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Wir sind daheim und sehr vergnügt.
Vater und Mutter und Tante Lovisa und Aline Laurell und Anna sind nach Sunne in die Propstei gefahren, wo große Gesellschaft ist. Emma Laurell und Gerda und ich aber haben nicht mit dürfen, weil wir noch zu klein sind. Und nachdem wir unsere Aufgaben gelernt hatten, waren wir bei der Haushälterin in der Küche, und sie hat uns die lustigen Geschichten erzählt vom Hähnchen, das die Nuß verschluckt hatte, und von dem alten Manne, der sieben Fuder Grütze und sieben Eimer Buttermilch verzehrte. Und wir haben unsere liebe, gute Köchin dazu gebracht, uns das lustige Lied von Olle Bock zu singen, der mit fünfzehntausend Mann in den Krieg zog, aber an Ostern oder am heiligen Dreifaltigkeitstag zurück sein mußte.
Dann haben wir im Wohnzimmerofen Äpfel gebraten, und am Abend gab es Rahmküchlein mit Himbeermarmelade, damit wir nicht betrübt sein sollten, weil wir daheim bleiben mußten.
Aber sobald wir zu Abend gegessen haben, gehen wir in die Kinderstube hinauf, denn wenn alle die Großen fort sind, ist es uns in den Zimmern drunten gar nicht behaglich. Gerda darf heute auf dem Kinderstubensofa schlafen, denn man kann nicht verlangen, daß sie allein in der Eltern Schlafzimmer liegen soll. Deshalb gehen sie und das Kindermädchen Maja mit uns hinauf. Das große rothaarige Hilfsmädchen und die gute Köchin kommen auch mit, aber nicht, weil sie in der Kinderstube etwas zu tun hätten, sondern nur, um zu plaudern.
Maja setzt sich neben den Kachelofen, und wir lassen uns vor der Ofentür an dem flackernden Feuer nieder und wärmen uns. Den ganzen Abend hat furchtbar schlechtes Wetter geherrscht, wir sitzen auch eine Weile still da und hören zu, wie der Regen ans Fenster klatscht, und wie der Wind heult, wenn er um die Hausecke herumfährt. Die freundliche Köchin meint, die Herrschaft, die in einer solchen Nacht nach Hause fahren müsse, tue ihr recht leid. Aber Maja beruhigt sie und sagt, sie seien ja in der großen Kutsche gefahren. Darüber sind wir alle sehr froh, denn wenn sie in der großen Kutsche fahren, können sie diese ganz zumachen, und dann kann ihnen weder der Wind noch der Regen etwas anhaben.
Danach bitten wir natürlich unsere freundliche Köchin und das große Hilfsmädchen, uns Gespenstergeschichten zu erzählen. Aber sie sagen, das wagten sie nicht, denn Frau Lagerlöf habe es ihnen verboten.
Aber das Kindermädchen Maja blinzelt uns zu, was heißen will, daß wir nicht betrübt sein sollen, denn sie werde schon Rat schaffen. Zuerst überredet sie Gerda, sich auszuziehen und sich in das nette Bettchen auf dem Schlafstubensofa zu legen. Gerda schläft, sobald sie den Kopf aufs Kissen legt, und dann kommt Maja rasch zu uns her.
Und sie sagt, wir beide, Emma Laurell und ich, seien doch so verständig, ja, beinahe ebenso verständig wie große Leute, deshalb könne es uns nicht im geringsten schaden, wenn man uns Gespenstergeschichten erzähle.
»Gerda ist ja noch sehr klein,« sagt sie, »und deshalb will die gnädige Frau natürlich nicht, daß sie Angst bekommt, aber jetzt liegt sie ja im Bett und schläft.«
Und dann hören wir eine Spukgeschichte nach der andern.
Das große rothaarige Hilfsmädchen erzählt zuerst. Auf dem Hofe, wo sie im vorigen Jahr gedient hatte, war der Hausvater gestorben. Er war gerade kein besonders guter Mann gewesen, die Leute hatten recht viel an ihm auszusetzen gehabt. Nein, das Mädchen wußte nicht recht, wie es zusammenhing, aber an demselben Tag, wo er starb, kam ein großer schwarzer Hund mit einem feuerroten Rachen auf den Hof gestürzt. Er stellte sich auf die Haustreppe und bellte und heulte wohl eine Stunde lang, damit man ihn hereinlasse; aber niemand wagte ihm die Tür aufzumachen. Es war mitten am Tage, und die Knechte waren eben in der Küche, um zu Mittag zu essen, aber sie blieben am Tisch sitzen, ohne das Essen anzurühren.
Das Mädchen erinnerte sich, daß eine große Schüssel mit Kartoffeln aufgetragen war, und einer der Knechte nahm auch eine Kartoffel, aber er behielt sie in der Hand und kam nicht einmal dazu, sie zu schälen. Das Hilfsmädchen saß mit den andern in der Küche, und sie konnte gar nicht vergessen, wie unheimlich es war, als alle Leute mäuschenstill dasaßen und nur auf den Hund horchten, der draußen auf der Haustreppe bellte.
Schließlich kam die Hausfrau in die Küche heraus. Sie war ganz bleich und so voller Angst, daß sie sich am Türpfosten festhalten mußte. Sie sagte, sie wolle nur fragen, ob denn im ganzen Hause niemand sei, der den Hund von der Treppe zu verjagen wage.
Und das Mädchen erzählte weiter: »Da stand der älteste von den Knechten auf. Er schob seinen Stuhl so heftig zurück, daß dieser bis an die Wand fuhr, trat an den Herd, nahm die Feuerzange, packte damit ein Holzscheit, das in hellen Flammen stand, und mit dem in der Hand ging er hinaus. An der Haustür waren alle Riegel vorgeschoben und alle Schlösser geschlossen, aber er schloß auf und öffnete einen Spalt an der Tür. Und in demselben Augenblick schleuderte er den Feuerbrand dem in den Rachen, der da draußen stand und heulte. Da stieß der ein noch schrecklicheres Geheul aus, das man gewiß meilenweit hören konnte, und es hörte sich fast an, wie wenn ein Mensch tobt und flucht, so arg er nur kann. Aber auf und davon ging der Hund, und während er durch die Allee davonjagte, flogen die ganze Zeit Funken und Rauch um ihn her; da konnte man wohl sehen, was das für einer war.«
Ich bin mir selbst gar nicht bewußt, daß ich Majas Hand krampfhaft festhalte, bis sie sich zu mir herunterbeugt und mich fragt, ob ich mich denn fürchte.
Allerdings sind mir die ganze Zeit, während das Hilfsmädchen erzählte, kalte Schauer über den Rücken gelaufen, aber es ist eben doch so furchtbar spannend. Deshalb ziehe ich gleich meine Hand aus Majas zurück und schüttle den Kopf.
Aber ich wünsche beinahe, sie möchten Geschichten von Riesen und Wichtelmännchen und Trollen erzählen, denn vor solchen fürchte ich mich nicht. Nur nicht von dem Bösen! Ach, ich habe mir immer eingebildet, er liege droben auf dem Bodenraum vor der Kinderstube in dem dunklen Winkel auf der Lauer, wo alte ausgebrauchte Spinnrädchen und Webstühle aufgestapelt stehen. Wenn ich auf dem Bodenraum an dieser Stelle vorbeigehe, habe ich es immer sehr eilig, denn es könnte ja sein, daß er aus der Dunkelheit da herausträte und ich ihn zu sehen bekäme. Aber sobald ich den Schlüssel in die Kinderstubentür gesteckt habe, bin ich wieder ruhig, denn hier herein kommt er niemals. Ach, wenn er nur jetzt nicht kommt, wo das große rothaarige Hilfsmädchen so viel von ihm erzählt! Wer kann es wissen! Vielleicht klopft er im nächsten Augenblick an die Tür, öffnet sie und kommt herein.
Jetzt ist die Reihe zu erzählen an der freundlichen Köchin.
Zu allererst stellt sie fest, daß sie das Abenteuer nicht selbst miterlebt hat, aber sie weiß bestimmt, daß es wahr ist, denn ein Onkel von ihr hat alles gesehen und gehört.
Der Onkel unserer Köchin ist weit drinnen im Walde beim Holzfällen gewesen, und als Hilfsarbeiter hatte er einen Mann bei sich, von dem man sagte, er habe schon eine Art Kontrakt mit dem Bösen. Sie hatten eben eine Kiefer durchgesägt und warteten nun auf deren Fall. Da sahen sie plötzlich, wie sich der Baum nach einer andern Seite neigte, als sie erwarteten. Es sah aus, als würde er geradeswegs auf sie selbst fallen und es bliebe ihnen keine Zeit mehr zum Ausweichen.
Aber da hörte der Onkel unserer Köchin, wie sein Kamerad der großen Kiefer zurief: »In des Teufels Namen, richte dich auf!« Und zugleich sah der Onkel, wie der Baum sich mitten im Fall aufrichtete und nach der andern Seite hinuntersank.
Ach, es ist recht dumm und verdrießlich! Aber die ganze Zeit, während die alte Köchin erzählte, hab' ich gehört, wie es draußen auf dem Bodenraum tappte und schlurfte, und in dem Augenblick, wo der Baum fällt, rufe ich ihr zu, sie solle still sein.
Und zugleich kommt ein furchtbarer Windstoß dahergefegt, und ein scharfer Knall ertönt, und nun – dessen bin ich ganz sicher – ist die Tür aufgegangen und der, dessen Namen man nicht auszusprechen wagt, wird sich uns zeigen.
Ich springe auf und fange an zu weinen, und ich sage noch einmal, daß ich nichts mehr hören will.
»Aber, Selma, der Wind hat ja nur einen Ziegel vom Dach heruntergeworfen, das hast du doch gehört,« sagt Maja. »Aber da du so große Angst hast, hören wir jetzt lieber auf,« fügt sie hinzu.
Natürlich hat Maja recht, das begreife ich sofort, es war wirklich nichts anderes als ein Dachziegel. Und ich schäme mich auch halb zu Tod.
Emma Laurell sagt, ich stellte mich an wie ein sechsjähriges Kind. Sie meint auch, die nette Köchin solle nur weitermachen; aber das Kindermädchen Maja erklärt, nein, das könnte sie nicht verantworten, und es müsse jetzt Schluß gemacht werden.
Später in der Nacht liege ich wach in meinem Bett und ärgere mich über mich selbst, weil ich Angst bekam; denn ich weiß ja sehr gut, daß der Böse nicht zwischen den alten Spinnrädchen sitzt. Das ist nur so etwas, was ich mir einbilde.
Es ist eine Schande, wenn man sich wegen nichts fürchtet und in Tränen ausbricht, weil ein Ziegel vom Dach herunterpoltert. Das darf nie wieder vorkommen.
Ich denke an Fritjof und an Sven Duva und an Sandels. Ach, sie, die so hoch über mir stehen, erreiche ich noch lange nicht!
Aber am nächsten Tag, als das Mittagessen gekocht wird, steht ein kleines Mädchen in der Küche und gibt wohl acht, ob die Haushälterin etwas aus der Vorratskammer braucht, und dann bietet es sich sofort an, das Gewünschte zu holen. Es geht die Bodentreppe mit bedächtigen, ruhigen Schritten hinauf und durch den Bodenraum in die Vorratskammer, und das tut es nun Tag um Tag.
Die Haushälterin lobt das kleine Mädchen, weil es so gefällig ist; aber es tut es nur, um sich den Mut zu stärken. Und nach kurzem ist es auch so weit, daß es an dem Winkel mit den Spinnrädern vorbeigehen kann, ohne die Augen abzuwenden, und auch ohne Herzklopfen wieder in die Küche hinunterkommt.