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Onkel Ruben

Vor bald achtzig Jahren gab es einmal einen kleinen Buben, der auf den Markt ging und dort mit einem Kreisel spielte. Der kleine Junge hieß Ruben. Er war erst drei Jahre alt, schwang aber seine kleine Peitsche so tapfer wie nur einer und ließ den Kreisel schnurren, daß es eine Freude war.

An jenem Tage vor achtzig Jahren war es wirklich schönes Frühlingswetter. Der März war gekommen, und die Stadt war in zwei Welten geteilt, eine weiße, warme, wo Sonnenschein, und eine kalte, düstere, wo Schatten herrschte. Dem Sonnenscheine gehörte der ganze Markt bis auf einen schmalen Streifen längs der einen Häuserreihe.

Nun begab es sich, daß der kleine Knabe trotz seiner Tapferkeit von dem Kreiseldrehen müde wurde und sich nach einem Ruheplatze umsah. Ein solcher war nicht schwer zu finden. Dort gab es weder Bänke noch Sofas, aber jedes Haus war mit einer Steintreppe versehen. Der kleine Ruben konnte sich nichts Passenderes denken.

Er war ein gewissenhafter kleiner Bursche. Er hatte eine dunkle Ahnung, daß Mutter es nicht gern sehen würde, wenn er auf fremder Leute Treppen säße. Mutter war arm, aber gerade deshalb durfte es nie so aussehen, als wollte man etwas von anderen haben. Deshalb setzte er sich auf ihre eigene Steintreppe, denn sie wohnten auch am Markte.

Die Treppe lag im Schatten, und es war dort wirklich kalt. Der Kleine stützte den Kopf gegen das Geländer, zog die Beine in die Höhe und fühlte sich so wohl wie noch nie. Eine kleine Weile sah er noch den Sonnenschein draußen auf dem Markte tanzen, die Knaben umherlaufen und die Kreisel schnurren, – dann schloß er die Augen und schlief ein.

Er schlief gewiß eine ganze Stunde. Als er erwachte, ging es ihm nicht so gut wie beim Einschlafen, sondern alles kam ihm entsetzlich ungemütlich vor. Er ging weinend zu Mutter hinein, und Mutter sah, daß er krank war, und brachte ihn zu Bett. Und nach ein paar Tagen war der Knabe tot.

Doch damit ist seine Geschichte noch nicht zu Ende. Seine Mutter betrauerte ihn nämlich aus tiefstem Herzen mit einem Grame, der Tod und Zeit Trotz bietet. Mutter hatte mehrere andere Kinder, viele Sorgen nahmen ihre Zeit und ihre Gedanken in Anspruch, aber in ihrem Gemüte war stets ein Plätzchen, in welchem Ruben ganz ungestört wohnen konnte. Für sie war er stets lebend.

Sah sie eine Kinderschar auf dem Markte spielen, so lief er auch dort, und wenn sie drinnen im Hause beschäftigt war, glaubte sie steif und fest, daß der Kleine noch draußen auf der gefährlichen Steintreppe sitze und schlafe. Sicherlich war keines von Mutters lebenden Kindern ihren Gedanken so gegenwärtig wie das tote.

Einige Jahre nach seinem Tode bekam der kleine Ruben eine Schwester, und als diese so alt war, daß sie draußen auf dem Markte umherlaufen und mit dem Kreisel spielen konnte, begab es sich, daß auch sie sich zum Ausruhen auf die Steintreppe setzte. In demselben Augenblicke aber hatte Mutter das Gefühl, als zupfe sie jemand am Kleide. Sie eilte sofort hinaus und faßte die kleine Schwester, wie sie sie aufhob, so hart an, daß diese sich ihr ganzes Leben lang daran erinnerte.

Und noch weniger vergaß sie, welch ein eigentümliches Gesicht Mutter dabei gemacht und wie ihre Stimme gezittert, als sie gesagt hatte:

»Weißt du, daß du einst einen kleinen Bruder hattest, der Ruben hieß? Er ist gestorben, weil er auf dieser Steintreppe saß und sich dabei erkältete. Du willst deiner Mutter doch nicht auch totbleiben, Berta?«

Bruder Ruben war seinen Geschwistern bald ebenso gegenwärtig wie seiner Mutter. Sie hatte solchen Einfluß auf ihre Kinder, daß alle mit ihren Augen sahen, und bald waren sie ebenfalls imstande, ihn draußen auf der Steintreppe sitzen zu sehen. Ja, sowie sie jemand auf einer Steintreppe, einem steinernen Geländer oder einem Steine am Wegrande sitzen sahen, fühlten sie stets einen Stich im Herzen und dachten an Bruder Ruben.

Schließlich kam es mit Bruder Ruben so, daß er von allen Geschwistern für den Besten gehalten wurde, wenn sie von ihm sprachen. Denn die Kinder wußten ja alle, daß sie eine lästige, ärgererregende Gesellschaft waren, die der Mutter nur Mühe und Verdruß machte. Sie konnten sich nicht denken, daß Mutter sich über den Verlust eines von ihnen sehr grämen würde. Da Mutter sich aber um Bruder Ruben wirtlich grämte, mußte er ganz gewiß viel artiger gewesen sein als sie.

Es kam gar nicht selten vor, daß einer von ihnen dachte: »Ach, wer doch Mutter so viel Freude machen könnte wie Bruder Ruben!« Und doch wußte keiner mehr von ihm, als daß er Kreisel gespielt und sich auf einer Steintreppe erkältet hatte. Aber er mußte ja ein ganz besonderer Junge gewesen sein, da Mutter solche Liebe für ihn hegte.

Er war auch ein ganz besonderer Junge, von allen Kindern machte er Mutter am meisten Freude. Sie war Witwe und mußte in Not und Kummer arbeiten. Die Kinder aber glaubten so fest an Mutters Gram um den kleinen dreijährigen Knirps, daß sie überzeugt waren, Mutter würde gar nicht über ihre schlechten Verhältnisse trauern, wenn er nur am Leben geblieben wäre. Und jedesmal, wenn sie Mutter weinen sahen, glaubten sie, es sei um Bruder Rubens Tod oder weil sie selber nicht so waren wie Bruder Ruben.

Sehr bald erwachte in ihnen die immer stärker werdende Lust, mit dem verstorbenen Kleinen um Mutters Zuneigung zu wetteifern.

Es gab nichts, was sie nicht für Mutter gern getan hätten, wenn diese sie nur ebenso lieb wie Bruder Ruben hätte haben wollen.

Und dieses Sehnens halber, glaube ich, war Bruder Ruben das nützlichste von Mutters sämtlichen Kindern.

Denkt nur, der älteste Bruder hatte dadurch, daß er einen Fremden über den Fluß gerudert, sein erstes Geld verdient und brachte Mutter die ganze Summe, ohne auch nur einen Pfennig für sich zu behalten! Da sah Mutter so froh aus, daß sein Herz vor Stolz schwoll und er nicht umhin konnte, zu verraten, wie maßlos ehrgeizig er war!

»Mutter, bin ich jetzt nicht ebenso gut wie Bruder Ruben?«

Mutter sah ihn prüfend an. Sie schien sein gesundes, strahlendes Gesicht mit dem kleinen bleichen draußen auf der Steintreppe zu vergleichen. Und Mutter hätte ganz gewiß am liebsten Ja gesagt, wenn sie es gekonnt hätte, aber Mutter konnte nicht.

»Mutter hat dich sehr lieb, Iwan, aber so wie Bruder Ruben wirst du nie.«

Es war unüberwindlich, das sahen alle Kinder ein, und dennoch konnten sie es nicht lassen, danach zu streben.

Sie wuchsen zu tüchtigen Menschen heran, sie erwarben sich durch fleißige Arbeit Vermögen und Ansehen, während Bruder Ruben nur still auf seiner Steintreppe saß. Und dennoch war er ihnen voraus. Er war unerreichbar.

Und bei jedem Fortschritte, bei jeder Verbesserung, als es ihnen allmählich gelang, Mutter ein gemütliches Heim und Wohlstand zu bieten, mußte es ihnen Lohn genug sein, daß Mutter sagte: »Ach, hätte doch mein kleiner Ruben dies sehen können!« Bruder Ruben begleitete Mutter durchs ganze Leben, selbst auf dem Totenbette war er noch bei ihr. Er nahm den Todesqualen ihren Stachel, da sie ja wußte, daß die Todespein sie zu ihm führte. Mitten unter den größten Schmerzen lächelte Mutter bei dem Gedanken, daß sie ihrem kleinen Ruben entgegengehe.

Und dann starb sie, deren treue Liebe ein unbedeutendes, kleines dreijähriges Kind erhöht und vergöttert hatte.

Doch auch damit war die Geschichte des kleinen Ruben noch nicht zu Ende.

Allen seinen Geschwistern war er ein Symbol des strebsamen Lebens im Elternhause, der Liebe zur Mutter und all der rührenden Erinnerungen aus den Jahren der Mühen und Sorgen geblieben. Es lag stets etwas Warmes, Liebevolles in ihrer Stimme, wenn sie von ihm sprachen. Friede und Feiertagsstimmung umschwebten den kleinen Dreijährigen.

Auf diese Weise glitt er auch unmerklich in das Leben seiner Geschwisterkinder hinein.

Mutters Liebe hatte ihn zu einer Größe gemacht, und die Großen wirken und haben Einfluß auf alle kommenden Geschlechter.

Schwester Berta hatte einen Sohn, der viel mit Onkel Ruben in Berührung kam.

An dem Tage, als er vier Jahre alt war, saß er auf dem Trottoirrande und starrte in den Rinnstein. Dort wälzten sich Regenwasserfluten. Späne und Strohhalme schwammen mit abenteuerlichen Drehungen auf dem seichten Fahrwasser abwärts. Der Kleine sah ihnen mit der behaglichen Ruhe zu, die man empfindet, wenn man dem abenteuerlichen Leben anderer mit Interesse folgt, während man selber in Sicherheit ist.

Doch sein friedliches Philosophieren wurde von seiner Mutter unterbrochen, die in demselben Augenblicke, als sie ihn so sitzen sah, an die Steintreppe ihres Elternhauses und an Bruder Ruben denken mußte.

»Oh, mein lieber kleiner Junge,« sagte sie, »da darfst du nicht sitzen. Deine Mama, sage ich dir, hatte ein Brüderchen, das Ruben hieß und vier Jahre alt war, wie du es jetzt bist. Es starb, weil es auf einem solchen Trottoirrande saß und sich dabei erkältete.«

Dem Kleinen paßte es nicht, daß er in seinen angenehmen Gedanken gestört wurde. Er blieb ruhig sitzen und philosophierte weiter, während ihm sein krauses, blondes Haar bis in die Augen herabfiel.

Schwester Berta hätte es für keinen andern getan, aber um ihres lieben Bruders willen schüttelte sie ihren kleinen Jungen ziemlich unsanft. Und so mußte er lernen, vor Onkel Ruben Respekt zu haben.

Ein andermal war dieser blondlockige junge Herr draußen auf dem Eise gefallen.

Er war aus reiner Bosheit von einem unartigen großen Jungen umgestoßen worden und blieb nun weinend auf dem Eise sitzen, um ordentlich zu zeigen, wie schlecht er behandelt worden, um so mehr, als seine Mutter nicht weit davon sein konnte.

Doch er hatte vergessen, daß seine Mutter vor allem anderen Onkel Rubens Schwester war. Als sie Axel auf dem Eise sitzen sah, kam sie durchaus nicht mit tröstenden, beruhigenden Worten herbei, sondern nur mit dem ewigen:

»Da darfst du nicht sitzen, mein kleiner Junge! Denk' an Onkel Ruben, der starb, weil er sich in eine Schneewehe gesetzt hatte, als er, wie du, fünf Jahre alt war!«

Der Knabe stand sofort auf, wie er von Onkel Ruben reden hörte, aber er fühlte eisige Kälte bis ins Herz hinein. Wie konnte Mama von Onkel Ruben schwatzen, wenn ihr kleiner Junge so betrübt war. Axels wegen konnte der Onkel sitzen und sterben, wo er Lust hatte, jetzt aber war es, als wolle ihm der Tote seine eigene Mama nehmen, und das konnte Axel nicht erlauben. So lernte er Onkel Ruben hassen.

Hoch oben im Treppenhause in Axels Heim gab es ein steinernes Geländer, auf dem es sich zum Herzklopfen schön saß. Tief drunten lag der Steinfußboden des Vorplatzes, und der oben auf dem Geländer Reitende konnte davon träumen, daß er über Abgründe hinsprenge. Axel nannte das Geländer sein gutes Roß Grane. Auf dessen Rücken sprengte er über brennende Wallgräben in verzauberte Schlösser hinein. Dort saß er stolz und trotzig, während seine dicken Locken non dem heftigen Ansturme wehten, und kämpfte als Sankt Georg mit dem Drachen. Und noch war es Onkel Ruben nicht eingefallen, dort reiten zu wollen.

Natürlich aber kam er auch dorthin. Gerade, wie der Drache sich in Todesangst wand und Axel in stolzer Siegesgewißheit dasaß, hörte er das Kindermädchen rufen:

»Da darfst du nicht sitzen, Axelchen! Denk' doch an Onkel Ruben, der auch acht Jahre alt war wie du und starb, weil er sich zum Reiten auf ein steinernes Geländer gesetzt hatte. Hier darf Axel nie wieder sitzen.«

Welch ein neidischer alter Schafskopf, dieser Onkel Ruben! Er ärgerte sich gewiß darüber, daß Axel Drachen tötete und Prinzessinnen rettete. Wenn er das nicht ließe, würde Axel ihm zeigen, daß auch er Ehre gewinnen konnte. Wenn er nun hinabspränge und sich auf dem Steinfußboden totschlüge, würde jener große Lügner sich schön verdunkelt fühlen.

Armer Onkel Ruben! Armer kleiner Junge, der einst auf dem sonnenbeleuchteten Markte Kreisel gespielt hatte! Jetzt mußte er erfahren, was es heißt, ein großer Mann zu sein. Eine Vogelscheuche war er geworden, welche die gegenwärtige Zeit der Zukünftigen aufstellte. –

Es war draußen auf dem Lande bei Onkel Ivan. Eine ganze Menge Vettern und Cousinen waren auf dem herrlichen Gute zu Besuch. Axel ging still umher, ganz erfüllt von seinem Hasse gegen den großen Onkel Ruben. Er wollte nur wissen, ob dieser noch sonst jemand quälte als ihn. Doch etwas schreckte ihn ab, danach zu fragen. Es war ihm, als würde er damit eine Freveltat begangen haben.

Endlich blieben die Kinder allein. Keiner von den Großen war zugegen. Da fragte Axel die anderen, ob sie von Onkel Ruben gehört hätten.

Er sah es in den Augen aufblitzen und viele kleine Fäuste sich ballen, aber die kleinen Münder schienen Ehrfurcht vor Onkel Ruben gelernt zu haben. »Sei ja still,« sagte die ganze Schar.

»Nein,« erklärte Axel, »jetzt will ich wissen, ob er noch weiter jemand quält, denn ich finde, daß er der greulichste von all meinen Onkeln ist.«

Dieses eine mutige Wort brach den Damm, der dem Grolle gequälter Kinderherzen gesetzt war. Es gab großen Lärm und wildes Durcheinanderrufen. So mag eine Nihilistengesellschaft aussehen, wenn sie den Zaren schmäht.

Nun wurde das Sündenregister des großen Mannes aufgestellt. Onkel Ruben verfolgte alle seine Geschwisterkinder. Onkel Ruben starb, wo es ihm gefiel. Onkel Ruben war immer gerade so alt wie derjenige, dessen Ruhe er stören wollte.

Und Respekt mußte man vor ihm haben, obwohl er ganz entschieden ein Lügner war. Ihn aus tiefster Seele hassen, das konnte man sich erlauben, aber ihn zu ignorieren oder ihn gar zu verachten, nein, das ging nicht an.

Welch eine Miene die Alten aufsetzten, wenn sie von ihm sprachen! Hatte er denn je etwas Besonderes geleistet! Sterben ist doch nichts so Wunderbares. Und was er auch für Großtaten ausgeführt haben mochte, jetzt – soviel war sicher – mißbrauchte er seine Macht. Er war den Kindern in allem, wozu sie Lust hatten, entgegen, die alte Vogelscheuche. Er trieb sie vom Mittagsschlafe auf dem Rasen auf. Er hatte den besten Versteckplatz im Parke aufgespürt und seine Benutzung verboten.

Jetzt war er erst ganz kürzlich darauf verfallen, ungesattelte Pferde zu reiten und auf dem Heuwagen zu fahren.

Sie mußten alle ganz gewiß, daß der Ärmste überhaupt nicht älter als drei Jahre geworden war. Und jetzt überfiel er große Vierzehnjährige und behauptete in ihrem Alter zu sein. Darüber konnte man sich am allermeisten ärgern.

Unglaubliche Dinge kamen von ihm an den Tag. Er hatte vom Brückenkasten aus Ellritzen geangelt, er war in dem kleinen Kahne ausgerudert, er war in die Weide dort geklettert, die über dem Wasser hing, und in der es sich so gemütlich saß, ja, er hatte sich sogar auf Pulverfässern schlafen gelegt.

Sie waren jedoch alle fest davon überzeugt, daß man seiner Tyrannei nicht entfliehen konnte. Es war eine Erleichterung, daß man sich hatte aussprechen können, aber kein Hilfsmittel. Man konnte sich gegen Onkel Ruben nicht empören. – Man sollte es eigentlich nicht glauben, aber als diese Kinder groß wurden und selbst Kinder hatten, begannen sie sofort, Onkel Ruben auszunutzen, geradeso wie ihre Eltern vor ihnen es getan hatten.

Und ihre Kinder wiederum, d. h. die jetzt aufwachsende Jugend, sind so darauf eingelernt, daß es einmal im Sommer auf dem Lande vorkam, daß ein fünfjähriger Knirps zu der alten Großmutter Berta, die sich, während sie auf den Wagen wartete, auf einen Treppenabsatz gesetzt hatte, sagte:

»Großmutter, du hattest einmal einen Bruder, der Ruben hieß.«

»Du hast recht, mein kleiner Junge,« erwiderte die Großmutter, sofort aufstehend.

Dies war für die ganze Jugend ein ebensolcher Anblick, als hätten sie einen von den alten Karolinern Soldaten Karls XII. sich vor König Karls Bilde beugen sehen. Es stieg ihnen eine Ahnung auf, daß Onkel Rubens Größe dauernd sein müsse, weil er so sehr geliebt worden war.

Heutzutage, da jede Größe so scharf kritisiert wird, muß man maßvoller als früher von ihm Gebrauch machen. Seine Altersgrenze ist niedriger, Bäume, Boote und Pulverfässer sind sicher vor ihm, aber nichts Steinernes, das sich zum Sitzen eignet, läßt er sich entgehen.

Und die Kinder, Kinder der Jetztzeit, betragen sich anders gegen ihn als ihre Eltern. Sie kritisieren ihn offen und ungeniert. Die Kunst, drückenden, fürchtenden Gehorsam einzuflößen, ist den Eltern verloren gegangen. Kleine Schulmädchen sprechen sich über Onkel Ruben aus und möchten gern wissen, ob er wirklich etwas anderes sei als eine mythische Persönlichkeit. Ein kleiner Sechsjähriger macht den Vorschlag, man solle durch Experimente beweisen, daß es unmöglich sei, sich auf einer Steintreppe bis auf den Tod zu erkälten.

Doch dies ist nur eine vorübergehende Mode. In ihrem tiefsten Innern ist diese Generation von Onkel Rubens Größe ebenso fest überzeugt wie die vorhergehende und gehorcht ihm geradeso wie diese.

Der Tag wird kommen, an welchem diese Spötter sich nach dem alten Hause begeben, die alte Steintreppe aufsuchen und sie auf ein Postament mit goldener Inschrift setzen.

Jetzt scherzen sie einige Jahre über Onkel Ruben, doch sowie sie erst erwachsen sind und eigene Kinder zu erziehen haben, wird ihnen der Nutzen und die Notwendigkeit des großen Mannes einleuchten.

»Ach, mein liebes Kind, sitze doch nicht auf der Steintreppe. Deine Großmutter hatte einen Onkel, der Ruben hieß. Als er in deinem Alter war, starb er, weil er sich zum Ausruhen auf eine solche Steintreppe gesetzt hatte.«

So wird es heißen, solange die Welt steht.


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