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Trickchen war ein Kind der Bretagne, das will so viel sagen, er hatte einen warmen Kopf, eine rasche Entschlossenheit, eine schnelle Fassungsgabe und eine manchmal etwas rohe Sprache, aber er war muthig und treu; und welches Land hat mehr Männer erzeugt, die man wegen ihrer edeln Gesinnungen anführen könnte?
Und wenn wir hier von Treue reden, so wollen wir nicht von Liebe sprechen und jenen artigen Schwüren, die sich zwei Liebende machen, sondern vielmehr von jener großen, bewunderungswerthen Hingebung, die darin besteht, seine Freunde nicht im Unglück, seinen Herrn nicht in der Verbannung und seine Fürsten nicht im Elende zu verlassen.
Aber jede Münze hat ihre Kehrseite, wie ihr wisset, und überdies gibt es nichts Vollkommenes in der Natur. So mußte auch Trickchen seine schlimme Seite haben, wie wir sie Alle haben; ja, man behauptet sogar, daß es Personen gebe, die gar keine gute haben.
Die schlimme Seite Tricks war die Eitelkeit, ein ungeheures Selbstvertrauen, und in Folge davon eine sehr große Meinung von seinem Verdienst, und die Zuversicht, daß ihn Niemand anführen könne.
Armer Junge! ... welch' ein Irrthum! welche tolle Einbildung! Die größten Geister, selbst Genies sind schon wie ganz gewöhnliche Menschen mißbraucht und angeführt worden.
Angeführt zu werden, das ist das Loos der armen Menschheit; und es gibt selbst Leute, die sagen, wir wären sehr unglücklich, wenn wir es nicht würden.
Aber Trickchen war erst fünfzehn Jahre alt und aus der Bretagne; man muß also das große Vertrauen, das er auf seine Klugheit hatte, entschuldigen. Wir sehen täglich Leute in der Welt, welche Alter und Erfahrung nicht vernünftig gemacht haben. Nenn die Jugend die Klugheit auch noch hätte, was bliebe da dem Alter?
Trickchen wollte nach Paris gehen und da sein Glück probiren.
Das ist ein sehr natürlicher Zug; es ist selten, daß er nicht in Leuten aufsteigt, die das Schicksal schlecht bedacht hat, und viele reiche Leute betragen sich in dieser Hinsicht ganz ebenso wie die, welche es nicht sind.
Jean-Jacques hat gesagt: »Man muß glücklich sein, lieber Emil; das ist das erste Bedürfniß des Menschen.«
Aber in unserer Zeit hat man die Rede Rousseau's umgemodelt in: »Man muß reich sein.«
Denn man meint, daß es ohne den Reichthum kein Mittel gebe, glücklich zu sein.
Kehren wir zu Trickchen zurück.
Seine Eltern hatten Handelschaft getrieben, waren aber nicht reich geworden, und außerdem noch oft von Schlauköpfen und Spitzbuben angeführt worden. Der Jüngling sagte zu sich: »Ich werde klüger oder glücklicher sein; ich werde mich von Niemand betrügen lassen, und in Paris reißend schnell meinen Weg machen.«
Ein alter Oheim, der einzige Verwandte, der unserem Trick geblieben war, willigte in seine Abreise nach der Hauptstadt Frankreichs, und erhielt für ihn die Stelle eines Nebencommis bei einer Art von Trödler.
Man gab dem jungen Mann freie Wohnung in einer Dachkammer, eine Kost, die sehr frugal war, und wöchentlich zwanzig Sous, ohne die Beneficien, d. h. die kleinen Trinkgelder, die er von Kunden erhalten sollte, denen man Waaren brachte. Die Stelle war nicht glänzend; aber Trick fand sie prächtig. Er dankte seinem alten Oheim, packte seine Effekten in einen Nachtsack und setzte sich auf die Imperiale der Diligence, wo man einen Platz für ihn bezahlt hatte.
Das aufgeweckte, muthwillige und offene Gesicht Tricks schien einen sehr angenehmen Eindruck auf einen neben ihm auf der Imperiale sitzenden Reisenden zu machen.
Dieser Reisende glich entfernt nicht dem jungen Bretagner: seine schlaue Physiognomie, seine kleinen, listigen Augen ließen nicht auf Dummheit schließen, flößten aber auch kein Vertrauen ein; auch war das Lächeln in seinem eingekniffenen, geschlossenen Munde spöttisch und falsch. Glaubet mir und mißtraut einem eingekniffenen Munde ... habt aber auch kein großes Vertrauen zu einem großen Maul.
Trickchen erzählte nichtsdestoweniger seinem Gefährten auf der Imperiale alle seine Angelegenheiten, und dieser erwiderte die Erzählung mit einer Warnung, die große Aufrichtigkeit zu verrathen schien.
»Junger Mann, Sie gehen nach Paris; nehmen Sie sich in Acht. In den großen Städten gibt es eine große Menge Diebe; auch in Paris fehlt es nicht daran. In einer ungeheuern Stadt, wo so viele Menschen aufwachen, ohne zu wissen, wo sie zu Mittag essen werden, da müssen wohl, das begreifen Sie, viele Diebstähle, Betrügereien und Schurkenstreiche vorfallen. Die wegen ihrer Schönheiten, Annehmlichkeiten und Vergnügungen berühmtesten Hauptstädte haben das traurige Privilegium, die gewandtesten Spitzbuben anzuziehen; überall, wo eine Menschenmasse ist, dürfen Sie überzeugt sein, daß auch Diebe dabei sind; das ist eine niederschlagende Wahrheit; aber es ist eine Wahrheit. Seien Sie also auf der Hut gegen alle Streiche, die man Ihnen spielen möchte. Ich rede hier nicht von Beraubungen durch bewaffnete Hand, durch Einbruch oder Einsteigen, das gehört in die Reihe der gemeinen und in allen Ländern vorkommenden Verbrechen, sondern von den in Paris gebräuchlichen Diebstählen, gegen die man sich mit Klugheit waffnen muß.«
Trickchen hörte seinem Reisegefährten lächelnd zu und rief von Zeit zu Zeit: »O, mein Herr! es hat keine Gefahr! ... Ich lasse mich nicht anführen ... ich wette, daß ich einen Dieb auf eine Stunde weit erkenne!«
»Ach, das glauben Sie, mein junger Freund; dieses Selbstvertrauen könnte für Sie von traurigen Folgen sein. Aber lassen Sie uns einmal sehen, da Sie so überzeugt sind, daß Sie sich gegen die Diebe schützen können, so ist Ihnen wohl der Diebstahl mit dem guten Morgen? der Diebstahl auf amerikanische Art bekannt? so wissen Sie, was der Topf-Diebstahl ist?«
Trickchen riß die Augen weit auf, senkte dann den Kopf und rief aus: »Ah bah, das sind Dummheiten, das! Dinge, die man Kindern sagt, um sie zu erschrecken.«
»Ich habe durchaus nicht die Absicht, Sie zu erschrecken, mein junger Freund, ich will nur Ihrer Unerfahrenheit zu Hülfe kommen. Hören Sie mich an: unter den in Paris häufigsten Diebstählen bezeichnet man zunächst den mit dem guten Morgen. Ich will Ihnen erklären, was das ist; es kann Ihnen bei Gelegenheit nützlich sein. Des Morgens in Paris, in einem oft von vielen Miethsleuten bewohnten Hause, gibt der Portier, wenn er mit einer Magd oder einem Nachbar spricht, oder seine Milch bei der Milchfrau gegenüber zu sich nimmt, oder seinen Hof kehrt, oder seiner Elster zu fressen gibt (in Paris haben nämlich fast alle Portiers entweder eine Elster, einen Papagei, einen Hund oder drei Katzen); kurz, da sie des Morgens stark beschäftigt sind, geben sie nicht immer Achtung auf die Personen, die in's Haus gehen. Ein Industrieritter geht hinein, gewinnt ungestört die Treppe, steigt hinauf und sieht dabei nach allen Thüren; es geschieht nur selten, daß er nicht wenigstens eine erblickt, in der man den Schlüssel hat stecken lassen, denn ein lediger Mensch, der lange aufgeblieben ist, kann z. B. Abends zu seiner Schließerin sagen: »›Hier ist mein Schlüssel, geben Sie ihn morgen meiner Aufwärterin, ich habe nicht Lust, aufzustehen, um ihr aufzumachen.‹« Morgens kommt die Aufwärterin; aber während sie hinabgeht, um den Kaffee, das Kaffeebrod und den Rahm zu holen, läßt sie den Schlüssel im Schloß stecken. Sehr oft machen es die Mägde ebenso, oder vergißt auch die Portiersfrau, welche die Zeitungen hinaufzutragen hat, den Schlüssel in der Thüre, oder aber sagt der Miethsmann selbst zu ihr: »›Lassen Sie meinen Schlüssel außen stecken, damit ich nicht nöthig habe, aufzustehen, wenn man mich besuchen will.‹«
Trickchen lacht laut auf und sagt: »O, ich werde nicht so dumm sein, ich!«
»Das meinen Sie? ... Kurz, der Industrieritter entdeckt einen Schlüssel, geht an die Thüre, öffnet sie sehr leise und kommt in's Zimmer. Ein Herr liegt in seinem Bett und schnarcht in vollkommener Sicherheit. Es steht ihm sogar frei, zu träumen, er habe ein Goldbergwerk entdeckt, oder einen verwandten Millionär beerbt, sei Unterpräfekt geworden, oder man habe ihm eine Schachtel voll Nürnberger Lebkuchen geschickt. Während er so angenehm träumt, nimmt der Industrieritter gewandt eine Uhr vom Nagel, steckt das Geld, das in einem Sekretär ist, ein, entfernt sich mit aller möglichen Vorsicht, um den Schläfer nicht aufzuwecken, verläßt keck das Haus und geht an dem Portier vorbei, indem er eine Arie von Rossini oder Meyerbeer pfeift.«
»Ach, so werde ich mich nicht bestehlen lassen,« sagte Trick, »denn ich weiß gewiß, daß ich aufwachen würde; ich habe einen sehr leisen Schlaf und höre im Schlafe eine Maus laufen.«
»Wahrlich, mein lieber Freund, zu dieser Gabe wünsche ich Ihnen Glück. Aber nehmen wir an, unser Industrieritter treffe beim Eintritt in das Zimmer, von welchem er den Schlüssel in der Thüre gefunden hat, eine schon ganz muntere Person. Glauben Sie nun, unser Dieb sei gefangen? ... Ganz und gar nicht. »›Wer ist da?‹« fragt die Person, die ihre Thüre öffnen hört oder einen Unbekannten eintreten steht, dessen Gesicht ihr durchaus nicht gefällt. Der Industrieritter macht ein erstauntes Gesicht und murmelt: »›Entschuldigen Sie, ich suche Herrn Tchicoff, den Zahnarzt?‹« »Den kenne ich nicht, es ist kein Zahnarzt im Hause.« – »›O, dann bitte ich tausendmal um Entschuldigung, mein Herr, ich muß mich in der Nummer getäuscht haben ... es ist mir unendlich leid, Sie gestört zu haben!‹« – Und wie der Blitz verschwindet der Dieb, während der Miethsmann in seinem Gedächtnisse nach einem Zahnarzt sucht, der in der Nachbarschaft wohnen soll und vor sich hin spricht: »›Tchicoff, das ist ein russischer Name ... es scheint, Rußland will uns auf den Zahn fühlen, daß es sogar Zahnärzte schickt.‹«
»Mein Herr,« sagt Trick, als sein Reisegefährte ausgesprochen hatte; »ich sehe es einem Menschen sogleich an der Nase an, ob er ein Dieb ist; ich würde ihn also sogleich an der Gurgel packen und ihn festhalten. Ah! ich bin keine Memme!«
»Zum Teufel auch!« entgegnet der Reisende, den Jüngling mit seinen kleinen durchdringenden Augen scharf ansehend, »Sie glauben einen Dieb sogleich zu erkennen, wenn Sie ihm nur in's Gesicht sehen?«
»Ja, mein Herr!«
»Pest! was für ein Spaßvogel Sie sind! Nun, es freut mich, daß ich weiß, daß Sie dieses Talent haben. Ich habe Ihnen nun den Guten-Morgen-Diebstahl erklärt und will Sie nun mit dem Diebstahl auf amerikanische Art bekannt machen, der ebenfalls in Paris sehr im Schwange ist, wo man sich indessen wundert, daß sich noch Jemand damit hinter's Licht führen läßt.«
»O, es lohnt sich nicht der Mühe, mein Herr, ich lasse, mich nicht amerikanisiren.«
»Sie kennen ihn also?«
»Doch nicht, mein Herr.«
»Nun, so lassen Sie sich ihn sagen.«
»Der Dieb geht ruhig in Paris wie ein einfacher Faullenzer spazieren: er sucht einen Menschen, der einen Sack mit Geld trägt, und deßwegen stellt er sich in der Nähe des Schatzes oder der Bank auf: in diesen Vierteln sind die Geldträger eben so häufig wie die Omnibus. Der Dieb entdeckt einen, redet ihn an, thut, als ob er ein Fremder wäre und Gold gegen Silber umzuwechseln suche. Ein Mitgehülfe geht vorbei und stellt sich, als wolle er diese Gelegenheit benützen, um ein gutes Geschäft zu machen; seinerseits will aber auch der Mann mit dem Geldsack nicht, daß ihm dieser unverhoffte Profit entgehe. Man begibt sich also in eine Schenke. Der, welcher den Fremden spielt, gibt, während er in verschiedenen Sprachen kauderwälscht, sein Gold gegen Silber her; der Mitgehülfe thut, als gehe er, um ebenfalls Thaler zu holen; er geht hinaus und kommt nicht wieder. Der sogenannte Fremde behauptet, er habe ein Goldstück von ihm mitgenommen und läuft ihm nach; von beiden Herren kommt keiner zurück. Der Mann mit dem Sack zahlt die Zeche und geht zu einem Wechsler, um sein Gold wieder umwechseln zu lassen. Hier angekommen, merkt er, daß man ihm die guten Rollen wegstipitzt hat; in denen, welche er noch hat, ist nichts als Blei oder Sousstücke.«
»Mein Gott! mein Herr, aber alle diese Leute lassen sich auch zu leicht betrügen; die Diebe haben es, wie es scheint, nur mit Dummköpfen zu thun!«
»Wollen Sie, daß ich Ihnen noch andere Diebstähle, wie sie in Paris im Gebrauche sind, erzähle?«
»Es ist unnöthig mein Herr, ich habe an denen genug. Zudem denke ich, daß die Diebe keine Lust bekommen werden, sich an mir zu reiben.«
»Wie Sie wollen, mein liebes Freundchen.«
Der so verbindliche Herr sagt nichts mehr, legt sich zurück und schläft oder stellt sich wenigstens während der ganzen übrigen Reise schlafend. Was Trick betrifft, so schläft er auch ganz sicher auf einem Ohr ein, was unendlich bequemer ist, als auf beiden Ohren zu schlafen. Zum Unglück scheint es das Ohr zu sein, mit welchem er die Mäuse laufen hört.
*
Man kommt in Paris an.
Der Reisegefährte von der Imperiale ist vor der Barrière ausgestiegen, nachdem er Trickchen noch gerathen hat, seinen Rath ja nicht zu vergessen.
Der junge Bretagner sieht, kaum in der großen Stadt angekommen, nach der Adresse des Trödlers und liest: Herr Fripard, Bären-Straße.
Trick läßt sich die Bären-Straße weisen und eilt dann, mit seinem Nachtsack auf dem Rücken, zu Herrn Fripard. Der Trödler ist ein kleiner, gelber und runzeliger Greis, der seit sechzehn Jahren denselben Ueberrock trägt, was von seiner Sparsamkeit einen hohen Begriff gibt. Er empfängt den kleinen Bretagner ziemlich strenge und sagt zu ihm: »Du wirst nun mein Commis; aber nimm Dich in Acht; wenn Du Etwas verdirbst, wenn Du Dich betrügen lässest, so bedenke, daß ich Dir das an Deinem Gehalte abziehe.« – »Das versteht sich,« entgegnet Trick, »und das wird mich nicht hindern, Geld zusammenzubringen.« – »Du gehst sogleich an's Geschäft: Du wirst die Bücher führen. Du sollst, wie man sagt, ordentlich schreiben?« – Ja, mein Herr. – »Du mußt sehr enge schreiben, um weniger Papier zu verbrauchen. Schreibst Du mit Stahlfedern?« – Ja mein Herr. – »Ganz gut, Du mußt sie Dir selbst anschaffen. Aber Du wirst doch diesen schönen Rock nicht zum Arbeiten anbehalten?« – O! nein, mein Herr; ich habe in meinem Paket eine Jacke und eine Blouse; o! ich habe Alles, was ich brauche, ich bin sehr gut versehen; – »Dann zieh' sogleich Deine Blouse an; Du darfst sie nur an den Sonntagen ausziehen, und selbst an diesen Tagen wirst Du, wenn Du mir glaubst, klug daran thun, sie anzubehalten.«
Trickchen setzt sich, obgleich er bei sich denkt, daß sein Herr die Sparsamkeit etwas weit treibe, pflichtgemäß in Bewegung, um seinen Nachtsack zu öffnen, den er beim Eintritt in den Laden in eine Ecke niedergelegt hatte.
Plötzlich entfährt dem jungen Bretagner ein Schrei des Schreckens; der alte Fripard erschrickt darüber und wendet sich zu ihm mit den Worten: »Solltest Du bereits Etwas zerbrochen haben?« – »Nein, mein Herr, das ist es nicht ... aber ... ja ... da sehen Sie ... mein armer Nachtsack, in dem ich acht Hemden, zwölf Sacktücher, drei Westen, zwei Beinkleider, zwei Jacken und eine Blouse hatte!«
Der alte Kaufmann tritt näher und sieht in den Nachtsack, der kahl ausgeleert war.
»Das ist eine Lehre der Sparsamkeit, die Dein Oheim Dir wird haben geben wollen,« sagt Herr Fripard. »Er denkt, daß Du genug an dem hast, was Du auf dem Leibe trägst.« – »O! nein, mein Herr, nein! ich habe mein Bündel selbst geschnürt und weiß gewiß, das ich Alles hatte, was ich Ihnen so eben hergezählt habe! ... Und nun nichts mehr! ... Ah, da ist ein Papier, worauf einige Worte geschrieben sind ...«
Trick öffnet das Papier und liest: »›Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollten gegen Diebe auf der Hut sein; Sie wollten mir nicht Glauben schenken; aber die guten Rathschläge, die ich Ihnen gegeben habe, sind wohl die Effekten werth, die Ihr Sack enthielt.‹«
»Ach, der Bösewicht! der Schuft!« ruft Trick, »mein Reisegefährte hat mich bestohlen.«
Der alte Fripard verzieht das Gesicht und sagt: »Guter Freund, das zeigt nicht an, daß Sie besonders schlau sind, und ich würde vielleicht wohl daran thun, Sie nicht in mein Geschäft zu nehmen, denn ich fürchte, Sie könnten mich auch bestehlen lassen!«
Trick verspricht dem alten Händler, ohne Unterlaß auf seiner Hut zu sein und nie Jemanden zu trauen, und Fripard entschließt sich endlich ihn zu behalten, indem er noch zu ihm sagt: »Zu Ihrem Glück ist Ihr Anzug fast noch neu, und Sie können ihn zehn Jahre so tragen, ohne ihn wenden zu lassen.« – »Ja, aber in zehn Jahren hoffe ich noch zu wachsen, und mein Anzug wird nicht mitwachsen!« seufzte leise Trick.
Glücklicherweise hatte der junge Bretagner sein Geld nicht auch in seinem Reisesack gehabt. Mit dem, was er besitzt, kauft er sich Wäsche, und hat bald diesen ersten Unfall vergessen.
*
Trickchen war seit acht Monaten im Laden des alten Trödlers, und da er sich die ganze Zeit über nicht ein einziges Mal hatte darankriegen lassen, so war sein Selbstvertrauen zurückgekehrt, und mit ihm jene Eitelkeit, jene Windbeutelei, welche seine schlimme Seite ausmachten.
Indessen verdiente der junge Lehrling immer nur vier Franken monatlich, was sehr wenig war; aber sein Herr zwang ihn, sparsam zu sein, indem er ihm keine Zerstreuung, kein Vergnügen erlaubte.
Eines schönen Morgens tritt ein sehr gut gekleideter Herr in den Laden des Trödlers, der damals gerade einen sehr eleganten, fast neuen Regenschirm in seinem Schaufenster ausgestellt hatte; derselbe untersucht den Schirm und fragt nach dem Preis.
»Sechsunddreißig Franken,« entgegnet Herr Fripard, »und das ist mein letztes Wort. Dieser Regenschirm ist von vorzüglichem Taffet, das Holz dabei ist kostbar und der kleine Knopf von Schildpatt mit Gold eingelegt. Er wurde nur aus Mangel an Raum verkauft. Für sechsunddreißig Franken ist er gleichsam hergeschenkt.«
»Ich behalte ihn, lassen Sie ihn mir nachtragen, ich gehe nach Hause.«
Da der Herr bereits ein Rohr hat, so findet man es ziemlich natürlich, daß er sich nicht auch mit einem Regenschirm beladen will.
Ueberdies kann man ein sehr honneter Mann sein und doch nicht gerade sechsunddreißig Franken in der Tasche haben, um einen gelegentlich gemachten Einkauf zu bezahlen.
Der alte Fripard übergibt den schönen Schirm unserem Trickchen, aber sagt ihm dabei in's Ohr: »Laß vor allen Dingen den Gegenstand nicht fahren, bis Du das Geld dafür hast!«
Trick macht ein bejahendes Zeichen mit dem Kopfe; er nimmt den Regenschirm unter den Arm und folgt dem Käufer mit den Worten: »Sie können ganz ruhig sein, Herr Fripard, er wird mich nicht darankriegen! Ich habe mich einmal hinter das Licht führen lassen, das ist wahr; allein wenn ich meinen Sack während der ganzen Reise in der Hand behalten hätte, wäre es mir nicht begegnet.«
Der schöne Herr läuft ziemlich lange fort; endlich bleibt er in einer Straße stehen, und im Augenblick, wo er in ein Haus treten will, dessen Hofthor offen steht, greift er in seine Taschen und ruft: »Ach, zum Henker! jetzt habe ich meine Dose in eurem Laden liegen lassen; ja! ganz gewiß, ich hatte sie, als ich von Hause fortging, und ich bin nur zu euch eingetreten ... ich erinnere mich jetzt ganz genau, daß ich eine Prise nahm; ich werde sie auf dem Ladentisch haben liegen lassen. Ich halte viel auf meine Dose, denn es ist ein Porträt von Teniers darauf, das ich von meiner Tante habe, die Mutterstelle bei mir vertrat. Junger Mann, geben Sie mir diesen Regenschirm und holen Sie mir meine Schnupftabaksdose.«
»Nein« denkt Trick, der bis über die Ohren roth wird »da wird nichts geschnupft« und drückt den Regenschirm noch fester unter den Arm, denn er erinnert sich an die Mahnung seines Herrn.
Der schöne Herr lächelt und fährt mit ganz artiger Miene fort: »Ich errathe die Ursache Ihrer Verlegenheit, junger Mann; Sie fürchten, mir den Regenschirm zurückzulassen, ohne bezahlt zu werden. Ich nehme Ihnen diese Furcht nicht übel; denn in Paris gibt es so viele Spitzbuben, daß man wohl daran thut, auf seiner Hut zu sein, namentlich wenn man beim Handel ist. Sehen Sie, mein junger Freund, hier sind zwei Zwanzigfrankenstücke, das ist etwas mehr, als ich Ihnen schuldig bin, aber bringen Sie mir meine Dose zurück, und die vier Franken, die übrig bleiben, behalten Sie für sich. Hier ist meine Wohnung ... fragen Sie nur nach Herrn Berlock; nun, eilen Sie, Sie werden mich verbinden.«
Trickchen übergibt schnell den Regenschirm. Er nimmt die zwei Goldstücke, die man ihm hingibt, und fängt an zu laufen, entzückt darüber, in einem Tag zu gewinnen, was er gewöhnlich nur in einem Monat verdient, und verspricht sich schon viel Vergnügen für den nächsten Sonntag mit seinen vier Franken.
Er kommt ganz vergnügt bei seinem Herrn an und fängt sogleich an im Laden herumzustöbern mit den Worten: »Wo ist die Schnupftabaksdose des Herrn? Er hat sie hier liegen lassen ... er weiß es gewiß, Sie müssen die Dose gefunden haben, es ist ein kleines Gemälde von Teniers darauf.« – »Ich habe nichts gefunden,« schreit der alte Fripard, »aber Du, Dummkopf, Du hast den Regenschirm nicht mehr? Solltest Du trotz meiner Warnung den Sechsunddreißigfrankenschirm ohne Bezahlung ausgeliefert haben? Ach! wenn Du mir diesen Streich gespielt hast, jage ich Dich fort!« – »Seien Sie ohne Sorgen, Herr, ich bin kein solcher Esel. Da, hier sind vierzig Franken in Gold, die der Herr mir gegeben hat, um Sie zu bezahlen, und der Rest gehört mir, wenn ich ihm seine Dose bringe. Zum Henker auch, wenn ich sie nur schon hätte!«
Und Trick sucht auf allen Vieren in allen Winkeln des Ladens nach der Dose.
Indessen hat der Händler die beiden Goldstücke, die man ihm an Zahlungsstatt gibt, genommen, aber ihr Gewicht kommt ihm schon verdächtig vor. Er untersucht sie genau, reibt sie zwischen den Fingern, stößt einen Zornschrei aus und versetzt seinem Commis einen Fußtritt auf den Hintern, der immer noch hartnäckig die Dose unter den Tischen finden will.
»Das, Esel!« schreit der alte Fripard, »das ist Dein Trinkgeld! Deine Zwanzigfrankenstücke sind zwei vergoldete, und noch dazu schlecht vergoldete Zwanzigsousstücke. Ich bin bestohlen!«
Trick ist wie versteinert, aber bald stürzt er aus dem Laden und rennt, was er kann; er erinnert sich der Straße, des Hauses, wo er den schönen Herrn verlassen hat; er kommt an, erkennt das Hofthor, tritt hinein und fragt beim Portier nach Herrn Berlock.
Der Portier entgegnet ihm: »Es hat noch nie ein Herr Berlock in diesem Hause gewohnt.«
Trick beschreibt den Herrn und den Regenschirm ganz genau; man weiß nicht, was er damit will.
Der arme Bursche kommt weinend zu dem alten Fripard zurück, der zu ihm sagt: »Du hattest mir sechsunddreißig Franken für den verkauften Regenschirm zu überbringen, und hast mir nur zwei gebracht, bleiben also noch vierunddreißig im Rest. Du hast bereits zweiunddreißig Franken bei mir verdient; diese gibst Du mir, und scherst Dich dann Deiner Wege; ich verliere bei diesem Handel noch vierzig Sous, aber ich will lieber dieses Deficit erleiden, als Dich noch länger behalten.«
Trick gab seine Ersparnisse heraus und verließ den Trödler mit der Frage an sich und an das Schicksal, was nun aus ihm werden solle?
*
Endlich erinnert sich Trickchen, daß er bei seinen Gängen die Bekanntschaft eines jungen Mannes gemacht habe, der in einem Modewaarengeschäft angestellt ist und ihm seine Adresse gegeben hat; er sucht ihn eilends auf und erzählt ihm sein Unglück.
Der junge Modewaarencommis stellt Trickchen seinem Herrn vor und macht ihn mit der traurigen Lage, in der sich der arme Bursche befindet, bekannt. Der Kaufmann willigt ein, Trick als überzähligen Commis anzunehmen.
So ist also der junge Bretagner in einem großen Modewaarenlager untergebracht, wo er seine Trödelbude nicht bedauert. Er benimmt sich so diensteifrig, hat so viel Gewandtheit in dem Geschäft, daß ihm sein Herr nach Verfluß von sechs Wochen zwölf Franken monatlichen Gehalt aussetzt.
Zwölf Franken monatlich! das war dreimal mehr als er bei dem alten Fripard verdiente; Trick zweifelt nicht, daß er auf dem Wege zum Reichthum wandle.
Es waren nun sechs Monate, daß Trickchen im Modewaarenlager angestellt war, und es ist unnöthig, zu sagen, daß auch sein Selbstvertrauen zurückgekehrt war, und er oft ausrief: »O, jetzt möchte ich es Niemand mehr rathen, einen Versuch zu machen, mich zu überlisten.«
Indessen hatte Trick namentlich die Verrichtung, die Ausgänge zu machen und die von den Kunden ausgewählten Stoffe denselben zu bringen.
Eines Tags verließ er sein Magazin mit zwei schönen französischen Caschemirshawls, die sorgfältig eingepackt und zugebunden waren, unter dem Arme.
Ein gut gekleideter Herr, der seit einiger Zeit dem kleinen Commis nachging, redete ihn alsbald an; er radebrechte das Französische, als ob er ein Deutscher, Engländer oder Italiener gewesen wäre; manchmal passirte es ihm, in alle drei Sprachen zugleich zu verfallen. Er grüßte Trick mit den Worten: »Myn klein Musje, Pardon, Excusir Sie, wenn ik mir wend' an Sie, ohne Sie zu kenn, aber ik sein fremd, ik nid hab Bekanntschaft, der Teuf!«
Der kleine Commis fing an zu lachen und antwortete: »Zum Kuckuk! man hört Ihnen wohl an, daß Sie ein Fremder sind; Sie sprechen das Französische wie ein savoyischer Kaminkehrer.«
»Ja, ja ... wie ein Kam ... Verzeih Sie, klein Musje, Sie hab ein so hübsch Gsicht, der flößen Zutrau ein, und wenn Sie mir wollt verbind' durk ein Nakweis, so werd' ik geb subito zwanzig Frank für Ihne!«
Mit diesen Worten zog der Fremde eine Handvoll Hundert-Sousstücke und Napoleonsd'or aus der Tasche, und der kleine Commis, der nun oft Gold und Silber unter die Hände bekommen hatte, überzeugte sich, daß es keine falschen Stücke waren.
Geblendet durch den Anblick so vieler Goldstücke und nichts sehnlicher wünschend, als nähere Bekanntschaft mit einem derselben zu machen, wenn es auf eine untadelhafte Art geschehen konnte, rief Trick aus: »Welche Gefälligkeit soll ich Ihnen erweisen, Fremdling? Sprechen Sie, und wenn es möglich ist, so bin ich bereit, Ihnen zu dienen.« – Das sein sehr leikt möglik, klein Musje; ik, fremd, komm nach Paris, mir zu amüsir, seh' Sie, aber ik lankweil mir immr, myn Herr! ik wollt hab, das Sie mir führ su ein klein Theater, wo man spielt komisch Farces, der mak recht lack ... Sie versteh mir? Musje? – »Ja, ich verstehe! Das ist sehr leicht; es fehlt in Paris nicht an Theatern, wo man sich Unterhaltung verschaffen kann; z. B. da ist der Circus, Seraphin, Curtius oder aber auch die Délassements-Comiques, wo ich zwar noch nie gewesen bin; aber die Herren vom Magazin sagen, daß man dort kleine Vaudevilles gebe, wie in der großen Oper.« – Gans gud, Musje! ik woll geh in so Theater; will Sie mir führ hin? – »Mit Vergnügen, kommen Sie.«
Trickchen geht voraus, der Fremde folgt ihm. Endlich sagt er zu dem jungen Manne: »Hör Sie, ik da hab mit mik ein groß Capital in Gold, das ik mögd verberg und nid mitnehm in die Comedie ... wiss Sie, weg der Dieb; führ Sie mir, wenn's beliebt, an die Kanal, an ein Ort, wo nid geh viel Mensch ... Sie versteh mir warum?« – »Das ist ganz leicht«, sagt Trick, »der Kanal ist gerade hinter den kleinen Theatern.«
Man kommt am Ufer des Wassers an einem Platze an, wo noch keine Häuser gebaut sind.
Der Fremde bleibt vor einem Haufen großer Steine stehen und sagt: »Hier hab ik groß Plaisir, zu versteck mein Schatz. Helf Sie, klein Musje.«
Trick geht in die Phantasie des Fremden ein; er hilft ihm eine ziemlich beträchtliche Summe unter den Steinen verbergen, während Niemand an Ihnen vorbeigeht.
Nachdem der Schatz versteckt ist, begibt man sich wieder auf den Weg.
Man kommt in die Nähe der Boulevards, und bereits will der kleine Commis dem Fremden das Theater zeigen, in das dieser zu gehen wünscht, als dieser noch einmal stehen bleibt und ruft: »Verzeih Sie, Musje, Entschuldig! ... Diable, ik sein unruhig ... ik haben Furcht man könn' find mein Schatz.« – Ah! verflucht; ich habe Ihnen zum Voraus gesagt, daß Sie eine Unklugheit begehen. – » Décidément, ik wollt sie hab wieder. Klein Musje, Sie wiss das Ort, wo is verborg, thu Sie mich den Gefall und hol Sie mein Schatz, dann bezahl ik Sie den Preis, den ik haben versprok, Saperment!« – »Wie Sie wollen«, entgegnet Trick und will fortrennen; aber der Fremde hält ihn auf mit den Worten: »Ein Minute! Sie geh su hol mein Gold, aber wenn Sie nid komm wieder? ... Pardon, aber ik Sie kenn nid, und man haben gesagt mir, daß man in Paris die Fremden recht attrapir.« – »Das ist wahr,« entgegnet Trick lachend, »man hat sogar mich schon betrogen.« – »Is es möglik? nun also klein Musje, laß Sie mich diese Paket da unter sein Arm für Garantie.«
Trick besinnt sich; die beiden Shawls, die er trägt, sind achthundert Franken werth ... aber der Fremde hat für tausend Franken in Gold versteckt; er gibt also das Paket ab mit den Worten: »Das ist nicht mehr als billig; nehmen Sie es und warten Sie auf mich ... o, ich werde nicht lange ausbleiben.«
Trickchen läuft, was er kann. Er kommt am Ufer des Kanals an, erkennt den Ort, wo er den Schatz hat verbergen helfen, hebt den Stein auf, langt hin ... aber da ist nichts mehr! Ein Spießgesell hatte bereits die Summe weggenommen, und der kleine Musje rennt nun, nachdem er alle herumliegenden Steine umgekehrt, wieder an den Ort zurück, wo er den fremden Herrn verlassen hatte, findet aber, wie sich von selbst versteht, Niemand mehr.
Der arme Bursche kehrt weinend in sein Magazin zurück. Seine Kameraden sagen ihm, daß er das Opfer eines sogenannten Topf-Diebstahls geworden sei, und sein Herr jagt ihn zum Hause hinaus, das er mit den Worten verließ: »ach! warum habe ich mir gerade den nicht von meinem ersten Spitzbuben expliziren lassen, er hätte es für das von ihm bezogene Honorar so gerne gethan!«
*
Trickchen kehrte nun zu seinem alten Oheim zurück und sagte zu sich selbst: »Ich habe Paris satt! ... Ach, welch' häßliche Stadt! welche Haufen von Koth, Schmutz, Menschen, Wagen, Omnibus, Kaufleuten, Straßenjungen, Betrügern, Aufschneidern, Dieben ... ich kehre zu meinem alten Oheim zurück, in meine schöne und gute Heimath Bretagne! Da weiß man wenigstens, mit wem man zu thun hat; man ist nicht unaufhörlich ausgesetzt Böcke zu schießen, und mit Verstand ist man nicht genöthigt, unaufhörlich auf der Hut zu sein, was sehr ermüdend ist, selbst für die klügsten Leute!«
Ihr seht, daß der junge Trick trotz Allem, was ihm widerfahren war, noch nicht von der guten Meinung, die er von sich hatte, zurückgekommen war; in seinem Zorn maß er alle Schuld der großen Stadt bei und schrieb alle Dummheiten, die er gemacht hatte auf ihre Rechnung. Aber so sind wir gewöhnlich: wir wollen nie eingestehen, daß wir Unrecht gehabt haben, außer wenn wir in der That viel Geist und Verdienst besitzen; in diesem Falle gestehen wir unsere Irrthümer offen ein, weil wir nicht befürchten, daß uns das als Dummkopf erscheinen lasse.
Nachdem Trickchen in seiner geliebten Bretagne angekommen war, erzählte er seinem alten Oheim nicht wie die Sachen in Paris sich zugetragen hatten: er stellte sich als Opfer der Ereignisse, der Umstände dar. Der alte Oheim glaubte ihm oder schien wenigstens ihm zu glauben, was absolut auf dasselbe herauskommt. Darauf starb der Greis, achtzehn Monate nach der Rückkehr seines Neffen und setzte Trick zum Universalerben ein.
Nun geschah es aber, daß dieser alte Oheim, der stets sehr einfach gelebt hatte und den man deßhalb für wenig bemittelt hielt, unserem Trickchen ein sehr rundes, sehr comfortables Sümmchen in guten Banknoten und Goldstücken hinterließ, die er in einer Kiste aufgehäuft hatte.
Die Goldstücke trugen auch in Wahrheit verschiedene Gepräge; es gab Louisd'or darunter, mit dem Bilde des unglücklichen Ludwigs XVI., dann Zwanzigfrankenstücke, die unter der Republik geschlagen waren, dann Stücke von Napoleon, von Carl X., Ludwig XVIII. u.s.w.
Von allen diesen Goldstücken schien Trickchen diejenigen am meisten in Affection zu nehmen, welche das Bildniß Ludwigs XVI. trugen. War es, daß er als Bretagner eine große Anhänglichkeit an diese Dynastie hatte? oder weil ein solches Stück vierundzwanzig Livres galt, während die andern nur zwanzig Franken werth waren? ... Das haben wir nie recht erfahren können ... ach! es gibt so viele Dinge auf der Welt, die man nie so recht erfährt!
So war also Trick im Alter von achtzehn Jahren sein eigener Herr und Besitzer eines ziemlich hübschen Vermögens.
Jetzt war es mehr als je von Wichtigkeit, sich nicht darankriegen zu lassen.
Wisset ihr aber, an was Trick dachte, um nicht darangekriegt zu werden? ... Ich gebe es euch zum Errathen auf!
Da ich übrigens schon sehe, daß ihr es nicht errathen werdet, so will ich es euch lieber sogleich sagen: er dachte daran, eine Frau zu nehmen ... das heiß' ich eine Idee! Gewiß, ein Frauenzimmer ist das hübscheste, verführerischste, herausforderndste Geschöpf, das man nur auf der Erde treffen kann; wenigstens habe ich noch nichts Besseres gefunden, und ich denke, man wird allgemein meiner Ansicht sein. Aber gerade deßhalb, weil die Frauenzimmer so viele Reize und so viel Anziehendes besitzen, ist es eine Thorheit, mit achtzehn Jahren schon an's Heirathen, an's Joch zu denken, und namentlich, wenn man die Liebe noch nicht kennengelernt hat. Die Ehe verlangt Erfahrung, viel Erfahrung! ... versteht sich von Seite des Mannes!
Und warum nur von Seite des Mannes? werden vielleicht die Frauenzimmer ausrufen.
Ach, meine Damen! weil, wenn Sie ebenfalls Erfahrung hätten, Sie wahrscheinlich nichts von uns wollen würden. Sind Sie nun zufrieden?
Trick sagte zu sich selbst: »Ich will mir ein kleines Weibchen auswählen, das fähig ist, mein Glück zu machen! ... O, ich weiß, was ich brauche ... ich werde mich nicht täuschen. Ich bin munter, ich muß also eine lachlustige Frau haben; ich habe Geist, und werde also nicht die Dummheit begehen, eine dumme zu nehmen; ich bin klug, meine Frau muß durch und durch pfiffig sein; ich liebe das Tafeln, meine Frau muß daher mit einem guten Magen versehen sein; ich liebe die Musik, meine Auserwählte muß also singen und ein gutes Gehör haben; endlich bin ich gut gewachsen und habe ein ziemlich hübsches Gesicht, es ist daher unumgänglich nothwendig, daß meine Hälfte gut gewachsen und hübsch sei, damit unsere Kinder kleine Amoretten werden.«
Ihr seht, daß der junge Trick ein Anhänger der Homöopathie war. Es gibt Personen, die glauben, im Ehestand seien Gegensätze viel besser als Gleichförmigkeiten. So viel ist gewiß, daß, wenn ihr z. B. zwei Hitzköpfe miteinander verheirathet, sie den lieben langen Tag mit Streiten und Zanken zubringen werden, ohne einander nachgeben zu wollen; zwei gesprächige Personen werden viel Mühe haben, sich zu verständigen; zwei cholerische oder hitzige Eheleute werden Alles bei sich zusammenschlagen; zwei naschhafte sich um die guten Bissen streiten.
Allein wenn ihr die Lebhaftigkeit mit der Gemächlichkeit, Geist mit Dummheit, Geiz mit Verschwendung, Munterkeit mit Traurigkeit verbindet, so wird eine Verbindung daraus entstehen, wo sich nothwendigerweise die Gemüther ebenfalls nicht verstehen werden.
Das Alles ist sehr beunruhigend.
Kehren wir lieber zu Trick zurück, der nie in Verlegenheit war, wie alle Leute, die ein großes Selbstvertrauen haben.
*
Mit achtzehn Jahren schmeichelte sich Herr Trick, die Frauen zu kennen! ... Welcher Hochmuth, während es so viele Leute mit achtzig und noch mehr Jahren gibt, die leben und sterben, ohne sie je begriffen zu haben! Philosophen, Gelehrte, Weise, Leute von Geist und von Geld haben schon so Vieles über die Frauen gesagt oder geschrieben, und in den meisten Punkten widersprechen sich ihre Ansichten schnurstracks, was macht, daß, wenn man alle diese Leute zu Rath gezogen, gelesen oder durchdacht hat, man um kein Haar weiter ist.
Aber der junge Trick glaubte sich weiter als die ganze Welt, und obgleich er weder Cato, noch Origenes, noch Tertullian, noch den heiligen Bernhard, noch Catullus, noch Juvenalis, noch Virgil, noch Confucius, noch Tibullus, noch Voltaire, noch Lafontaine, noch Boileau zu Rathe gezogen hatte, so war er doch überzeugt, daß er eine gute Wahl treffen werde.
Nun hatte Trick in der Nähe seiner Wohnung eine junge Person entdeckt, die etwa von seinem Alter sein mochte. Es war eine reizende Brünette, mit schwarzen, sammtnen Augen, langen Augenlidern, dichten und schön geschweiften Augenbrauen; die ganze Person athmete Heiterkeit, Vergnügen, Schlauheit und Koketterie; ihre feine, schlanke und geschmeidige Gestalt schien die glücklichsten Anlagen zu allen Leibesübungen anzukündigen, und das ist eine sehr zu berücksichtigende Eigenschaft bei einer Person, mit der man sich verheirathen will. Lebhaft, freundlich und aufgeweckt besaß Fräulein Pelagie (so hieß das junge Mädchen) Alles, was auf den ersten Anblick reizen und verführen kann. Ohne Zweifel indessen muß man eine Frau nicht bloß auf den Eindruck hin heirathen, den ihr erster Anblick auf einen macht.
Man sagt sich das, wenn man vernünftig ist; allein dieser erste gefährliche Anblick spielt einem fast immer einen Streich, und man vertilgt nicht leicht die Eindrücke, die er gemacht hat.
Fräulein Pelagie lebte bei einer alten, gelähmten Tante. Nun ist eine Tante, die sich nicht von ihrem Lehnstuhl rühren kann, eine sehr schwache Wache für ein junges Mädchen. Fräulein Pelagie aber überließ auch häufig ihre Tante der Fürsorge einer Magd und ging allein, sei es zu Fuß oder zu Pferd, auf das Land. Das junge Mädchen ritt auch wie eine Schülerin Bouchers oder Franconi's; sie machte oft Jagd auf kleine Vögel und rauchte Cigarren.
Trick hatte Alles das bemerkt, und war bezaubert.
Nachdem derselbe Fräulein Pelagie lange Zeit mit den Augen und Füßen verfolgt hatte, redete er sie eines Tages am Saume eines Haines an, wo sie abgestiegen war, um ihr Pferd ausschnaufen zu lassen. Der junge Mann näherte sich der verführerischen Amazone und sagte: »Entschuldigen Sie meine Kühnheit, Fräulein, allein schon lange Zeit wünsche ich mit Ihnen bekannt zu werden. Ich heiße Trick und wohne auf meiner Besitzung in Ihrer Nachbarschaft.«
Fräulein Pelagie kannte Trickchen sehr gut; sie hatte wohl bemerkt, daß er ihr seit langer Zeit beständig folgte, daß er immer hinter ihr her war, und errieth den Grund davon vollkommen.
Wo ist die Frau, die Dame, die Wittwe, das Fräulein, das junge Mädchen, die es nicht sieht, wenn sie eine Eroberung gemacht hat? sie müßte denn mit einem jener verzagten Liebhaber zu thun haben, die einer Dame nur von weiter Ferne folgen, sie nur verstohlen ansehen und es nicht wagen, ihre Fingerspitze zu berühren.
Aber diese Sorte von Liebhabern ist sehr selten geworden; man hat sogar guten Grund, zu glauben, daß der Same ganz ausgegangen ist.
Fräulein Pelagie lächelte dem jungen Trick sehr ermuthigend zu und entgegnete: »Sie sind kein Unbekannter für mich, mein Herr; ich weiß, daß Sie mein Nachbar sind, ich habe Sie bei meinen Spaziergängen schon mehrmal gesehen.« – Fräulein, was ich Ihnen sagen will, wird Ihnen vielleicht sehr voreilig, sehr keck erscheinen; wenn es sich aber um das Glück handelt, so war ich immer der Meinung, man müsse rasch zu Werke gehen. – »Dieser Ansicht bin ich auch, mein Herr; sprechen Sie nur und fürchten Sie nicht, sich zu erklären.« – Fräulein, seitdem ich meinen Oheim beerbt habe, fehlt mir nur noch eine Sache, um ganz glücklich zu sein. – »Worin besteht denn diese Sache, mein Herr?« – In einer Frau, Fräulein. – »Sie Schelm, für Sie ist also eine Frau eine Sache, nun gleichviel, Sie haben vollkommen Recht, mein Herr; ein Mann ohne diese Sache ist wie ein Leib ohne Seele.«
Der junge Trick hätte diese Bemerkung, namentlich aus dem Munde eines Mädchens, etwas keck finden können; allein weit entfernt davon, war er vielmehr entzückt von dieser Antwort und rief aus: »Sie sprechen wie ein Engel, Fräulein; ja ich bin der Leib, der eine Sache, wollte sagen, eine Seele sucht. Wollen Sie die meinige sein, reizende Pelagie? oder, um unfigürlich zu sprechen, wollen Sie meine Frau werden? ... Ich lege meinen Namen, meine Person und mein Vermögen zu Ihren Füßen.«
Pelagie betrachtete den jungen Mann mit einer Miene, die man verschieden deuten konnte, und entgegnete zuletzt: »Sie sind also in mich verliebt?« – Bis zum Wahnsinn! – »Schon lange?« – Seit sechs Wochen. – »Und Sie sagen mir das erst heute ... Sie haben lange überlegt.« – Drum wagte ich nicht ... – »Ha! ha! ha! Ein ängstlicher Mann kommt mir vor wie ein hinkendes Pferd! wenn man sich einem solchen anvertraut, so darf man sicher sein, daß man in Kurzem im Koth liegt.«
Trick fand auch diese Bemerkung köstlich und entgegnete: »Fräulein, ich hinke nicht; vertrauen Sie sich mir an, ich werde Sie nicht fallen lassen. Gewähren Sie meine Bitte? Erlauben Sie mir, zu hoffen?« – »Hoffen können Sie immerhin, das schadet nie Etwas; was aber das anbelangt, daß ich Sie zum Mann nehmen soll, so ist das wohl möglich, indessen muß ich vor Allem Ihren Charakter kennen lernen, muß wissen, ob Sie mir auch anstehen. Reiten Sie?« – »Ein wenig, Fräulein.« – »Nun, so sitzen Sie hinter mir auf, da wollen wir dann sehen, wie Sie sich halten werden.«
Und ohne die Antwort Tricks abzuwarten, sprang Fräulein Pelagie leicht auf ihren Renner. Der junge Mann brauchte viel länger, um hinter ihr hinaufzuklettern; endlich saß er auf dem Rücken des Pferdes.
»Halten Sie mich gut,« sagte Pelagie, »aber ich sage Ihnen zum Voraus, daß ich gerne schnell reite.« – O, Fräulein,« entgegnete Trick, die schlanke und wollüstige Taille der Amazone umfassend, »reiten Sie Trab, Galopp, was Sie immer wollen ... in voller Carrière meinetwegen! Ich bin zu glücklich, mit Ihnen auf einem Pferde zu sein.«
Pelagie gab ihrem Pferde einen Schlag mit der Reitpeitsche, und dieses rannte mit der Schnelligkeit des Blitzes dahin.
Trick umfaßte die Reiterin, aber trotzdem machte er auf dem Rücken des Renners Sätze und Höpse, daß er dadurch zu sonderbaren Grimassen genöthigt wurde. Bald fing der Renner Pelagiens, der nicht gewohnt war, zwei Personen zu tragen, an zu bocken, und Trick, der auf diese neue Art Exercitium nicht vorbereitet war, ließ seine Genossin fahren und rollte in den Staub.
»Sie sind nicht stark!« sagte Pelagie lachend, »aber ich will Ihnen Unterricht geben. Haben Sie ein Pferd?« – Nein, Fräulein. – »Nun, da müssen Sie ein sehr schönes, sehr lebhaftes, sehr gut dressirtes kaufen, das geben Sie mir und ich werde Ihnen dafür dieses geben, das nie bockt, wenn es nur eine Person trägt.«
Am andern Morgen bot Trick der schönen Amazone ein sehr hübsches Pferd an.
Zwei Tage nachher ließ sich Fräulein Pelagie von Trick ein schönes Perlenhalsband schenken; einige Tage später Ohrgehänge mit Diamanten. Das junge Mädchen hatte unendlich viele Gelüste und sagte: »Um mir zu gefallen, muß man vor Allem meine Capricen befriedigen; ich werde nie an die Liebe eines Mannes glauben, der nicht alle meine Launen befriedigt.«
»Sie muß überzeugt sein, daß ich sie liebe,« dachte Trick bei sich, »denn ich beeile mich, ihr Alles anzubieten, was Sie zu wünschen scheint. Aber ich bin auch überzeugt, daß sie erkenntlich dafür und rasend in mich verliebt ist.«
Und Trick sagte bald darauf zu Pelagie: »An welchem Tage machen wir Hochzeit?«
Und diese entgegnete: »Bald! aber ich muß erst Ihren Charakter noch besser studiren.«
Der junge Mann konnte gar nicht begreifen, daß es an ihm so viel zu studiren gebe, und war auch darüber nicht zum besten gestimmt, daß Fräulein Pelagie viele andere junge Leute empfing.
»Wenn es Liebhaber sind,« sagte Trick zu dem jungen Mädchen, »warum schicken Sie sie nicht fort? ... denn da ich Ihnen gefalle, so können Ihnen diese nicht auch gefallen.«
Diese Folgerung war durchaus unrichtig, denn täglich gefallen uns zu gleicher Zeit viele Personen; deßhalb antwortete Pelagie auch nur kurz und lachend: »Diese jungen Leute besuchen meine Tante ... sie liebt Gesellschaft und es macht ihr Vergnügen, Leute bei sich zu sehen; ich bin eine zu gute Nichte, um ihr dieses Vergnügen nicht zu gönnen.«
Aber eines schönen Morgens hatte Trick die Idee, bälder aufzustehen als gewöhnlich, um die Sonne aufgehen zu sehen; und so bemerkte er, als er in einem ziemlich dichtbewachsenen Gehölze spazieren ging, hinter einem Gebüsche Fräulein Pelagie mit einem schönen jungen Manne, wie sie ebenfalls die Sonne und auch noch andere Sachen aufgehen sahen.
Trick wurde blaß, gelb, roth und blau vor Aerger, sich so haben anführen zu lassen. Was die junge Amazone anbelangt, so sagte sie lachend: »Ah, Sie spioniren den Leuten nach? ... Ich werde Sie unter keinen Umständen heirathen, Sie sind zu mißtrauisch ... und dann verstehen Sie nicht gehörig aufzusitzen.«
»Um meine Geschenke bin ich geprellt,« dachte Trick auf dem Heimwege; »doch zum Glück habe ich das noch gesehen, ehe ich ihr Mann wurde. Nun, ich habe mich getäuscht ... ich hielt das junge Mädchen für etwas frei in ihrem Thun, aber ich sehe nun ein, daß sie es zu sehr ist. Daran ist ihre Tante Schuld, weil sie lahm ist. Ich werde mich an kein Mädchen mehr machen, deren Verwandte kontrakt sind. Wie gut es doch ist, daß ich heute Morgen so bald aufgestanden bin! Ich werde mir eine andere Frau suchen, aber dieses Mal werde ich mich nicht anführen lassen; ich will mich an eine solidere Adresse wenden. Offenbar war Fräulein Pelagie zu leichtsinnig, ihre Manieren riechen nach dem Stall, sie sind mir zu reitermäßig. Eine bescheidene und zurückhaltende Frau ist besser. O, ich werde finden, was ich brauche. Suchen wir nur es recht bald zu finden.«
Dem jungen Trick pressirte es, das eheliche Band zu knüpfen; er sah nur in der Ehe das Glück; er dachte wie Voltaire schrieb:
»... der Himmel ließ die Frauen werden,
Den bösen Reiz zu dämpfen uns'rer Seele,
Zu mildern uns're Launen und Beschwerden,
Zu sänft'gen uns, zu bessern uns're Fehle.«
Fräulein Pelagie hatte es jedoch auf eine eigenthümliche Weise angefangen, den bösen Reiz von Trickchen zu dämpfen! Aber mit achtzehn Jahren vergißt man schnell ein Mißgeschick.
*
Bald hatte der junge Mann erfahren, daß sich in einem hübschen Bürgershause, das von alten Rentiers bewohnt wurde, ein heirathsfähiges Fräulein befinde, und daß dieses Fräulein, das man wegen seiner Anmuth und Schönheit rühmte, auch ein Muster von Tugend sei.
Trick begibt sich eines Tages keck zu den Eheleuten Romorantin, stellt sich als Nachbar vor, der ihre Bekanntschaft machen will, und sieht zum ersten Mal Fräulein Seraphinetta.
Denkt euch eine Blondine mit blauen Augen und kleinem, lieblichen Munde, mit einer bescheidenen Stirne, auf welche schöne Haare in vollen Locken herabwallen, während andere noch weiter herunterfallen und sich schmeichelnd an einen Hals und Schultern von blendender Weiße schmiegen; kurz, denkt euch eine junge, niedliche, runde Person, mit kleinem, wohlgebauten Fuße, züchtigem, verschämten Gange, welche die Augen niederschlägt, wenn man sie ansieht, erröthet, wenn man mit ihr spricht, in Verlegenheit kommt, wenn sie antworten muß, und ihr habt einen Begriff von dem, was Fräulein Seraphinetta war.
Indem Trick die Tochter des alten Geldmannes betrachtet, fühlt er sich auf der Stelle hingerissen, bezaubert, entflammt, verführt.
Ihr findet vielleicht, daß Trick sehr leicht Feuer fing; ich entgegne euch, daß er damals erst achtzehn und ein halb Jahr alt war, und daß in diesen Jahren ein Mann schlecht organisirt ist, wenn er nicht so schnell in Flammen geräth, wie ein Paket Zündhölzchen; daß außerdem ein Mann beim Anblick einer Schönheit immer Feuer fangen muß, und er dazu auf der Welt ist! ... Fragt die Frauen, was das für ein Geschöpf von einem Manne sei, der nicht mehr Feuer fängt? ... etwas sehr wenig Unterhaltendes in Gesellschaft.
Trick sagte zu sich: »Das ist die Frau, die mir ansteht: Reinheit, Bescheidenheit, Sanftmuth, Zurückhaltung ... fast immer schlägt sie die Augen nieder! Welch' ein Unterschied zwischen jener treulosen Pelagie, deren Augapfel aussah, als wollte er bis unter meine Weste hindurchdringen, und die eine Art Gangwerk hatte, das so ziemlich dem Cancan ähnlich sah, den ich in Paris habe tanzen sehen. Ich werde das junge Mädchen heirathen ... ich will gerne glauben, daß ich ihr anstehen werde; sie hat mir noch nie in's Gesicht gesehen, aber ich meine, so von der Seite habe sie mich ein wenig angeblinzelt. Dann sieht sie so gehorsam, so unterwürfig gegen ihre Eltern aus, daß, wenn diese zu ihr sagen: »›Du wirst Frau Trick!‹« sie, ich wette darauf, zur Antwort gibt: »›Mit Vergnügen, Papa; sobald Sie wollen, Mama‹«
Trick beeilte sich, bei den Eltern anzuhalten.
Herr Romorantin war ein großer, magerer, gelber, trockener Greis, der viel Ähnlichkeit mit einem Raben hatte; seine Frau Gemahlin war ein kleines Frauchen, etwas bucklig und sehr krummbeinig, die ganz leicht die Fee Carabosse hätte vorstellen können.
Die Eltern der schönen Seraphinetta thaten viele Fragen an den jungen Trick über seine Stellung, sein Vermögen; dann erlaubten sie ihm, zu hoffen, und sagten: »Indessen wollen wir Sie besuchen, um uns von Ihrer Lage zu überzeugen.«
Trick nahm diesen Vorschlag mit Freude auf. Er lud die Familie Romorantin ein, sein Haus als das ihrige zu betrachten und so oft es ihr beliebe bei ihm zu speisen.
Man muß gestehen, daß der alte Herr, der einem Raben ähnlich sah, eine sehr ausgesprochene Neigung für die Tafel hatte, und daß Madame Carabosse, seine Gemahlin, trotz ihres Alters, außerordentlich kokett war.
Herr Romorantin quartirte sich also bei Trick ein: er setzte sich des Mittags an den Tisch und blieb da, bis er zum Schlafengehen nach Hause mußte, dabei war man noch genöthigt, ihn heimzuführen, manchmal sogar heimzutragen, weil seine Beine ihm jeden Dienst versagten.
Was Madame Romorantin anbelangt, so mußte der junge Trick, um gut von ihr aufgenommen zu werden, ihr jeden Tag irgend ein Kleidungsstück, einen Schmuck oder einen Flitterkram bringen.
Dafür erhielt aber auch Trick manchmal die Erlaubniß, im Garten allein mit Fräulein Seraphinetta spazieren zu gehen; das war eine große Gunst, denn die alte Kokette sagte oft: »Meine Tochter wurde mit einer heut zu Tage seltenen Sorgfalt erzogen. Sie hat eine stolze Erziehung genossen, aber sie hat allen ihren Unterricht unter unsern Augen empfangen! Wir hätten sie mit keinem Professor allein gelassen, selbst wenn er neunzig Jahre alt gewesen wäre. Seraphinetta ist musikalisch und malt, sie kennt die Geographie, Geometrie, Algebra, Astronomie ... sie ist sogar sehr stark in der Astronomie! es gibt keinen Stern am Himmel, den sie nicht am kleinen Finger herzählen könnte; sie wäre sogar fähig geworden, die Finsternisse und Kometen vorherzusagen. Aber da ihr Professor ein sehr hübscher Bursche war, so habe ich gedacht, sie wisse bereits genug von der Astronomie, und man dürfe diese Wissenschaft nicht zu weit treiben. Unsere Tochter ist ein Schatz, man muß sich seines Besitzes würdig machen.«
Trick versäumte nichts, um in den Besitz des Schatzes zu gelangen; er ließ den alten Romorantin sich täglich in den besten Weinen seines Kellers betrinken, er richtete sich mit Geschenken an die Madame Carabosse zu Grunde, und man sagte ihm endlich Seraphinetta zu und erlaubte ihm, ihr seine Liebe zu erklären.
Als Trick zur kleinen bescheidenen Blondine sagte, daß er sie anbete und ihr Gemahl werden wolle, begnügte sich diese, die Augen niederzuschlagen, eine Verbeugung zu machen, indem sie sagte: »Wie Sie wollen, mein Herr.«
Dieses »Wie Sie wollen,« schien dem jungen Manne ziemlich unbestimmt zu sein; er fragte also nochmals, während er sich zugleich bemühte, in seine Stimme alle Liebe zu legen, die er empfand: »Aber, Fräulein, wird das Ihnen nicht auch Freude machen?« – O! mir, mein Herr ist das gleichgültig. – »Ah! das ist Ihnen gleichgültig, sich zu verheirathen? Sie haben also keine Neigung zu mir?« – Ich weiß es nicht, mein Herr. – »Ah! Sie wissen nicht, ob Sie mich lieben?« – O! ich, ich liebe Jedermann, mein Herr.«
Statt diese Antwort für eine zukünftige Gattin wenig beruhigend zu finden, sah Trick darin den Ausdruck des höchsten Grades von Unschuld, er sprang vor Freude in die Höhe ... und wäre Seraphinetta an den Hals gesprungen, wenn er es gewagt hätte; allein die Achtung hielt ihn ab und er begnügte sich, ihr die Hand respektvoll zu küssen und zu sagen: »Fräulein, Sie werden die Crème aller Gattinnen und ich die aller Männer sein!«
Trick bedachte nicht, daß aus einer solchen Verbindung leicht Käse entstehen kann. Er war auf dem Gipfel seiner Wünsche. Noch am nämlichen Tage machte er der alten Buckligen ein prächtiges Geschenk, und diese sagte zu ihm: »Sie werden nächste Woche mein Eidam.«
Und Abends brachte er seinen Schwiegervater in spe tüchtig benebelt nach Hause, der zwar nicht im Stande war, ihm etwas zu sagen, aber ihn lallend umarmte, und ihn mit ungeheurer Weinrührung entließ.
Im Augenblick, wo er in seine Wohnung treten wollte, bemerkte Trick, daß er noch den Schlüssel in der Tasche habe, der das Thorgitter an dem Garten seines künftigen Schwiegervaters schloß. Da kam ihm plötzlich eine Idee in den Kopf und er sagte zu sich: »Jetzt schnarcht der alte Romorantin, und wahrscheinlich macht es seine Frau ebenfalls so; wenn ich jetzt in ihr Haus zurückkehrte ... das Fenster von Fräulein Seraphinetta geht auf den Garten und sie wohnt zu ebener Erde ... das Mädchen kann noch nicht eingeschlafen sein ... man schläft nicht so schnell ein, wenn man auf dem Punkte steht, sich zu verheirathen ... ich will leise an ihr Fenster klopfen, sie wird aufmachen und dann plaudern wir noch ein wenig, ich im Garten, und sie an ihrem Fenster; das ist gewiß nicht unanständig, und da ich ja in acht Tagen ohnehin der Gemahl des hübschen Kindes werde, so ist es kein großes Verbrechen, wenn ich ein wenig mit ihr im Mondschein plaudere ... auch ist das Wetter gerade schön und man sieht fast so deutlich als bei hellem Tage.«
Trick ging also gegen das Haus der Familie Romorantin zurück. Mit Hülfe des Schlüssels, den er besaß, öffnete er die Gitterthüre und war bald mitten im Garten. Dieser Garten, in dessen Hintergrund das Haus stand, war ziemlich groß und auf englische Art mit krummen Wegen, dichten Gesträuchen und dergleichen angelegt.
Als Trick durch diesen Theil des Gartens ging, glaubte er in seiner Nähe sprechen zu hören: er blieb stehen. Das Geräusch kam aus einem Syringenbusche, der gerade vom Mond beleuchtet war; Trick dagegen, der sich im Schatten befand, hatte nicht zu fürchten, gesehen zu werden. Ein Ton, der dem mehrerer schnell auf einander folgenden Küsse sehr ähnlich war, hatte unsern jungen Verliebten nicht wenig beunruhigt, der nun, als er das Laubwerk sachte auseinander bog, Fräulein Seraphinetta ganz nahe neben einem hübschen Jungen sitzen sah, der, sie in seine Arme schließend, zu ihr sagte: »Ich habe Dich fast alle Sternbilder und Planeten kennen gelehrt, den großen Bären, Venus, Merkur, die drei Könige und eine Menge anderer, die den Glanz Deiner Augen nicht haben, und das Bild des Stiers stellt sich Dir in Deinem Bräutigam sogar bei Tage dar; jetzt, meine süße Freundin, laß mich nur noch Studien über den Mond mit Dir vornehmen. Ich bin froh, daß der Ochse, den Du heirathest, Dich in Beziehung auf die Astronomie nichts mehr zu lehren braucht.«
Und alsbald fing der schöne Professor an, sich dem Studium mit seiner jungen Schülerin zu überlassen, die sich außerordentlich gelehrig zeigte und das lebhafteste Verlangen zu haben schien, sich recht viel beibringen zu lassen.
Trick war einen Augenblick wie versteinert, als er ein Viertel des Mondes sah, auf das der Professor seine Studien richtete; aber bald hatte er sich gefaßt, er schlug ein schallendes Gelächter an und entfernte sich indem er sang:
»Hast Du gesehen
Den Mond aufgehen?«
Ja. liebes Kind.
Er wächst geschwind.«
Und am andern Morgen warf er den alten Raben, der sich abermals einen Haarbeutel bei ihm holen wollte, zur Thüre hinaus.
*
Indessen hatten diese beiden Abenteuer die Eitelkeit des jungen Trick etwas niedergeschlagen, er war fast genöthigt, sich zu gestehen, daß er sich noch einmal habe anführen lassen, und daß er sich auf die Frauen doch nicht so gut verstehe, als er gemeint hatte.
Wenn er ganz aufrichtig gewesen wäre, so hätte er sich gesagt, daß er sich gar nicht auf sie verstehe.
Ein Anderer hätte genug gehabt, und den Gedanken, zu heirathen, aufgegeben. Aber Trick hielt viel darauf, verheirathet zu sein, und man sagt, daß man seinem Schicksal nicht entgehen könne.
Eines Tages war Trick in Gesellschaft einer jungen, ziemlich häßlichen Wittwe begegnet, die, wie man sagte, ihren Verblichenen sehr glücklich gemacht haben sollte. Er stellte sich ihr vor, machte seinen Antrag: man nahm ihn an, und nach Verfluß von vierzehn Tagen heirathete er.
»Bei Gott!« rief Trick am Morgen nach seiner Hochzeit aus, »ich habe sehr wohl daran gethan, eine Frau zu nehmen, die nicht hübsch ist, ich kann wenigstens im Punkte ihrer Treue ruhig sein. Ich weiß zwar wohl, daß es traurig ist, eine Häßliche nehmen zu müssen, um nicht die Befürchtung zu haben, daß man zum Hahnrei werde; aber man gewöhnt sich am Ende an das Gesicht, während ich mich nie hätte daran gewöhnen können, angeführt zu werden.«
Zwei Monate nach seiner Verheirathung ging Trick zufällig in seinen Keller hinab, wohin er sonst nie kam, und überraschte da seine Frau in außerordentlich verbrecherischer Unterhaltung mit einem Nachbar, der sich angeboten hatte, ihm seine Flaschen zuzupfropfen.
»Der Teufel hole den Nachbar mit seiner Pfropferei!« sagte Trick zu sich, seine Sinn reibend »da ich dem Kopfschmuck nun einmal nicht entgehen konnte, so halte ich eben so gut daran gethan, eine Hübsche zu nehmen.«
Und Trick verließ seine Frau und ging fort, um allein in irgend einem kleinen Winkel der Erde zu leben, indem er zu sich selbst sagte: »Ich will Niemand sehen, mit Niemand zu thun haben: denn dann müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn ich noch einmal angeführt würde.«
Auf diesem beharrte Trick eigensinnig. Er wollte durchaus nicht einsehen, daß in dieser elenden Welt diejenigen Leute die glücklichsten sind, die sich am leichtesten anführen lassen.
Vanitas vanitatum et omnia vanitas!
(O! Eitelkeit über Eitelkeit ... Alles ist eitel!)