Paul de Kock
Der Mann mit drei Hosen
Paul de Kock

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Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Eine vornehme Dame.

Es war gegen das Ende des Jahres 1815, Pauline und Prosper wohnten nicht mehr in ihrem Logis in der Karlsstraße; sie hatten ein noch kleineres und wohlfeileres gemiethet; überdies war Pauline genöthigt gewesen, zur Pflege Prospers eine große Bresche in ihre zwanzigtausend Franken zu machen, auch ihre Dienstmagd zu entlassen, was sie ihm jedoch nicht eingestanden hatte. Aber trotz dieser durch die Lage gebotenen Einschränkungen war sie nicht weniger heiter, und schien nicht weniger glücklich.

Nicht so war es mit Prosper; seine Gesundheit war zwar beinahe vollkommen wieder hergestellt, aber er hatte keine Anstellung mehr gefunden, und was er mit seinen Abschriften verdiente, erleichterte ihre Umstände nur unbedeutend, daher fühlte er im Innern seiner Seele eine tiefe Betrübniß.

Eines Nachmittags war Prosper eben ausgegangen, als eine prächtige Chaise vor seinem Hause anhielt. Eine Dame stieg heraus; sie war wunderschön gekleidet, und ihr Aeußeres edel und vornehm; ein bordirter Lakai hatte mit dem Portier gesprochen, kehrte wieder zu der Dame zurück und sprach: »In diesem Hause im fünften Stockwerk wohnt wirklich Herr Prosper Bressange. Er ist eben ausgegangen, aber seine Mündel, Fräulein Pauline, ist zu Hause.«

Die Dame besann sich einen Augenblick, dann entschloß sie sich aber doch, die Treppe hinaufzugehen.

Pauline war eben mit Sticken beschäftigt. Ohne es ihrem Freunde mitzutheilen, arbeitete sie für eine Leinwandhändlerin, und sehr oft in der Nacht, wenn Prosper glaubte, daß sie der Ruhe pflege, saß sie an der Arbeit, die sie erst bei Anbruch des Tages aufgab.

Als Pauline die Thüre öffnete, blieb sie starr vor Erstaunen beim Anblick einer großen, schönen, sehr elegant gekleideten Dame von einigen dreißig Jahren, deren ganzes Wesen eine Person von Rang ankündigte.

»Wohnt hier Herr Prosper Bressange?« fragte die Dame näher tretend. – »Ja, aber er ist ausgegangen!« entgegnete Pauline. »Ich glaube übrigens nicht, daß er lange ausbleiben wird, und wenn Sie hereinkommen und ein wenig warten wollten? ...«

Statt aller Antwort trat die Dame in das kleine Zimmer, wo Pauline arbeitete; diese bot ihr einen Stuhl an und sagte: »Wollen Sie die Güte haben und Platz nehmen, Madame; wenn man so hoch heraufsteigt, muß man müde werden ... besonders wenn man nicht daran gewöhnt ist.« – Ich bin daran gewöhnt, Fräulein, denn ich habe lange Zeit fast eben so hoch gewohnt.«

Mit diesen Worten hatte sich die Dame niedergesetzt, und sah sich dann im Zimmer um; ein Ausdruck der Schwermuth malte sich in ihrem Antlitze, und ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust. In Paulinen, deren Neugierde mehr und mehr erregt wurde, stiegen schon tausend verdächtige Gedanken auf, und sie fühlte in Gegenwart dieses Frauenzimmers, welches sie zum ersten Male sah, eine außerordentliche Bewegung.

»Erlauben Sie, Madame, daß ich an meiner Arbeit fortfahre?« sagte Pauline, »sie hat Eile ... und ich habe versprochen ...«

»Machen Sie fort, Fräulein; es würde mir unendlich leid thun, Sie in irgend etwas zu stören ... Es ist noch nicht lange her, daß ich auch stickte ... und oft ganze Nächte durchwachte ... um, ich erröthe nicht, es jetzt zu sagen, meinen Unterhalt zu verdienen, denn das Wenige, was ich besaß, hätte nicht dazu hingereicht.«

Jedes Wort dieser Dame vermehrte Paulinens Verdacht; da sie ihre Empfindung nicht mehr bemeistern konnte, so stotterte sie: »Mein Gott! Madame ... Ihre Worte bringen mich auf die Vermuthung, in Ihnen eine Person zu sehen, von welcher mein Beschützer oft mit mir gesprochen hat ... und wenn ich so frei sein dürfte, Sie um Ihren Namen zu bitten ...«

»Camilla von Trevilliers, Marquise von Clairville.«

Pauline wurde todtenblaß, ihre Brust zog sich zusammen, eine ungeheure Last drückte auf ihr Herz; indessen strengte sie sich an, ihre Aufregung zu verbergen, und sie erwiderte: »Ach! ja ... gnädige Frau ... ja ... es ist so ... ich erinnere mich Ihres Namens. Aber es fällt mir jetzt ein, gnädige Frau, daß es Ihnen zu lange dauern könnte, Herrn Prosper zu erwarten ... er wird erst spät nach Hause kommen.« – Wenn Sie erlauben, Fräulein, so will ich einen Augenblick bei Ihnen bleiben und mich mit Ihnen unterhalten.«

Pauline wußte hierauf nichts zu erwidern, sie machte nur eine Verbeugung mit dem Kopfe und schwieg; aber an dem heftigen Wogen ihres Busens konnte man leicht bemerken, daß sie höchst aufgeregt war.

»Da Sie Herrn Prosper von mir haben sprechen hören,« fuhr Camilla fort, »so müssen Sie auch wissen, daß ich große Unglücksfälle erlitten habe und er mir wichtige Dienste geleistet hat,« »Er hat nur von Ihrem Unglück mit mir gesprochen, gnädige Frau, aber nie von seinen Diensten.«

»Wohlan, Fräulein, es gereicht mir zum Vergnügen, öffentlich auszusprechen, daß ich ihm viel verdanke, sein Betragen war gegen mich äußerst zartsinnig, denn er wollte es mich nicht einmal wissen lassen, daß er mir Gutes that. Er glaubte vielleicht, die Erkenntlichkeit sei eine zu schwere Last für mein Herz. Ach! ich gestehe es, ich habe seine schöne Seele lange mißkannt ... Ich war sehr undankbar für Alles, was er für mich gethan. Glücklicherweise ist es nie zu spät, sein Unrecht wieder gut zu machen.«

Pauline hörte aufmerksam zu; sie konnte nicht mehr arbeiten, ihre Hand zitterte, sie stach sich in die Finger, statt in ihre Stickerei. Endlich sagte sie zögernd: »Es scheint, gnädige Frau, daß Ihre Lage sich günstig gestaltet, und Ihr Unglück ein Ende genommen hat.«

»Ja, Fräulein, meine Prüfungszeit ist jetzt vorüber. Unsere legitimen Prinzen sind zurückgekehrt; mit ihnen habe ich mein Vermögen wieder erlangt; ich bin wieder in den Besitz all' der Güter meines Vaters eingetreten, die nicht verkauft worden waren. Ich bin jetzt reich und kann nun meine Erkenntlichkeit für das beweisen, was man für mich gethan hat.«

Pauline entgegnete nichts; sie stach sich fortwährend in die Finger, indem sie sich anstellte, als ob sie arbeite. Camilla schwieg eine Weile, ließ ihre Blicke noch einmal herumschweifen, und fuhr dann fort: »Entschuldigen Sie meine Fragen, Fräulein, Sie können sich wohl vorstellen, daß mich nicht bloße Neugierde dazu veranlaßt. Als ich Herrn Bressange bei dem General Bloumann traf, und er mich besuchte, ließ mich damals Alles vermuthen, daß er reich sei, und jetzt, verzeihen Sie mir ... scheint ganz das Gegentheil der Fall zu sein.«

»Gnädige Frau, mein Beschützer hat in der That große Verluste erlitten, aber trotz dem fehlt es uns an nichts ... und wir sind sehr glücklich.«

Pauline hatte die Worte »wir sind« mit einem gewissen Nachdrucke ausgesprochen, der Camilla's Ohr nicht entging. Die Marquise betrachtete die Waise genau; zum erstenmale schien sie dieselbe mit großer Aufmerksamkeit zu prüfen; Pauline fühlte das Blut in ihre Wangen steigen; sie war verlegen, beinahe unwillig, denn dieses Examen der vornehmen Dame dauerte sehr lange. Endlich nahm es ein Ende, und Camilla sagte zu ihr: »Sie, Fräulein, sind vielleicht das Frauenzimmer, für welches Herr Bressange Sorge trägt ... eine Waise ... deren Eltern während der Revolution starben ... Man hat mir diese Sache erzählt ...«

»Ja, gnädige Frau,« erwiderte Pauline, sich ermuthigend; »ich verdanke Herrn Prosper Alles ... Er rettete meine Mutter vom Schaffote, er beschützte meine Kindheit ... und seit seiner Rückkehr nach Frankreich hat er sich unausgesetzt mit meinem Glücke beschäftigt ... Ach! ich wäre höchst undankbar, wenn ich ihn nicht liebte ... Allein ich bin es nicht, denn mein Blut ... mein Leben ... Alles gäbe ich für ihn hin.«

»Das gereicht Ihnen sehr zum Lobe, Fräulein, und was Herrn Bressange betrifft, so setzen mich edle Handlungen von ihm nicht mehr in Erstaunen.«

Mit diesen Worten stand Camilla auf, und Pauline beeilte sich, ein Gleiches zu thun.

»Mein Fräulein,« fuhr die Marquise fort, »wollen Sie wohl die Güte haben und Herrn Prosper sagen, daß ich morgen gegen zwei Uhr wiederkommen werde, und daß ich hoffe, er werde mich bis dahin erwarten, da ich ihn durchaus sprechen müsse. Wollen Sie so gefällig sein?« – »Ich werde es ihm sagen, gnädige Frau.« – »Ich empfehle mich Ihnen, Fräulein.«

Camilla verabschiedete sich auf sehr ceremoniöse Weise von Paulinen, diese befolgte ein Gleiches und die Marquise stieg die fünf Treppen wieder hinab.

Als Prosper nach Hause kam, war er ganz erstaunt. Paulinen blaß, aufgeregt und in Thränen zu finden: er eilte auf sie zu und rief aus: »Was ist denn während meiner Abwesenheit geschehen? Was haben Sie, meine theure Freundin? Welches Unglück sollten wir noch zu befürchten haben?«

Pauline zwang sich, mitten unter den Thränen zu lächeln, indem sie erwiderte: »Mein Gott! es ist nichts geschehen, kein Unglück vorgefallen, es wird im Gegentheil ohne Zweifel ein Glück für Sie sein.« – Es muß aber doch etwas vorgekommen sein. Erklären Sie sich, ich bitte Sie. – »Ein Besuch kam zu Ihnen; eine Dame wollte Sie sprechen.« – Eine Dame? – »Ja, eine Dame, die Sie sehr gut kennen.« – Hat sie Ihnen nicht ihren Namen hinterlassen? – »Doch; es war ... die Marquise von Clairville.« – Camilla!«

Pauline bedeckte das Gesicht mit einem Tuche und flüsterte: »Ach! sie wird also für Sie immer die Camilla bleiben!« – Nun, meine liebe Pauline, weßhalb konnte Sie dieser Besuch betrüben? – »Ach! ich habe freilich höchst Unrecht. Ich weiß nicht, warum ich weine.« – Was kann aber die Marquise von mir wollen? – »Das weiß ich nicht, sie wird es Ihnen aber selbst sagen, denn sie kommt morgen wieder; sie muß durchaus mit Ihnen sprechen, und bittet Sie, sie zu erwarten.« – Sie will mich sprechen! das ist sonderbar. – »Es scheint, sie hat nun Alles erfahren, was Sie für sie gethan haben.« – Wer konnte es ihr wohl gesagt haben? – »Das weiß ich nicht; aber sie scheint sehr erkenntlich dafür. Es ist einmal Zeit dazu! Und da sie jetzt Diamanten, Lakaien, eine Equipage hat, so wird sie Ihnen ohne Zweifel den Vorschlag machen, zu ihr zu gehen, und Sie werden ihr folgen; denn Sie haben diese Frau allzusehr geliebt! ... Aber verzeihen Sie mir, mein Freund, ich weiß nicht, was ich spreche, ich bin außer mir! ... Seien Sie glücklich, das ist Alles, was ich wünsche und vom Himmel erflehe! ...«

Pauline barg von Neuem ihr Angesicht in den Händen, denn sie weinte bitterlich. Es war keine schwere Aufgabe, den Grund ihres Schmerzes zu begreifen. Indessen wagte Prosper es nicht, der Vermuthung Raum zu geben, die Waise hege ein anderes Gefühl für ihn als Freundschaft, weil ein Altersunterschied von siebzehn Jahren zwischen ihnen bestand. Er fürchtete, sich einer allzusüßen Hoffnung zu überlassen und entgegnete nur: »Es freut mich für Frau von Clairville, daß sie jetzt reich ist und eine Equipage hat; aber ich begreife nicht, wie Sie glauben können, daß das einen Einfluß auf meine Gefühle ausüben werde. Als ich sie liebte, war von alle dem nichts vorhanden.«

Pauline trocknete sich die Augen und gab sich Mühe, ruhig zu scheinen, indem sie antwortete: »Verzeihen Sie mir, mein Freund, ich weiß nicht, was ich spreche; ich weiß gar nicht, wie mir ist! es wird übrigens ... bald vorübergehen.«

Gegen Abend zeigte sich die Waise gefaßt; sie versuchte es sogar, heiter zu scheinen; allein es gelang ihr nicht. Prosper sprach wenig, denn er war sehr mit dem Besuche beschäftigt, den er am folgenden Tage erhalten sollte, und sein Geist gab sich tausend Muthmaßungen hin.

Am folgenden Morgen war Pauline blaß und schien leidend, allein sie suchte die Aufregung ihres Gemüthes zu verbergen. Sie sprach nicht mehr von Camilla; erst als der Wagen der Marquise vor dem Hause hielt, sagte sie mit bebender Stimme zu Prosper: »Ich ziehe mich zurück und lasse Sie allein, mein Freund; es würde sich nicht schicken, daß ich hörte, was die Frau von Clairville mit Ihnen zu sprechen hat ... Meine Anwesenheit hier werde sie auch ohne Zweifel geniren ... Ich werde, bis sich die Marquise wieder entfernt hat, in meinem Zimmer bleiben.«

Prosper antwortete Paulinen nur mit einem Blick, der mehr als Worte ausdrückte; die Waise schien ihn zu verstehen, sie lächelte ihm zärtlich zu und entschloß sich endlich, in ihr Zimmer zu gehen.

Die Marquise ließ sich nicht lange erwarten; die Glocke läutete und diesmal öffnete ihr Prosper die Thüre.

Als sich diese beiden Personen wiedersahen, empfänden sie anfänglich eine gleich große Verlegenheit. Prosper barg die seinige unter einer außerordentlichen Höflichkeit; er bat die Marquise einzutreten, bot ihr einen Stuhl an, setzte sich in einiger Entfernung von ihr nieder und begann: »Ich habe gehört, Frau Marquise, daß Sie sich hierher bemüht haben. Ich weiß nicht, welchem Umstand ich die Ehre, die Sie mir erzeigen, zuschreiben soll; allein Sie dürfen überzeugt sein, daß Sie mir damit ein großes Vergnügen machen.«

Prospers steifer Ton schien Camilla nicht zu gefallen; sie heftete ihre Blicke auf ihn, gleich als ob sie wünschte, den seinigen zu begegnen und andere Gefühle darin zu lesen; aber Prosper schlug die Augen ehrfurchtsvoll zu Boden.

»Herr Prosper,« entgegnete Camilla, »ich habe Sie zu sehen und zu sprechen gewünscht ... denn ich habe viel Unrecht an Ihnen begangen! und jetzt ist mein heißester Wunsch, es wieder gutzumachen.« – Unrecht? ... Frau Marquise, ich verstehe Sie nicht. – »Ich will mich deutlicher erklären ... aber vor allen Dingen wünschte ich ... daß Sie diesen eiskalten Ton aufgäben, der mich erstarren macht ... Ich möchte für Sie nicht mehr die Marquise von Clairville, sondern, wie ehemals, Camilla sein.«

Prosper betrachtete die Marquise mit höchstem Erstaunen, indem er erwiderte: »Gnädige Frau ... diesen ceremoniösen Ton habe ich immer bei Ihnen gefunden, wenn ich liebeglühend einen Theil der Empfindungen meines Herzens in das Ihrige ausschütten wollte. Damals allerdings hätte ich gewünscht, von Ihnen liebevoller behandelt zu werden; aber heute denke ich, sei es nicht mehr notwendig.« – Aber heute, mein Herr, wiederhole ich Ihnen, daß ich mein Unrecht einsehe, daß ich endlich anerkenne, wie lange ich Sie falsch beurtheilt habe ... O! gewiß; denn ich hatte keinen Begriff von dem Zartgefühl Ihres Herzens. Ich glaubte, daß Sie, nachdem Sie mittelst eines Verraths einen Triumph über mich gefeiert hatten ... Sie mich dadurch zwingen wollten, später Ihre Gattin zu werden ... und dieser Gedanke hatte mein Herz verletzt. Ich habe mich geirrt, ich sehe es jetzt wohl ein. Alle die Opfer, welche Sie mir gebracht haben, beweisen mir, daß Ihre Liebe aufrichtig war, doch erst seit Kurzem bin ich davon unterrichtet worden. Mein Vater hatte mir Ihr edles Betragen in Beziehung auf das Gut, dessen Eigenthümer Sie geworden waren, und welches Sie ihm während Ihres Aufenthaltes in England zurückgaben, verschwiegen. Erst letzthin, als ich mich, in den Besitz meiner Güter wieder eingesetzt, damit beschäftigte, die hinterlassenen Papiere des Grafen von Trevilliers zu durchsuchen, fand ich einige Worte von seiner Hand, worin er Ihrer schönen Handlungsweise Erwähnung that. Da erst begriff ich, daß Derjenige, welcher dieses gethan, derselbe sein müsse, der mir vor einigen Jahren, wo ich, um mein Unglück zu verbergen; genöthigt war, für Andere zu arbeiten, zwanzigtausend Franken zugeschickt hatte. Ich fragte nun meine Magd aus, suchte den Commissionär auf, der mir Brief und Geld überbracht hatte, und erfuhr endlich die ganze Wahrheit.« – Wohlan! gnädige Frau, wenn ich so glücklich war, Ihnen oder Ihrem Herrn Vater einige Dienste leisten zu können, so war das ein eben so großes Vergnügen, das ich mir selbst verschaffte ... und ich kann somit nicht auf so viel Anerkennung von Ihrer Seite Anspruch machen.«

Camilla war lebhaft gerührt; sie blickte lange auf Prosper, der beharrlich die Augen von. ihr abwendete, und entgegnete endlich: »Sie grollen mir immer noch ... o! ich sehe es wohl ... jetzt muß also ich Ihnen entgegenkommen ... Wohlan denn! Herr ... Prosper ... diese Hand, die Sie so oft von mir begehrt haben ... ich biete sie Ihnen heute mit meinem Herzen an ... Das Schicksal hat mir meinen Reichthum zurückgegeben ... und ich werde mich glücklich schätzen, denselben mit Ihnen zu theilen.«

Prosper war ganz erstaunt über dieses Anerbieten, welches er entfernt nicht erwartet hatte: einen Moment richtete er seine Augen zu Camilla empor, schlug sie aber eben so schnell wieder zu Boden und schwieg. Die Marquise, welche sich wunderte, ihn kalt bleiben zu sehen, während sie gehofft hatte, durch ihre Worte das lebhafteste Entzücken zu erregen, wurde ernst und ängstlich; eine hohe Röthe trat auf ihr Antlitz, als sie stammelte: »Wie, mein Herr, Sie antworten mir nicht? ...«

»Frau Marquise,« sagte Prosper endlich, »der Antrag Ihrer Hand ist ohne Zweifel eine große Ehre; früher hätte er meine höchsten Wünsche erfüllt; aber jetzt befürchte ich, nicht mehr Ihr Glück machen, nicht mehr die Theilnahme, die Sie mir erzeigen, genügend erwidern zu können. Erlauben Sie mir deßhalb, diesen Beweis Ihrer Güte auszuschlagen ... wofür ich jedoch mein Leben lang dankbar sein werbe.«

Camilla stand auf; ihre Lippen waren blaß, ihr Herz pochte stürmisch, es malte sich mehr als Verdruß in ihren Zügen, denn sie hatte auch Thränen in den Augen; indessen zwang sie sich doch, ruhig zu scheinen, indem sie sprach: »Sie schlagen mich aus, mein Herr, ich hätte mir das zum Voraus denken sollen ... den Grund Ihrer Weigerung ... o! den kenne ich ... ich habe ihn gestern hier in diesem Zimmer gesehen ... Da es einmal so ist ... entferne ich mich; aber zuvor werden Sie mir erlauben, mein Herr, Ihnen die zwanzigtausend Franken zurückzugeben ... die Sie mir vor vier Jahren zugeschickt haben; damit bezahle ich nur eine Schuld heim und Sie haben kein Recht, sie auszuschlagen.«

Mit diesen Worten legte Camilla eine Brieftasche auf einen Tisch. Prosper verneigte sich schweigend; hierauf machte ihm die Marquise eine tiefe Verbeugung und flüsterte: »Leben Sie wohl, mein Herr ... Sie vergönnen der Frau von Clairville doch, Sie stets als ihren Freund zu betrachten?«

»Diesen Namen, gnädige Frau, werde ich mir stets zu erhalten suchen.«

Camilla warf noch einen Blick auf Prosper, dann verließ sie ihn rasch.

Prosper begleitete die Marquise bis zur Thüre; und als er wieder ins Zimmer eintrat, stürzte Pauline außer sich in seine Arme und stammelte: »Ausgeschlagen! ... Sie haben sie ausgeschlagen! ...«

Und außer Stand, das Uebermaß ihres Entzückens zu ertragen, verlor sie die Besinnung in den Armen des Mannes, dem sie mit diesen wenigen Worten ihre Liebe so deutlich zu erkennen gegeben hatte.


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