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Unmittelbar vor Penang.
Der Graf aus Siam fühlt sich bemüßigt mit mir zu plaudern – so en passant – zwischen zweitem Frühstück und Lunch – während ich der Fütterung der Raubtiere des Zirkus zuschaue – im Plaudertönchen – so wie man vom Wetter spricht – oder von den Chancen des nächsten Rennens: man berührt nur die Tasten, ohne sie anzuschlagen – »glisser« nennt es der Franzose – so mit dem Empfinden: »eigentlich müßte man«, aber da die Chance, gut abzuschneiden, gering ist, so weicht man so elegant wie möglich den Hindernissen aus, statt den Versuch zu machen, sie zu nehmen. Uebersehen kann man sie nicht. Dazu sind sie zu augenfällig. Und darüber stolpern möchte man auch nicht.
»Wie das so alles kommt,« beginnt er in einem Englisch, das noch schlechter ist als meins. (Aber Andernfalls wird es ihm schon beibringen.)
»Immer so, wie man denkt,« erwidere ich. »Selten anders.«
»Es kommt mir vor wie ein Traum.«
»Das kann ich von mir nicht behaupten.«
»Wenn ich sagen sollte, wie es gekommen ist – ich käme in Verlegenheit.«
»Es liegt mir fern, Sie in Verlegenheit zu bringen.«
»Sie sind nachsichtig und gütig.«
»Ueber die deutsche Frau geht nichts.«
»Man merkt, daß sie Ihr Geschmack ist.«
»Wenn man mich heute vor die Wahl stellte – ich wüßte nicht, ob ich mich für Beatrice oder Andernfalls entscheiden würde.«
»Vermutlich für Beide.«
»Kaum.«
»Wegen der Zahl dreizehn?«
»Nein. Aber den Europäerinnen, so sehr ich sie liebe, fehlt die Großzügigkeit der Asiatin.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie sehen ja Beatrice. – Wenn alle Frauen so dächten, wo blieben wir Männer?«
»Sie hätten es ihr vor der Ehe sagen müssen.«
»Aber nein! Sie haben doch den Beweis des Gegenteils.«
»Sie meinen, daß sie dann nie Ihre Frau geworden wäre?«
»Natürlich.«
»Und nun?« frage ich.
»War sie doch mein.«
»Darauf allein kommt's Ihnen an?«
»Ja, worauf denn?«
»Auf Liebe und Kameradschaft.«
»Eben von der Liebe spreche ich ja.«
»Es gibt doch auch noch eine andere Liebe.«
»Nein! Nicht bei uns. Wir sind gesund. Europa geht an seiner Sentimentalität zugrunde.«
»Möglich, daß wir dem Gefühl zuviel Platz einräumen, aber dann bleibt doch immer noch die Kameradschaft.«
»Zwischen Mann und Frau? – Ist das Ihr Ernst?«
»Vollkommen.«
»Das kann dann doch nur auf Kosten der Liebe geschehen.«
»Im Gegenteil, es vertieft sie.«
»Die Frau darf keinen anderen Gedanken haben als den Mann an sich.«
»Sie muß an den Gedanken des Mannes teilnehmen.«
»Am Ende auch an seinen Sorgen und Geschäften?«
»Durchaus.«
»Und Sie verlangen, daß sie dabei heiter bleibt und hübsch und an ihre Pflege denkt, um dem Mann zu gefallen?«
»Ja,« sagte ich – nicht ganz aus Ueberzeugung.
»Solche Frau gibt es nicht. – Nie wird sie geboren werden. – Sie nehmen der Liebe, also der Frau das Beste, was sie uns geben kann. Sie mischen Ingredienzien in die Liebe, die ihr einen säuerlichen Geschmack geben und vielleicht dem Magen, vorübergehend also auch der Stimmung, zuträglich sind. Aber Sie verwässern damit die Liebe, Sie ernüchtern sie. Das verträgt sie nicht. Sie verliert das Aroma, damit das Wesentliche. Sie wird eine Alltagssache, während sie dazu da ist, uns den Alltag erträglich zu machen und auf Stunden von ihm abzulenken. So wird sie eine, ich möchte sagen, häusliche Angelegenheit, wird nüchtern, wird Gewohnheit. Schade um Ihre Frauen, Doktor! Schade um die Männer, die bewußt sich um das Beste bringen, was ihnen der Himmel beschert.«
»Haben wir nicht alle einmal so gedacht?« fragte ich mich, hütete mich jedoch es auszusprechen. Aber sympathisch wurde mir der Graf.
»Haben Sie das alles auch Andernfalls erzählt?« fragte ich.
Er sah mich mit vergnügten Augen an und sagte:
»Ich habe mich gehütet!«
»Sie werden da vermutlich manches anders finden.«
»Ich weiß. – Aber das reizt mich ja. Sie ist ein Wunder.«
»Sie meinen, daß Geist und Aufgeklärtheit das Frauliche in ihr nicht zerstört hat?«
»Eben haben Sie noch behauptet: die Frau wird nie geboren werden.«
»Ja.«
»Daß sie mit mir geht – aus Neugier, nicht aus Liebe – beweist, beweist, daß es nicht ganz so ist.«
Ich hatte nicht geglaubt, daß er so scharf und nüchtern beobachtet.
»Sie werden ihr volle Freiheit lassen?«
»Mein Wort darauf.«
Er reichte mir die Hand, in die ich einschlug.
»Wann wird sie Ihre Frau?«
»Am gleichen Tage, an dem wir den Boden von Siam betreten.«
»Ich wünsche Ihnen Beiden Glück,« sagte ich.
»Danke! – Und sind Sie beruhigt?«
»Vollkommen.«
Abends fand ich in meiner Kabine einen Smaragd, wie ich ihn ähnlich rein noch niemals sah. Ich nenne die Zahl der Karate nicht. Man würde sie mir nicht glauben. Eine Karte des Grafen lag dabei, auf der stand:
Sie überließen mir einen Edelstein, für den ich keinen gleichwertigen zu vergeben habe. Um den guten Willen zu zeigen, machen Sie mir die Freude und bewahren Sie diesen Stein als Erinnerung an unsere gemeinsame Reise.
Das war takt-, wenn nicht geschmacklos.
»Ich hatte Sie für feinfühliger gehalten, Graf!« erwiderte ich. »Bitte leiten Sie den Stein an die Frau weiter, der er zukommt.«
»Ich glaube Sie richtig verstanden zu haben,« schrieb er mir noch in derselben Nacht, »und ließ den Stein in Ihrem Namen der Gräfin Beatrice überreichen.«
»Sie fallen immer mehr aus der Rolle,« gab ich zur Antwort. »Stein und Gräfin mögen zusammen gehören. Aber für Ihre Tauschgeschäfte fehlt mir jeder Geschäftssinn. Ich muß Sie also ersuchen, die Gräfin zu berichtigen.«
Folgende Zeilen des Grafen beendeten diese nächtliche Korrespondenz:
»Ich habe die Gräfin Ihrem Wunsche gemäß berichtigt. Zum ersten Male in meinem Leben glaubte ich, es bei Ihnen Beiden mit Europäern zu tun zu haben, die nicht kleinlich sind. Mit Bedauern muß ich erkennen, daß ich mich in bezug auf Sie irrte. Bleibt als einzige großzügige Europäerin Andernfalls. – Das Wort, das ich Ihnen hinsichtlich Andernfalls' gab, ist unverbindlich. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich selbst einmal davon überzeugten. Mein Haus mit allem, was es birgt, steht Ihnen jederzeit offen. –«
Nun hätte eigentlich noch eine Auseinandersetzung zwischen Andernfalls und mir stattfinden müssen. Das empfand auch Andernfalls. Denn als ich nach drei Uhr hinunterging, stand sie wohl nicht zufällig auf dem kleinen Flur, an dem meine Kabine lag. Ich tat überrascht und fragte:
»Nanu?«
»Ich dachte, du schläfst.«
»Ich hatte eine Unterredung mit dem Grafen.«
»Wie findest du ihn?«
»Gescheit.«
»Nicht wahr?«
»Ich habe auch den Eindruck, daß er alles tun wird, um dich glücklich zu machen.«
»Trotzdem wirst du mir fehlen. – Mehr als ich dir.«
»Möglich, da ich in meiner Welt bleibe, du in eine neue gehst.«
»Ich bin so neugierig.«
»Das warst du doch sonst nicht.«
»Weil es sich nie lohnte. Aber diesmal ...«
»Gewiß, bei elf Frauen lohnt es sich schon.«
»Das ist das wenigste. Ob es außer mir eine gibt oder elf. Das macht keinen Unterschied. Die gleichen sich. Zwei ist nie sieben und fünf nie elf. Wie ich ist keine.«
»Da magst du recht haben.«
»Aber das ganze Leben. Die Aufmachung und Fülle. Die Elefanten und Sklavinnen. Denke dir, ich allein habe zweiundachtzig.«
»Sklavinnen oder Elefanten?«
Sie dachte nach und sagte:
»Zusammen, glaube ich.«
»Das macht dir Freude?«
»Ich werde nett sein – und Neues sehen. Ich bin schon ganz ungeduldig. – Nur um dich tat es mir leid.«
»Alles beisammen, das ist eben selten.«
»Aber es könnte doch sein ...«
»In diesem Falle? – ich wüßte nicht.«
»Bei all dem Neuen, da vergißt man – glaubst du nicht?«
»Ich bin überzeugt.«
»Denn das wäre gräßlich.«
»Was?«
»Wenn ich bei allem immer an dich denken müßte.«
»Sieh vorwärts – nicht zurück.«
»Wie meinst du das?«
»Vom Grafen zum König – vielleicht ist das nur ein Schritt.«
»Daß ich Königin von Siam ...? Du, daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
»Es ist ja auch nur so eine Idee von mir.«
»Aber eine gute! – eine ausgezeichnete! Wenn schon, denn schon. Ich war nie für halbe Sachen.«
»Jetzt kommt mir das Ganze bald wie eine Operette vor.«
»Aber mir nicht! Der Graf ist ja sehr nett. – Aber immerhin, was ist das schon, siamesische Gräfin? – Königin, das klingt ganz anders.«
»Es tut mir leid, daß ich das angeregt habe.«
»Verlaß dich drauf, darauf wäre ich auch von selbst gekommen.«
»Setz' dir doch nicht solchen Unsinn in den Kopf.«
»Jetzt hat das ganze Unternehmen für mich überhaupt erst einen Sinn. Irgendwas fehlte – das fühlte ich. Nun weiß ich's. Du bist doch klüger als ich.«
»Ich sage dir, das ist Unsinn.«
»Und ich erkläre dir, es wird gemacht.«
»Du kennst weder die Sprache noch die Gesetze.«
»Aber ich weiß, wie man Männer behandelt.«
»Ich möchte dich vor einer Enttäuschung schützen.«
»Wirklich, du traust mir nichts zu.«
»Der Graf ist ein feiner und kluger Mann.«
»Feine und kluge Männer gibt es in Europa auch. Dazu wandere ich nicht nach Asien aus.«
»Aber davon war doch bis zu diesem Augenblick nicht die Rede.«
»Es wächst der Mensch mit seinen höheren Zwecken, sagt Schiller, – es kann auch Goethe sein –. Jedenfalls soll er recht behalten.«
Uebermütig wirft sie sich mir an den Hals:
»Deine Königin nimmt von dir Abschied. – Leb wohl, Lieber!«
Ein paar Küsse und – wie ich deutlich fühle – auch ein paar Tränen – und sie eilt den Gang hinunter zu ihrer Kabine.
In dieser Nacht schlief ich nicht mehr. Nicht, daß ich sie verlor, bedrückte mich. Zum ersten Male kam mir der Gedanke, sie könne sich selbst verlieren. – Es war zu spät Es ließ sich nicht mehr ändern.