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Die Zuckerindustrie und das Gespenst der farbigen Einwanderung

In der Küstenstadt Ingham machte ich die Bekanntschaft einer andern Stapelinindustrie Australiens. Eingekeilt in ein Dreieck von hohen Bergen bildet das Delta des Herbertflusses eine der fruchtbarsten Küstenflächen des Nordostens, und die weiten Ebenen sind mit einem wogenden, goldgrün-schimmernden Meere von Zuckerrohr bedeckt.

Der Zuckerbau Australiens beschränkt sich auf die Ostküste und ist zum größten Teil monopolisiert. Die Regierung hat zwar große Summen zum Bau von Staatsfabriken ausgegeben, die sie für Farmer errichtet und deren Land sie dagegen in Pfand genommen hat; aber den Markt beherrscht doch eine Privatgesellschaft. In Ingham z. B. ist sie souverän. Und die Pächter und kleinen Bauern, die fast alle ohne Kapital auf Darlehn angesiedelt wurden, sind völlig von ihr abhängig.

Ich habe nicht die Absicht, mich hier auf eine Abhandlung über den Rohrbau einzulassen. Darüber klären Fachschriften auf. Aber ich glaube, daß der Industrie eine große Zukunft bevorsteht, weil der östliche und gegen die Außenwelt geschützte Markt ansehnlich und in steter Zunahme begriffen ist. Dabei ißt der Australier 43 Kg. Zucker das Jahr. Mit Rüben hat man es in Viktoria auch versucht, ist aber trotz aller Staatsunterstützung bedenklich dabei hereingefallen.

In Queensland wird auch eine Menge Rum hergestellt. Aber der wird ebenfalls an Ort und Stelle verbraucht. Ein zweites Nebenerzeugnis bildet Eßsirup. Der Pachtfarmer lebt hauptsächlich von Brot und Sirup, wenn man den Nährwert der Ameisen, die gewöhnlich zu Tausenden in dem goldigen Schmierstoff Selbstmord begehen, außer Betracht läßt. Denn der Pachtfarmer lebt einfach, manchmal sogar geizig.

Hinter der Zuckerindustrie jedoch steht das Gespenst der farbigen Einwanderung.

Tausende von Chinesen, Afghanen, Hindus und sonstigen gemischten Nationalitäten sind zwar auch auf anderen Gebieten der Arbeit in Australien vertreten. Aber die Zuckerindustrie behauptet, von der Einführung billiger Sklaven abhängig zu sein. In jenem heißen Klima könne ein Weißer nicht ohne erhebliche Gesundheitsschädigung mit der Muskel arbeiten. Die Ausschließung von Kanaken Eingeborenen der Sandwichs-Inseln., eine der ersten Maßregeln der neuen Regierung, würde daher den ganzen Zuckerbau vernichten.

Erstens ist es nicht wahr, daß der Weiße unfähig ist, die Felder des tropischen Queenslandes zu bestellen. Im Gegenteil: er leistet sogar mehr als der Kanake oder der Papuaner. Aber er verlangt auch höhere Bezahlung; und das würde die Einnahme der Gesellschaft vermindern. Der kleine Farmer z. B. arbeitet gewöhnlich ohne fremde Hilfe, pflügt und pflanzt selbst, und es bekommt ihm gesundheitlich nicht schlecht. Nur sein Geldbeutel leidet oft an der Schwindsucht.

Aber ganz abgesehen davon: die Masseneinfuhr billiger und tiefstehender Arbeitskräfte würde vom Standpunkt der Rasse ein geradezu verdammenswertes Verbrechen sein. Sie würde ein verweichlichtes, energieloses Mischvolk hervorrufen, wie man es in Südamerika findet. Und die Mischung würde in einem Grade vor sich gehen, daß sich der Stammbaum des Australiers später von dem sorgfältigsten Anthropologen nicht feststellen ließe.

Denn schon jetzt kann man an einzelnen Stellen alle Farben der Welt vertreten sehen – mit Mischstufen. In der Umgegend von Ingham begegnet man Polynesiern, Papuanern, Salomo-Insulanern, Mikronesiern, Malayen, Filipinos, Chinesen aus allen Teilen des großen Reiches, Singhalesen, Hindus, Afghanen, Araber, afrikanische Neger und viele mehr.

Der Australier des nächsten Jahrhunderts dürfte sich eines Stammbaumes erfreuen, der der Wissenschaft ein unlösbares Rätsel bleiben müßte. Die Einführung farbiger Arbeiter ist später verboten worden.

*

Für die Landwirtschaft habe ich mich nie sehr interessiert. Aber eine so gänzliche Abneigung, wie ich sie nach einigen Wochen gegen das besondere Fach des Zuckerbaues empfand, ging denn doch schon in das Krankhafte über. Ich ging eines Tages von Ingham aus auf einen Kontrakt ein, einige hundert Morgen schweren Rohrbestands zu » trash«, d.h. die Stengel von den überflüssigen Blättern vor der Ernte zu befreien.

Die Sache schien mir sehr einfach und gewinnbringend. Man wandert, so sagte ich mir, frohen Herzens und mit einem schelmischen Liede auf den Lippen durch die herrlichen Reihen des anmutig im Zephyr flüsternden und wogenden Rohres, mit leichter und liebevoller Hand die Blätter abstreifend, und meldet sich nach vollbrachter Arbeit an der Kasse, um einen größeren Scheck in Empfang zu nehmen. 3,50 M. den Morgen, mit 450 multipliziert, durch den blauen Himmel veredelt und die linden Lüfte versüßt – das schien mir geradezu ideal.

Aber leider kam es anders. Das Rohr ragte hoch über meinen Kopf, und in der Morgenkälte, von schwerem Tau durchnäßt, fror ich wie ein polarreisender im Badeanzug.

Bild: Heinrich Kley

Mittags hingegen, von dem feuchtwarmen Brodem erstickt, von dem geringsten Windhauch abgeschnitten, war mir, als säße ich im Pelz und gestärktem Oberhemde in einem Dampfkessel. Dabei schnitten die Blätter wie Rasiermesser. Mein Gesicht sah am ersten Abend aus, als hätte ich sämtliche Mensuren aller studentischen Verbindungen seit dem Jahre 1850 gefochten, und meine Hände, obwohl sie durch drei paar aus Segeltuch gefertigte Handschuhbeutel geschützt waren, glichen einem Beefsteak a la tartar. Kurzum, ich kam zur Einsicht, daß zwischen einem reifen Rohrfeld und einer sehr erhitzten Wurstmaschine wirklich wenig Unterschied zu finden ist.

Nichtsdestoweniger arbeitete ich ingrimmig weiter. Als ich jedoch nach einer Woche die Bilanz zog und es sich ergab, daß ich gerade 11,65 M. verdient und 13,70 für mein Essen verausgabt hatte, überkam mich die obenerwähnte Verachtung für den Zuckerbau und ich zog von dannen, in die Berge hinein. Zur Landwirtschaft, sah ich ein, gehört sehr viel Geduld und ein noch viel dickeres Fell.


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