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Am folgenden Nachmittag trafen Reihenfels und Eugen zur ausgemachten Zeit in dem indischen Hause ein, um in Gesellschaft Begas den deutschen Unterricht zu beginnen. Auch Monsieur Francoeur wohnte ihm bei; doch er hörte nur zerstreut zu, wie Reihenfels seinen Schülern beibrachte, daß sich bei der deutschen Deklination die Hauptwörter meistens verändern, ebenso wie die Artikel, was den Engländern ganz unbekannt ist.
Des Franzosen Augen waren nur immer auf die Wanduhr gerichtet, und kaum zeigte diese auf vier, als ein Diener eintrat und Mister Westerly anmeldete.
»Führe ihn in die Bibliothek! Ich komme sofort. Mister Westerly will Einsicht in das Werk Sewadschis nehmen!« fügte Francoeur erklärend zu Reihenfels hinzu. »Sie wissen, der indische Abenteurer Sewadschis, welcher das Reich der mächtigen Maharatten gründete, hat eine Art von Gesetzbuch hinterlassen.«
Reihenfels konnte keine Antwort geben, denn schon eilte der Franzose hinaus. Auf dem Korridor begegnete er Madame Dubois in Straßenkleidung.
»Wohin?« fragte der Bruder.
»Wie Eugen, sagte, wird Lady Carter in Begleitung der alten Miß ihren Sohn abholen. Ich tue, als ginge ich ihnen entgegen, verpasse sie, verirre mich nach ihrem Hause und versuche in die Nähe der frommen Hedwig zu kommen, was mir gestern nicht möglich war, weil Miß Woodfield sie beständig in Beschlag genommen hatte. Ich werde eine Gegenmine legen.«
»Ich wünsche dir viel Glück dazu; instruiere das Mädchen gut!«
Der Franzose fand im Bibliothekzimmer Mister Westerly, anscheinend aufmerksam die Titel der dicken Bücher studierend. Aber dem Eintretenden entging seine Aufgeregtheit doch nicht.
»Ich wußte, daß Sie kamen, Mister Westerly. Seien Sie im Hause des Radschas Tipperah willkommen; ich darf es auch als das meine bezeichnen!«
Mit einem Ruck wandte Westerly sich um und musterte den Franzosen mit finsteren Blicken, aus denen nur zu deutlich die heimliche Angst sprach.
»Fassen Sie sich kurz! Was veranlaßte Sie, mich förmlich zu einem Besuche in Ihrem Hause zu zwingen?«
»Habe ich das getan?« lachte Francoeur. »Ich wußte doch nicht. Ich versprach Ihnen, Grüße von einer Dame aus Indien zu bringen, und dieser Pflicht will ich mich jetzt entledigen.«
»Sie ergingen sich in Andeutungen ...«
»Bitte, setzen Sie sich! Nehmen Sie eine Erfrischung zu sich?«
Der Franzose klingelte; ein Indier brachte Wein und Obst und setzte es zwischen beide auf ein chinesisches Tischchen.
»So, nun können wir ungestört plaudern!« begann Francoeur wieder, als der Diener sie verlassen. »Bedienen Sie sich, hier sind Zigarren und Zigaretten. Genieren Sie sich nicht, wir sind ungestört und haben keinen Lauscher zu fürchten!«
»Was ich zu sprechen habe, kann jeder hören!«
»Desto besser für Sie! Also nun zur Sache! Ich soll Ihnen Grüße bringen von einer indischen Dame namens Ayda, welche Sie vor fünfzehn Jahren in Akola kennen lernten.«
»Und ich wiederhole Ihnen wie schon gestern, daß ich diese Dame nicht kenne, aber ...«
»O, Sie haben doch mehrere Stunden bei ihr verbracht!« unterbrach ihn der Franzose.
»Sie haben mich nicht aussprechen lassen. Was Sie eigentlich im Schilde führen, weiß ich nicht, nur so viel, daß Sie sich an eine falsche Adresse gewendet haben. Wenn Sie den Vertrauten jener Dame sprechen wollen, so müssen Sie sich an den Lord Canning, nicht an mich halten!«
»Das wäre!« rief Francoeur, sich erstaunt stellend.
Westerly schöpfte Hoffnung, daß sein Partner sich täuschen ließe.
»Und ich möchte wissen, was der jetzige Generalgouverneur von Indien sagen würde, wenn Sie ihn an ein zärtliches Rendezvous erinnern wollten, das er vor fünfzehn Jahren mit einem Haremsweib gehabt hat.«
»Deshalb erschraken Sie wohl gestern so furchtbar, als ich Ihnen die Wahrheit ins Gesicht sagte, weil Sie das Ihnen anvertraute Geheimnis verraten sahen?« versetzte der Franzose lauernd, und ehe Westerly ihm antworten konnte, fuhr er höhnisch fort: »Machen Sie doch keine Umschweife, denn ich weiß schon, welche Gründe Sie anführen wollen, um die Schuld in die Schuhe Lord Cannings zu schieben!«
»Monsieur!« brauste der Engländer auf.
»Geduld! Ich durchschaue Sie. Ich will Ihnen die ganze Wahrheit nochmals enthüllen, wenn Sie sich nicht mehr entsinnen können. Sie besuchten Ihren Freund, um ihn zur Pantherjagd abzuholen, fanden ihn aber am Fieber erkrankt.
Sie borgten von ihm Staubmantel und Schlapphut, wodurch Sie das Aussehen von Lord Canning erhielten. Auf der Treppe begegneten Sie einem Kuli, der Ihnen, als Lord Canning, eine Karte einhändigte. Soll ich Ihnen wiederholen, Wort für Wort, was Ayda schrieb?«
»Es ist nicht nötig!« stöhnte Westerly, immer noch versuchend, Gleichgültigkeit zu heucheln. Er hatte eine Ahnung, was jetzt kommen würde, aber es mußten Beweise gebracht werden, und diese konnte Monsieur Francoeur unmöglich besitzen.
»Sie folgten der Einladung, ohne Lord Canning etwas mitzuteilen,« fuhr der Franzofe fort, »gaben sich zuerst auch für letzteren aus, konnten Ayda jedoch nicht täuschen; diese ließ Sie überwältigen und gab Sie dann wieder frei. Am Morgen fanden Sie nicht Ayda, sondern eine käufliche Bajadere neben sich. Nun, bin ich gut orientiert oder nicht?«
»Sie sind es,« lachte Westerly höhnisch. »Was soll jedoch das Hervorrufen dieser Erinnerungen, die mir unangenehm sind?«
»Am nächsten Morgen traf Sir Carter als geheimer Kurier in Akola ein.«
»Mag sein; ich entsinne mich nicht mehr genau des Datums.«
»Strengen Sie nur Ihr Gedächtnis an!«
»Nun gut, und was dann?«
»In derselben Nacht verschwand Carter nebst seinem Diener.«
»Stimmt!«
»Ein Brief machte bekannt, daß Feinde Englands von seiner Mission als geheimer Kurier wußten. Für Auslieferung der geheimen Order sollte er sein Kind wiederbekommen.«
»Es ist faßt, als hätten Sie diesen Brief geschrieben.«
»Daraus mußte unbedingt gefolgert werden, daß die Sendung Carters als geheimer Kurier verraten worden war, es lag ein Hochverrat vor.«
»Haben Sie ihn vielleicht begangen?«
»Nein, denn ich saß nicht im geheimen Kabinett, wohl aber Sie. Sie, Mister Westerly haben den Hochverrat begangen.«
Der Engländer sprang so heftig auf, daß die Gläser auf dem Tischchen umstürzten.
Der Franzose hatte ruhig gesprochen; jetzt lachte er sogar.
»Gemach, Sir! Diese Sache ist doch nicht wert, daß Sie den Wein verschütten und mich mit ihm taufen. Ist er nicht gut?«
Westerly war blaß wie eine Leiche geworden.
»Herr, was wagen Sie mir da zu sagen!« keuchte er.
»Die Wahrheit! Ayda hat Ihnen das Geheimnis entlockt und es den Feinden Englands preisgegeben.«
»Das Weib ist eine schamlose Lügnerin.«
»Was Sie nicht sagen!« spottete der Franzose und fuhr dann, ernst werdend, fort. »Ayda hat nicht gelogen. Sie haben den Hochverrat begangen, und um Ihnen jede Widerrede von vornherein abzuschneiden, will ich sofort den schlagendsten Beweis Ihrer Schuld bringen.
Während Sie mit Ayda zusammen waren, hat Sie Ihnen das Bild Ihres Vaters aus dem Medaillon Ihrer Uhr genommen.«
Westerly entsann sich, das Miniaturbild eines Tages vermißt zu haben. Er glaubte es verloren, konnte aber nicht angeben, wann das geschehen sei.
»So hat die Indierin es gestohlen!«
»Ayda ist keine Indierin, sie hat europäisches Blut in ihren Adern.«
»Wer ist sie?«
»Das werden Sie jetzt noch nicht erfahren. Wenn Sie mir aber Ihre Schuld des Hochverrats nicht zugeben, so wird sie gegen Sie als Zeugin auftreten, ohne daß sie sich selbst irgend einer Gefahr aussetzt. Sie kann sich vollkommen legitimieren.«
Ächzend sank Westerly in den Stuhl zurück; er sah sich schon des Hochverrats angeklagt.
»Was werden Sie tun?« fragte er nach langer Pause leise, ohne aufzusehen.
»Nichts, was Ihnen Schaden könnte, wenn Sie auf meine Pläne eingehen. Doch davon später! Erst will ich Ihren gesunkenen Mut wieder aufrichten. Ihr Geheimnis ist in guten Händen. Niemand weiß davon als Ayda, ich und noch einige andere, denen es am Herzen liegt, daß die Engländer Indien sobald wie möglich räumen.«
Monsieur Francoeur gehörte also auch zu den Verschwörern gegen England.
»Ebenso weiß niemand als ich,« fuhr der Franzose gelassen fort, »daß Sie gar nicht berechtigt sind, sich den Sohn Lady Westerlys zu nennen.«
»Was wollen Sie damit sagen?« fuhr Westerly abermals erschrocken auf.
»Nun, Sie wissen das doch ebensogut wie ich. Sie sind der Sohn des Lords Westerly und eines indischen Weibes, welches Ihr Vater so liebte, daß er das Kind adoptierte – und dieses Kind sind Sie. Wenn Sie wünschen, kann ich die überzeugendsten Beweise dafür bringen.«
Westerly sah sich vollkommen in den Händen des Franzosen; er mußte ihm als willenloses Werkzeug dienen.
»Was verlangen Sie von mir?« fragte er ängstlich. »Umsonst haben Sie doch nicht so spioniert und mir diese Enthüllung gemacht?«
»Allerdings nicht! Sind Sie geneigt, auf meine Pläne einzugehen?«
»Ich muß.«
»Es freut mich, daß Sie das einsehen. In England haben Sie nichts mehr zu erwarten; nicht einmal Ihre gesellschaftliche Stellung ist gesichert, ich biete Ihnen dafür einen glänzenden Ersatz in Indien.«
»Das heißt, ich soll gegen England für Indien arbeiten?«
»Ja« »So weihen Sie mich ein!«
»Ich muß erst Ihre Tauglichkeit prüfen.«
»Ich war Sekretär im geheimen Kabinett und wurde wegen meiner Leistungen stets bevorzugt.«
»Die Rolle, die Sie vorläufig spielen sollen, ist eine andere. Sie können zugleich für Ihr Privatinteresse arbeiten.«
»Und das wäre?«
»Sie lieben Lady Carter.«
Dies war so bestimmt gesprochen, daß Westerly zum Zeichen der Bejahung nur den Kopf senkte.
»Wie weit sind Sie mit ihr gekommen?«
»So weit, wie am ersten Tage, da ich sie kennen lernte.«
»Das heißt, Sie haben noch gar nichts erreicht?«
»Nein.«
»Warum nicht? Hegt Lady Carter Antipathie gegen Sie?«
»Durchaus nicht; sie ist stets zuvorkommend und freundlich gegen mich, ja, es scheint fast, daß sie selbst bedauert, meine Neigung nicht erwidern zu dürfen.«
»Was sollte Sie davon abhalten?«
»Ihr Gemahl ist zwar verschollen, gerichtlich tot erklärt, sie dürfte ihre Hand einem anderen reichen, aber in ihrem Herzen lebt noch die Liebe zu ihm.«
»Es ist nur eine törichte Hoffnung, nicht wahr?«
»Nichts weiter.«
»Würde sie Ihren Liebeswerbungen Gehör schenken, wenn Sir Carters Tod unwiderlegbar bewiesen wird?«
»Sie wäre die meine.«
Westerly sah, wie der Franzose sinnend mit dem Messer spielte, und eine frohe Hoffnung schlich sich in sein Herz ein.
»Wie, Sie könnten ...?« fragte er zweifelnd.
»Ja, ich kann seinen Tod beweisen,« entgegnete Francoeur aufblickend.
»Dann wissen Sie auch mehr von dem Verschwinden Sir Carters.
»Und wenn, so würden Sie mich doch vergeblich darnach ausforschen.«
»Hat Sir Carter die geheime Order wirklich verraten? Sagen Sie mir wenigstens das eine.«
»Ja, er hat es getan.«
»Aber es ist kaum glaublich, denn die Radschas haben sich durchaus nicht mißtrauisch gezeigt, als ihnen zufolge der vorsichtigen Anordnungen der geheimen Depesche langsam und schlau die militärische Macht aus den Händen genommen wurde.«
Des Franzosen Augen leuchteten unmerklich auf. Westerly hatte ihm eben etwas verraten, was er bis jetzt noch nicht wußte, aber zu wissen vorgab.
»Deswegen ist auch die Ehre des verstorbenen Sir Carter wiederhergestellt worden,« fuhr Westerly fort. »Man hat den Prozeß im Sande verlaufen lassen und der Gattin des Verschollenen Zeichen von Gunst gegeben.«
»Aber die Radschas fügten sich nur, weil der Aufstand erst für spätere Zeiten vorbereitet wird. Sie werden sich daran beteiligen.«
»Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig,« seufzte Westerly. »Wie soll ich dabei helfen?«
»Ihnen ist eine sehr angenehme Rolle zugeteilt. Vorläufig sollen Sie der Gatte Lady Carters werden.«
»Ah, das läßt sich hören! Aus welchem Grunde?«
»Davon später! Der Beweis von Carters Tode soll gebracht werden, natürlich nicht durch mich. Können Sie es einrichten, daß Sie auch vorläufig in ihrem Hause bleiben?«
»Ja, mit Leichtigkeit.«
»Wie stehen Sie sich mit Eugen?«
»Herzlich schlecht! Ich mag den frühreifen Knaben nicht leiden und er mich noch weniger, weil er ahnt, daß ich Lust habe sein Stiefvater zu werden, und fürchtet, daß über ihn ein strenges Regiment kommt. Bin ich erst Herr im Hause, dann wird der fremde Jüngling seine Rolle als Master Master ist der Titel des erstgeborenen Sohnes. ausgespielt haben.«
»Ich wünsche aber gerade das Gegenteil. Bemühen Sie sich, mit Eugen in ein gutes Einvernehmen zu kommen.«
»Zu welchem Zwecke?«
»Es liegt uns daran, daß jemand, welcher für uns arbeitet, Eugens Erziehung übernimmt.«
»Ah, ich beginne zu verstehen! Auch Eugen, ein Indier, soll für den künftigen Aufstand erzogen werden, jedoch in englischen Verhältnissen.«
»So ist es. Sie haben also über ihn keine Autorität?«
»Nicht die geringste.«
»Dann ist es nötig, sobald wie möglich den Tod Sir Carters zu beweisen, damit Sie als Gatte der Lady Carter Vollmacht über Eugen haben. Aber schon jetzt können Sie versuchen, Eugen zu dem zu machen, wozu wir ihn haben wollen, vielleicht dadurch, daß Sie seinen Trotz aufreizen. Eugen hat Lust, Offizier zu werden?«
»Er wünscht es, seine Mutter ist dagegen.«
»Benutzen Sie den Aufenthalt in ihrem Hause dazu, diese Abneigung zu besiegen. Es ist unser Wunsch, daß Eugen Offizier wird, schnell vorwärts kommt und bald in dienstliche Geheimnisse eingeweiht wird. Könnten Sie dies besorgen?«
»Ich kann es. Mein Ansehen allein genügt, ihn, obgleich ein Indier von unbekannter Herkunft, als Volontär unterzubringen, ich habe ferner viele Freunde, welche ihn auf meine Bitten hin in die von Ihnen gewünschte Stellung einrücken lassen werden. Die Offizierskarriere ist zwar in England eine sehr leichte und schnelle, das heißt, wenn man Geld hat, aber zwei Jahre vergehen doch bis dahin.«
»Das würde nichts schaden. Über die Einzelheiten sprechen wir noch!«
»Wer ist dieser Eugen eigentlich?«
»Ein Indier von hoher Herkunft, lassen Sie sich das einstweilen genügen.«
Westerly forschte nicht weiter, aber etwas anderes fiel ihm ein.
»So wissen Sie auch, wohin Eugenie, die geraubte Tochter Sir Carters, gekommen ist, und warum man sie entführt hat?«
»Allerdings, doch ich spreche mit Ihnen nicht darüber, wenigstens jetzt nicht. Das Unternehmen gelang nicht; es mußte zu sonderbaren Mitteln gegriffen werden, das Kind zu verstecken, und dabei ist es gestorben.«
Westerly schauderte. Dieser Franzose war ein Verbrecher mit einem steinernen Herzen. Er sprach so gleichgültig, als handele es sich um das Verenden eines Stückes Schlachtvieh.
»Sie wissen nun, was es gilt,« begann Francoeur wieder. »Ihre Geheimnisse sind gut bewahrt, solange Sie im Einverständnisse mit uns handeln. Sie haben Eugen zum Offizier zu machen und seine Erziehung zu überwachen; deswegen ist es am besten, daß Sie Lady Carter heiraten. Daß wir dies möglich machen, ist schon eine Belohnung. Zweitens ist es eine negative Belohnung, daß wir keinen Gebrauch von unsrer Kenntnis über Ihren Hochverrat und Ihre dunkle Abstammung machen. Drittens versprechen wir Ihnen eine glänzende, einflußreiche Stellung in Indien, entsprechend Ihren nicht zu unterschätzenden Fähigkeiten, wenn die Engländer das annektierte Land erst verlassen haben. Sind Sie damit zufrieden?«
»Ich bin's,« sagte Westerly hoch aufatmend. »Doch noch eine Frage: Sie sprechen immer von >wir<. Wer ist das?«
»Die Feinde Englands, welche der Überzeugung sind, daß Indien den eingeborenen Radschas, aber nicht Fremdlingen gehört.«
»So arbeiten Sie nicht im Interesse Frankreichs?«
Monsieur Francoeur fixierte durch die zusammengekniffenen Augen den Frager, und dieser wußte, daß der Franzose doch dahinstrebte, das reiche Indien Frankreich zu verschaffen.
Im Garten vor dem Fenster wurden Stimmen laut, eine ernste und zwei fröhliche.
»Bega, Eugen und Mister Reihenfels,« sagte der Franzose, »sie gehen nach dem Schießplatze; Bega will wahrscheinlich ihre Kunst zeigen.«
»Sie lassen das Mädchen wie einen Edelknappen aus früheren Jahrhunderten erziehen, habe ich gehört.«
»Sie hat Lust zu körperlichen Übungen, und wir lassen sie gewähren.«
»Sie ist die Tochter des alten stummen Indiers?«
»Ja, und meiner Schwester.«
»Nun kann ich mir Ihre Pläne erklären. Zwischen Eugen und Bega soll eine Verbindung hergestellt werden.«
»Möglichst. Auf jeden Fall muß Bega dazu dienen, dem Jüngling wie ein lockendes Phantom vorzuschweben, dessen Besitz ihm als das Höchste gilt. Durch sie muß Eugen ein lenkbares Werkzeug werden.«
»Ah, ich verstehe. Bega ist in Ihre Pläne eingeweiht?«
»Nein,« rief der Franzose eifrig, »sie weiß davon nichts und soll vorläufig auch nichts davon erfahren. Die geeignete Zeit ist dazu noch nicht gekommen. Darum seien Sie vorsichtig, und lassen Sie sich von Bega nicht durchschauen; sie hat einen scharfen Verstand.«
»Dann ist noch dieser Reihenfels,« nahm Westerly nach langer Pause das Wort, »über den ich Sie sprechen muß. Hatten Sie eine besondere Absicht, als Sie ihn als Lehrer ab und zu in Ihr Haus zu ziehen suchten?«
»Durchaus nicht. Ich wollte nur einen gemeinsamen Unterricht Eugens und Begas herbeiführen und nahm den deutschen Lehrer dazu als Hilfsmittel.«
»Dann könnte ich den Burschen also, ohne Ihnen zu schaden, aus Carters Hause entfernen?«
»Gewiß. Was bewegt Sie dazu?«
»Der Kerl hat Anlage zum Spionieren, er besitzt einen scharfen Blick. So ist er im ganzen Hause der einzige, welcher weiß, daß ich mich um die Hand Emilys bewerbe, obgleich wir uns in seiner Gegenwart ganz formell benommen haben. Ich weiß bestimmt, daß er gegen mich eine starke Abneigung besitzt, auf Eugen dagegen einen großen Einfluß ausübt. Merkt er, daß ich mich plötzlich für seinen Schüler interessiere, was ich bis jetzt nie getan habe, so muß er Verdacht schöpfen. Ich traue ihm nicht über den Weg.«
»Treten Sie mit Ihrer Werbung offen hervor, und er findet es begreiflich, daß Sie an Eugens Schicksal Interesse nehmen.«
»Sie brauchen Reihenfels noch?«
»Nein. Es wäre nicht auffällig, wenn Sie ihn ohne weiteres entfernen?«
»Das könnte ich nicht; denn Reihenfels steht bei Lady Carter in großer Gunst, sie hört auf seinen Rat. Ich wage mir nicht, ihm das Haus zu verbieten, ich kann es ihm aber verleiden.
Hören Sie übrigens, warum ich ihn jetzt für doppelt gefährlich halte.«
Westerly erzählte offen,, daß er wegen des gestrigen Gesprächs mit Francoeur im Walde tödlich erschrocken war und Reihenfels ihn danach in namenloser Verwirrung fand.
»Das ist allerdings der triftigste Grund, ihn aus unsrer Nähe zu entfernen. Gut, ich werde Ihnen behilflich sein.«
Im Garten knallten Pistolenschüsse, man hörte die ärgerliche Stimme Eugens und das Lachen Begas.
»Ich möchte, sie zeigte ihre Kunstfertigkeit in dergleichen Sachen nicht so,« murmelte der Franzose, »aber leider ist sie so erzogen worden.«
»Dort kommen Lady Carter und Miß Woodfield,« sagte Westerly. »Letztere möchte ich auch dort haben, wo der Pfeffer wächst.«
»Und ich nicht minder,« entgegnete der Franzose, aufstehend; »vielleicht befördern wir sie noch einmal dorthin. Kommen Sie, wir wollen den Damen entgegengehen!«