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Paris wird in Kurzem nur noch ein großes Blumenbeet sein. Flora ist die Göttin, der dort Weihrauch gestreuet wird; in allen Quartieren richtet man ihr heut zu Tage Altäre auf. Liebt ihr die Blumen? man verkauft überall, und statt der Bäume, auf welche wir, Dank dem Gase, in Folge dessen ihre Wurzeln absterben, bald werden Verzicht leisten müssen, bleiben uns dann wenigstens noch Rosen-, Jasmin- und Resedensträuche; diese geben zwar nicht so viel Schatten, verbreiten aber desto mehr Wohlgeruch.
Ein französischer König hat behauptet: Ein Hof ohne Frauen gleiche einem Frühling ohne Rosen.
Trotz dem gab es unter Franz I. Regierung keine drei Blumenmärkte zu Paris, und wenn man die Damen liebt, muß man nothwendig auch die Blumen lieben, den ihr wißt, daß man nicht leicht von den Einen sprechen kann, ohne sie mit den Andern zu vergleichen, und wie oft hat man nur von Tibull, Catull und Properz an bis zu Dorat, Parny und Gentil-Bernard wiederholt, das Weib sei eine Blume! Alle Vaudeville-Dichter haben noch Verse darüber gemacht.
Ehemals konnte man sich wöchentlich nur zweimal mit Blumen versehen.
Nur auf dem Kai nächst dem Platze vor dem Justizpalaste legten Mittwochs und Samstags die Landleute aus der Umgegend von Paris und die Blumengärtner der Hauptstadt ihre schöne Waare aus.
An diesen Tagen war der Blumen-Kai schon frühzeitig das Stelldichein der jungen Mädchen, der kleinen Nähterinnen und Grisetten aller Quartiere von Paris, die sich dort einfanden, um wegen eines bescheidenen Maßliebenstöckchens zu feilschen, oder sich gar zu einem Nelken- oder einem Myrthentopf zu versteigen.
Die Studenten der Medicin, kurz, die ganze nach Gelehrsamkeit strebende Jugend des Quartiers Latin ging, zwar mehr um die dort auf- und ab spazierenden Damen zu betrachten, als um Sträuße zu kaufen, ebenfalls auf den Blumen-Kai hinab; gegen zwei Uhr erschienen alsdann die eleganten Damen, denen es nicht zu gering war, aus ihrem Wagen heraus zusteigen, um sich einen Pomeranzenbaum, einen cactus grandiflorus oder eine Rosa centifolia auszuwählen; von ihrem Diener begleitet, durchschritten sie den Marktplatz und blieben bei den schönsten Blumen, den seltensten Pflanzen stehen.
Gegen Abend, zur Zeit, wo die Verkäuferinnen sich beeilten, ihr Tagwerk zu beendigen und zu ihrem Herd zurückzukehren wünschten, sah man die bescheidene Rentnerin herankommen, die sich mit einem Resedastöckchen erfreuen wollte, um trotz der Ordonnanzen des Polizeicommissärs, der ein entschiedener Feind aller Blumentöpfe vor den Fenstern ist, das ihrige damit zu zieren. Der arme Polizeicommissär! was mag ihm das allein schon zu schaffen machen!
Dann kam der fleißige Arbeiter, dem es nach Beendigung seines Tagewerks eingefallen war, daß sein Weib Johanna, Maria oder Magdalena heiße, und daß man ohne Blumen kein Namensfest feiern könne.
Endlich vertraute selbst der Portier seine Loge auf einen Augenblick einem gefälligen Nachbar an, um sich schnell noch ein Basilikum oder eine Volubilis zu holen, welche ihn nebst seiner Elster in seinen müßigen Stunden angenehm unterhalten sollten.
Andere Zeiten, andere Sitten! Der Blumen-Kai ist allerdings noch stets besucht; er steht sogar in dem Rufe, als biete er unter den drei Blumenmärkten der Hauptstadt die reichste Auswahl dar, und dieser Ruf ist kein angemaßter ... Aber die jungen Mädchen des Marais und die Bürger beim Saint-Denis-Thore sind doch wenigstens nicht mehr genöthigt, wenn sie sich eine Blume kaufen wollen, einen Theil von Paris zu Fuße zu durchwandern, oder einen Omnibus zu nehmen, um diesem Wunsche Genüge zu leisten. Zwölf Sous im Omnibus zu zahlen, um einen Topf Veilchen um sechs Sous einzukaufen, diese Erwägung mußte nothwendig den Blumenhändlerinnen viel Eintrag thun. Jedes Quartier mußte seinen Blumenmarkt haben, wie es auch Blumen für jede Geldbörse gibt; denn für so viele junge Frauen, welche ihren Tag mit Arbeiten zubringen, ist es eine äußerst angenehme Erholung, wenn sie ihr Auge auf etwas Grünem, auf einer sich erschließenden Knospe oder auf Blüthen ruhen lassen können, die einen lieblichen, wohlriechenden Duft ausathmen! Blumen sind der einzige Luxus armer Leute; man muß daher darauf hinarbeiten, daß sie sich denselben billig verschaffen können. Ein Luxus, der einen Augenblick des Glückes gewährt, verdient beinahe unter die Nothwendigkeiten des Lebens gerechnet zu werden.
Jetzt hat also auch der Marais seinen Blumenmarkt, und zwar auf dem Boulevard Saint Martin vor dem Wasserschloß. Dort kann man nun alle Montage und Donnerstage Nelken, Jasmin und Dahlien, wenn nicht pflücken, doch bewundern und kaufen.
Die Nachbarschaft des Wasserschlosses wirkt angenehm erfrischend auf das Boulevard; die Bäume, die man dort seit der Julirevolution so oft gepflanzt und wieder umgepflanzt hat, werden vielleicht endlich am Ende zu bewegen sein, Wurzel zu fassen, ihre Aeste auszubreiten und Schatten zu gewähren.
Arme Bäume! ... sie behandeln uns mit Strenge, wie wenn sie es uns entgelten lassen wollten, daß wir jene umgehauen haben, welche die Spaziergänge unserer Vorfahren beschatteten.
Bis nun einmal die egyptischen Feigenbäume des Boulevards beim Wasserschloß gehörig mit Laub versehen sein werden, hat man bereits Reihen von Sitzen zu ihren Füßen angebracht: hier will man die Spaziergänger herbeilocken und ihnen gleich eine bequeme Gelegenheit zum Ausruhen anbieten.
Die eleganten Damen und die Stutzer lassen sich noch nicht in großer Anzahl auf den Sitzen des Boulevards Saint-Martin sehen, zur Entschädigung trifft man eine Masse Kindsmägde und consequenterweise nicht unbedeutend Soldaten dort; mit der Zeit kann es vielleicht ein zweites Boulevard von Gent werden; die guten Leute behaupten ja auch, Paris sei nicht in einem Tag erbaut worden.
Aber an Montagen und Donnerstagen sind während der schönen Jahreszeit die Sitze voll Menschen, denn dann machen die von den Verkäuferinnen ausgestellten Blumen diesen Spaziergang angenehm; er ist auch jederzeit weit reinlicher, als der auf dem Kai, wo der alte Blumenmarkt abgehalten wird.
Endlich hat auch das elegante, fashionable Quartier, das Quartier der Bankiers und Operntänzerinnen, der Dandy's und Modedamen, der Löwen und Ratten (Figurantinnen), die Chaussée d'Antin ihren Blumenmarkt: dieser wird bei der Magdalenen-Kirche auf einem vor Gefährten geschützten, gebahnten Terrain, welches beinahe immer trocken ist, abgehalten.
Dieser Markt sollte unter den dreien der schönste sein, man sollte die herrlichsten Blumen und die reizendsten Frauen, die seltensten Pflanzen und die modernsten Toiletten daselbst sehen; dies ist aber nicht der Fall. Dieser Markt, der allwöchentlich Dienstags und Samstags abgehalten wird, ist gewöhnlich am wenigsten besucht, und der Liebhaber findet auch nicht die gehörige Auswahl von Blumen. Die Modedamen sehen es zwar gern, wenn man ihnen Blumensträuße bringt, aber sie kaufen selbst keine; sie haben Recht: man muß den Anbetern nicht ins Handwerk pfuschen.
Ihr seht hieraus, daß man jeden Tag in der Woche, ohne Paris zu verlassen, unter lauter Rosen, Pomeranzenbäumen und Dahlien spazieren gehen kann; und Solchen, die jetzt, wie früher Jean-Jacques, behaupten würden, Paris sei eine geräuschvolle, schmutzige, rauchige Stadt, würden wir entgegenhalten, sie habe sich nun ganz in ein buntgeschmücktes Blumenbeet verwandelt.