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Das Scepter, welches August II. für die Dauer seiner Abwesenheit den Händen der Gräfin Cosel anvertraut hatte, erschien nach und nach den sächsischen Höflingen als sehr drückend. Herrschsüchtig wie sie war, übte sie ihre Macht mit der Zuversicht einer Frau aus, welche von der Zukunft nichts zu befürchten hat; den Werth des Geldes nicht im Mindesten kennend, vergeudete sie es mit wahrem Raffinement. In dem Maße aber, wie ihre Macht über den König wuchs, vergrößerte sich auch von Tag zu Tag die Zahl ihrer Feinde. Niemals hatte eine der vielen Geliebten des leichtsinnigen Monarchen einen so unumschränkten Einfluß auf ihn ausgeübt. Die sonst so servilen Höflinge, welche gewohnt waren, ihrem Gebieter blindlings zu gehorchen, lehnten sich doch gegen das Joch dieser Frau auf und versuchten alle möglichen Mittel, sie zu stürzen. Fürstenberg, der Statthalter, und Flemming arbeiteten mit vereinten Kräften auf dieses Ziel los. Gräfin Cosel ahnte mehr diese Complote, als sie selbe wahrnahm. Wenn Zaklika, der eifrig Wachende, seine Gebieterin von dem, was am Hofe vorging, unterrichtete, hatte sie dafür nur ein wegwerfendes Lächeln und schenkte der Sache wenig Aufmerksamkeit.
Mit der Zeit nahmen diese Intriguen größere Dimensionen an; die Feinde der Gräfin kamen bereits in Conventikeln zusammen, wagten jedoch noch nicht, ihr offen den Krieg zu erklären. Sie waren vorläufig nicht geneigt, auf einen so ungleichen Kampf einzugehen, sie warteten daher auf die Rückkehr des Königs und auf irgend welche Symptome der Erkaltung zwischen ihm und seiner Favorite, um dann die Action zu beginnen. Die in den Hofintriguen gewandtesten und ränkevollsten Damen und Herren der vornehmen Gesellschaft reichten sich gegenseitig die Hand in dem Bestreben, den Sturz der Cosel herbeizuführen. Die Gräfin ihrerseits bot, ziemlich alleinstehend, nur von einer kleinen Anzahl am Hofe weniger einflußreicher Freunde umgeben, ihren Gegnern die Spitze. Zwischen diesen beiden Parteien gab es noch eine dritte, die der Unentschlossenen und klug Berechnenden, welche auf einen geeigneten Moment warteten, um sich auf die Seite der Stärkeren zu stellen. Man machte sich allseits auf einen langen Kampf gefaßt; indessen waren die Feinde der Gräfin nicht nur leidenschaftlich ergrimmt, sie zeigten auch Ausdauer, und sie kannten den Charakter des Königs zu gut, um nicht ihres schließlichen Triumphes in einer mehr oder minder nahen Zukunft sich versichert zu halten.
Es war in der That anzunehmen, daß die Cosel mit ihrem Hochmuth, ihrer Verschwendungssucht, ihrem jähzornigen Charakter trotz aller Anstrengungen ihrer Phantasie, um den König zu unterhalten, ihm eines Tages lästig werde. August hatte zwar bis jetzt Gefallen an diesem Verhältniß gefunden, aber von einem Tage zum anderen konnte sich die Wagschale zu Gunsten von Cosel's Feinden neigen.
Alle, die am Hofe irgend einen Einfluß besaßen oder Geltung hatten, waren gegen sie. Fürst Egon von Fürstenberg, Graf Flemming, die Gräfin Reuß, Fräulein Hülchen, Frau von Vitzthum waren ihre Todfeinde geworden; die unausstehliche Baronin Glasenap aber trieb sich nur in ihrer Nähe herum, um zu spioniren und dann auf ihre Kosten allerlei erfundene Geschichtchen zu erzählen. Klugerweise die Abwesenheit des Königs für ihre Zwecke ausbeutend, hatten sich der Statthalter und Flemming dahin verständigt, Jeder für sich auf das nämliche Ziel hinzuarbeiten, nämlich August den Starken dahin zu bringen, daß er der Cosel überdrüssig werde, indem sie ihm von ihren extravaganten Launen und von dem wahrhaft fürstlichen Aufwand berichteten, den die Gräfin mache und der den Staat ruiniren müsse. Sie malten dies alles in so grellen Farben, daß der König, der Sache müde, ihnen endlich die Erlaubniß gab, den Anforderungen seiner Geliebten bis zu einem gewissen Grade Widerstand entgegenzusetzen. Fürstenberg ergriff daraufhin die nächste Gelegenheit, die Befehle der Gräfin zu ignoriren, welche hierüber höchlich entrüstet war. Wenn das Gefühl ihrer eigenen Würde sie nicht abhielte, erklärte sie, so würde sie den Statthalter aufsuchen und ihn öffentlich ohrfeigen. Fürstenberg kannte ihren Charakter sehr wohl und zweifelte durchaus nicht daran, daß sie bereit sei, eines Tages ihrer Drohung die That folgen zu lassen. Flemming zog gleichermaßen durch eine unüberlegte Aeußerung einen Sturm und die Rache der Cosel auf sein Haupt.
Beide gaben sich indessen, durch einen Brief von Bauditz davon unterrichtet, daß Mademoiselle Duparc vom König eingeladen worden war, nach Dresden zu kommen, der Hoffnung hin, daß das Regiment der Gräfin Cosel bald seinem Ende zuneigen werde und daß der Moment des Handelns bevorstehe.
Inzwischen war August in Dresden angekommen und hatte sich, ohne sich weiter um Fürstenberg zu kümmern, sofort nach dem Palast der »vier Jahreszeiten« begeben, wo er seine Geliebte auf dem Wege vollster Genesung, schöner und zärtlicher als je, aber in Thränen aufgelöst, fand.
»O, Sire!« rief sie, indem sie sich ihm an den Hals warf, »mit welcher Ungeduld habe ich Euere Rückkunft erwartet! Nie noch habe ich Euch sehnlicher herbeigewünscht als diesmal! ... Ach, rettet mich vor meinen Verfolgern! Bin ich denn nicht mehr Euere geliebte Cosel, habt Ihr mich denn wirklich verstoßen, daß diese Menschen es wagen dürfen, mich zu beleidigen, zu insultiren?«
»Wer?« fragte der König.
»Euere Berather, Euere intimsten Freunde. Flemming, dieser gemeine Trunkenbold, und Fürstenberg, dieser schleichende Intriguant, haben mich ja schon zum Gespötte der Leute gemacht! Als sie mich leidend sahen, haben sie sich verabredet, mich so lange zu quälen, bis ich vor Aerger und Kummer sterbe. O, mein König, rettet mich – oder sagt mir lieber gleich, daß Ihr mich verstoßet!«
August beugte sich nach seiner langen Abwesenheit sofort wieder unter das Joch seiner unvergleichlich anmuthigen Geliebten. Sie hatte bald wieder dieselbe Macht über ihn gewonnen, welche sie vordem besaß.
»Sei ruhig, meine Liebe,« sagte August, »ich werde Flemming und Fürstenberg schon dafür bei den Ohren nehmen. Es scheint mir aber fast, daß Du Dir Dinge, die sicher ohne böse Absicht geschahen, zu sehr zu Herzen genommen hast. Man muß das auf Rechnung Deiner Krankheit setzen ...«
»Ohne böse Absicht? ... Du weißt, wie es scheint, nicht, daß diese Leute meine erbittertsten Feinde sind und daß meine ganze Umgebung dem gleichen Zwecke nachstrebt wie sie. Diese mir neidischen, auf mich eifersüchtigen Menschen wollen mich von Deinem Herzen reißen!«
Anna weinte heftig. Der König war kein Freund von Thränen; er that sein Möglichstes, sie zu trösten.
Als August, nachdem er mehrere Stunden bei der Gräfin verbracht hatte, in sein Schloß zurückkehrte, stand er wieder vollständig unter dem Zauber dieser Frau, und auf die erste Klage, welche Fürstenberg gegen sie vorzubringen versuchte, antwortete er ihm trocken mit dem Befehle, am nächsten Tage zu der Gräfin zu gehen und sie um Verzeihung zu bitten. Der Fürst schwieg.
»Ihr Beide,« fuhr der König fort, indem er sich zugleich an den ebenfalls anwesenden Flemming wendete, »habt Unrecht, und da ich keinen Zank und Streit in meiner Nähe liebe, werdet Ihr alle Zwei morgen zur Gräfin Cosel gehen und Frieden mit ihr schließen.«
Flemming, welcher es hie und da wagen durfte, dem König zu widersprechen, entgegnete:
»Sire, das wäre doch zu demüthigend für mich.«
»Und doch wird es geschehen müssen,« versetzte der König kalt, »wenigstens wenn Du es nicht vorziehst, überhaupt dem Hofe Adieu zu sagen – denn bei der ersten Begegnung würde es einen Streit absetzen, die Cosel ist schwer zu besänftigen, und ich liebe einmal die Scandale nicht!«
Der General mochte noch so sehr über diese Zumuthung entrüstet sein – nach einem Blick des Einverständnisses auf Fürstenberg kam er zu der Ueberzeugung, daß ihre Zeit noch nicht gekommen sei, daß man sich daher den Befehlen des Königs fügen müsse, und demgemäß handelten sie.
Am anderen Morgen ließ König August die beiden Herren in den Palast der vier Jahreszeiten rufen; es blieb nichts übrig, als Folge zu leisten.
Der Monarch selbst führte die Schuldigen bei der Gräfin ein. Diese empfing sie mit zorngeröthetem Gesichte und mit dem ganzen Stolz einer Königin.
»Ich glaube,« sagte August, »daß lediglich ein Mißverständniß Ursache zu den Beschwerden gegeben hat, welche die Gräfin gegen Euch erheben zu sollen glaubt wegen Eueres den ihr schuldigen Respect außer Acht lassenden Benehmens. Ich wünsche diesbezüglich alle unangenehmen Vorkommnisse und Erinnerungen verwischt zu sehen. Gräfin Cosel wird das Vorgefallene vergessen und Ihr, meine Herren, werdet ihr nichts nachtragen, wenn der Gräfin im Eifer einige Worte entschlüpft sind, welche Euch mißfallen mußten. Ich ersuche Euch also, das Geschehene zu vergessen!«
Während der König sprach, maßen sich die beiden gegnerischen Parteien mit den Blicken, in denen der Gräfin drückte sich Zorn und Verachtung aus, während aus den Augen Fürstenberg's tiefer Haß und aus jenen Flemming's Spott und Hinterlist leuchteten. Trotzdem verbeugten sich die Beiden mit der ausgesuchtesten Höflichkeit und man konnte die Worte, welche sie hierbei murmelten, leicht als eine Entschuldigung hinnehmen.
Man gab sich beiderseits keinen Illusionen über die Aufrichtigkeit dieses Friedens hin; man wußte, daß es nur ein Waffenstillstand von kurzer Dauer sein und daß bei der ersten passenden Gelegenheit der Kampf nur um so heftiger entbrennen werde.
Nach dieser officiellen Aussöhnung, deren geringen Werth August jedoch sehr wohl begriff, zogen sich Fürstenberg und Flemming zurück, der König aber blieb noch bei seiner Cosel.
Seine Liebe zu der schönen Anna dauerte nun schon fünf Jahre. Man wartete schon seit längerer Zeit vergeblich auf Anzeichen, welche darauf schließen ließen, daß August seiner Cosel überdrüssig sei. Die Gräfin Reuß und Frau von Vitzthum, welche beide die nächste Anwartschaft zu beanspruchen schienen, die Stelle der Favorite einzunehmen, suchten vergeblich nach einer Falte, nach irgend einem Schatten auf den Zügen der Gräfin – die schöne Geliebte des Königs gehörte zu jenen bevorzugten Wesen, welche mit ewiger Jugend begabt zu sein scheinen und über deren Antlitz Schmerz und Kummer keine Gewalt haben. Die vorübergehenden Liebschaften August's mit Weibern, die tief unter der Cosel standen, konnten ihn zerstreuen, ihn auf Augenblicke unterhalten, niemals aber die Leidenschaft verdrängen, welche er für Diejenige hegte, die alle Frauen durch ihren edlen Charakter und ihren hellen Geist so hoch überragte. August, von Natur aus eitel, konnte in der That stolz sein auf diese seine Eroberung, während er über seine Anderen gar oft zu erröthen Ursache hatte. Bisher war ihm noch kein Weib begegnet, welches Anna an Schönheit, an Geist und Charakter erreicht hätte; selbst die Verleumdung prallte machtlos an ihr ab, denn ihr Thun und Lassen lag offen da und bot auch nicht den geringsten Anlaß zu irgend einem Verdachte wider sie. Alles, was ihr vorgeworfen werden konnte, war ihr grenzenloser Hochmuth und die Prätension, welche sie auf den Titel einer Gemahlin August's und einer Königin erhob.
Kurze Zeit nach den Vorfällen, welche wir soeben erzählt haben, suchten die Feinde der Gräfin neuerdings Zwistigkeiten zwischen ihr und dem König hervorzurufen. Die an Fräulein Duparc ergangene Einladung, nach Dresden zu kommen, bot ihnen hierzu erwünschte Gelegenheit. Sie kannten den eifersüchtigen Charakter der Cosel und wußten, welche Vorwürfe, ja Drohungen August wegen seiner kleinen Liebschaften schon hatte über sich ergehen lassen müssen. Man beschloß, sich hierbei der Glasenap zu bedienen.
Als der König die Duparc einlud, nach Dresden zu kommen, hatte er ihr nicht mitgetheilt, wer er sei. Die Tänzerin, welche ihn nur unter dem Namen eines Grafen von Torgau kannte, suchte ihn, als sie in Dresden anlangte, vergeblich in der ganzen Stadt. Sie hatte in dieser Stadt eine Tante, welche Mitglied der Truppe des königlichen Theaters war. Zu dieser begab sie sich. Die Tante führte sie zu dem Kämmerer Murdachs, der Director der königlichen Schauspiele war und den der König vorher instruirt hatte. Sie war nicht wenig erstaunt, als sie sah, daß ihre Nichte mit der größten Zuvorkommenheit von dem Kammerherrn empfangen wurde, daß dieser sich in galantester Weise ihr zur Verfügung stellte und ihr den Wunsch ausdrückte, sie in dem Ballet: »Die Prinzessin von Elis«, das zur Feier der Rückkunft des Königs in Vorbereitung war, debutiren zu sehen. Obgleich der Kammerherr stets im Namen des Grafen von Torgau sprach, begannen sowohl Tante als Nichte die Wahrheit zu ahnen, und sie sahen sich in ihrem Verdachte noch bestärkt durch die Geschenke, welche ihnen der angebliche Graf insgeheim zuschickte.
Der ganze Hof erfuhr gar bald, daß Mademoiselle Duparc vor freudiger Aufregung in Ohnmacht fiel, als sie den König im Theater erblickte und in ihm den Grafen von Torgau wiedererkannte, und daß August sofort der Schauspielerin Beltour die Weisung zukommen ließ, der ohnmächtig Gewordenen die sorgfältigste Pflege angedeihen zu lassen.
Gräfin Cosel fühlte sich sehr verletzt durch diese übergroße Besorgniß für die Gesundheit einer Abenteurerin.
»Mir dünkt,« sagte sie in wegwerfendem Tone, »daß dies etwas zu viel Güte für ein unbekanntes Geschöpf ist, welches sicherlich nicht eine solche Aufmerksamkeit verdient.«
Etwas pikirt entgegnete August darauf: »Mit Recht hätte man mir schon oft Vorwürfe machen können über meine Güte für Leute, welche dieselbe mißbraucht haben; ich glaube indessen, daß Fräulein Duparc bescheidener sein wird.«
Dieser Vorgang spielte sich in der Loge der Gräfin ab. Die Letztere, welche kaum ihrer Erregung Herr werden konnte, warf sich in einen Fauteuil und rief aus: »Euer Majestät scheinen einen ganz besonderen Gefallen an Landstreicherinnen zu finden!«
Der König, welcher nach diesen Worten nicht ohne Grund eine unliebsame Scene befürchtete, erhob sich und begab sich nach der Loge der Königin, wo sich auch sein Schwager, der Markgraf von Brandenburg-Baireuth, befand.
Allein in ihrer Loge zurückgeblieben und den Blicken, sowie dem spöttischen Lächeln des ganzen Hofes ausgesetzt, blieb Gräfin Cosel noch einige Augenblicke, das Haupt tief auf die Brust gesenkt, wie vernichtet sitzen; dann rief sie ihre Leute herbei und sagte, daß sie sich unwohl fühle.
Man führte sie zu ihrem Tragsessel und sie kehrte nach Hause zurück.
August, welchen jeder Versuch, seine Absichten zu durchkreuzen, in die lebhafteste Entrüstung versetzte, unterließ es, sich zu ihr zu begeben, ja, er ließ nicht einmal Erkundigungen nach ihrem Befinden einholen.
Die Cosel verbrachte den ganzen Abend in Thränen, in voller Verzweiflung und unter den schmerzlichsten Empfindungen. Sie dachte schon an keinerlei Besuch mehr, als noch ziemlich spät in der Nacht die Baronin Glasenap ganz unerwartet zu ihr kam.
Bei dem aufgeregten Zustande, in welchem sich die Gräfin befand, schien es ihren Feinden, daß man, wenn man ihre Eifersucht noch mehr erregte, namentlich da der König durchaus keine Rücksicht auf sie nehmen zu wollen schien, leicht den unvermeidlich scheinenden Bruch beschleunigen könne.
Mademoiselle Duparc konnte zwar in keiner Hinsicht einen Vergleich mit der Gräfin Cosel aushalten, die Tänzerin hatte sich auch nie davon träumen lassen, ein so hohes Ziel zu erreichen; aber es schien jetzt vor allem gerathen zu sein, sich ihrer zu bedienen, um die Cosel zu stürzen oder wenigstens deren Macht zu erschüttern.
Man konnte keine bessere Wahl treffen, wenn man das Feuer schüren wollte, als indem man die verschlagene Glasenap zu der Gräfin schickte. Sie heuchelte der in Thränen aufgelöst auf ein Sopha hingestreckten Cosel gegenüber das größte Mitleid und begrüßte sie mit folgenden Worten:
»Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, meine Liebe, wie es mir das Herz zerreißt, wenn ich an Euer Schicksal denke ... Ich weiß alles. Ich habe gesehen, was sich zugetragen hat ... Ich bin entrüstet darüber, bin außer mir! Aber das ist alles noch nichts – Ihr wisset nicht, was der König nach Euerem Weggehen gethan hat? ... Das setzt allem die Krone auf. Er ließ den Kammerherrn Murdachs rufen und befahl ihm, ein Souper zu arrangiren, zu welchem er die Duparc und drei andere Schauspielerinnen einlud. Ich weiß das alles aus der besten Quelle. Nach dem Theater begab er sich zu Murdachs und traf mit diesen Damen zusammen ... Die Tänzerin warf sich ihm zu Füßen, er hob sie voll Güte auf und zeigte während des ganzen Soupers die liebenswürdigste Laune. Er ist in diesem Augenblicke noch mit der Duparc zusammen; indessen hat er die anderen Schauspielerinnen, deren Jeder er ein Geschenk von dreihundert Thalern nebst einer schönen Robe gemacht, weggeschickt.«
Während die hinterlistige Glasenap ihr alles dies erzählte, machte die Gräfin fast übermenschliche Anstrengungen, um ihre Aufregung zu bemeistern.
»Ich bin durchaus nicht sehr erstaunt über das, was Ihr mir da erzählt,« sagte die Gräfin. »Glaubt ja nicht, daß ich deshalb eifersüchtig wäre. Ich habe das schon erlebt, er kehrte zur Teschen zurück, liebte Henriette Duval und so viele Andere, die ich nicht aufzählen will. Wenn ich weine, so geschieht es über die Selbsterniedrigung des Königs; ich bedauere ihn mehr als mich selbst.«
Bei diesen Worten erhob sich Anna vom Sopha und trocknete ihre Thränen. Das plötzliche, unvermuthete Auftauchen dieser warmen Freundin ließ sie eine neue Intrigue ahnen; sie fühlte die Nothwendigkeit, dagegen auf der Hut zu sein, und so kam es, daß der Besuch der Baronin eine ganz andere Wirkung hervorbrachte, als beabsichtigt war. Die Cosel unterdrückte ihren Unmuth und blieb nun völlig ruhig. Baronin Glasenap versuchte vergeblich ihren Zorn zu erregen. Der Schmerz über die erlittene Kränkung zerwühlte zwar ihr Herz, aber sie ließ davon nichts merken und es gelang ihr, sich vollständig zu beherrschen.
»Liebe Baronin,« sagte sie endlich, »ich fühle meinen Werth zu sehr, als daß eine solche Laune des Königs mich besonders angreifen sollte; es ist dies nicht die erste und wird sicherlich auch nicht die letzte sein. Wir Frauen müssen uns leider an Dinge dieser Art gewöhnen. Ich schäme mich für den König, allein ich fürchte nicht, daß dieser Zwischenfall sein Herz mir entfremden könnte.«
Des anderen Tages hatte sich die neue Leidenschaft des Königs bereits wieder etwas mehr abgekühlt. Er kam zwar des Morgens nicht wie sonst zur Cosel, denn er hatte einigermaßen Furcht vor der Lebhaftigkeit ihres Temperaments, aber er schickte Vitzthum als Parlamentär.
Vitzthum hatte bis jetzt an keiner der Intriguen gegen die Gräfin theilgenommen und stand daher auf gutem Fuße mit ihr; er gab sich denn auch den Anschein, als käme er aus eigenem Antriebe, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Er fand sie zwar etwas traurig gestimmt, aber ruhig, ihre ältere Tochter auf den Knien haltend. Sie ließ kein Wort fallen über die Vorfälle des gestrigen Abends. Der Graf fragte sie, wie es ihr gehe, und wagte seinerseits keinerlei Anspielungen auf das, was sich Tags vorher zugetragen hatte, zu machen.
»Ich befinde mich wohl, wie Ihr seht, Graf,« sagte die Cosel mit einem leichten Lächeln; »habe ich etwa ein leidendes Aussehen?«
»Ihr seid immer gleich schön, Madame!«
»Und Ihr, Graf, immer gleich artig und freundlich gegen mich.«
Man sprach von verschiedenen gleichgiltigen Dingen; Vitzthum, welcher sah, daß die Gräfin nicht zuerst von August oder der Duparc reden wollte, hielt sich nicht lange bei ihr auf, sondern empfahl sich gar bald und ging dann zu dem König zurück, um diesem mitzutheilen, daß er die Cosel gegen alle Erwartung ruhig gefunden hatte.
Die Feinde der Gräfin lauerten inzwischen mit lebhaftester Neugierde, ob der König sich ihr wieder nähern würde, nachdem er ihr so deutlich seinen Unwillen zu erkennen gegeben hatte.
Gegen Abend begab sich August zu der Gräfin.
Die Nachricht davon verbreitete sich rasch und alles war enttäuscht. Man rechnete nun noch ein wenig auf die Heftigkeit der Cosel.
Sie sowohl als der König beobachteten indessen viel zu viel Vorsicht und Zurückhaltung bei dieser Begegnung, als daß irgend ein Anzeichen eines Zerwürfnisses zu Tage getreten wäre. Der König war offenbar nicht gesonnen, Anna aufzugeben. Er war an ihre Gesellschaft zu sehr gewöhnt und obgleich die frühere Glut der Leidenschaft in seinem flatterhaften Herzen seit geraumer Zeit schon etwas erkaltet war, so machte doch die Gewohnheit ihr Recht geltend ... Er konnte die Duparc nicht als gleichberechtigt mit Anna anerkennen. Letztere aber war Mutter; sie entschloß sich, der Königin nachzuahmen und die Unbeständigkeit dessen, den sie als ihren Gemahl betrachtete, als etwas Unabwendbares hinzunehmen.
»Ihr habt mir gestern im Theater eine nicht sehr angenehme Scene bereitet,« sagte der König. »Ihr wisset doch zur Genüge, wie wenig ich ein Freund solcher Auftritte bin, namentlich wenn sie sich in der Oeffentlichkeit abspielen. Gesteht, daß derlei weder meiner, noch Euerer würdig ist.«
»Sire, meine Liebe für Euch ...«
»Sollte Euch vernünftiger machen,« unterbrach sie der König.
»Die Liebe ist von allen Leidenschaften diejenige, welche am wenigsten vernünftig macht,« erwiderte Anna. »Und verlange ich denn etwas so Unmögliches – die Liebe meines Gebieters, aber eine beständige Liebe!«
»Daß Ihr Euch diese lächerliche Eifersucht nicht abgewöhnen könnt!«
»Gebt mir keinen Anlaß dazu!« warf Anna ein.
Der König zuckte mit den Achseln. »Kindereien!« rief er aus.
Die Gräfin antwortete nichts darauf. Sie ersah aus den Mienen des Königs, daß noch kein Grund vorlag, für ihre Herrschaft zu fürchten. Als sie schieden, waren sie völlig ausgesöhnt. Indessen nahmen die Beziehungen zwischen ihnen von diesem Augenblicke ab doch einen etwas geänderten Charakter an; an die Stelle der aufrichtigen, leidenschaftlichen Liebe trat mehr eine rücksichtsvolle Aufmerksamkeit und Galanterie.
Des anderen Tages kam die Baronin Glasenap wieder zu der Gräfin, um dieser zu erzählen, daß der König noch immer Zusammenkünfte mit der Tänzerin Duparc habe und daß er sie mit Gunstbezeigungen und Geschenken überhäufe. Die Cosel aber empfing sie sehr kalt und brachte sie durch ihre Gleichgiltigkeit fast ganz aus der Fassung.
Die Höflinge und namentlich Frau von Reuß und Fürstenberg, welche gehofft hatten, daß die Affaire einen anderen Ausgang nehmen werde, begriffen, daß die Gräfin entschlossen sei, ihren Charakter zu verleugnen, ihren Stolz zu bezähmen, um trotz allem und allem ihre Stellung als Maitresse des Königs zu behaupten. Alle waren darüber höchlichst erschrocken. Die Cosel von ehedem war ja weit weniger zu fürchten als die neue Cosel.
Die romantische Scene mit der Ohnmacht der Duparc hinter den Coulissen, das Souper bei Murdachs – dieses ganze Carnevalsabenteuer, das man zu einem Ereigniß aufbauschen wollte, ergab, wie man sah, ein ganz anderes Resultat. Der König, der sich im ersten Augenblick durch die Eifersucht, welche Frau von Cosel so offen zur Schau getragen hatte, abgestoßen und verletzt fühlte, erblickte darin nach einiger Ueberlegung nur eine neue Probe wahrhafter Zuneigung und fühlte sich dadurch sehr geschmeichelt. So oft er die Gräfin sah, mußte er jedesmal bittere Vorwürfe wegen der Duparc hinnehmen; aber immer endeten diese Auftritte mit voller Versöhnung und neuen Zärtlichkeitsbezeigungen.
August wollte nie seine Fehler eingestehen.
»Aber liebe Cosel,« sagte er lächelnd, »Ihr gebt Euch da Hirngespinnsten hin und quält Euch unnöthigerweise. Wie könnt Ihr nur daran denken, daß ich eine Andere liebe? Habt Ihr denn irgend einen Beweis dafür? Bin ich weniger zärtlich, weniger hingebend, weniger folgsam als früher? Bin ich nicht stets bereit, auch Euere leisesten Wünsche schon im voraus zu erfüllen? Darf ich denn keine Frau mehr ansehen oder mit ihr sprechen, ohne daß Ihr mich beschuldigt, ich mache ihr den Hof? Ich bin aufrichtig, und glaubt mir, wenn ich Euch nicht über alles in der Welt liebte – diese ewigen Eifersüchteleien, diese unaufhörlichen Vorwürfe hätten mich Euch schon längst entfremden müssen.«
Auf diese halb feierlich, halb in scherzendem Tone vorgebrachten Betheuerungen antwortete Anna: »Ich weiß wohl, Sire, daß ich Euch mit meinen Tag für Tag wiederkehrenden Klagen ermüde und langweile; aber ich muß doch ein offenes Auge haben für das Verhalten und die Liebschaften meines Herrn und Gebieters. Indessen sind all meine Aufmerksamkeit und Klagen nicht im Stande zu verhindern, daß ich betrogen werde – ich und tausend Andere, ebenso eifersüchtige wie ich.«
Der König lächelte befriedigt, denn die ihm zugedachte Jupiterrolle schmeichelte seiner Eitelkeit ...
Er hatte stets wieder von neuem Grund, sich Vorwürfe machen zu lassen und sich zu rechtfertigen. Die Duparc, ein Geschöpf, welches eben nur gerade für die flüchtige Laune eines Libertins gut genug war, hatte August nicht lange zu fesseln vermocht. Ihr gemeines Benehmen, ebenso wie dasjenige der anderen Theaterkoryphäen, erweckte gar bald in dem König das Bedürfniß nach besserer Gesellschaft. So erlangte denn die Cosel nach kurzer Zeit ihren früheren Einfluß wieder; ja, zum großen Aerger all Jener, welche ihren Sturz beschlossen hatten, schien derselbe eher noch zu wachsen und sich zu befestigen.
Der deutlichste Beweis dafür, daß die Gräfin das Herz des Königs noch immer voll und ganz besaß, ergab sich im folgenden Jahre, als König Friedrich IV. von Dänemark, auf der Rückkehr von Italien begriffen, bei der Durchreise in Dresden seiner Tante, der Königin Eberhardine, einen Besuch machte. August, welcher stets darauf bedacht war, ohne Rücksicht auf die Kosten die glänzendsten Feste und Vergnügungen zu ersinnen, um die übrigen europäischen Höfe durch den Glanz des seinigen zu verdunkeln, war gesonnen, seinen erlauchten Neffen auf die großartigste Weise zu empfangen und zu bewirthen.
Er selbst entwarf das Programm zu den überraschenden Unterhaltungen, welche Friedrich IV. zu Ehren stattfinden sollten, und die Unterthanin des Dänenfürsten, Gräfin Cosel – bekanntlich eine geborene Holsteinerin – war dazu ausersehen, hierbei die hervorragendste Rolle zu spielen. War sie doch in der That so schön, daß selbst ihre Feinde dies rückhaltslos anerkennen mußten. Wenn sie nun gar in den geplanten Festspielen als Göttin, Fee oder Königin auftrat, so mußte sie ganz entschieden durch ihre majestätische Haltung und durch den Glanz ihrer Schönheit alle Frauen, die sie umgaben, verdunkeln. August selbst fand für sich eine Art Rechtfertigung darin, daß er einem so ausgezeichneten und hervorragenden Weibe seine Huldigungen darbrachte.
Sobald die Nachricht, daß Friedrich IV. nach Dresden kommen werde, in der Hauptstadt einlangte, wurde sogleich das Festprogramm für die ganze Dauer seines Aufenthaltes in dieser Stadt festgestellt. Fürstenberg, Pflug und Flemming, begleitet von einem großen Gefolge von Kammerherren, Cavalieren und Pagen, sowie einer Truppenabtheilung mit einer Musikkapelle an der Spitze, wurden dem jungen Monarchen zur Begrüßung entgegengeschickt.
Aus Schicklichkeitsrücksichten, damit die Königin ihren Neffen ungestört begrüßen konnte, mußte Gräfin Cosel am Tage der Ankunft des dänischen Monarchen zu Hause bleiben. Mit einer glänzenden Suite ritt ihm August selbst bis auf zwei Meilen vor Dresden entgegen und geleitete ihn dann unter dem Donner der Geschütze, den lauten Begrüßungen der Volksmenge und dem Geschmetter der Trompeten in die Stadt. Die Straßen, durch welche sich der Zug bewegte, sowie alle öffentlichen Gebäude waren feenhaft beleuchtet und vor dem Schlosse harrte eine Abtheilung Garde in ihren goldstrotzenden Uniformen der Ankunft des Souveräns. Auf der großen Freitreppe des Palastes empfing Königin Eberhardine mit ihrem Sohne den jungen König und geleitete ihn in ihre Gemächer. August folgte ihnen allein nach.
Als man in den großen Empfangssaal eingetreten war, stellte die Königin ihrem Gaste alle ihre Hofdamen vor, welche da versammelt waren. Dieser officielle Empfang dauerte indes nur kurze Zeit; nachdem sich Friedrich noch einige Minuten mit der Königin und ihrer Familie unterhalten hatte, ließ er sich von dem Hausherrn nach den für ihn bestimmten Gemächern führen. Hier wurde ein paar Augenblicke ausgeruht, worauf August den Arm seines Gastes nahm und ihn durch die gedeckte Galerie aus dem Schlosse nach dem Palaste der Cosel führte, um dort mit ihm den Abend zu verbringen.
An den folgenden Tagen bildete den Höhepunkt der Festlichkeiten ein äußerst glänzendes Souper im großen Saale des Schlosses, mit all dem Ceremoniell, wie es am damaligen sächsischen Hofe eingebürgert war. August liebte es, bei solchen Gelegenheiten gleich Ludwig XIV. die höchste Pracht zu entfalten. Alle die Edelleute, welche irgend ein Amt bei Hofe bekleideten, die Haushofmeister, Mundschenke, Küchenmeister, ein ganzes Heer von Pagen etc., mit ihren prächtigsten Gewändern angethan, umstanden die reichbesetzten Tafeln.
Dem dänischen Herrscher wurde ein Platz zwischen der Königin und dem König angewiesen ... Eine Kanonensalve dröhnte nach dem ersten Toast über die Stadt, das Orchester brach in schmetternde Fanfaren aus.
Der Anblick des Saales war wirklich ein feenhafter. Das Gold, das Silber, die Krystalle, diese Lichtströme und diese Blumenmassen bekundeten einen Reichthum und Luxus, wie ihn nur wenige der fürstlichen Höfe in Europa aufzuweisen hatten.
Die Tafel, deren goldenes Service reich mit Edelsteinen incrustirt war – wahre Meisterwerke der Goldschmiedkunst gab es da zu sehen – umschwebten die Damen des prachtliebenden Hofes August's des Starken, eine schöner als die andere, wie lebende Blumen.
Gräfin Cosel war aber entschieden die Schönste unter ihnen. In ihrem Costüme, das von Diamanten strahlte, glich sie einem Wesen aus anderen Sphären. Die kostbaren Edelsteine in ihren prächtigen Haaren und am Gürtel erglänzten wie Thautropfen im Sonnenschein.
Der König von Dänemark, auf welchen sie großen Eindruck gemacht hatte und der übrigens stets ein sehr galanter Fürst war, wollte nicht dulden, daß die Gräfin während des Soupers stehen bleibe, und um zugleich seinem Wirthe ein Vergnügen zu machen, bat er diesen inständig, er möge gestatten, daß sie an der Tafel bei den Gästen des Königs platznehme. Auf ein Zeichen des Letzteren brachte man ein Tabouret für die Cosel herbei, was natürlich die anderen Damen, welchen eine solche Ehre nicht zutheil wurde, gar sehr ärgerte und in ihrem Hasse und ihrer Eifersucht gegen die schöne Favorite neu bestärkte.
König Friedrich verweilte vierzig Tage in der sächsischen Hauptstadt, und die in Bezug auf Unterhaltungen und Zerstreuungen geradezu unerschöpfliche Erfindungsgabe des Königs brachte es zuwege, daß seinem Gaste jeden Tag ein neues Vergnügen geboten werden konnte. Niemand verstand es wie August, die Lustbarkeiten eines fürstlichen Hofhaltes zu vervielfältigen. Er war ein Meister in der Kunst, allerlei Ueberraschungen vorzubereiten, und erregte durch solche Theatercoups eigener Erfindung gar oft Staunen und Bewunderung. Es war dies vielleicht das bedeutendste Talent des Monarchen, und dieses wurde von seinen Zeitgenossen auch einstimmig gebührendermaßen anerkannt.
Alle diese Festivitäten waren natürlich sehr kostspielig. Noch lange nach August's Regierung suchte man sie nachzuahmen, aber es gelang nicht, ihnen an Pracht und Glanz Ebenbürtiges an die Seite zu stellen. Die Dresdener Carnevalsfeste, welche in den Höfen des königlichen Schlosses oder auf dem Marktplatze der Altstadt stattfanden, lockten stets eine Menge von Edelleuten, Höflingen u. s. w. herbei. Da man zur Theilnahme an diesen Aufzügen nur im Costüme und unter Nachahmung der Gebräuche der verschiedenen Völker zugelassen wurde, so ruinirte sich der Adel hierbei, da Einer den Anderen an Pracht und Kostbarkeit des Costüms zu übertreffen suchte.
Dieselbe Mannigfaltigkeit wie in den hier erwähnten Festen, herrschte auch in den Jagdvergnügungen jener Zeit. Da gab es Hirschjagden mit wohldressirten Hundemeuten, Eberjagden zu Pferd in den Wäldern nächst Dresden, dann Fuchs-, Hasen-, Fasan- und Rebhuhnjagden. Am meisten Gefallen fand König August stets an Wildschweinjagden.
Was endlich die übrigen ritterlichen Vergnügungen und Uebungen jener Zeit anbelangt, so cultivirte man namentlich das Ringstechen, die Carroussels, das Wettlaufen und das Scheibenschießen bei Fackelschein. In dem geräumigen Garten des sogenannten »Zwingers« waren die Scheiben zu letzterem mit einer Vorrichtung versehen, welche bewirkte, daß, sobald die Kugel ins Centrum einschlug, sich ein Feuerwerk entzündete. Hunderte von Raketen erhellten gleichzeitig die Luft. An die Schützen wurden je nach ihrer Geschicklichkeit werthvolle Preise vertheilt. Ebenso waren Schlittenfahrten und Schlittschuhlaufen in der kalten Jahreszeit sehr beliebte Unterhaltungen.
Am längsten hielten sich in Polen im achtzehnten Jahrhundert die beliebten »Wirthschaften« und die Jahrmärkte. Die vornehmen Damen übernahmen hierbei die Rolle von Wirthinnen, Marketenderinnen, Verkäuferinnen und bedienten ihre Gäste in anmuthigster Weise. Die hierzu Eingeladenen verkleideten sich als Bauern oder Zigeuner. Solche Feste fanden stets des Nachts bei glänzender Illumination statt; meist war hierzu auch ein Marionettentheater aufgestellt und wurden Musikkapellen auf Estraden an verschiedenen Orten postirt.
Wenn es König August einmal einfiel, eine Schlittenfahrt machen zu wollen, und es stellte sich Thauwetter ein, so wußte man diesem Uebelstande unschwer abzuhelfen; auf Tausenden von Wagen mußten die Bauern den Schnee vom Gebirge herbeiführen und auf den Straßen, welche die Schlitten passiren sollten, aufschichten.
Die Maskenfeste und Bälle, welche man in dem ungeheuren Saale des Zwingers oder auf einem freien Platz vor demselben veranstaltete, zeichneten sich ebenfalls durch außerordentliche Pracht aus. Sieben Riesenluster mit mehr als fünftausend Kerzen erleuchteten den großen Saal taghell. Im Audienzsaale nebenan wurden achtzehn große Tafeln, beladen mit den köstlichsten Gerichten und den herrlichsten Weinen, für die Gäste des Königs aufgestellt. Zu den Maskenfesten war der Eintritt Jedermann gestattet, der in einem anständigen Costüme erschien und beim Eingang seinen Namen nannte.
Manchmal verließen die Masken wohl auch in einem Anfall übermüthiger Laune den Ball, zerstreuten sich in den Straßen der Stadt und stürmten in die Häuser der friedlichen Bürger, wo sie das Unterste zu oberst kehrten. Unter dem Titel der Carnevalsfreiheit war es den so Ueberfallenen verboten, den Eindringlingen die Thür vor der Nase zuzuschlagen, und da von den Kutschern an bis zu den höchsten Würdenträgern hinauf Alles Masken trug, so wagte man es umsoweniger, jenem Verbote zuwider zu handeln, als man nie sicher war, ob nicht vielleicht der König selbst sich unter den Uebermüthigen befand.
Das französische Theater, die italienische Oper, die Ballete, die Concerte, für welche man geradezu kolossale Summen aufwendete, boten ebenfalls viel angenehmen Zeitvertreib. Die Gagen einzelner Säuger und Musikanten erreichten für jene Zeit ganz unerhörte Beträge. Die erwähnten Institute kosteten zusammen dem Staatsschatze sicherlich mehr als achtmalhunderttausend Thaler jährlich.
Die militärischen Schauspiele, Revuen, Manöver, Scheinkämpfe etc. dienten gleichfalls dazu, dem Hofe Zerstreuung zu bieten. Man bezog Feldlager in den Umgebungen der Stadt und amüsirte sich da in vollster Ungebundenheit unter Gottes freiem Himmel. – Jeder Tag brachte ein neues improvisirtes Fest, nöthigte zu neuen Ausgaben, zur Anschaffung neuer Costüme. Doch das waren Dinge, welche den König wenig kümmerten. Jeder, der bei den verschiedenartigen Schauspielen und Aufzügen seine bestimmte Rolle zugetheilt bekommen hatte, war gehalten, sich darnach zu costümiren, um dieselbe entsprechend darzustellen. Bald war es die Vermählung des Jupiter, bald Spiele des Mars, bald ein Fest der Diana oder des Mercur, was man darstellte; es wäre geradezu ermüdend, alle diese Schauspiele und Maskeraden hier aufzuzählen.
Die Anwesenheit des Dänenkönigs in Dresden gab natürlich Anlaß, alles, was in dieser Richtung bisher am sächsischen Hofe geleistet worden war, zu überbieten. König August wollte dem Neffen einen Beweis seines Reichthums und der Pracht und Vornehmheit seines Hofes geben.
Gräfin Cosel feierte in diesen Tagen ihre höchsten Triumphe. Die beiden Könige kleideten sich in ihren Farben; bei Illuminationen und Feuerwerken sah man überall ihren Namenszug strahlen; sie vertheilte die Preise an die Sieger bei den ritterlichen Spielen; beim Ringstechen überragte sie alle Damen des Hofes durch ihre Geschicklichkeit. Wo sie erschien, wurde sie mit Huldigungen überhäuft.
Die Augen der schönen Frau leuchteten vor Glück und Stolz. Dem König schmeichelten ihre Erfolge nicht wenig. Sie errieth ihrerseits jeden seiner Wünsche, gab ihm in allem Rathschläge und unterstützte ihn bei der Ausführung seiner oft etwas extravaganten Programme.
Das glänzendste und großartigste dieser Feste war ohne Zweifel ein »Zug der Götter und Göttinnen«, der bereits im Jahre 1695 einmal aufgeführt worden war, aber mit bedeutend weniger Pracht und Glanz.
Der König von Dänemark figurirte dabei in der Rolle des Jupiter, August in derjenigen Apollo's und die Cosel stellte Diana vor, umgeben von einem Schwarm bezaubernder Nymphen. Hinter ihnen kam ein prächtiger vergoldeter Wagen mit einer Musikkapelle. Auch die Königin hatte den Wunsch geäußert, an diesem Feste theilzunehmen. Sie befand sich in einem das Sanctuarium der Vesta vorstellenden Wagen und verrichtete dort die priesterlichen Functionen dieser hehren Göttin.
August konnte es noch immer getrost wagen, die Rolle des Apollo zu spielen. Er hatte seine majestätische Haltung noch voll und ganz bewahrt und sein Antlitz verrieth nicht im mindesten, daß er irgendwie unter den Schicksalsschlägen, welche sein Land getroffen, gelitten hätte.
Anna von Cosel und König August waren wahrhaft unermüdlich inmitten all dieser Vergnügungen und fühlten sich dabei Beide ganz in ihrem Element. Die Gräfin folgte ihrem königlichen Geliebten auf Schritt und Tritt; sie verschwanden nur vom Schauplatze, um der nöthigen Ruhe zu pflegen.
Anna strahlte vor Freude; ihre Erfolge schienen sie förmlich zu berauschen. Wie konnte dies auch anders sein! Ist ja doch das Herz einer Frau so wenig darnach beschaffen, Schmeicheleien und Huldigungen zu widerstehen, und vollends den Schmeicheleien eines ganzen Hofes ...
Eigens für die Cosel waren die Ringelrennen arrangirt worden, in denen sie so leichte Triumphe davontrug. Die beiden Könige wetteiferten an Aufmerksamkeit für sie; der Eine führte sie am Arme, der Andere hielt sich an ihrer Seite; der Hofstaat ging hinter ihnen. Die Königin aber sah der Scene von ihrer Loge aus zu ...