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Es war Weihnachtsnacht, eine richtige Julnacht.
Die Wichtelmännchen stellten die Steinplatten auf hohe Goldpfeiler und feierten das Fest der Wintersonnenwende. Der Hauskobold tanzte mit einer neuen, roten Mütze um die Weihnachtsgrütze. Alte Götter zogen in grauen Wettermänteln am Himmel hin, und auf dem Österhaninger Kirchhofe stand das Helroß. Es scharrte mit dem Hufe in dem gefrorenen Boden und bezeichnete den Platz für ein neues Grab.
Nicht weit davon, auf dem alten Gutshofe Arsta, lag Mamsell Friederike im Schlafe. Arsta ist, wie man weiß, ein altes Spukschloß, aber Mamsell Friederike schlief fest und ruhig. Sie war jetzt alt und recht müde von vielen schweren Arbeitstagen und vielen, vielen Reisen – sie war ja beinahe rund um die Erde gefahren. Deshalb war sie nun in das Heim ihrer Kindheit zurückgekehrt, um dort Ruhe zu haben.
Vor dem Schlosse ertönte in der Nacht eine kecke Fanfare. Der Tod hatte sein graues Roß bestiegen und war vor das Schloßtor geritten. Sein weiter Scharlachmantel und die stolze Hutfeder flatterten im Nachtwinde. Der gestrenge Ritter wollte ein schwärmerisches Herz bezwingen, deshalb trat er in seltenem Staate auf. Vergebene Müh', Herr Ritter, vergebene Müh'! Das Tor ist verschlossen, und deine Herzensdame schläft. Eine bessere Gelegenheit mußt du suchen und eine passendere Zeit. Paß ihr auf, wenn sie zur Frühpredigt fährt, gestrenger Herr Ritter, erwarte sie auf dem Wege zur Kirche!
Die alte Mamsell Friederike schlief ruhig in ihrer geliebten Wohnung. Niemand hatte die Süßigkeit der Ruhe besser verdient als sie. Wie ein Weihnachtsengel saß sie eben noch in einem Kreise von Kindern und erzählte ihnen von Jesus und den Hirten, erzählte ihnen davon, bis ihre Augen strahlten und ihr ganzes Gesicht wie verklärt aussah. Jetzt in ihren alten Tagen hatte auch keiner mehr etwas an Mamsell Friederikes Aussehen auszusetzen. Wer die kleine, zierliche Gestalt, die feinen Händchen und das kluge, freundliche Gesicht sah, hätte, im Gegenteil, den Anblick gern als die schönste Erinnerung im Gedächtnisse festgehalten. In Mamsell Friederikens großem Zimmer lag zwischen vielen Reliquien und Andenken ein dürres Büschlein. Es war die von ihr aus dem fernen Morgenlande mitgebrachte Jerichorose. Jetzt in der Weihnachtsnacht begann die Blume ganz von selbst zu blühen. Die dürren Zweige bedeckten rote Knospen, die wie Feuerfunken glühten und das ganze Zimmer erhellten.
Beim Scheine der Funken sah man, daß eine kleine, zierliche, aber recht bejahrte Dame in dem großen gelben Lehnstuhle saß und Cercle hielt. Mamsell Friederike konnte es nicht sein, denn sie lag ruhig schlafend in ihrem Bette, und doch war sie es. Sie saß dort, um ihre Erinnerungen zu empfangen; das Zimmer war voll von ihnen. Menschen, Häuser, Gegenstände, Gedanken und Diskussionen schwebten heran. Kindheits- und Jugenderinnerungen, Liebe und Tränen, Ehrenbezeigungen und bitterer Hohn, alles sauste auf die bleiche Gestalt zu, die von ihrem Platze aus alles mit gutmütigem Lächeln betrachtete. Für alle hatte sie ein scherzendes oder wehmütiges Wort. Die Nacht gibt allen Dingen ihre wahre Gestalt und Form. Und wie man erst nachts die Sterne des Himmels sehen kann, so sieht man dann auch auf Erden vieles, was man bei Tage nie erblickt. So konnte man auch jetzt beim Scheine der roten Knospen der Jerichorose in Mamsell Friederikens Salon eine Menge seltsamer Gestalten sehen. Dort stand die steife » ma chère mère«, die gutmütige Beate Alltag, Menschen aus dem Morgen- und Abendlande, die schwärmerische Nina und die energische Bahnbrecherin Herta in ihrem weißen Kleide. Heldinnen aus Friederike Bremers Romanen.)
»Kann mir jemand sagen, weshalb die Person immer weißgekleidet sein muß?« scherzte die kleine Gestalt im Lehnstuhle, als sie Herta erblickte.
Doch alle Erinnerungen redeten mit der Alten. »Sieh,« sagten sie, »wieviel hast du gesehen und erfahren, wieviel hast du ausgerichtet und genützt! Bist du nicht müde, willst du nicht zur Ruhe gehen?«
»Noch nicht,« antwortete das Schattenbild im gelben Lehnstuhle. »Ein Buch muß ich noch schreiben. Ich kann nicht eher zur Ruhe gehen, als bis es fertig ist.«
Damit verschwanden die Schatten. Die Jerichorose erlosch, und der gelbe Lehnstuhl stand leer.
In der Österhaninger Kirche feierten die Toten Mitternachtsgottesdienst. Einer von ihnen stieg zu den Glocken hinauf und läutete das Weihnachtsfest ein, ein zweiter ging umher und zündete die Weihlichter an, und ein dritter begann mit Knochenfingern auf der Orgel zu spielen. Durch die geöffneten Türen kamen die übrigen aus der Nacht und den Gräbern in dichtgedrängten Scharen in das hellerleuchtete Gotteshaus hinein. Sie sahen gerade so aus wie hier im Leben, nur ein wenig bleicher. Sie öffneten die Türen der Stühle mit klirrenden Schlüsseln und steckten flüsternd die Köpfe zusammen, als sie den Mittelgang hinaufgingen.
»Sie hat den Armen all die Lichter geschenkt, die jetzt im Hause des Herrn strahlen.« »Wir liegen warm in unsern Gräbern, solange sie den Armen Kleider und Brennholz gibt.«
»Seht, sie hat so viele Kraftworte, welche Menschenherzen geöffnet haben, gesprochen, und jene Worte sind unsre Stuhlschlüssel!«
»Sie hat schöne Gedanken von Gottes Liebe gedacht. Diese Gedanken heben uns aus den Gräbern.«
So raunten und flüsterten sie, ehe sie sich in die Stühle setzten und die bleiche Stirn zum Gebete auf die dürren Hände herabsenkten.
Auf Arsta aber trat jemand in Mamsell Friederikens Zimmer und legte freundlich die Hand auf den Arm der Schlafenden.
»Auf, meine Friederike! Es ist Zeit, zum Frühgottesdienste zu fahren.«
Die alte Mamsell Friederike schlug die Augen auf und sah ihre geliebte verstorbene Schwester Agathe mit einem Lichte in der Hand vor dem Bette stehen. Sie erkannte sie gleich, da jene noch geradeso aussah wie hier auf Erden. Mamsell Friederike erschrak nicht, sie freute sich nur, die Teure zu sehen, an deren Seite sie gern im langen Todesschlafe ruhen wollt«. Sie stand auf und kleidete sich in großer Eile an. Zur Unterhaltung war keine Zeit, der Wagen stand vor der Tür. Die anderen mußten schon abgefahren sein, denn es regte sich nichts weiter im Hause als Mamsell Friederike und ihre tote Schwester.
»Erinnerst du dich noch, Friederike,« sagte die Schwester, als sie eingestiegen waren und rasch nach dem Kirchdorfe fuhren, »erinnerst du dich noch, wie du früher stets erwartetest, irgendein Ritter werde dich auf dem Wege zur Kirche entführen?«
»Das erwarte ich noch immer,« antwortete Mamsell Friederike lachend. »Jedesmal, wenn ich diesen Weg fahre, schaue ich nach meinem Ritter aus.«
Trotz ihrer Eile kam sie doch zu spät. Der Prediger verließ gerade die Kanzel, als sie in die Kirche traten, und der Schlußgesang begann. Nie hatte Mamsell Friederike so herrlich singen hören. Es war, als stimmten Erde und Himmel in den Gesang ein, als sängen jede Bank, jeder Stein und jede Planke mit.
Nie hatte sie die Kirche so überfüllt gesehen, auf dem Altarrunde und auf der Kanzeltreppe saßen Leute, sie standen in den Gängen, sie drängten sich in den Stühlen, und draußen stand der ganze Weg voller Menschen, die nicht mehr hinein konnten. Die Schwestern fanden jedoch Platz; sie ließ die Menge durch.
»Friederike,« sagte die Schwester, »sieh dir die Leute an!«
Und Mamsell Friederike tat es und sah sie an.
Da wurde sie gewahr, daß sie, wie jenes Weib im Märchen, zum Gottesdienste der Toten gekommen war. Sie fühlte, wie ein kalter Schauder sie durchrieselte, aber es ging ihr jetzt wieder so, wie schon so oft im Leben, sie spürte mehr Neugierde, wie Furcht.
Und nun sah sie, wer in der Kirche war. Lauter weibliche Wesen waren da: graue, gebeugte Gestalten mit runden Kragen und verblichenen Mantillen, Hüten, die von vergangener Pracht erzählten, und gekehrten oder unten durchgestoßenen Kleiderröcken. Sie sah ungeheuer viele runzlige Gesichter, eingefallene Münder, trübangelaufene Brillen und welke Hände, aber dennoch keine einzige Hand, die einen Trauring trug.
Jetzt wußte Mamsell Friederike Bescheid. Es waren alle die entschlafenen alten Jungfern des Schwedenlandes, die Mitternachtsgottesdienst in der Österhaninger Kirche feierten.
Da beugte ihre tote Schwester sich zu ihr.
»Schwester, bereust du, was du für diese, deine Schwestern, getan hast?«
»Nein,« antwortete Mamsell Friederike. »Worüber kann ich froh sein, wenn nicht darüber, daß es mir vergönnt war, für sie zu arbeiten. Ich opferte ihnen einmal mein ganzes Ansehen als Schriftstellerin. Ich freue mich, daß ich wußte, was ich opferte, und es doch tat.« »So kannst du hierbleiben und weiter hören,« sagte die Schwester.
In demselben Augenblicke hörte man hinten auf dem Altarrunde eine sanfte, aber deutliche Stimme sprechen.
»Meine Schwestern,« sagte die Stimme, »unser bedauernswertes Geschlecht, unser unwissendes, verspottetes Geschlecht wird bald nicht mehr zu finden sein. Gott hat gewollt, daß wir aussterben.
Liebe Freundinnen, bald werden wir nur noch eine Sage sein. Das Maß der alten Jungfern ist voll. Draußen auf dem Kirchwege reitet der Tod, um die letzte von uns zu treffen. Vor dem nächsten Mitternachtsgottesdienste ist sie tot, die letzte alte Jungfer.
Schwestern, Schwestern! Wir waren die Einsamen auf der Erde. Die Zurückgesetzten beim Gastmahle und die Dienenden im Hause, denen keiner je dankte. Um uns her war Hohn und Lieblosigkeit. Unser Weg war schwer, und unser Name wurde zum Spott.
Doch Gott hat sich erbarmt.
Einer von uns gab Er Kraft und Geist. Einer von uns gab Er nie versiegende Güte. Einer gab Er die herrliche Gabe des Wortes. Sie wurde alles, was wir hätten sein sollen. Sie brachte Licht in unser dunkles Geschick. Sie wurde, gleich uns, eine Dienerin des Hauses, aber sie schenkte ihre Gaben tausend Häuslichkeiten. Sie war, wie wir, die Pflegerin der Kranken, doch sie kämpfte gegen die gewaltigste Krankheit, das Vorurteil. Tausenden von Kindern erzählte sie ihre Märchen. In allen Ländern hatte sie ihre armen Freunde. Sie gab aus volleren Händen und mit wärmerem Gemüte als wir. In ihrem Herzen lebte nichts von unserer Bitterkeit, denn diese hat sie durch Liebe vertrieben. Ihre Ehre glich der einer Königin. Millionen von Herzen entrichteten ihr die Steuer der Dankbarkeit. Ihre Worte sind in den großen Fragen der Menschlichkeit schwerwiegend gewesen. Ihr Name erklang durch die neue und die alte Welt. Und doch ist sie nur eine alte Jungfer.
Sie hat die Erklärung für ihr dunkles Geschick gefunden. Gesegnet sei ihr Name!« –
Und die Toten stimmten wie ein tausendfältiges Echo ein: »Gesegnet sei ihr Name!« –
»Schwester,« flüsterte Mamsell Friederike, »kannst du ihnen nicht verbieten, mich armes, sündiges Menschenkind hochmütig zu machen?«
»Aber Schwestern, Schwestern,« fuhr die Stimme fort, »sie hat sich mit all ihrer großen Macht gegen unser Geschlecht gewandt. Bei ihrem Rufe nach Freiheit und Arbeit für alle sind die alten verspotteten Dulderinnen ausgestorben. Sie hat die Schranken der Tyrannei, welche die Kinder umgaben, niedergerissen. Sie hat die jungen Mädchen in die volle Tätigkeit des Lebens versetzt. Sie hat der Einsamkeit, Unwissenheit und Freudlosigkeit ein Ende gemacht. Es wird keine unglücklichen, verachteten alten Jungfern ohne Beruf und Lebensaufgabe mehr geben, solche, wie wir gewesen, werden nicht mehr zu finden sein.«
Wieder ertönte das Echo der Schatten, jubelnd wie Jägergesang im Walde, jauchzend wie eine fröhliche Kinderschar: »Gesegnet sei ihr Andenken!«
Dann strömten die Toten aus der Kirche, und Mamsell Friederike wischte sich eine Träne aus dem Auge.
»Ich begleite dich nicht nach Hause,« sagte ihre tote Schwester. »Willst du nicht auch gleich hier draußen bleiben?«
»Ich möchte es schon, aber ich kann nicht. Ich muß noch erst ein Buch vollenden.«
»Nun, dann gute Nacht und hüte dich vor dem Ritter auf dem Kirchenwege,« sagte die tote Schwester mit ihrem alten, schelmischen Lächeln.
Darauf fuhr Mamsell Friederike nach Hause. Ganz Arsta schlief noch, und sie ging leise auf ihr Zimmer, legte sich wieder hin und schlief noch einmal ein.
Einige Stunden später fuhr sie zu der wirklichen Frühpredigt. Sie fuhr in einem geschlossenen Wagen, aber sie ließ das Fenster herunter, um die Sterne sehen zu können, doch es ist auch möglich, daß sie nach ihrem Ritter ausschaute.
Und da war er, da sprengte er an das Wagenfenster. Prächtig saß er auf seinem sich bäumenden Rosse. Der Scharlachmantel flatterte im Winde. Sein bleiches Antlitz war streng, aber schön.
»Willst du mein sein?« flüsterte er.
Hingerissen war sie in ihrem alten Herzen von der hohen Gestalt mit der wallenden Feder. Sie vergaß, daß sie ja noch ein Jahr leben mußte.
»Ich bin bereit,« flüsterte sie.
»Dann komme ich in einer Woche nach dem Gute deines Vaters, um dich zu holen.«
Er beugte sich nieder, küßte sie und verschwand; sie aber begann unter dem Kusse des Todes zu frieren und zu zittern.
Eine kleine Weile darauf saß Mamsell Friederike in der Kirche auf demselben Platze, auf dem sie als Kind gesessen. Hier vergaß sie sowohl den Ritter und die Gespenstererscheinungen und saß in dem Gedanken an die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes vor stiller Begeisterung lächelnd da.
Doch entweder war sie müde, weil sie nicht die ganze Nacht hatte schlafen können, oder die Wärme, die drückende Luft und der Rauch von den Kerzen übten auf sie, wie auf so manchen andern, eine einschläfernde Wirkung aus. Sie schlummerte ein, nur eine Sekunde, sie konnte wirklich nichts dafür.
Vielleicht hatte Gott ihr auch das Tor des Traumlandes öffnen wollen.
In der einen Sekunde, die sie schlummerte, sah sie nun ihren strengen Vater, ihre hübsche, elegante Mutter und die häßliche kleine Petrea dort in der Kirche sitzen. Und die Seele des Kindes war von einer Angst zusammengepreßt, die größer war, als je ein Erwachsener sie empfunden. Auf der Kanzel stand der Prediger und redete von dem strengen, strafenden Gotte, und das Kind saß bleich und zitternd da, als seien die Worte Messerstiche und gingen durch sein Herz.
»Oh, welch ein Gott, welch ein schrecklicher Gott!«
In der nächsten Sekunde war sie wieder wach, aber sie zitterte und bebte ebenso wie nach dem Kusse des Todes auf dem Kirchenwege. Ihr Herz lag noch einmal in den Banden des leidenschaftlichen Kummers ihrer Kinderjahre.
Sie hatte es auf einmal so eilig, daß sie die Kirche am liebsten verlassen hätte. Sie mußte heim, um ihr Buch zu schreiben, ihr herrliches Buch von Gottes Liebe und Frieden.
Nichts, was jetzt noch erwähnenswert scheinen könnte, passierte Mamsell Friederike vor der Neujahrsnacht. Leben und Tod herrschten, ebenso wie Tag und Nacht, in stiller Eintracht während der letzten Woche des Jahres auf Erden, doch als die Neujahrsnacht kam, ergriff der Tod das Zepter und verkündete, daß die Mamsell Friederike jetzt ihm gehöre.
Hätte man dies nur gewußt, so würde das ganze schwedische Volk wohl in gemeinsamem Gebete Gott angefleht haben, seinen reinsten Geist und sein wärmstes Herz behalten zu dürfen. Dann würde in verschiedenen Ländern, wo sie liebende Herzen hinterlassen, in manchem Heim in Angst und Sorge gewacht worden sein. Dann hätten die Armen, die Kranken und die Bedürftigen der eigenen Not über der ihren vergessen, und dann würden alle die Kinder, die unter dem Segen ihrer Wohltat aufgewachsen, ihre Hände faltend, um noch ein Jahr für ihre beste Freundin gebeten haben. Ein Jahr noch, damit sie ihrer Lebenstat volle Klarheit geben und ihr den Schlußstein einfügen könne.
Denn der Tod kam für Mamsell Friederike zu schnell.
Sturm tobte draußen in der Neujahrsnacht, Sturm war in ihrem Innern. Sie fühlte in sich alle Qualen des Lebens und des Todes sich brechen.
»Angst!« seufzte sie. »Angst.«
Doch die Angst wich, der Friede kam, und sie flüsterte leise: »Christi Liebe – beste Liebe – Gottes Friede – das ewige Licht!«
Ja, darüber hatte sie in ihrem Buche schreiben wollen und vielleicht noch über vieles andre ebenso Schöne und Herrliche. Wer weiß? Wir wissen nur eines, nämlich, daß Bücher vergessen werden, ein Leben wie ihres aber nie.
Die Augen der alten Seherin schlossen sich, sie versank in Visionen.
Ihr Körper rang mit dem Tode, aber sie wußte nichts davon. Ihre Angehörigen saßen weinend am Sterbebette, aber sie sah sie nicht. Ihr Geist hatte seine Flucht angetreten.
Jetzt wurden die Träume für sie Wirklichkeit und die Wirklichkeit ein Traum. Jetzt stand sie, wie sie sich schon in ihrem Jugendtraum gesehen, inmitten unzähliger Scharen von Toten wartend vor der Himmelstür. Und der Himmel öffnete sich. Er, der Einzige, der Seligkeitbringende stand in dem offnen Himmelstore. Und seine unendliche Liebe erweckte in den wartenden Geistern und in ihr die Sehnsucht, in seine Arme zu fliegen, und diese Sehnsucht trug jene und sie, so daß sie wie auf Flügeln emporschwebten, aufwärts, aufwärts!
Am nächsten Tage herrschte Trauer im Schwedenlande, Trauer über große Teile der Erde.
Friederike Bremer war tot.