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Die Versammlungen der deutschen Naturforscher und Aerzte zu Bonn und Karlsruhe.

Nur allmählich brachte ich es zu ärztlicher Praxis in Heidelberg, und erst im letzten Jahre meines dortigen Aufenthalts trug sie mir soviel ein, daß ich aus meinen Einnahmen den Haushalt bestreiten konnte. Hätte ich der Aufforderung einiger befreundeten Pfarrer der umliegenden Dörfer gefolgt und auch Landpraxis angenommen, so würde ich mir eher ein ausreichendes Einkommen verschafft haben, doch konnte ich mich dazu nicht entschließen. Abgesehen davon, daß ich mich nicht gesund und kräftig genug fühlte, schien es mir kaum möglich, den Dozenten und Landarzt in einer Person zu vereinigen. Zwar einer unserer älteren Dozenten hatte die schwierige Aufgabe fertig gebracht. Er las mehrere Zwangskollegia und besorgte zugleich mit großem Eifer die Landpraxis. Es war rührend, den arbeitsamen Mann mit dem scharf geschnittenen Profil in seinem Einspänner auf die Dörfer hinausfahren, und fast rührender noch, ihn heimkehren zu sehen. Er hatte seinen Wagen sehr zweckgemäß eingerichtet, indem er hinten einen Verschlag angebracht, worin er als Lohn seines Fleißes allerlei Früchte des Feldes, Rüben und Kohlköpfe, auch an glücklichen Tagen, wenn die Landleute schlachteten, schmackhafte Würste heimführte.

Für den Anfang meiner Heidelberger Lehrzeit hatte ich auf die Ausstände aus meiner früheren Praxis gerechnet, leider gingen sie mir aber durch die Untreue des Mannes, den ich zum Einzug bevollmächtigt hatte, verloren. Dadurch kam ich in den ersten Jahren mitunter in schwüle Lagen, und es bedurfte der ganzen haushälterischen Umsicht meiner Frau, sie alle glücklich zu überwinden. Es giebt einen Heldenmut in kleinen Dingen, der sich in den vier engen Wänden des Hauses abspielt, und wir Aerzte haben vielleicht die meiste Gelegenheit, ihn zu bewundern. Diesen besaß meine Frau.

Als der September 1857 herangekommen war, saßen wir wieder einmal ziemlich auf dem Trockenen, und doch hätte ich die Versammlung deutscher Aerzte und Naturforscher, die in Bonn abgehalten werden sollte, unsäglich gerne besucht, ich hatte noch keine mitgemacht und versprach mir viel davon. Ich freute mich im voraus, so viele Koryphäen der Wissenschaft aus Deutschland und dem Auslande zu sehen, hoffte vielleicht wichtige persönliche Beziehungen zu knüpfen, mancherlei Anregungen zu empfangen, endlich mich auch selbst durch eigenen Vortrag und mündlichen Verkehr den Fachgenossen bekannt zu machen. Sind doch solche Versammlungen gelehrte Märkte, wo man sein Bestes feil bietet, Ausstellungen, wo sich oft in wenigen Minuten verrät, wessen Geistes Kind der Mann ist, mit dem man sich unterhält, oder dessen Vortrag wir anhören. Der Schriftsteller, von dem uns vielleicht vorher ein brauchbares Kompendium in die Hand kam, spricht unverständlich oder verbreitet um das Katheder eine unausstehliche Atmosphäre ertötender Langweile. Schon wollte ich aus ängstlicher Sorge, meiner Frau Verlegenheiten zu bereiten, auf die Fahrt nach Bonn verzichten, aber sie gab es nicht zu. Erst geraume Zeit nachher erfuhr ich die Schwierigkeiten, denen sie tapfer entgegen ging, in ihrer wirklichen Größe. So zog ich getrost den Rhein hinab und knüpfte in Bonn die persönliche Beziehung zu dem Anatomen Gerlach von Erlangen, die mich nach Bayern und in die klinische Laufbahn brachte.

Die Bonner Versammlung, die vom 18. bis 24.&nbsp;September unter dem Vorsitze von Nöggerath und Kilian tagte, war sehr besucht, aus Deutschland sowohl, wie aus allen Nachbarländern, namentlich aus Holland. Die holländischen Universitäten waren am reichsten vertreten, ich erwähne von ihren Gelehrten nur Brolik, van Geuns, Schneevogt, Heynsius, Donders, Harting und den alten prächtigen Anatomen Schroeder van der Kolk, der einen glänzenden Vortrag über das verlängerte Hirnmark hielt, worin er den Herd der Fallsucht suchen zu müssen meinte. Er entzückte durch seine väterliche Liebenswürdigkeit alle Welt, und einige junge Professoren, die mit ihren meist hübschen Weibchen auf dem Heimweg von ihren Ferienreisen über Bonn gegangen waren, um hier ihre Fachgenossen kennen zu lernen, benützten die große Güte des berühmten Kollegen, um die teuren, aber unbequem gewordenen Ehehälften unter seinen Schutz zu stellen und ihre wissenschaftlichen Wege zu gehen. So sah man denn Herrn Schroeder stets mit einer, auch zwei jungen Damen am Arme sich bewegen, dazu noch vielleicht eine dritte und vierte im Schlepptau; er schien sich dabei nicht übel zu befinden. Von andern Ausländern nenne ich nur den Astronomen Maedler von Dorpat, den hervorragenden Zoologen van Beneden, den Geologen Elie de Beaumont, den vielseitigen Naturforscher Schimper aus Straßburg, die Aerzte Boeck aus Christiania und Murchison aus London, die Chirurgen John Zacchariah Lawrence, gleichfalls aus London, Leroy d'Etiolle aus Paris, der seine neuesten sinnreichen Instrumente zur Behandlung schwerer Blasenleiden demonstrierte, und Vanzetti aus Padua. – Die vielen Gäste von Ruf aus Deutschland aufzuzählen würde zu weit führen. Eines jedoch kann ich nicht verschweigen: wenige Gelehrte nur, Donders z. B. und Helmholtz, damals noch Professor in Bonn, trugen den göttlichen Stempel Apollos sichtbar im Antlitz; der schönste Mann in Gestalt und Haltung aber war der Hannoveraner Stromeyer, der berühmte Chirurg. – Von alten Freunden und Bekannten traf ich Friedreich und Heinrich Müller aus Würzburg, Harley aus London.

Von den Sitzungen der medizinischen Sektionen boten die der Anatomen und Physiologen weitaus das Beste. Außer dem alten Schroeder waren es namentlich Helmholtz, Donders, A. Fick von Zürich (später in Würzburg), Heinrich Müller, Czermak, damals Professor in Krakau, Heynsius von Amsterdam, und Gerlach, die durch Mitteilung neuer belangreicher Thatsachen oder Teilnahme an der Diskussion die Verhandlungen lehrreich und anregend machten. Auch Freund Harley sprach über Ausrottung der Nebennieren, durch die Entdeckung von Addisons Krankheit, 1855, damals gerade ein beliebtes Thema; unter mehreren Ratten, die sich nach Wegnahme ihrer Nebennieren ganz wohl befanden, war auch eine Ratt', die eine »rate« (Milz) hatte, obwohl sie die Tochter einer Ratt' war, die keine »rate« hatte, weil man dieser Ratt' die »rate« weggenommen. Ich selbst demonstrierte mittelst des Tierversuchs die Augenbewegungen, die bei wechselnder Sperre und Wiederkehr der Blutströmung durch die Schlagadern am Halse gesetzmäßig sich ablösen. Dieser Versuch interessierte besonders den Professor Gerlach von Erlangen, er unterhielt sich darüber längere Zeit auf das liebenswürdigste mit mir, und auf einem Ausflug nach dem Siebengebirge wußte er mich an seiner Seite zu behalten; er erkundigte sich auf das Genauste nach meiner Vergangenheit, meinen Studien, Vorlesungen und Aussichten in Heidelberg. Wie er mir später sagte, faßte er mich damals schon ins Auge als möglichen künftigen Kollegen in Erlangen, falls der Kliniker Dittrich, der einem unheilbaren Siechtum verfallen war, ersetzt werden müßte.

Die Bonner Versammlung erfreute sich vieler äußeren Ehren; das nachbarliche Köln hatte sie eingeladen, gastlich aufgenommen und zu ihrer Feier den Dom beleuchtet; zwei Dampfschiffe, festlich bekränzt, trugen die Naturforscher nach Coblenz, wo Prinzessin Auguste ihre Häupter empfing, und auf dem Rückweg ließ sie der Freiherr von Fürstenberg in Remagen bewirten. Bei diesen Gelegenheiten war es wiederholt ungebührlich zugegangen, man schob die Schuld auf die agronomische Sektion, die aus den Rheinlanden starken Zulauf hatte und sich vorwiegend als gastronomisch-oenologisch beteiligte.

Weit würdiger und feiner verlief ein Jahr nachher im Herbste 1858 die 34.&nbsp;Versammlung zu Karlsruhe, jedenfalls eine der schönsten und gelungensten in der langen Reihe ihrer Schwestern. Sie wurde vortrefflich geleitet durch den jovialen Physiker Wilhelm Eisenlohr und den geistreichen Mediziner Robert Volz, und erfreute sich seitens der Großherzoglichen Herrschaften, wie der gesamten Bevölkerung der Residenz einer verständnisvollen, ausgezeichneten Aufnahme, und wurde so in seltener Vereinigung prächtig und gemütlich zugleich. Selbstverständlich waren die beiden Universitäten des Landes und die polytechnische Schule von Karlsruhe vollzählig vertreten; von München waren gewissermaßen im Cortège Liebigs von Kobell, Martius, Jolly, Pfeufer und Rothmund eingetroffen; auch Berlin war nicht zurückgeblieben, es kamen Magnus, Dove, Poggendorf, H. Rose und andere, zuletzt auch Virchow, der in der dritten allgemeinen Versammlung durch eine glänzende Rede »über die mechanische Auffassung der Lebensvorgänge« die Zuhörer, fast tausend an Zahl, stürmisch begeisterte; Wien sandte Hebra und den Mathematiker Petzval. So waren aus ganz Deutschland ausgezeichnete Naturforscher und Aerzte zusammengeströmt. Ueberflog mein Auge die langen Reihen herrlicher Männer, die das geliebte Vaterland der Welt geschenkt hatte, so hob sich mein Herz in patriotischem Stolze.

Auch das Ausland hatte wieder eine beträchtliche Zahl berühmter Forscher geschickt. Von St.&nbsp;Petersburg war der große Naturforscher und Nestor der Embryologen, der Entdecker des Säugetier-Eies, Karl Ernst von Baer eingetroffen. Aufrechten Gangs, schlicht und einfach, trat er in den bereits gefüllten Sitzungssaal der Sektion für Anatomie und Physiologie. Da erhoben sich, wie von einem Gefühle der Verehrung hingerissen, alle Anwesenden, und der Vorsitzende, es war Helmholtz, wenn ich nicht irre, begrüßte ihn mit herzlichen Worten. Es war ein unvergeßlicher Augenblick. – Auch der skandinavische Norden, England und die Niederlande, Frankreich und Italien, schickten viele ihrer besten Männer. Aus Paris war Duchenne de Boulogne gekommen, der Begründer der heutigen Elektrodiagnostik und Elektrotherapie, ferner Mercier, der geschickte Chirurg, dessen glücklichen Gedanken, den Katheter an der Spitze mit einer kurzen Krümmung zu versehen, tausend Leidende segnen; Marc Sée, gleichfalls Chirurg, sang in lebhafter französischer Rede das Loblied der Katheterisation der Trachea an Stelle der Tracheotomie; endlich nenne ich den mir sympathischen Professor der Therapie, Adolphe Gubler, geb. in Metz, der mich kurz vorher in Heidelberg besucht hatte und noch lange in litterarischem Verkehr mit mir blieb. Alle Sektionen waren vom Auslande reich beschickt, die chemische sah z.&nbsp;B. in ihrer Mitte Wurtz aus Paris, Nicklès aus Nancy, Stas aus Brüssel, Roscoe aus Manchester und Schoenbein, den Erfinder der Schießbaumwolle, aus Basel, wenn man den gebornen Schwaben als Ausländer ansehen wollte. Dies ist jetzt nicht mehr in solchem Maße der Fall, allmählich haben alle Nationen ihre eigenen Versammlungen von Naturforschern und Aerzten eingerichtet und als gemeinsames Stelldichein sind die internationalen Versammlungen geschaffen worden. Es sei nur noch bemerkt, daß die benachbarte Faculté de médecine in Straßburg zahlreiche Mitglieder herübergeschickt hatte, Stoltz, Stoeber, Boeckel u. a., Paris sogar den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, den Physiker Despretz.

Die meisten Sektionen boten des Neuen und Anregenden viel. Ich beteiligte mich an der anatomisch-physiologischen und der medizinischen. Um nicht zu ermüden, will ich nur der ersten Sitzung der medizinischen gedenken, nicht weil ich sie in guter, sondern vielmehr in schlechter und warnender Erinnerung behielt; glücklicherweise wohnte ich nur als passiver Zuhörer an. Sie verlief sehr stürmisch, der gutmütige Vorsitzende, Professor Baumgärtner aus Freiburg war der Steuerung des Schiffleins, das er leiten sollte, nicht gewachsen. Der erste, zum Vortrag angemeldete Redner, war den medizinischen Besuchern früherer Versammlungen nur zu wohl bekannt, ein Medizinalrat aus dem hannöverschen Norden. Er behandelte sein wenig ansprechendes Thema in unerträglicher Länge und Breite, weit über die von vornherein vereinbarte Zeit hinaus. Das verdroß den Professor Griesinger aus Tübingen, der unter den Zuhörern saß; es riß dem heftigen Herrn zuletzt die Geduld, er unterbrach den Redner durch Zuruf an den Vorsitzenden, er möge dem Vortragenden doch endlich Schluß gebieten; überdies seien die Dinge, die er vorbringe, teils längst bekannt, teils irrig. Da er aber als ein derber Schwabe sehr kräftig und hitzig ins Zeug gegangen war, hatte er einige anwesende Freunde des Angegriffenen erbittert, einer von ihnen ergriff das Wort und protestierte im Namen der praktischen Aerzte. Sie seien nicht so gelehrt, wie die Herrn Professoren, manches Gehörte sei ihnen neu und erscheine ihnen nützlich und er bitte um Abstimmung der Versammlung, ob der Vortrag wirklich abgebrochen werden solle. Sie erfolgte und der Vortrag wurde zu Ende geführt.

Nach dem Medizinalrat kam ein Professor an die Reihe und die Zuhörerschaft aus dem Regen in die Traufe. Es war der Professor Johann Ignaz Hoppe aus Basel, geboren in der Gegend von Erfurt, halb Philosoph, halb Mediziner, lange Militärarzt und in der Armee der Brennhoppe genannt, weil er gerne mit Feuer kurierte, 1846 Dozent in Bonn und von da 1852 als a. o. Professor nach Basel berufen, ein langer, strammer Herr mit rötlichem Haupthaar. Unzufrieden mit der gebräuchlichen physikalisch-chemischen Arzneimittelprüfung hatte er eine neue Methode ersonnen, die er »Untersuchung der Arzneiwirkungen an den tierischen Tätigkeiten« benannte. Von ihrer Durchführung versprach er der Menschheit eine Umwälzung der ganzen Therapie. Zunächst berichtete er der Versammlung über die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die arzneiliche Wirkung des Kochsalzes, die vielen Fröschen das Leben gekostet. Er hatte sämtliche Froschorgane, Herz, Lungen, Leber, Magen, Darm, Augäpfel u. s. w. einzeln mit Kochsalz bestreut und dann zugesehen, wie sie darauf reagierten. Aus den Erscheinungen, die danach eintraten, in Farbe, Festigkeit, an den frischen Muskeln auch wohl Zuckungen, zog er seine Schlüsse für die menschliche Therapie. Auch diese noch härtere Geduldsprobe mußte man über sich ergehen lassen, und hatte sie vorher ein Professor schlecht bestanden, so war es jetzt ein praktischer Arzt, Dr. Friedleben aus Frankfurt, der seine Galle über des geehrten Vorredners Arzneimittel-Froschorgan-Prüfungen ergoß. Er begann seine donnernde Philippika mit den Worten: »Was mußten wir hören, meine Herrn? Parturiunt montes, nascitur ridiculus mus!« – Aus solchen Erfahrungen darf man entnehmen, daß ein gutes Gemüt für den Privatgebrauch besser taugt, als zum Präsidium öffentlicher, redeseliger Versammlungen. Uebrigens sei noch daran erinnert, daß Professor Hoppe nach seinem in Basel 1891 erfolgten Tode ein merkwürdiges Testament hinterließ, das damals die Runde durch die Zeitungen machte. Er vermachte sein Vermögen der Stadt zu einer Stiftung, bestehend in einem Hause, worin drei Philosophen gehalten sein sollten Tag und Nacht über nichts anderes nachzudenken als über den Gottesbegriff, worauf die Basler nicht eingingen.

Die Karlsruher Versammlung gab mir die erste Gelegenheit, die persönliche, äußerst anregende Bekanntschaft Griesingers zu machen, die sich später recht innig gestaltete. Auch lernte ich Theodor Bilharz kennen, dessen Name mit dem seines Lehrers und Freundes Griesinger unzertrennlich verbunden ist. Er war von Kairo herüber gekommen, wohin ihn Griesinger 1850 als Assistenten der medizinischen Klinik am dortigen Hospitale mitgenommen hatte. Er versah jetzt die Professur der Anatomie an der medizinischen Schule, ein bescheidener Mann von schmächtigem Bau, der bereits wichtige Entdeckungen auf dem Gebiete der Eingeweidewürmer gemacht hatte. Er zuerst erkannte mit Griesinger die große Bedeutung des Anchylostoma duodeni, das Dr. Dubini in Mailand 1838 im menschlichen Zwölffingerdarme entdeckt hatte. Anfangs, wie die Trichine, nur ein zoologisches Kuriosum, ist dieses kleine, mit unbewaffnetem Auge eben noch sichtbare Würmchen von ihnen als die Ursache der sogenannten tropischen Chlorose erkannt worden, ebenso später als die der solange rätselhaft gebliebenen Anämie der Italiener, die den Gotthard-Tunnel erbohrten, endlich auch der endemischen Arbeiteranämien in zahlreichen Minen und Ziegelfabriken Europas, Deutschlands inbegriffen. Außerdem entdeckte Bilharz einen im Blute des Menschen kreisenden winzigen Wurm, das Distoma Bilharzi, die Ursache schwerer tropischer Krankheiten, namentlich von Blutungen und Entzündungen der Harnwege. Nun ruht der ehrliche Sigmaringer, ein Schüler Arnolds und von Siebolds in Freiburg, in ägyptischer Erde, ein Opfer der Tropenfieber, gestorben nach der Rückkunft von dem großen Jagdausffug Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha nach den Grenzländern von Abessinien, den er mitgemacht, den 9.&nbsp;Mai 1862 im 37.&nbsp;Lebensjahre. Vgl. Reise des Herzogs Ernst v. Sachsen-Coburg-Gotha nach Aegypten u. s. w. Leipzig, 1865. S. 71.

Mit Freuden begrüßte ich auch meine Würzburger Lehrer, Koelliker und namentlich Virchow, sowie Gerlach, meinen Bekannten von der Bonner Versammlung. Viele alte, werte Kollegen fand ich unter den Aerzten des Landes, die sich in großer Zahl eingestellt hatten, darunter Battlehner aus Renchen, heute ein verdientes Mitglied der obersten Sanitätsbehörde in Karlsruhe; er beteiligte sich damals lebhaft an den Verhandlungen der Sektionen. Endlich muß ich noch dankend des freundlichen Entgegenkommens der geschäftsführenden ärztlichen Kollegen Karlsruhes gedenken, insbesondere des Dr. Schweig, eines tüchtigen Statistikers, und der Gebrüder Volz: Roberts, des zweiten Präsidenten der Versammlung, und Adolfs, dessen Verdienste ich schon in meinen Jugenderinnerungen rühmte.

An freien Abenden waren heitere Nachsitzungen bei Gambrinus und Bacchus. Da ertönten zum ersten Male außerhalb Heidelbergs die lustigen Weisen des Scheffel'schen Gaudeamus, die sich bald über ganz Deutschland verbreiten sollten. Schmezer, »der Pfarr von Ziegelhausen«, war in eigener Person erschienen, schrieb sich ein in die Sektion für Geognosie und erbaute die lauschende Gemeinde verständnisvoller Hörer mit den wunderbaren Geschichten vom alten Granit, dem luftigen Schwanzstern und wie die Ichthyosaura den Ichthyosaurus geküßt.

Die Eltern Scheffels hatten mir bei sich Quartier gemacht und meine Frau nachkommen lassen, der Dichter selbst war auf Reisen. Es waren liebe Leute, bei denen wir gut aufgehoben waren. Von der kunstsinnigen, geistvollen Mutter hatte der Sohn seine poetische Gabe, von dem ehrenhaften Vater, einem Ingenieur und tüchtigen Beamten alten Schlags von sorglicher, etwas grämlicher Natur, den Sinn für strenge Ordnung in Papieren und Finanzen. Das Paar mußte viel Schweres erdulden. Den ältesten Sohn, den ein schweres Gehirnleiden in der Kindheit idiotisch gemacht, pflegten sie im Hause; die einzige Tochter, eine reizende Jungfrau geschmückt mit allen Tugenden der Mutter, hatte ein Typhus zwei Jahre vorher in München weggerafft; und Josef, der geniale Sohn, wanderte ruhelos durch die Welt, noch nicht genesen von den schweren Schlägen, die ihm geistige Ueberarbeitung und der Tod der heißgeliebten Schwester versetzt hatten.

Siehe Bildunterschrift

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