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Schon seit Wochen waren wir kaum zur Ruhe gekommen. Die gesamte Mannschaft aller Posten, dazu noch die Hirten von zwei benachbarten Ranches hatten die ganze Herde aus allen Winkeln der ungeheuren Weidefläche gegen die Hauptstätte des Betriebes am Meadow-Creek zusammengetrieben, wo der Corral, der große, mit übermannshohen Planken umzäunte Pferch sich befindet.
Es war die Zeit gekommen, um die jungen im Laufe des Jahres gefallenen Tiere zu »branden«, das heißt, ihnen den Besitzerstempel aufzudrücken, wobei gleichzeitig die Zählung des Besitzstandes und eine Musterung und Auswahl für den Verkauf vorgenommen wird. Auch Pferde fremder Besitzer, die sich unter die Herde gemischt hatten, werden aussortiert und über die Grenze gebracht. Endlich sucht sich der Reiter etwaigen Ersatz für sein Reittier und ein paar Pferde aus, die auf alle Fälle an Sattel und Zaum gewöhnt werden.
In den Beschreibungen distinguierter Reisender und im Film machen sich diese Round-up ungemein malerisch und romantisch. Die Zuschauer oder Leser werden begeistert von dem prächtigen Bild, das die in den Corral stürmenden Pferde bieten, und geraten in einen Taumel des Entzückens über die tollkühnen Reiter, die mit hochgeschwungener Peitsche unbekümmert um Gefahr mitten durch die wilden Tiere oder um ein Knäuel schlagender Pferde herumsprengen.
Nun muß man sich aber vor Augen halten, daß bei diesen Schilderungen oder Darstellungen immer nur der letzte Akt des großen Schauspieles gezeigt wird; dieser Teil der Schaustellung bildet aber nur den Schlußpunkt von Szenen, bei denen den Akteuren, den braven Pferdehirten, der Schweiß stromweise vom Körper rinnt, wo sie Tag und Nacht draußen in einem versteckten Winkel der Welt nervenanspannende Wacht halten müssen. Mit körperlicher Stärke, mit List und Schlauheit muß gearbeitet werden, um die einzelnen Teile der Herde durch ihre Leittiere stetig in die Richtung nach dem Corral zu drängen. Wie oft die Herde wieder ausbricht, wie oft tagelange Verfolgung notwendig wird, wie oft sekundenlanges Nachlassen der Aufmerksamkeit den Erfolg harter Stunden zunichte macht und das Spiel von neuem begonnen werden muß: Stunden und Tage im Sattel ohne Nahrung, unter glühender Sonne, abgetriebene Reittiere, die gewechselt werden müssen, Stürze und Wunden, Hufschläge und gebrochene Glieder bekommt der hochgeehrte Gast des Ranchos nicht zu sehen. –
Unter wüstem Geschrei und Revolvergeknall sprengt die lange Kette der Vaqueros heran, kreist einen Teil der ungeheuren Herde ein und drängt ihn gegen den Eingang des Corrals, wobei besonders beachtet werden muß, daß der Leithengst der Gruppe dabei ist. Nun ist es die Aufgabe der geschickten Reiter, dieses kluge, schlaue Tier derart zu bluffen, daß es von selbst durch das Tor des Pferchs stürmt, denn dann geht die Herde blind nach.
Vom Eingang des Corrals gehen zwei hohe Schranken schräg ziemlich weit in die Prärie hinaus, so daß ein trichterförmiger Zugang geschaffen wird. In der Verlängerung der Trichterwände sind nun abermals Reiter postiert, die durch Geschrei, Schießen und wildes Gestikulieren das Ausbrechen der Herde nach der Seite verhindern sollen.
Der Leithengst galoppiert in prachtvoller Haltung sichernd nach rechts, dort wird er mit Geschrei und wirbelndem Lasso empfangen. Zornig schnaubt er und wendet sich, geht im Stechtrab nach links hinüber, wo ihm die gleiche Begrüßung zuteil wird. Er bleibt stehen, schüttelt die Mähne, scharrt mit dem Huf, macht einige Schritte vorwärts und sieht sich um. Wohin er schaut, sieht er Menschen – und die hat er als seine Feinde erkannt. Denn das sind die, die ihn gelegentlich werfen, ihm die Füße fesseln und die Luft abschnüren. Zornig wiehert er und hinter ihm steht die Herde und antwortet auf sein Wiehern: Führe uns, du wirst schon wissen, was wir tun sollen.
Wieder inspiziert der General die Flanke – und jetzt bemerkt er es: dort vorne, da sind keine Menschen. Die Planken erkennt er nicht als feindlich an, sie beschränken ihm höchstens den Weg – und jetzt wirft er den Kopf hoch und läßt ein schmetterndes Kommandowiehern hören: Vorwärts! In fliegendem Galopp setzt er sich in Bewegung, dorthin, wo keine Feinde sind. Wie der Sturm die Herde hinter ihm her, von rückwärts noch befeuert durch die Reiterkette, die mit Halloh und Peitschenknall die noch säumigen Nachzügler antreibt.
Der Leithengst, weit voraus, sieht die Welt mit Brettern abgesperrt und will zurück. Aber schon haben sich hinter dem letzten Tier seiner Gruppe die Tore geschlossen und die überlisteten Pferde sind in der Falle. Noch eine Weile ein tolles Herumrasen im Corral, dann tritt allmählich Beruhigung ein. Über der Bretterwand erscheinen Köpfe, oben auf dem Zaun sitzen Männer, die die jungen Tiere registrieren, zählen, aussuchen und die dann später im Corral den in der Mitte der aufgeregten Tiermasse tätigen Leuten die notwendigen Direktiven geben.
Im Corral selbst tauchen Reiter auf. Die Jährlinge und die unter einem Jahre alten Tiere, die nicht mehr mit der Mutter gehen, werden ausgesucht, Lassos fliegen durch die Luft, ein Ruck, das Pferd liegt, zwei Männer springen herbei, ein rotglühender Stahl funkelt auf, ein leises Zischen, ein Geruch von verbranntem Haar, ein schmerzliches Aufwiehern. Dann befreit eine rasche Bewegung das Tier vom Lasso, es springt auf und tobt davon. Bei Fohlen, die noch mit der Mutter gehen, werden die Stuten gefangen.
Das wiederholt sich stunden- und tagelang ohne Unterbrechung; der aus dem Corral entlassenen Gruppe folgt die nächste.
Endlich ist alles geschehen, die jungen Tiere tragen ihre Zeichen, die fremden Gäule sind ausgesucht und werden von den Vaqueros der Nachbarn übernommen, in einem kleinen Corral rasen ein paar hundert Mustangs, die zum Verkauf bestimmt sind, herum. Diese werden durch Hunger und Handfütterung zunächst an den Menschen gewöhnt und dann nach und nach vielleicht ein wenig zugeritten.
Und jetzt kommt die Stunde, wo wir, meine Kameraden und ich, uns selbst neu beritten machen.
Ich hatte mir einen Fuchsen ausgesucht, der meiner Größe entsprach, mit feinen Fesseln, trockenem Kopfe und lebhaften Augen. Sattel und Zaumzeug lagen parat. Ich jagte hinter dem Fuchsen her, der Lasso wirbelte um meinen Kopf, fest legte sich die Schlinge um den schlanken, schönen Hals.
Geschickt warf noch ein zweiter Vaquero den Lasso, hielt so das Pferd fest, während ich, abgestiegen von meinem Reittier, mich langsam am Riemen bis in die Nähe des Erwählten heranarbeitete. Leise und behutsam wurde der Sattel auf den Rücken des Pferdes gelegt, das unter der Berührung die wahnsinnigsten Sprünge machte; dann bestieg ich wieder mein Pferd, mein Kamerad und ich nahmen die beiden Riemen fest in die Hand und nun ging es, das gefangene Pferd zwischen uns, in scharfer Gangart hinaus in die Ebene. Jeder Versuch des Mustangs, auszubrechen, wurde mit kräftigen Zügen an den Riemen beantwortet. Dieses Spiel wiederholte sich so lange, bis das wilde Pferd sich an den Sattel und die Gurten gewöhnt hatte. War man erst so weit, wurde auch der Zaum angelegt. Die scharfe Kandare machte natürlich eine längere Prozedur notwendig.
Nun kam die entscheidende Stunde des ersten Aufsitzens, der Kampf zwischen Naturkraft und dem überlegenen Willen des Menschen. Mit einem Sprung muß der Reiter im Sattel sitzen, fest, wie angegossen, wenn das Tier mit allen Vieren in die Luft geht, – bereit, jeden Moment sich vorzusehen, wenn es sich zu Boden wirft, und immer wieder über dem sich wälzenden Tier zu stehen, um beim Aufspringen des Gauls wieder im Sattel zu sitzen. Denn versäumt man diesen Augenblick und weiß, das kluge Geschöpf, daß es den Reiter los werden kann, ist es besser, es wieder freizulassen, – dann ist es ein für allemal verdorben. Das ist das Geheimnis des »Broncho Bustens«, des Brechens der Pferde, alles übrige ist ein Kinderspiel.
Ich habe dann später den Fuchsen durch die Mittel, die die Araber anwenden, so an mich gewöhnt, daß er mir wie ein Lamm nachlief. Treue Kameradschaft haben wir gehalten bis zu dem Augenblick, wo ich den Ranch verlassen mußte.