Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Während König August mit der Sorglosigkeit eines Mannes, der nichts zu befürchten, nichts zu verlieren hat, seinen Vergnügungen oblag, ging Karl XII. rasch seinem Schicksale entgegen. An der Spitze einer Handvoll Soldaten, mit den Verhältnissen des Landes durchaus nicht vertraut, war er mit der Tollkühnheit der Jugend und dem Muthe des Löwen einem Feinde entgegengetreten, dessen Macht und Hilfsquellen er unterschätzte. Nachdem ihm bis dahin das Kriegsglück stets treu geblieben, verließ es ihn plötzlich in der Ebene von Pultawa. Diese Schlacht war eine entscheidende und sie wurde für die Geschicke mancher Länder und vieler Menschen ausschlaggebend.
König August war eben wieder nach Dresden zurückgekehrt, überglücklich, daß die Pracht seines Hofhaltes von jenem in Berlin nicht in Schatten gestellt worden war – man hatte sich dort auch nicht die geringste Mühe gegeben, dies zu bewerkstelligen – als ein von der Fürstin Teschen in größter Eile entsendeter Courier mit Depeschen aus Polen eintraf, die ihm die erste Kunde von der vollständigen Niederlage des Schwedenkönigs brachten.
Beim Empfange dieser Nachricht stand August vor Ueberraschung momentan wie versteinert da. Er hatte feierlichst der Krone Polens entsagt und er war anfangs gesonnen, sein im Angesichte Europas gegebenes Wort zu halten; indessen war die Gelegenheit, das Verlorene wieder zu gewinnen, in der That sehr günstig ... In diesem Moment, während der König noch überlegte, was er thun solle, kam Flemming.
»Sire!« rief er aus, »die durch Waffengewalt erzwungenen Verträge haben keine bindende Kraft. Wir müssen nach Polen zurückkehren. Leszczinski hat aufgehört, König zu sein. Ihr findet dort Tausende von Armen, welche bereit sind, Euch wieder in Euere Rechte einzusetzen und dieselben zu vertheidigen. Euere Majestät brauchen sich nur zu zeigen, um alles mit sich fortzureißen.«
Diese mit so schweren Opfern erkaufte und dann schmählich verlorene Krone hatte in der That sehr viel Verlockendes für den Kurfürsten von Sachsen. Wenn er sie wieder an sich nahm, so konnte er damit den Grundstein zu einer erblichen Monarchie legen; durch das Opfer einer Provinz durfte er hoffen, den beutegierigen Nachbarn den Mund stopfen zu können.
Die Unterredung mit Flemming endete damit, daß der König, übereinstimmend mit diesem, der Ansicht Ausdruck gab, daß unter den obwaltenden Umständen der Friede, die Verträge und seine Abdication hinfällig geworden und null und nichtig seien, sowie daß man so rasch als möglich eine Armee sammeln und nach Polen ziehen müsse. Alle Umstände ließen einen günstigen Ausgang des Unternehmens erwarten. Dönhoff, der Marschall der Conföderation von Sandomir, und Szaniawski, Bischof von Cujavien, waren in Dresden eingetroffen und drangen in den König, schleunigst zu handeln. Während des Aufenthaltes seines Neffen hatte August die Gelegenheit wahrgenommen, um mit demselben Verabredungen zu treffen, welche ihre Spitze gegen die Schweden kehrten. Friedrich von Brandenburg seinerseits neigte von jeher sehr zu einer Allianz mit Sachsen hin und bei dem jüngsten Besuche August's in Gesellschaft des Dänenkönigs war diese Liga geschlossen worden; die drei Könige ließen später aus diesem Anlasse eine Denkmünze prägen, welche drei verschlungene Hände zeigt.
Seit es sich darum handelte, eine Krone zurückzuerobern, blieb August keine Zeit mehr für seine Liebschaften. Kaum von Berlin in seine Residenzstadt zurückgekehrt, wo er, wie erwähnt, die Meldung von der Niederlage Karl's XII. erhalten, die er sofort überall verbreiten ließ, unternahm er neuerdings die Reise nach der preußischen Hauptstadt, um mit seinem Alliirten die nöthigen Verabredungen zu treffen und die gegenseitigen Bedingungen des Bündnisses festzustellen.
Während seines kurzen Aufenthaltes in Dresden hatte er kaum recht Zeit gefunden, der Cosel einen Besuch abzustatten und ihr von neuem Lebewohl zu sagen. Die Dinge am Hofe hatten sich für sie sehr verschlimmert, denn Flemming fühlte seine Position durch die Ereignisse ungemein verstärkt. Während der Abwesenheit des Königs hatte die Gräfin mehrmals zu ihm geschickt, um dies oder jenes von ihm zu verlangen; er hatte ihr darauf die Antwort zugehen lassen, daß er sich mit allzu wichtigen Dingen zu beschäftigen habe, um sich die Mühe nehmen zu können, allen ihren Launen nachzukommen. Die dadurch aufs tiefste verletzte Cosel hatte ihm dann einen in sehr hochfahrendem Tone gehaltenen Brief geschrieben, den er vor den Augen ihres Abgesandten zerriß und mit Füßen trat.
Dieses herausfordernde Benehmen brachte die Gräfin derart außer Fassung, daß sie sich zu allerlei unklugen Ausfällen hinreißen ließ. Als Flemming zwei Tage nach diesem letzten Zwischenfalle durch die Schloßstraße ritt, begegnete er der Carrosse der Cosel; diese konnte sich die günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen, sie lehnte sich zum Wagenfester hinaus und schrie, indem sie dem General mit der Faust drohte, diesem zu: »Erinnert Euch gefälligst, Herr General, wer Ihr seid, und wer ich bin. Ihr seid nur ein Diener und ich bin hier Gebieterin! ... Ihr wollt Krieg haben – gut, Ihr sollt ihn haben, verlasset Euch darauf!«
Flemming lachte höhnisch und legte mit erheuchelter Höflichkeit die Hand grüßend an den Hut. »Mit Damen kämpfe ich nie,« sagte er. »Ich handle stets im Interesse meines Königs und kümmere mich sehr wenig um diese oder jene Laune ...«
Eine Fluth von Schmähungen ertönte als Antwort aus dem Wagen der Gräfin. Sie wüthete förmlich. Flemming setzte, ohne ein Wort zu erwidern, mit großer Kaltblütigkeit seinen Weg fort und schien sich gar nicht um die Zornesausbrüche seiner Widersacherin zu kümmern.
Die Soldaten, welche dem General folgten und die den Auftritt mitangesehen hatten, liefen herbei und beschimpften nun ihrerseits die Leute der Gräfin. Zaklika griff schon nach seinem Degen, um die frechen Angreifer abzuwehren, und es drohten ernsthafte Händel sich zu entwickeln, als ein Hofbediensteter, der eben vorbeikam, sich ins Mittel legte und die Leute Flemming's zum Abzuge bewog.
Die Feindseligkeiten waren nun eröffnet, der Krieg war erklärt.
Anna kehrte vor Zorn und Aufregung weinend nach Hause zurück und erwartete mit Ungeduld die Zurückkunft des Königs.
August traf am Tage nach dieser Scene in aller Früh ein. Man hatte ihn offenbar schon auf dem Wege nach dem Schlosse von dem Vorfalle erzählt, denn als Flemming sich beim König meldete, um den Rapport zu erstatten, fuhr er ihn heftig an:
»Ist es möglich, daß ein alter Soldat, ein Diplomat, wie Du, nicht im Stande ist, mit einem Weibe Frieden zu halten!«
»Ich bitte um Verzeihung, Sire,« antwortete Flemming, »ich weiß sehr wohl mit den Frauen in gutem Einvernehmen zu leben – mehr als Eine müßte mir das bestätigen; aber mit Solchen, welche glauben, daß sie Göttinnen oder Souveräninnen seien, ist das nicht möglich. Diese Frau ruinirt das Land; sie will stets die extravagantesten Ideen ausführen und nimmt nicht die geringste Rücksicht auf Verdienst und Stellung Anderer.«
»Du vergißt, daß ich diese Frau liebe und daß ich sie mit Achtung und Ehrerbietung behandelt sehen will.«
»Niemand hat es daran fehlen lassen – sie ist es, welche sich so weit vergißt, daß sie alle Welt beleidigt.«
Der König schwieg; Flemming aber fuhr in etwas vertraulichem Tone fort:
»Sie wird Sachsen und Polen aussaugen, ohne damit befriedigt zu sein, denn sie ist unersättlich. Unerhörte Herrschsucht, grenzenloser Hochmuth beseelt sie. Wenn Euere Majestät zu nachsichtig gegen diese Frau ist, so sind wir Anderen, die wir den Thron umgeben, weniger dazu verpflichtet, und wir betrachten es als unsere Pflicht, Euch von solchen Fesseln zu befreien.«
Als August sah, daß das Gespräch eine solche Wendung nahm, lenkte er von dem Gegenstande ab und sprach von anderen Dingen.
Nachdem er den General verabschiedet hatte, begab er sich zur Cosel, welche ihn voll Ungeduld erwartete und mit heftigen Zornesausbrüchen und Vorwürfen empfing. August liebte das aber durchaus nicht.
»O, mein König, mein Gebieter!« rief die Gräfin aus, indem sie ihm, sobald sie ihn auf der Schwelle erblickte, entgegeneilte, »helft mir! Flemming benimmt sich gegen mich, als wäre ich eine hergelaufene Dirne. Er beschimpft mich öffentlich, er zerreißt meine Briefe und tritt sie mit Füßen, ja, er behauptet vor aller Welt, daß er mich davonjagen werde ... Ich bin zum Gegenstand des allgemeinen Gespöttes geworden! ... O, mein König, wählet zwischen mir und ihm, denn eine solche Lage ist unerträglich und unhaltbar – Einer von uns Beiden muß das Feld räumen!«
Lachend umarmte August die Aufgebrachte.
»Beruhiget Euch, Gräfin, beruhiget Euch,« sagte er, »wer wird sich denn solche Bagatellen gleich so zu Herzen nehmen! Ich bedarf in diesem Augenblicke der Dienste Flemming's mehr denn je und muß ihn daher warm halten!«
»Und mich?« fragte Anna.
»Dich? Du weißt ja, daß Du mir alles bist und daß ich nicht ohne Dich leben kann; aber es scheint mir, daß Du aus Liebe zu mir doch etwas nachgiebiger sein solltest.«
»In allem, nur nicht, wo es meine Ehre betrifft!«
»Es ist unbedingt nöthig, daß Du Dich mit Flemming verträgst!«
»Niemals!«
»Er wird sich bei Dir entschuldigen ...«
»Es bedarf dessen nicht ... Mein einziger Wunsch ist der, von dem Anblick dieses Menschen befreit zu werden.«
Der König setzte sich gelassen und sagte kalt: »Meine liebe Cosel, heute willst Du Flemming aus dem Wege schaffen, morgen wird die Reihe an Fürstenberg kommen und wenn ich sie Alle weggeschickt habe, so werden Dir die Anderen auch nicht besser gefallen als diese, und ich werde dann auch noch Pflug, Vitzthum und die Uebrigen opfern müssen. Du kannst mit niemandem in Frieden leben ...«
»Weil außer Euerer Majestät mich niemand an diesem Hofe liebt – Alle sind mir feindlich gesinnt.«
Anna zerfloß in Thränen. Der König läutete und gab ungeachtet all ihrer Protestationen einem eintretenden Lakaien den Befehl, den General Flemming herbeizurufen.
Es verstrich eine geraume Zeit, bis der General kam. August gab sich inzwischen alle mögliche Mühe, Anna zu beruhigen, aber vergeblich. Sie ging mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, als Flemming eintrat. Ohne sich die Mühe zu nehmen, die Herrin des Hauses auch nur flüchtig zu grüßen, wendete er sich sofort mit einer tiefen Verbeugung dem König zu.
»Flemming,« sagte dieser, »wenn Du auch nur die geringste Anhänglichkeit für mich hast, so thue mir einen Gefallen. Du weißt, wie sehr ich die Zänkereien an meinem Hofe verabscheue – bitte also die Gräfin um Verzeihung. Dann reicht Euch Beide die Hand!«
»Niemals,« unterbrach ihn die Gräfin heftig, »niemals wird meine Hand die eines Elenden berühren, der sich nicht schämt, eine wehrlose Frau zu beleidigen!«
»Sie können darüber ganz ruhig sein, Madame,« entgegnete Flemming darauf, »diese Hand, die Hand eines ehrlichen Soldaten, streckt sich nicht dem Nächstbesten entgegen. Ich bin nicht fähig, zu heucheln oder zu lügen – und niemals werde ich für das, was ich gethan, um Verzeihung bitten!«
Aufgebracht, erhob sich der König. »General,« sagte er, »Ihr werdet es auf meinen Wunsch thun!«
»Selbst nicht, wenn Ihr es befehlen solltet, Sire,« antwortete Flemming kühn; »ich bin bereit, wenn es Ihr Wunsch sein sollte, Ihren Dienst zu verlassen und meinen Posten zu räumen.«
»Ihr seid ein niederträchtiger, elender Mensch!« rief die Gräfin, immer mehr in Wuth gerathend, aus. »Die Gunst Seiner Majestät hat Euch verwegen gemacht. Zum Glück ist es nicht sehr weit von Dresden auf den Königstein ...«
»Anna! ich bitte Dich ...« unterbrach sie August.
»Sire, Ihr müßt auch mir gestatten, daß ich offen und rückhaltlos mich ausspreche, damit dieser Mensch aus meinem Munde, der nicht zu lügen versteht, höre, was ich von ihm denke! ... Er hat mir den Fehdehandschuh hingeworfen – wohlan, ich nehme ihn auf!«
»Ich habe durchaus keine Lust, mit der Frau Gräfin Krieg zu führen,« sagte Flemming, »ich habe wahrhaftig Besseres zu thun. Wenn ich mich ihr entgegenstellte, so geschah es aus Liebe für meinen König und für mein Land. Mit den Unsummen, welche sie verschwendet hat, hätte man recht gut eine Armee ausrüsten können; da ist es gewiß nicht zu verwundern, daß ich solchem Treiben einen Zügel angelegt zu sehen wünsche.«
»Du vergißt Dich, Flemming!« sagte hier August, der während des letzten Theiles dieser Discussion unbeweglich geblieben war.
»Verlasset mein Haus!« rief die Gräfin dem General zu, indem sie vor Zorn mit den Füßen stampfte und ihm die Thür wies.
»Dieses Haus ist nicht das Euere,« erwiderte darauf Flemming; »nichts von allem, was hier ist, gehört Euch. Es ist das Haus des Königs, meines Herrn, in dem wir sind, und ich werde es nur auf seinen Befehl verlassen.«
Ein neuer Thränenstrom seitens der Cosel folgte diesen Worten. Sie zerriß ihre Kleider und rief wüthend:
»Hört Ihr, Sire, hört Ihr es? Bin ich denn schon so weit gesunken, daß einer Euerer Diener es in Euerer Gegenwart wagen darf, mich zu beschimpfen, zu verhöhnen, ohne daß Ihr ihn davonjagt?«
In vollster Verzweiflung rang sie die Hände.
August erhob sich nun ruhig und trat auf Flemming zu mit den Worten: »Herr General, ich bitte Euch nochmals, söhnt Euch mit der Gräfin wieder aus. Die Mißhelligkeiten zwischen Euch Beiden sind mir im höchsten Grade unleidlich. Ihr seid mir Beide lieb und werth – ist es wohl billig, daß ich unter Euerer Unverträglichkeit leide?«
»Lasset Euch von dem, was Ihr hier seht, nicht beunruhigen, königlicher Herr; die Austragung dieser Sache überlasset uns allein. Die Geschichte wird ja bald zum Ende kommen.«
Die Gräfin, welche vor Aufregung nicht mehr im Stande war, ein Wort hervorzubringen, warf sich schluchzend auf ein Sopha.
Der König hingegen, dem es sehr unangenehm war, daß es ihm nicht gelingen wollte, den vor Zorn bebenden und nur mit Mühe an sich haltenden Flemming zu besänftigen, reichte diesem endlich die Hand und geleitete ihn bis zur Thür.
Beim Hinausgehen warf Flemming der Gräfin noch einen Blick zu, in dem sich tiefster Haß und Verachtung ausdrückten und den die erzürnte Frau ebenso giftig erwiderte.
August begann mit langen Schritten das Zimmer zu durchmessen. Er schien sehr nachdenklich geworden zu sein und der Ausdruck seines Gesichtes gab Kunde davon, daß er mit ganz anderen Dingen beschäftigt sei als mit den Zänkereien zwischen Flemming und der Gräfin.
Anna warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
»Ach!« rief sie aus, »bin ich denn wirklich schon so tief in Euerer Achtung gesunken, daß Ihr solchen Beschimpfungen meiner Person gegenüber gleichgiltig bleiben könnt. Dieser Flemming ist nur gekommen, um sich über Diejenige lustig zu machen, welche Ihr unter Allen auserwählt und mit Euerer Gunst beglückt habt und welche Ihr zu lieben vorgebt – und Ihr habt dazu geschwiegen!«
»Liebe Gräfin,« erwiderte August, den diese Vorwürfe anscheinend ziemlich kalt ließen, »Euere Worte beweisen mir, daß Ihr meine Situation im gegenwärtigen Augenblicke nicht kennt oder nicht begreift. Flemming ist mir heute wegen der polnischen Affaire so nothwendig wie meine rechte Hand. Wollte ich ihn jetzt vor den Kopf stoßen, so hieße das eine mit den Händen zu erreichende Krone muthwilligerweise von sich werfen. Ein solches Opfer werdet Ihr gewiß nicht von mir verlangen. Ich habe Euch niemals irgend etwas abgeschlagen und Ihr müßt zugeben, daß ich stets bemüht war, jeden Euerer Wünsche schon im Voraus zu erfüllen, indessen hat alles seine Grenzen und Ihr dürft nicht vergessen, daß, bevor ich der Geliebte der Cosel geworden, ich bereits König war und daß ich es noch bin ...«
Bei diesen Worten August's fuhr die Gräfin wie von einer Tarantel gestochen von ihrem Sitze auf, stellte sich vor ihn hin und schrie, ganz außer sich, mit zornfunkelnden Augen und gerunzelter Stirne, in ganz unbeschreiblich bitterem Tone: »Der Geliebte der Cosel – der Geliebte der Cosel?! Habe ich denn nicht das von Dir mit eigener Hand unterfertigte Versprechen, daß Du mich zu Deiner Gemahlin zu erheben Willens bist? ... Ich bin nicht Deine Maitresse, sondern Deine zweite Frau!«
August maß sie mit einem vielsagenden Blicke.
»Umsomehr Grund, Madame,« sagte der König dann, »daß Euch meine Interessen, meine Ehre und die Zukunft meiner Krone nicht gleichgiltig sein sollten!«
Neuerdings löste sich der Zorn Anna's in einen Thränenstrom auf ... August sah wiederholt nach der Uhr.
»Ich bin nicht mehr ganz Herr meiner Zeit,« sagte er nach einer längeren Pause, indem er sich von seinem Sitze erhob. »Die Geschäfte rufen mich, denn ich muß binnen Kurzem nach Polen abgehen ... Beruhigt Euch, theuere Gräfin; Flemming ist jetzt arg aufgebracht, aber er ist mir sehr ergeben und er wird alles thun, was ich von ihm verlange.«
Anna antwortete nichts auf diese leere Vertröstung. Mit trauriger Miene reichte sie stillschweigend dem König die Hand. Dieser zog sich ernst und nachdenklich zurück.
Einige Tage nach diesem Vorfalle sprach man schon allgemein von der Abreise des Königs nach Polen. Gräfin Cosel, die ihn sonst stets auf seinen Reisen begleitete, mußte diesmal darauf verzichten, denn sie hatte in Bälde neuerdings Mutterfreuden zu erwarten. Mit Bangen dachte sie an die Gefahren, welche den König nach ihrer Anschauung in Warschau bedrohten, wo er die Fürstin Teschen wiedersehen würde. Eine Aussöhnung zwischen August und seiner ehemaligen Geliebten erschien zwar wenig wahrscheinlich, denn es war im Leben August's noch nicht vorgekommen, daß er ein zweitesmal zu einer früheren Flamme zurückgekehrt wäre – aber Anna fürchtete die Intriguen ihrer Feinde, welche es gewiß nicht unterlassen würden, dem König tausend Versuchungen in den Weg zu legen, um ihn endlich zur Lösung des Verhältnisses mit ihr zu bestimmen.
Ohne Zweifel um neue Streitigkeiten zwischen der Gräfin und Flemming zu verhüten, nahm der König den General mit sich nach Polen. Anna hätte es wahrscheinlich vorgezogen, in Dresden seinen Bosheiten und Chicanen ausgesetzt zu sein, als ihren unversöhnlichsten Feind ununterbrochen in der Nähe des Königs zu wissen; jedoch sah sie kein Mittel, daran etwas zu ändern, namentlich da die Umstände dieser Entscheidung August's sogar noch den Anschein einer Rücksichtnahme auf sie verliehen.
Der Abschied war ein überaus zärtlicher. Unmittelbar vor seiner Abreise versicherte der König die Gräfin, daß er Fürstenberg die gemessensten Weisungen gegeben habe, sie mit der größten Aufmerksamkeit zu behandeln und ihr alle erdenklichen Rücksichten angedeihen zu lassen. Lächelnd fügte August bei, daß sie alle Ursache habe, sich als Siegerin zu betrachten, da er trotz der Anstrengungen Flemming's zu Gunsten des ihm ergebenen Wackerbarth doch, entsprechend der Bitte der Gräfin, ihren Vetter, den Baron Löwendahl, zum Obersthofmarschall ernannt habe, was den General sehr geärgert und beunruhigt hätte.
Auf die Nachricht, daß Flemming den König nach Warschau begleiten werde, rieben sich die Feinde der Gräfin Cosel vergnügt die Hände. Jedermann sagte sich, daß es dem Einflusse und den Intriguen eines solchen Bundesgenossen, der nun immer um den König sein konnte, nicht schwer fallen werde, mit Hilfe der Frau von Przebendowska dem schon so oft gescheiterten Complot endlich zu einem Erfolg zu verhelfen.
Baron von Löwendahl, welcher der Gräfin seine Erhebung auf einen wichtigen Posten zu danken hatte, schien nicht eben geneigt zu sein, sich ihr dafür besonders erkenntlich zu erweisen. Er hielt es für das Wichtigste, seine Stellung möglichst zu sichern und zu befestigen. Da er aus dem, was am Hofe vorging, entnehmen konnte, daß Gräfin Cosel's Einfluß bedeutend erschüttert und daß ihr Sturz nur noch eine Frage der Zeit sei, schlug er sich als vorsichtiger Mann auf die Seite Jener, welche ihn dann stützen konnten. Die Gräfin war noch sehr weit davon entfernt, eine ernste Gefahr zu sehen, als ihr Fall bereits besiegelt und unwiderruflich geworden war. Sie konnte unmöglich glauben, daß ihr königlicher Geliebter sie nach so feierlichen Schwüren und nachdem ihr Verhältniß nun schon so lange gedauert hatte, ebenso täuschen, ebenso treulos verlassen könnte, wie alle ihre Vorgängerinnen.
Als Baron Haxthausen, der einzige Freund, welcher der Gräfin noch aufrichtig zugethan und treu geblieben war, ihr das Beispiel Aurorens von Königsmark oder der Teschen vor Augen führte, welche der König ja auch verlassen, obgleich er ihre Kinder anerkannt hatte, unterbrach ihn die Cosel mit den Worten:
»Die Teschen und die Königsmark waren einfach August's Maitressen – ich aber, ich bin seine Frau, ich besitze ein von ihm geschriebenes und unterzeichnetes Heiratsversprechen!«
Schon vor der Abreise des Königs hätte Anna bemerken können, wie die Sachen standen und was sich um sie her zutrug, wenn sie nicht ihre andauernden Erfolge und ihr Stolz blind dafür gemacht haben würden. Ihr sonst so zahlreicher Hofstaat, der sie im Palast der vier Jahreszeiten umgab, schmolz zusehends zusammen, und als der König fort war, blieb fast niemand mehr bei ihr. Jeder brachte irgend eine Entschuldigung vor, Alle entfernten sich nach und nach.
Nur die Glasenap, diese giftige Lästerzunge, welche in höllischer Bosheit stets bestrebt war, alles, was sich Unangenehmes ereignete, zu hinterbringen und durch Uebertreibung noch schmerzlicher für die von ihr Ueberfallene zu machen – nur diese verschlagene Intriguantin besuchte auch jetzt noch die Gräfin häufig.
Man hatte Gräfin Cosel gewarnt und sie darauf aufmerksam gemacht, wie nöthig es sei, sich vor dieser Frau in Acht zu nehmen; Anna hatte aber ruhig erwidert: »Ich kenne sie schon und weiß sie richtig zu schätzen. Allein, was soll sie mir schaden können? Was giebt es bei mir auszuspioniren? Mein Lebenswandel bietet keinerlei Ausbeute für Spione, und von Verleumdern habe ich nichts zu fürchten.«
August verbrachte den ganzen Tag vor seinem Abgang nach Polen fast ganz bei der Cosel. Er hatte sich niemals zärtlicher und liebenswürdiger gegen sie gezeigt. Die Gräfin ihrerseits, die leidend und sehr betrübt aussah, ließ an diesem Tage nichts von ihrer Verstimmung merken; sie schien bestrebt zu sein, das Mitleid August's zu erregen, und vor seinem Scheiden die Erinnerung an die ersten Tage ihrer Liebe wieder in ihm wachzurufen.
Wenn Anna sich Hoffnungen machte, damit den König zu rühren, so täuschte sie sich sehr. Auf seinen Geist machten vor allem Lebhaftigkeit und Frohsinn einen günstigen Eindruck. Kühnes, herausforderndes Benehmen, Lachen, Eifersucht – das konnte einen Reiz auf ihn ausüben. Tieferes Gefühl war aber ein ihm fremdes Ding. Allerdings heuchelte er oft Sentimentalität, wenn es ihm gerade zweckmäßig erschien; es kam nicht eben selten vor, daß er nach irgend einem zärtlichen Rendezvous Vitzthum oder einem anderen Vertrauten gegenüber aus vollem Halse über die sentimentalen Phrasen lachte, welche er eben selbst angewendet oder angehört hatte. Es gab in der That kaum ein besseres Mittel, ihn zu langweilen und sich zu entfremden, als wenn man ihn in eine weiche Stimmung versetzen wollte.
Die Gräfin, welche von einer unüberwindlichen Besorgniß ergriffen war, daß sie das Herz des Königs verlieren werde, hielt bei dieser Abschiedszusammenkunft die Hände August's fest in den ihren, bedeckte sie mit Küssen und Thränen und flehte ihn unaufhörlich an, sie nicht zu vergessen und ihr seine Liebe zu bewahren. August antwortete auf diese Bitten mit allerlei Gemeinplätzen und nichtssagenden Phrasen. Kälte und Ueberdruß klangen aus diesen banalen Redensarten – der Liebesrausch schien offenbar seinem Ende nahe zu sein. Anna freilich hegte noch immer eine gewisse Zuneigung für den König, bei diesem aber war nichts zurückgeblieben als Uebersättigung und Gleichgiltigkeit. Weit entfernt, von der Niedergeschlagenheit der Frau, welche er so zärtlich geliebt hatte, sich irgendwie rühren zu lassen, fühlte er sich dadurch nur gelangweilt; ihre Thränen waren ihm lästig, ihre leisen Vorwürfe machten ihn ungeduldig und er beeilte sich, als er mit Anstand sich losmachen konnte, sie zu verlassen.
Anna war in seinen Augen nicht mehr die Cosel von früher, obgleich ihre anscheinend unvergängliche Schönheit ihr durchaus erhalten geblieben war – ihre Person und ihr Charakter hatten für ihn den früheren Reiz verloren, den Reiz der Neuheit. Dabei darf nicht vergessen werden, daß König August andererseits für den Moment durch politische Geschäfte zu sehr in Anspruch genommen war, als daß ihm noch wie früher Zeit zur Liebe übrig geblieben wäre. Er hatte sich eine Krone zurückzuerobern, sich der Unterstützung seiner Alliirten und Parteigänger zu versichern. Das wirkte sicherlich nicht wenig auf sein Thun und Lassen ein.
Als der Augenblick der Trennung gekommen war, zerfloß Anna schier in Thränen; der König sprach ihr Trost zu, schwur ihr wieder und wieder ewige Liebe und Treue und zog sich dann zurück, sehr zufrieden mit sich selbst und mit der Art, wie er sich benommen hatte.
Nie hatte sich die Gräfin so einsam gefühlt als jetzt, wo der König abgereist war ... Im Laufe des Tages kam die alberne Glasenap auf Besuch und erzählte ihr alle Klatschereien der ganzen Stadt; zu Tisch erschien der ernste Haxthausen und versuchte sie zu trösten. Dazwischen kam von Zeit zu Zeit ein oder der andere vom Hofe entfernt lebende Bittsteller, um ihr, die er noch als die allmächtige Geliebte des Königs betrachtete, ein Gesuch zu überreichen.
Trotz dieser Verlassenheit hatte sich anscheinend in ihren Verhältnissen nichts geändert. In der ersten Zeit war ihre Correspondenz mit dem König eine regelmäßige; sie antwortete stets durch denselben Courier, der ihr seine Briefe überbrachte, und hatte keine Ahnung davon, daß ihre Billette stets in der Kanzlei Fürstenberg's geöffnet und von diesem wohl verwahrt an Flemming geschickt wurden, der dann die für den König geeigneten auswählte.
Von allen Freunden der Gräfin war ihr nur Einer wahrhaft treu und ergeben geblieben, und dieser trug die Livrée ihres Dienstes. Raimund Zaklika hatte mit ihr alle Wandlungen ihres Schicksals durchgemacht; er hatte sie gefürchtet und auf der Höhe der Macht stehend gesehen – er sah sie heute von mächtigen Feinden bedroht, von allen ihren ehemaligen Freunden verlassen. Mehr als einmal hatte bei den Beleidigungen und Insulten, die man seiner Gebieterin angethan, seine Hand gezittert, war ihm alles Blut zu Kopfe gestiegen, und auf das geringste Zeichen von Anna's weißer Hand hätte er sich auf Den, der ihr im Wege stand, mit Lust gestürzt, um ihn unter seinen starken Händen zu zermalmen. Die Gräfin errieth, was in der Seele des jungen Mannes vorging. Wenn ihre Blicke den seinen begegneten, war sie schon öfter fast erschrocken über die leidenschaftliche Glut, welche sich darin spiegelte. Sie wußte, daß sie in einem gegebenen Augenblicke ganz auf ihn zählen konnte und daß, wenn sie ihm befohlen hätte, General Flemming zu tödten, er keine Secunde gezögert haben würde, ihren Wunsch zu erfüllen.
In den Augen des jungen Polen war Anna von Cosel noch immer der glänzende Stern, den er einst unter dem Schatten der alten Linden von Laubegast hatte erstrahlen sehen. Sie erschien ihm sogar von Tag zu Tag schöner; sein einziges Glück war, sie täglich bewundern zu können, sein einziger Wunsch, sie niemals verlassen zu müssen ...
Während in Dresden in dem mehr und mehr sich verödenden Palast der vier Jahreszeiten die Tage einförmig und still dahinflossen, verbrachte König August, der voll froher Hoffnungen in die Zukunft blickte, in Warschau seine Zeit ganz angenehm in Gesellschaft Flemming's.
Die Kronschatzmeisterin Frau von Przebendowska hatte bereits, nachdem sie sich zuvor mit dem General Flemming verständigt, gehörig vorgearbeitet. Man machte übrigens in Warschau gar kein Geheimniß daraus, daß man für August eine neue Königin zur linken Hand, eine neue Geliebte suche. Die Anforderungen, welche man an eine solche stellte, waren nicht übertrieben zu nennen; es mußte nicht gerade ein Muster von Schönheit und Geist sein, wonach man fahndete, denn das Beispiel der Frau von Cosel war nur zu frisch noch in Aller Gedächtniß. Es genügte, wenn die Betreffende Jugend, Geist und Schlauheit, mit Einem Worte, wenn sie ein genügendes Maß von Koketterie, ja selbst etwas Keckheit besaß. Sie mußte aber absolut frei von Ehrgeiz sein, ihr Name und ihre Erziehung sollten einen Vergleich mit der Cosel aushalten können – die neue Favorite mußte von gutem alten Adel sein ...
Mit solchen Instructionen ausgerüstet, hatte die Frau Kronschatzmeisterin die Reise nach Polen angetreten, überzeugt davon, daß es in Warschau nicht an den gesuchten Candidatinnen mangeln werde, ja daß die Auswahl darunter ihr die einzige Verlegenheit bereiten könnte.
Seit langer Zeit schon stand die Cousine Flemming's in den freundschaftlichsten Beziehungen zu der Marschallin Bielinska, Mutter zweier junger Damen, von denen die eine, Namens Marie, an den Kämmerer von Litthauen, Dönhoff, die andere an den Hetman Potzki verheiratet war. Diese beiden Damen standen in dem wohlverdienten Rufe eines sehr galanten Lebens und besaßen genug Anmuth und Jugendfrische, um auf die Liste der ehrenwerthen Kronschatzmeisterin gesetzt zu werden.
So war es denn ihr Erstes, als sie nach Warschau kam, daß sie sich zu der Marschallin begab. Diese, welche wohl wußte, welchen Einfluß ihre Freundin auf Flemming und dieser wieder auf den König besaß, empfing sie mit allen Zeichen herzlichster Zuneigung.
Es gab niemanden in Warschau, welcher Frau Przebendowska in der delicaten Mission, der sie sich unterzogen hatte, besser mit Rath und That an die Hand zu gehen im Stande gewesen wäre, als die Marschallin.
»Meine liebe Freundin,« sagte sie zu dieser, »Du siehst mich rathlos; ich habe eine sehr schwierige Mission übernommen und ich hoffe, daß Du mir Deine Hilfe dabei nicht versagen wirst ...«
»Sprich,« antwortete die Marschallin, »ich will gerne die Hälfte Deiner Mühen auf mich nehmen.«
»Der König verursacht uns viel Sorgen und Verlegenheiten,« fuhr Frau von Przebendowska mit einem Seufzer fort; »er ist ganz und gar von einer Person eingenommen, welche ihn schon seit Jahren unter ihrem Joche hält und von welcher er sich nicht loszumachen vermag ...«
»Du erzählst mir da nichts Neues. Ich kenne diese Cosel,« unterbrach sie Frau von Bielinska. Warum ist er nicht bei der Teschen geblieben?«
»Du weißt ja wohl, daß er keiner Frau treu zu bleiben im Stande ist ... Man muß ihn um jeden Preis von der Cosel losmachen und eine Andere an deren Stelle bringen. Der König beginnt ihrer ohnedies schon etwas überdrüssig zu werden ...«
Die Marschallin versank in tiefes Nachdenken.
»Jemanden zu finden,« sagte sie nach einer Weile, »der sie ersetzen könnte, das schiene mir nicht so schwierig; das Einzige, was dabei zu befürchten ist, wäre, daß man etwa aus dem Regen in die Traufe käme. Es gilt dabei sehr vorsichtig zu Werke zu gehen.«
Frau von Przebendowska blieb bis zur Dinerstunde bei ihrer Freundin und nahm dann ohne Zögern die Einladung derselben, bei ihr zu speisen, an, als sie erfuhr, daß die beiden Töchter der Marschallin ebenfalls zur Tafel erscheinen werden.
Die beiden jungen Damen waren in der That sehr hübsch. Frau von Potzki, die Aeltere, war von etwas kleinem, aber sehr zierlichem Wuchs, that sehr zartfühlend und spröde, hatte indessen ein feuriges Auge und ein lebhaftes Temperament. Frau von Dönhoff, von mittlerer Größe und sehr gut gebaut, schien das gerade Gegentheil von ihrer Schwester zu sein. Sie trug eine gewisse Melancholie zur Schau, aber unter der Maske ernster Würde verbarg sich nur schlecht ein sehr leichter Charakter und ein wahrer Durst nach galanten Abenteuern und weltlichen Vergnügungen.
Insgeheim erzählte man sich von diesen beiden Damen in den Warschauer Salons Geschichten, welche zu einer anderen Zeit als der August's II. ganz unglaublich erschienen wären.
Die Augen der Dönhoff verriethen einen witzigen und spottsüchtigen Charakter; dieser Zug wurde durch einen Ausdruck so übertriebener Bescheidenheit verdeckt, daß man unwillkürlich Verdacht schöpfen mußte, daß sie sich anders gab, als sie in Wirklichkeit war.
Während des Diners sprach die Kanzlerin über allerhand gleichgiltige Dinge, verlor jedoch die beiden Töchter ihrer Freundin dabei nicht aus den Augen und bestrebte sich, sie nach allen Seiten hin genau kennen zu lernen ... Man befragte Frau von Przebendowska auch mit einer gewissen Neugier über den König und sein Thun und Treiben. Frau von Potzki erinnerte sich aus früherer Zeit noch eines Grafen Friesen; dann kam man auch – aber nur mit halblauter Stimme – auf Frau von Cosel zu sprechen.
Nach aufgehobener Tafel zogen sich die beiden Schwestern bald zurück, um in Begleitung mehrerer junger Edelleute einen Spazierritt zu unternehmen, ein Vergnügen, für welches Beide eine besondere Vorliebe hatten.
Die Marschallin blieb mit Frau von Przebendowska allein zurück.
Der Cousine Flemming's entging es nicht, daß die Lage ihrer Freundin nicht eben eine glänzende war. Als schlaue Diplomatin schickte sie sich sofort an, die Situation zu ihren Zwecken auszubeuten.
Es vergingen einige Minuten unter beiderseitigem Stillschweigen. Dann rückte die Marschallin ihren Stuhl dem der Kronschatzmeisterin näher, und diese vertraulich bei der Hand nehmend, begann sie:
»Sage mir, meine Liebe, was hältst Du von meinen beiden Töchtern? Ist Marie nicht sehr anmuthig und artig? O, das ist ein Goldherz, ein sehr gutes Kind und durchaus keine Zierpuppe ... Wie findest Du sie?«
»Ich muß sagen, sie ist ein ganz charmantes, liebenswürdiges Geschöpf.«
»Die Gemahlin des Hetmans Potzki ist ihr ebenbürtig; aber das ist ein sehr aufgewecktes Blut. Sie macht den Eindruck einer spottsüchtigen, leichtlebigen Frau, sie hat jedoch einen eisenfesten Charakter – eine wahre Kosakin!«
Frau von Przebendowska versank anscheinend in tiefes Nachdenken. Ihre Freundin ließ ihre Blicke ringsum gleiten, wie um sich zu vergewissern, daß sie allein seien, dann fuhr sie mit halblauter Stimme und im Tone leisen Vorwurfes fort:
»Höre, meine Liebe, Du solltest Dich daran erinnern, daß wir schon seit unserer Kindheit Freundinnen sind. Wenn schon Eine des Glückes theilhaftig werden soll, den König zum Geliebten zu haben, warum denkst Du gar nicht an meine Kinder? Man könnte ihm, glaube ich, Marysia – Marie – wohl zeigen.«
»Ah, ich wußte nicht, daß Du einen derartigen Wunsch hegst ...«
»Warum nicht? Dönhoff ist ein recht trauriger Ehemann ... er ist nicht mehr jung ... und die arme Kleine ist durchaus nicht glücklich mit ihm. Wenn er Anstände machen sollte und es nicht zufrieden wäre, daß der König sein Rivale würde, so könnte sich ja Marie von ihm scheiden lassen.«
»Aber Marie – wird sie sich damit einverstanden erklären?«
»O, darüber magst Du ganz beruhigt sein,« erwiderte die fürsorgliche Mutter, »ich werde sie schon gehörig bearbeiten und wenn nöthig, werde ich sie dazu zwingen ... Das wäre in der That ein Glück für uns. Unsere Angelegenheiten stehen sehr schlecht und mein armer Mann wird nie mehr emporkommen können, wenn nicht ...«
Frau von Przebendowska versprach nichts, aber sie lehnte es auch nicht ab, sich im Sinne ihrer Freundin zu verwenden.
»Wir wollen sehen,« sagte sie, »was sich thun läßt ... Indessen darfst Du Marie vorläufig von diesem Projecte nichts mittheilen, denn man muß erst abwarten, ob sie dem König auch gefällt. Die Cosel ist zänkisch, aufbrausend, eifersüchtig – man muß ihr also ein sanftes, dabei aber doch heiteres und leicht zu behandelndes Wesen gegenüberstellen.«
»Ich versichere Dich, daß es ganz unmöglich wäre, ein Weib zu finden, welches diesen Bedingungen besser entspräche, als meine kleine Marysia.«
Nach einer langen und sehr vertraulich geführten Unterredung trennten sich die beiden Freundinnen in vollstem Einverständniß und die Marschallin begleitete ihren Besuch bis zum Wagen.
Einige Tage nach diesem Zwiegespräch traf der König mit Flemming in Warschau ein. Der General stieg bei seiner Base ab und noch an demselben Abend hatten die Beiden eine lange Conferenz miteinander. Frau von Przebendowska sprach mit ihm über die Dönhoff. Flemming hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu. Er hatte schon allerhand von den leichtsinnigen Streichen dieser Frau gehört ... Indessen mußten diese kleinen Sünden sie nicht nothwendig von der Anwartschaft auf das ihr zugedachte glückliche Los ausschließen.
»Es wird nöthig sein, daß sie sich dem König in passender Weise vorstelle,« sagte der General. »Es genügt, ihn auf geschickte Art und in koketter Weise zu reizen und anzulocken, um ihn zu fangen, wie den Fisch an der Angel, denn er langweilt sich und hat gerade nicht Besseres zu thun. Damit eine Andere sich seiner nicht bemächtige, muß man ihm diese Kleine in unauffälliger Weise zuführen. Wie ist sie denn?«
Frau von Przebendowska erzählte nun in detaillirter Weise von den Vorzügen und dem Charakter ihres Schützlings.
»Sie wird doch hoffentlich nicht viel Schwierigkeiten machen?« fragte Flemming.
»Ich glaube nicht. In solchem Falle habe ich aber die Mutter zur Bundesgenossin ...«
Bevor er irgend einen Schritt in dieser Sache thun wollte, wünschte Flemming die Bekanntschaft der Frau von Dönhoff zu machen. Am folgenden Abend führte ihn seine Base bei Frau von Bielinska ein. Die Soirée dauerte bis tief in die Nacht hinein. Frau von Potzki, sowie ihre Schwester sangen wiederholt. Marysia trug eine etwas schwermüthige, traurige Miene zur Schau und hatte das Aussehen einer unglücklichen Frau, welche des Trostes bedarf ... Flemming war davon nicht sehr befriedigt; er wußte, daß der König das nicht eben liebte. Nachdem man aber noch mehrere Tage vergeblich gesucht hatte, blieb nichts übrig, als auf die Dönhoff zurückzukommen, indem diese den Betheiligten weniger gefährlich erschien als jede Andere, da sie frei von Eifersucht und Ehrgeiz war und keinen anderen Wunsch hegte, als ihre Jugend und das Leben voll und ganz zu genießen.
Man entschloß sich also, einen Versuch zu machen.
Vor allem erschien es Flemming von Wichtigkeit, Vitzthum für den Plan zu gewinnen. Dieser galt noch immer als ein Freund der Gräfin Cosel, obwohl seine Frau es nicht an Anstrengungen hatte fehlen lassen, ihn von der Partei derselben abzuziehen. Der General besaß zwar großen Einfluß in allen politischen Dingen, aber in Liebesintriguen und den Mysterien der Boudoirs mußte er Vitzthum den Vorrang lassen, ohne dessen Rath der König nichts unternahm.
Der General ging sogleich ans Werk.
»Die Cosel hat ihre Zeit gehabt,« sagte er zu dem Vertrauten des Königs; »sie behandelt uns sehr schlecht, der König ist ihrer müde – der Augenblick scheint mir gekommen zu sein, sie durch eine Andere zu ersetzen.«
»Thut, was Euch gut dünkt,« antwortete Vitzthum gleichgiltig. »Ihr wißt, daß ich mich nicht in solche Dinge mische. Es ist nicht meine Sache, dem König Maitressen zuzuführen oder ihm dieselben abwendig zu machen. Ich bin kein Freund davon, den Finger zwischen Thür und Angel zu stecken ... Zählt also nicht auf mich.«
»Das ist unmöglich,« rief Flemming aus, »Ihr müßt zu uns halten!«
Vitzthum schüttelte verneinend den Kopf.
In diesem Augenblick kam Frau von Przebendowska hinzu, und sofort erkennend, um was es sich handelte, vereinigte sie nun ihre Vorstellungen mit denen ihres Verwandten, um Vitzthum für ihre Sache zu gewinnen.
Allein es half alles nichts; er blieb unerschütterlich. »Die Rolle, welche Ihr mir zuweisen möchtet, paßt nicht für mich,« sagte er in entschiedenem Tone; »ich sage es offen heraus: ich bin weder für, noch gegen die Sache, denn ich habe von jeher eine lebhafte Abneigung gegen solche Intriguen gehabt und ich bin nicht gesonnen, nachdem ich so alt geworden bin, noch meinen Charakter zu verleugnen oder zu ändern.«
»Ihr seid ein Freund der Cosel?« warf Frau von Przebendowska ein.
»Weder ihr Freund noch ihr Feind. Ich bin neutral und gedenke es zu bleiben – das ist alles!« antwortete Vitzthum lachend.
Vergeblich versuchte Flemming durch alle möglichen Ueberredungskünste und Schmeicheleien Vitzthum in seinem Entschlusse wankend zu machen. Dieser blieb fest in seiner Weigerung, zur Ausführung der ihm mitgetheilten Pläne die Hand zu bieten, und zog sich dann zurück.
Frau von Przebendowska ließ sich dadurch nicht im Mindesten entmuthigen und setzte sich lebhaft dafür ein, daß man sich ohne Vitzthum behelfen möge.
Als sie am nächsten Tage bei Hofe erschien, näherte sie sich dem König, der ihr sehr zugethan war, mit einem verschmitzten Lächeln und sagte neckend: »Sire, jetzt ist wohl die Reihe an den Polinnen?«
»Ich verstehe Euch nicht, liebe Frau von Przebendowska.«
»Nun – nach der Lubomirska die Cosel und nach der Cosel ...«
»O nein! Ich gedenke der Gräfin Anna treu zu bleiben!«
»In Dresden mag das angehen,« antwortete die Kronschatzmeisterin, »aber in Warschau ... wenn sie nicht da ist?«
Der König antwortete darauf nur mit einem vielsagenden Lächeln.
»Haben Euere Majestät nicht schon einige unserer Damen gesehen, zum Beispiel im Theater?«
»Ich habe dazu noch kaum Gelegenheit gehabt.«
»Dann möchte ich mir wohl erlauben, Euch auf eine derselben besonders aufmerksam zu machen, königlicher Herr! Sie ist gewiß die Hübscheste, die Liebenswürdigste, die Beste unter Allen, hat ein ganz reizendes Gesichtchen, wahre Kinderhändchen – und ist überdies noch jung, blühend, frisch ...«
»Wer ist denn dieser Engel?« fragte König August, etwas neugierig geworden.
»Madame Dönhoff, geborene Bielinska,« flüsterte ihm die Kronschatzmeisterin ins Ohr; »sie ist die Schwester der Frau von Potzki, der Gattin des Hetmans.«
»Ich erinnere mich ihrer nicht, ja ich glaube sogar, daß ich sie noch niemals gesehen habe; aber als leidenschaftlicher Bewunderer des schönen Geschlechtes und seiner Vorzüge verspreche ich Euch, verehrte Frau, daß ich schon bei der nächsten Soirée am Hofe alles aufbieten werde, um ein so bezauberndes Geschöpf, als welches Ihr mir die junge Dame schildert, kennen zu lernen.«
»Ihr werdet Euch überzeugen, Sire, daß ich nicht übertrieben habe,« versetzte Frau von Przebendowska, indem sie Miene machte, sich zu entfernen; wie wenn sie plötzlich sich eines Besseren besonnen hätte, fuhr sie dann fort: »Darf ich mir die Freiheit nehmen, mein König, Euch zu bitten, daß Ihr die Gnade haben möget, das Souper, welches ich morgen geben werde, mit Euerer Gegenwart zu beehren? Es ist sehr wahrscheinlich, daß ich dabei Gelegenheit haben werde, Euch die junge Dame vorzustellen ...«
August maß die Kronschatzmeisterin mit einem raschen Blick voll Verachtung und Ironie, den die gute Dame aber nicht zu beachten schien. Dieser Blick besagte deutlich, daß der König sie wohl durchschaut habe und daß es nicht nöthig gewesen wäre, mit einem derartigen Antrage bei ihm so viele Umstände zu machen.
Noch am nämlichen Tage ließ Frau von Bielinska ihre Tochter zu sich rufen und schloß sich mit ihr und der Kronschatzmeisterin einige Stunden in ihrem Zimmer ein. Als die Damen sich endlich trennten, schienen sie alle Drei recht vergnügt und selbstzufrieden zu sein.
Auf Frau von Dönhoff übte diese Conferenz eine sehr aufregende Wirkung aus; sie war voll Hoffnungen auf die Zukunft, zugleich aber fühlte sie sich auch etwas beängstigt. Sie schien manchmal völlig ihre Fassung verloren zu haben, lief unaufhörlich im Hause umher, hatte alle Augenblicke ihrer Mutter etwas ins Ohr zu flüstern und kam lange nicht dazu, nach ihrem sie vor dem Hause erwartenden Wagen zu gehen. Es war ersichtlich, daß ihr der Kopf wirbelte, und die Marschallin, darüber beunruhigt, sah sich mehrmals veranlaßt, sie zu ermahnen, daß sie sich alle Mühe geben möge, um sich zu beherrschen.
Marie Dönhoff war daran gewöhnt, in einem kleineren Kreise zu glänzen, wo sie stets sicher war, zu gefallen, und über unbedeutende Menschen eine unumschränkte Herrschaft auszuüben; doch sie erschrak ein wenig angesichts all der Vorbereitungen, die man für ihr zukünftiges Glück traf; sie war sicher nicht gewillt, die Pläne ihrer Mutter zu durchkreuzen, allein sie fühlte sich offenbar etwas beengt. War doch der kleine Schalk von jeher sehr wenig eingenommen für Zwang und conventionelle Formen.
Frau von Przebendowska und General Flemming wohnten in demselben Palais und führten zusammen nur Einen Haushalt. In Warschau ebenso wie in Dresden lebte der General auf großem Fuße; er hatte einen ansehnlichen Hofstaat und eine sehr zahlreiche Dienerschaft um sich; da er in seiner Eigenschaft als Minister oft den König bei sich sah, mußte er darauf bedacht sein, ihn mit dem gehörigen Glanze empfangen zu können.
Aus dem bescheidenen Souper, von welchem die Kronschatzmeisterin mit König August gesprochen hatte, wurde ein ganz feierliches Ballfest. August war bei seinem Eintritt sehr überrascht, da eine ganze Gruppe hübscher Damen zu finden, in deren Mitte sich, sehr elegant gekleidet, aber ganz zaghaft und zitternd und in Folge dessen beiweitem nicht so gut aussehend als gewöhnlich, Frau von Dönhoff befand.
Die Kronschatzmeisterin wußte es bald in geschickter Weise zu vermitteln, daß der König sich mit ihrem Schützling in ein Gespräch einließ, das anfangs noch ziemlich heiter geführt wurde, aber bald etwas frostig endete. Der König schien weder von der Schönheit, noch von dem Geiste der jungen Frau sehr erbaut zu sein.
Nach dem Souper begann das Orchester Tanzweisen anzustimmen und der Ball nahm seinen Anfang. Der König forderte Marie Dönhoff zum Tanze auf; diese aber schien noch nicht Zeit gefunden zu haben, sich zu sammeln und ihre Fassung wiederzugewinnen, denn sie tanzte schlecht, störte die Figuren, und so kam es denn, daß ihre Füße ebensowenig als ihr Geist und Witz auf August einen günstigen Eindruck machten.
Es war nicht das, was ihm Frau von Przebendowska versprochen hatte.
Als der König später mit Vitzthum nach seinem Palaste zurückkehrte, wendete er sich lachend an diesen mit den Worten:
»Hast Du gesehen, welchen Sturmlauf man heute auf meine Tugend unternommen hat? So lange man mir indessen nichts Besseres vorzuführen weiß als die Dönhoff, hat die Gräfin Cosel nichts zu fürchten.«
»Ach, Sire,« erwiderte Vitzthum, der sehr aufgeräumt war, »es handelt sich ja nicht darum, Frau von Cosel zu ersetzen, diese kann ebenso ruhig in Dresden bleiben, wie Frau von Dönhoff in Warschau ... Euere Majestät haben aber jetzt zwei Staaten, zwei Hofhaltungen, die eine in Dresden, die andere hier – warum sollt Ihr nicht auch zwei Herzensköniginnen haben, königlicher Herr? Ich habe davon reden gehört, daß die Polen sich sehr über das Unrecht grämen, das Euere Majestät ihnen in der Person der Gräfin Cosel anthun. Sie würden es ohne Zweifel gern sehen, wenn Ihr auch hier irgend eine Wahl treffen wolltet. Sollte aber dann die Polin Miene machen, sich des Herzens Euerer Majestät ganz allein bemächtigen zu wollen, so würden die Sachsen ihrerseits gewiß nicht ermangeln, dagegen Einsprache zu erheben. Um zufriedenzustellen wird es nothwendig sein, daß Ihr Euer Herz in zwei Theile zerlegt ... Sechs Monate in Sachsen, sechs Monate in Polen, und die beiden Länder werden zufriedengestellt sein.«
Lachend antwortete August seinem Günstling: »Du hast leicht darüber scherzen, denn Du erhältst nicht wie ich täglich Briefe mit Vorwürfen und Beschwerden. Du wirst auch gewiß nicht in der Weise in Versuchung geführt wie ich ... Ich bin in der That oft sehr in Verlegenheit und weiß nicht mehr, was ich anfangen soll ...«
»Die Leute reden lassen, Sire. Euere Majestät brauchen ja doch immer nur das zu thun, was Euch gefällt.«
Dieser gute Rath war ganz überflüssig.
Die Marschallin kannte nicht bloß das gute alte Sprichwort, wonach man das Eisen schmieden müsse, so lange es warm ist, sondern sie glaubte es auch in kaltem Zustande bearbeiten zu können. Am nächsten Tage gab sie ein kleines Souper in intimem Kreise, und sie wußte den König zu bewegen, daß er hierzu erschien. Die beiden Schwestern glänzten dabei mit Gesangsvorträgen und man unterhielt sich aufs beste.
Frau von Dönhoff war an diesem Abend kühner und zuversichtlicher als bei dem Balle und befolgte die Rathschläge der Kronschatzmeisterin, welche ihr empfohlen hatte, die Augensprache lebhaft auf den König einwirken zu lassen. Ihre Blicke hafteten fortwährend auf August, während sie eine feurige Liebesarie sang, so daß die zärtlichen Worte und Betheuerungen sich nur an seine Adresse zu richten schienen. Der König war für solche Aufmerksamkeit sehr empfänglich; er begann sich für die hübsche Sängerin zu erwärmen und näherte sich ihr mehr und mehr, indem er sie mit Artigkeiten und Schmeicheleien überhäufte. Frau von Dönhoff, durch Erfahrung klüger geworden, begnügte sich diesmal, ihm mit glühenden, liebestrahlenden Blicken zu antworten.
Die fürsorgliche Mutter und die Schwester Marien's, welche Beide mehr Selbstbeherrschung und Berechnung besaßen, unterstützten sie in jeder Weise und spielten ihre Rolle als Vermittlerinnen auf das geschickteste. Man wußte August auf jede mögliche Weise zu umgarnen: witzige, herausfordernde Bemerkungen folgten sich ununterbrochen. Bald bewegte man sich frei und ungezwungen, man setzte alle conventionellen Formen beiseite, so daß sich der König zuletzt in diesem Hause recht heimisch zu fühlen begann.
Er fing nun an, ein fleißiger Besucher des Bielinski'schen Salons zu werden und gewöhnte sich bald an die Augen der Frau von Dönhoff, die durchaus nicht gewillt schien, sich seinen Blicken zu entziehen. Es kam endlich so weit, daß August sich so verliebt fühlte, als bei einem so blasirten Menschen wie er nur immer davon die Rede sein konnte.
Frau von Przebendowska, die durch ein Unwohlsein ans Bett gefesselt war, konnte nun den Dingen ganz beruhigt ihren Lauf lassen – ihr Werk war vollständig gelungen ...
Jeden Tag erhielt der König einen Brief von der Gräfin Cosel, welche man dienstbeflissen von allem in Kenntniß setzte, was sich in Warschau zutrug. Auf die bitteren Vorwürfe Anna's antwortete August anfangs ziemlich regelmäßig mit Betheuerungen seiner Liebe und Treue; in dem Maße aber, als die zärtlichen Blicke der reizenden Marysia die Eisrinde seines Herzens zu schmelzen begannen, wurden diese Liebesbetheuerungen seltener und kälter.
Gräfin Cosel hegte bei alledem die feste Hoffnung, daß August's Liebschaft mit der Dönhoff nur eine vorübergehende Laune sei, daß der König zu seiner alten Liebe zurückkehren und seinem königlichen Worte, seinen Versprechungen treu bleiben werde. Sie sollte jedoch bitter enttäuscht werden.
Im Laufe des Gespräches hatte August schon mehrmals Vitzthum gegenüber sich voll Ungeduld und mit einer gewissen Gereiztheit über die Cosel ausgesprochen, ja er ließ sogar nicht undeutlich seine Absicht durchschimmern, die Fesseln, welche ihn an die Gräfin ketteten, ganz zu brechen; doch schien ihn noch eine gewisse Furcht davon zurückzuhalten. Flemming, der den König und sein Thun nicht aus dem Auge ließ und dem diese Wandlung natürlich nicht entging, beeilte sich, sein Möglichstes dazu beizutragen, um den Bruch zu beschleunigen.
Eines Abends, als sie zusammen zechten und der König unwillkürlich einen Seufzer ausstieß, begann der General herzhaft zu lachen.
»Ich möchte Euerer Majestät gern eine alte Geschichte ins Gedächtniß zurückrufen,« begann er nach einer Weile. »Man kann manchmal aus so alten Geschichten recht gute Lehren ziehen!«
»Zum Beispiel?« fragte der König.
»Vor geraumer Zeit schon,« begann Flemming, »liebte ein gewisser Fürst – es war dies, bevor er die schöne Aurora Königsmark kennen lernte – dieser Fürst liebte Schöning's Tochter, die reizende Rechenberg. Gar bald jedoch begann er ihrer wieder überdrüssig zu werden, und es handelte sich nun darum, sie abzuschütteln. Der Fürst bat zu diesem Zwecke seinen Kanzler Weichling, ihm einen Freundschaftsdienst zu erweisen ... Dieser machte die nähere Bekanntschaft der geistreichen Frau von Rechenberg und so entkam der königliche Liebhaber den Krallen der Schönen.«
»Und Du wolltest dieses Mittel auf die Cosel angewendet wissen? Ich zweifle sehr, daß Du damit Erfolg haben würdest.«
»Warum sollte man nicht einen Versuch wagen?«
»Welchen glücklichen Sterblichen hast Du denn dazu ausersehen?«
»Ich überlasse diese Wahl ganz und gar dem Scharfblick Euerer Majestät.«
Der König erhob sich schweigend und durchmaß das Zimmer einigemale mit großen Schritten.
»Die Wahl ist in der That sehr schwierig,« sagte er dann mit ironischem Lächeln. »Es wird nicht der Nächstbeste der geeignete Mann sein, sich ihr zu nähern. Ich wüßte eigentlich nur Einen – ihren Cousin Löwendahl, ihren Schützling, welcher noch am ehesten Erfolg haben könnte ... Man wird es mit ihm versuchen müssen. Ich wünschte nur, daß ich im Stande wäre, ihr irgend eine kleine Treulosigkeit vorzuwerfen – ich hätte dann einen ganz vortrefflichen Vorwand, um mit ihr zu brechen.«
»Also bleiben wir bei Löwendahl. Er ist der Gräfin allerdings sehr zu Dank verpflichtet, noch mehr aber hat er Euerer Majestät zu verdanken. Im Uebrigen ist es, so viel ich weiß, seine hauptsächlichste Sorge, seinen Posten zu behalten und nicht in den Fall der Gräfin Cosel mit hineingezogen zu werden. Er thut, was man ihm befiehlt ...«
Das Resultat dieser Unterredung war ein Brief, der bald darauf nach Dresden abging und Löwendahl die Weisung brachte, daß er alles, was in seiner Macht liege, thun solle, um die Gräfin Cosel in irgend einer Weise zu compromittiren. Man ließ dabei natürlich durchschimmern, daß er, indem er diesem Wunsche entspräche, einer hochgestellten Person einen großen Dienst erweisen würde, einer Person, die ihn dafür in der freigebigsten Weise zu belohnen wissen werde.
Das waren die Mittel, welche hervorragende Persönlichkeiten jener Zeit anzuwenden keinen Anstand nahmen, sobald es sich für sie darum handelte, ihren Wünschen Befriedigung zu verschaffen, ihrem Ehrgeiz oder ihrem Hasse zu fröhnen.