da soll man sagen!
Wir haben aber doch noch einen großen Gott auf der Welt! Mein Alterchen, Itzig heißt das, hat wieder einmal eine hohe Nummer gezogen, hat sich wieder gestellt. Gott hat ein Wunder getan, die Militärkommission in Worotiliwka hat wieder gesagt »nicht tauglich« und hat ihm ein weißes Billett gegeben, ein Freischein. Hatten wir schon mit Gottes Hilfe zwei weiße Billette. Nach Hause gekommen. Freude und Wonne. Eine Mahlzeit hergerichtet. Dazugerufen fast die ganze Stadt. Gejubelt bis an den lichten Tag. Mit wem brauch' ich jetzt zu reden! Wer ist mir gleich? – Ein Kaiser!
Jetzt wollen wir zu meinem Eisik zurückkehren, er liegt und ruht, der, dem anderen zu längeren Jahren, als Kind den Samowar über sich gestürzt hat. Nun werdet Ihr ein Stückchen hören. Ein Prophet müßte man sein. Der schöne Row, der Kronsrabbiner von Worstiliwka hatte vergessen, ihn in der Matrikel auszulöschen, den Verstorbenen nämlich; und mir wird als Schuld gerechnet, ich hätte noch einen Sohn Eisik, der sich dieses Jahr zum Militär stellen müßte. Eine Bombe war das. Was ist das für ein Unglück auf mir? Eisik ist schon lange auf jener Welt, so spreche ich zu mir, und berede mich mit unserem Rabbiner, was man tun soll. – »Die Sache ist nicht gut«, sagte er. – »Wieso?« sag' ich. – »Sie ist nickt gut,« sagte er, »weil Itzig und Eisik derselbe Name ist.« – »Wieso!« sage ich, »ist Itzig und Eisik derselbe Name?« – Sagt er: »Itzig ist Iitzchok, Iitzchok ist Issak, Issak ist Isak und Isak ist Eisik.« – Gut gedreht.
Kurz, was soll ich Euch sagen! – man sucht meinen Eisik, man bringt mir die Order, er soll sich stellen zum Militär. In meiner Stube hat sich neues Gewein erhoben, was sag' ich. Gewein? Als wäre das Heiligtum zerstört! Erstens hat meine Frau, sie soll leben, sich des Verstorbenen erinnert, die alte Wunde hat sich wieder aufgetan. Besser, sagte sie, er lebte und müßte sich jetzt zum Militär stellen, als daß sein Gebein in der Erde liegt. Zweitens hat sie Angst, vielleicht, am Ende doch, Gott soll hüten, nicht werden soll es und nicht kommen, ist es so, wie der Rabbiner sagt, daß Itzig ist Iitzchok und Iitzchok ist Issak und Issak ist Isak und Isak ist Eisik, und das wäre wirklich nicht gut. So sagt sie, meine Frau, sie soll gesund sein, und legte die Welt ein, die Schwiegertochter fällt in Ohnmacht, wie gewöhnlich. Ist es denn auszureden: ein einzigdiger Sohn, ein einundeinzigdiger, ein ganz echter, wahrhaftiger, koscherer, mit einem vollkommenen Militärbefreiungsprivileg, hat sich dreimal gestellt, hat zwei weiße Billette und ist noch nicht fertig ... Habe ich die Füße in die Hand genommen und bin nach Jehupetz gegangen, um mit einem richtigen Advokaten zu beraten. Meinen Sohn habe ich mitgenommen, mit ihm zu einem Professor zu gehen, um zu
hören, was der Professor sagen wird, ob er tauglich ist oder nicht. Zwar weiß ich allein ganz gut, daß er nichts taugt, der Hund. Das heißt, taugen taugt er schon. Nur zum Soldaten taugt er nicht... Und wenn ich werde hören, was der Advokat sagen wird, werde ich schon ruhig schlafen können, werde nicht mehr mit der Militärgestellung zu tun haben. Aber es stellt sich heraus, die Advokaten und die Professoren wissen alle zusammen nichts. Der eine sagt so, und der andere sagt so; was der eine sagt, hält der andere für falsch – meschugge könnte man werden.
Der erste Advokat, den ich traf, war ein großer Kopf, ein stumpfer, trotz der großen Stirn mit einer mächtigen Glatze, wie um Lockschenteig darauf auszurollen. Er hat nicht einmal verstehen können, wer Alterchen ist und wer Itzig, und wer Awrohom Jitzchok ist, und wer Eisik gewesen ist. Ich erzähle ihm noch einmal und noch einmal: Alterchen und Awrohom Jitzchok und Itzig sind ein Mensch, und Eisik ist der, der den Samowar über sich gegossen hat, als ich noch in Worotiliwka gewesen bin. Wie ich meine, daß ich mit ihm fertig bin, fragt er mich eine ganz neue Frage: »Sagt nur, wer ist der älteste, Itzig oder Alterchen oder Awrohsm Jitzchok?« – Hat man schon so was gehört! Sag' ich ihm: »Ich hab' Euch schon fünfzehnmal gesagt, daß Itzig und Awrohom Jitzchok und Alterchen ist alles eine Person: das heißt, sein wirklicher Name ist Itzig, das heißt Awrohom IJitzchok, nur rufen ruft man ihn, seine Mutter, meine ich, Alterchen. Seine Mutter hat ihn so verzogen. Und Eisik ist der, der den Samowar über sich gegossen hat, als ich noch ein Worotiliwkaer gewesen bin.«– »Und wann,« fragte jener, »in welchem Jahr ist Awrohom Alterchen, ich meine Jitzchok Eisik zur Militärgestellung gegangen?« – »Was schwatzt Ihr da?« frag' ich, »was bringt Ihr da durcheinander Graupen und Borschtsch? Zum ersten Male in meinem Leben treffe ich einen Jud mit einem so goischkischen Kopf! Man sagt Euch doch, daß Jitzchok und Awrohom Jitzchok und Itzig und Eisik und Alterchen, das ist alles ein Mensch!«
»Scha,« sagte er, »schreien Sie nicht so? Was schreien Sie?« .... Verstehen Sie eine Sprach'? Nun soll er gar nicht recht haben!.... Kurz, ich habe selbstverständlich ausgespuckt und bin weggegangen zu einem anderen Advokaten, der war gerade ein guter Kopf, ein talmudischer Kopf war er, nur ein wenig überchochem, überklug ein wenig. Er rieb sich die Stirn und »lernte«, den Text des Gesetzes lernte er, drehte sich, folgerte, zog Schlüsse, daß nach diesem und diesem Paragraphen der Meseretscher Magistrat gar nicht berechtigt war, ihn einzuschreiben. »Dagegen«, sagte er, »ist vorhanden ein Gesetz, daß, wenn er hier eingeschrieben worden ist und dort nicht ausgeschrieben worden ist, so muß er ausgeschrieben werden; und wieder ist vorhanden eine ,Kassation', daß er, wenn er hier eingeschrieben ist, und dort nicht ausgeschrieben wurde, so ...« Kurz, so ein Gesetz und so ein Gesetz, so eine Kassation und so eine Kassation; er hat mir »kassassiert« den Kopf voll, und ich mußte gehen zu einem dritten, mußte ich. Da hab' ich gerade angetroffen auf einen Schlemiehl, ein ganz junges Advokatchen, ein funkelnagelneues, das erst vor kurzem sein »juris« beendet hat, ein sehr gutes Menschchen mit einem Züngelchen wie ein Glöckchen. Wie es scheint, lernte er sich reden, reden lernte er sich; denn wenn er sprach, merkte man's ihm an, daß ihm das Vergnügen machte, das Reden, heißt es. Also der wurde voll Begeisterung, hielt mir eine lange Predigt, so daß ich ihn unterbrechen mußte und sagen: »Alles sehr schön und sein,« sehr– sag' ich –, »Sie haben vollständig recht, aber was nützt es mir,« sag' ich, »daß Sie mich beweinen, wozu beweinen Sie mich! Geben Sie mir lieber eine Eize, sag' ich, was ich mit meinem Sohn machen soll, vielleicht, Gott behüte, ruft man ihn doch, vielleicht?«
Kurz, was soll ich Ihnen lange erzählen, ich kam endlich zu einem richtigen, wirklichen Advokaten. Das ist, verstehen Sie mich, ein Advokat von den alten Advokaten, ein Advokat, der einen Sachverhalt versteht, verstehen Sie mich. Ich erzählte ihm die ganze Geschichte von Aleph bis Thow. Er saß die ganze Zeit mit geschlossenen Augen und hörte mir zu. Dann meinte er: »Schon? Sind Sie fertig? Fahren Sie nach Hause, es ist Mumpitz, mehr als dreihundert Rubel Strafe werden Sie nicht bezahlen.« – »Das ist das Ganze?« sag' ich, »eh, wenn es mit den dreihundert Rubeln getan wäre! Aber ich habe Maure für meinen Sohn, Maure hab' ich!« – »Was für Sohn?« – »Was heißt,« sag' ich, »was für Sohn? Mein Alter, Itzig heißt es.« – »Was hat dies alles«, sagte er, »mit Itzigen zu schaffen?« – »Was heißt,« sag' ich, »vielleicht ruft man ihn wieder einmal?« – »Er hat doch, sagen Sie, ein weißes Billett?« – »Zwei,« sag' ich, »hat er, zwei.« – »In diesem Falle,« sagte er, »was wollen Sie denn?« – »Wollen,« sag' ich, »will ich gar nichts, was soll ich denn wollen? aber Maure habe ich,« sag' ich, »denn man sucht jetzt Eisiken, und Eisik ist nicht da, und Alter, Itzig heißt es, ist eingeschrieben Awrohom Jitzchok, und Jitzchok – so sagt unser Herr Rabbiner – ist Issak, und Issak ist Isak, und Isak ist Eisik; könnte man, Gott behüte, glauben, daß mein Itzig, oder Awrohom Jitzchok, Alter heißt es, ist Eisik.« – »Nun, was schadet's,« sagte er, »was schadet's? Im Gegenteil, desto besser, dann werden Sie überhaupt nicht bestraft. Er hat doch, sagen Sie, ein weißes Billett?« – »Zwei,« sag' ich, »zwei weiße. Aber die hat doch Itzig, nicht Eisik.« – »Sie sagen doch,« sagt er, »daß Itzig ist Eisik!« – »Wer sagt das,« sag' ich, »daß Itzig ist Eisik?«–»Sie haben es doch selbst gesagt?«– »Ich,« sag' ich, »wie konnte ich so was gesagt haben? Wie kann ich sagen,« sag' ich, »daß Itzig ist Eisik, wenn Itzig ist Alter, und Eisik ist der, der den kochenden Samowar auf sich umgestürzt hat, zur Zeit, als ich noch ein Worotiliwkaer war, in Worotiliwka heißt es« .... Er, der Advokat, wird rot wie ein Feuer und befiehlt mir, zu gehen: »Entfernen Sie sich,« sag' er, »Sie langweiliger Ebräer«, sagt er!.... Verstehen Sie, was das heißt! Ich bin ein langweiliger Jud, heißt es. Haben Sie Worte?« Ich und langweilig? Ich?. ...««