Paul de Kock
Chipolata
Paul de Kock

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Die Mägde der Madame Bouracand

Domestica facta.

Wenn Sie nicht altern wollen, so wechseln Sie weder Ihre Wohnung, noch Ihre Bedienung.

Dieser Rath könnte Ihnen vielleicht unrichtig scheinen, und Sie werden mir sagen: »Die Zeit geht ihren Gang, mag ich nun im Marais oder in der Chaussée d'Antin wohnen, mich von einer Picardierin oder einer Normännin bedienen lassen.« Ich antworte Ihnen, daß nicht altern so viel ist, als alt werden, ohne es zu bemerken.

Aber Sie werden mir vielleicht wiederum entgegnen, daß andere Leute dieses an Ihrer Stelle bemerken werden!

Was liegt Ihnen daran? Sie lachen die andern Leute aus.

Herr Bouracand war ein kleiner Mann von etwa fünfzig Jahren; in seiner Jugend hatte er mit Gemälden gehandelt und im reiferen Alter einen sehr ausgesprochenen Geschmack für die Künste behalten.

Herr Bouracand war nie hübsch gewesen: er hatte kleine Augen, eine sehr lange Nase, einen sehr großen Mund und ein Kinn, das nie in eine Cravatte sich geschmiegt hatte. Er war nicht gut gewachsen, denn er rieb die Kniee aneinander, wenn er ging, und besaß nicht einmal einen Ansatz von Waden; trotzdem betete ihn seine Gemahlin an, die auf der ganzen Welt sich nichts Schöneres denken konnte, als ihren Gatten.

Weil die Liebe uns blind macht, so darf man sich nicht wundern, daß man die Leute schön findet, die man liebt. Madame Bouracand war merkwürdig blind und ihre Leidenschaft ging bis zur Eifersucht, und diese lächerliche Eifersucht machte ihren Gemahl oft unglücklich.

Es ist manchmal ein Unglück, von seiner Frau angebetet zu werden, wenigstens öfters sehr gênant!

Madame Bouracand war eine große Frau, die früher sehr schön gewesen sein mußte; sie hätte eine Kokette sein, Liebhaber haben und ihren Mann hintergehen können, so viel ist gewiß. Aber sie zog es vor, ihren Gemahl anzubeten, der sehr häßlich war und wenig Geist hatte. Es gibt schöne und geistreiche Leute, denen dieses Glück nie begegnet.

Aus der Vereinigung der beiden Eheleute waren zwei Mädchen entsprossen, welche zum Glück nicht das Ebenbild ihres Vaters waren, was wieder beweist, daß man seinem Manne sehr treu sein und ihm dennoch Kinder schenken kann, die manchmal einem Nachbar oder vertrauten Freund ähnlich sehen. Die Natur ist entsetzlich bizarr in ihren Launen.

Die kleinen Bouracands hießen: die eine, Adele, die andere Eugenie.

Sie waren ganz und gar wie alle kleinen Mädchen ihres Alters, lernten wenig, spielten viel, und hatten kein ausgesprochenes Talent für irgend einen Beruf, was ihre Eltern sehr tröstete; denn diese hatten gehört, daß Wunderkinder nicht lange leben.

Die Familie Bouracand bewohnte eine hübsche Wohnung auf einem Kai.

Der ehemalige Gemäldehändler hing an seinen Gewohnheiten; statt Geistes hatte er gesunden Menschenverstand, was manchmal mehr werth ist, und auch er fand, daß nichts so sehr alt mache, als Wechsel der Wohnung und der Umgebung.

Er behielt seine Wohnung, die heiter war, und seine Magd, die seit zehn Jahren bei ihm diente, und er schmeichelte sich, immer seine Wohnung und seine Magd behalten und das angenehme Leben, das er führte, fortsetzen zu können, ohne je Etwas an seinen Gewohnheiten ändern zu müssen.

Allein der Mensch denkt und Gott lenkt, und ihr wisset, daß die kleinsten Ursachen oft die größten Veränderungen herbeiführen.

*

Eines Tages blieb Herr Bouracand sehr lange am offenen Fenster stehen, um dem Lauf der Seine zuzusehen. Das ist ein sehr unschuldiges und nicht ganz unpoetisches Vergnügen.

Herr Bouracand hatte keine Absicht dabei; er machte nie Verse, und konnte somit auch keine auf die Wellen des Flusses machen, die schon so viele Poeten begeistert haben; aber er zog sich einen Schnupfen zu.

Es gibt tausenderlei Mittel gegen den Schnupfen, und Herr Bouracand hatte gehört, das Beste sei, wenn man sich die Nase mit Unschlitt einreibe.

Madame Bouracand hatte sich schon lange zur Ruhe gelegt, als sie die Stimme ihres Mannes in der Küche zu vernehmen glaubte; sie stand auf, ging hinaus und fand Herrn Bouracand, der sich im Nachtgewande von seiner Magd die Nase mit einem Lichte einschmieren ließ.

Eine eifersüchtige Frau sieht in den unschuldigsten Handlungen etwas Unrechtes; die Gattin des Gemäldehändlers wird purpurroth und schreit, wüthende Blicke auf die Magd werfend: »Was machen Sie da?«

»Du siehst es ja: ich lasse mir von Dorothea die Nase mit Talg einschmieren.«

»Was soll das heißen, mein Herr?«

»Das soll heißen, daß ich einen Schnupfen habe, und man hat mich versichert, dies heile ihn am besten.«

»Und Sie konnten sich die Nase nicht selbst einschmieren.«

»Ich rühre nicht gern Unschlitt an.«

»Ei mein Herr!«

Damit stößt Madame Bouracand ihren Mann vor sich her, und ruft, im Zimmer angekommen, aus: »Sie sind ein schändliches Ungeheuer!«

»Warum? weil ich Unschlitt auf der Nase habe?«

»O, das sind leere Ausflüchte. Und wenn Sie der Meinung sind, ich lasse mir so Etwas weis machen ...«

»Wie so?«

»Ja, Ihr Schnupfen ist ein Vorwand; Sie waren mit Jungfer Dorothea in der Küche! ... O, ich habe schon längst Etwas geahnt! Ich sah es schon, wie Sie ihr Blicke zuwarfen?«

»Blicke zuwarfen! wem?«

»Sie verstehen mich ganz gut. Sie haben ein Verhältniß mit der Magd.«

»Ich ein Verhältniß mit der Magd? Sage mir, liebe Freundin, träumst Du noch?«

»Nein, ich träume nicht! Jetzt wundert es mich nicht mehr, warum Sie dieselbe so nachsichtig behandeln ... Sie zanken sie nie.«

»Du zankst sie hinlänglich für uns Beide.«

»Man könnte glauben, Sie fürchten sich, ein Wort an sie zu richten ... Sie haben bei Tische nicht einmal den Muth, einen Teller von ihr zu verlangen.«

»Ach, was fällt Dir ein, liebe Frau!«

»Nein, Sie wagen es nicht! Aber ich dulde diese Schlechtigkeit nicht länger. Ich jage die Jungfer Dorothea fort.«

»Das heißt, Du jagst ein Mädchen fort, welches schon zehn Jahre bei uns dient, und an das wir gewöhnt sind!«

»Ja, ja, ich glaube, daß Sie nur zu sehr an sie gewöhnt sind!«

»Madame Bouracand, Sie sind eine Närrin. Wenn Sie das Mädchen fortschicken, machen Sie eine Dummheit. Sie hat zwar ihre Fehler, aber es ist keine tadellos, und für hundert Franken jährlich kann man keinen Engel erwarten; man darf sich sogar glücklich schätzen, wenn die Fehler nicht vorwiegen. Sie dürfen die Dorothea nickt fortschicken, weil ich es nicht zugebe; wir würden es bald bereuen, und ich kann die neuen Gesichter nicht leiden.«

Herr Bouracand zeigte bisweilen Charakter; wenn er schrie, schrie er tüchtig; wenn er böse wurde, kannte man ihn nicht mehr.

Madame gab keine Antwort und sprach am folgenden Morgen nicht mehr davon, die Magd fortzuschicken; aber sie hatte sich in den Kopf gesetzt, nicht nachzugeben, und sie wußte wohl, daß sie ein Mittel finden würde, ihre Absicht zu erreichen.

*

Nach Verlauf einiger Tage waren weder das Frühstück noch das Mittagessen zu rechter Zeit fertig, die Möbel waren nicht gehörig abgestäubt, es ging Alles im Hause verkehrt, und man hörte von Morgens bis Abends Madame Bouracand über ihre Magd klagen.

Eines Tages deutete Madame auf ein Möbel und sagte zu ihrem Manne: »Sehen Sie, es ist Alles voll Staub, aber Sie wollen Ihre Magd behalten.«

Herr Bouracand näherte sich dem bezeichneten Gegenstand, sah nichts und schwieg. Ein anderes Mal hielt ihm seine Frau einen silbernen Löffel unter die Nase und sagte: »Riechen Sie daran, Herr Gemahl.«

Herr Bouracand beugte sich auf den Löffel herab, roch aber nichts: allein Madame schrie: »Wir haben gestern Fische gegessen und man riecht es heute noch ... das ist sauber!«

Herr Bouracand dachte bei sich: »Ich meine doch, man esse die Fische nicht mit dem Löffel!« Aber er schwieg, um keine Händel anzufangen.

Später brachte Madame ihrem Manne alle Tage eine Casserole, damit er sie betrachte, und sagte:

»Sehen Sie, man sorgt durchaus nicht für unser Küchengeräthe, es wird nie gefegt; am Ende vergiftet man uns noch! Aber Sie wollen Ihre Magd behalten.«

Da übrigens Alles dies nichts nützte, trat Madame Bouracand eines Morgens, blaß, mit aufgelösten Haaren und beinahe entstellten Zügen vor ihren Mann, sank auf einen Stuhl nieder und rief aus: »Sie muß fort, oder ich verlasse das Haus, Sie haben die Wahl!«

»Was gibt es denn wieder, liebe Frau?«

»Was es gibt? ... Das Mädchen hat mich beleidigt ... ja, mein Herr, beschimpft sogar! Sie hat gesagt ... wie abscheulich! ... sie hat gesagt: sie sei so gut wie ich!«

»O, der Teufel! das scheint mir wirklich sonderbar! zu sagen, sie sei so gut wie Du, das klingt wie Spott! Da mußt Du sie sehr gereizt haben? ... Du behandelst sie seit einiger Zeit wie eine Sklavin. Bedenke, daß die Dienstboten so zu sagen auch unseres Gleichen sind; diese Leute sind an und für sich schon unglücklich genug, daß sie dienen müssen, man braucht sie nicht noch von Morgens bis Abends zu demüthigen. Gegen mich waren die Dienstboten immer höflich; ich behandle sie jedoch auch wie es sich gehört.«

»Ach! ja, du besuchst sie sogar aus purer Menschlichkeit in der Küche und Gott weiß wo noch!«

Vergebens ripostirte der Gemahl, aber die vernünftigsten Gründe eines Mannes helfen nichts gegen den Eigensinn einer Frau. Da Herr Bouracand wieder Frieden in seiner Ehe haben wollte, ließ er Dorothea fortschicken.

Madame Bouracand wurde wieder sanft, liebenswürdig, reizend, und sagte zu ihrem Manne: »Morgen bekommen wir eine neue Magd; Du sollst sehen, wie gut wir bedient werden! Sie ist rechtschaffen und die Tugend selbst ... es ist eine Picardierin, sehr reinlich, sehr lebhaft, spricht recht ordentlich, und was das Kochen anbetrifft, so scheint sie voll der besten Anlagen dazu.«

»Um so besser, Madame; es wäre mir lieb, wenn wir sie behalten könnten.«

Die Magd kam; sie hieß Catharine.

Herr Bouracand warf bloß einen Seitenblick auf die Neuangekommene; er war der Ansicht, daß man, ehe man sein Urteil über diese Magd aussprechen könne, sie wenigstens einen Monat oder sechs Wochen vorher kennen müsse.

Aber Madame Bouracand, welche die Menschen nach dem ersten Eindruck beurtheilte und sich nie zu täuschen behauptete, war schon am ersten Tage entzückt über ihre neue Bedienung und wurde nicht müde, Catharine zu loben.

Am zweiten Tage war ihr Entzücken weniger lebhaft.

Am dritten Tage ließ Madame Bouracand, welche nicht die Absicht hatte, ihr Essen immer selbst zu besorgen, dasselbe durch die Magd kochen.

Die Magd, die voll der besten Anlagen zur Kochkunst war, trug eine Suppe auf, in welcher der Löffel stecken blieb, die Cotelettes waren zu Kohlen verbrannt, das Huhn war zäh wie Leder und der Salat weder gelesen noch gewaschen.

Herr Bouracand verzog das Gesicht, schwieg aber. Die beiden kleinen Mädchen schrieen in Einem fort: »Ach, wie das so verbrannt riecht! ... Mein Gott, der Salat ist ja ganz sandig!«

Madame Bouracand brachte das Gespräch auf die Politik, damit ihr Mann weniger auf das Essen achten sollte.

Nach Verlauf von acht Tagen überzeugte man sich, daß die Picardierin, voll der besten Anlagen zur Kochkunst, nicht einmal Eier hart sieden konnte.

Man entließ sie wieder.

Drei Tage darauf trat Madame Bouracand mit strahlender Miene in das Arbeitszimmer ihres Mannes und sagte: »Morgen bekommen wir eine andere Magd und ich bin gewiß, daß Du mit dieser zufrieden sein wirst.«

»So viel ich meine, handelt es sich nicht darum, daß ich zufrieden sei, das ist nicht die Hauptsache.«

»Doch, doch, sie muß Dir recht sein! ... O, es ist ein Mädchen, das vorzüglich kochen kann; erstens weiß sie allerlei Leckerbissen zuzubereiten ... zum Beispiel aufgezogene Pfannkuchen ... nicht wahr, die ißest Du gern!«

»O zuweilen ... bei Gelegenheit.«

»Du liebst sie sehr, ich weiß es; künftig wollen wir oft welche essen. Es ist eine Flamänderin, ein gutes, dickes Mädchen mit einem heitern, lebensfrohen Gesichte, flink, rechtschaffen; die Tugend selbst. Unsere Spezereihändlerin steht mir gut für sie; ich bin überzeugt, wir können Sie brauchen und behalten.«

»Gott gebe es!«

Tags darauf sah Herr Bouracand ein großes, dickes Mädchen in seinen Dienst treten, deren Aeußeres Gesundheit und Heiterkeit ausdrückte.

Jungfer Desirée (so hieß die neue Magd) war so lustig und lebhaft, daß sich ihre Herrin daran ergötzte; sie hatte in einem Nu ihre Geschäfte vollendet.

Madame Bouracand suchte freudetrunken ihren Mann in seinem Cabinet auf.

»Sehen Sie,« begann sie, »so ist es, wenn man eine flinke Magd hat. Jetzt ist die ganze Haushaltung um halb zwölf Uhr fertig, während bei Ihrer Dorothea die Zimmer oft um ein Uhr noch nicht ausgekehrt waren. Wir essen heute aufgezogene Pfannkuchen zu Mittag; Desirée macht sie.«

In diesem Augenblick trat eines der kleinen Mädchen ein und sagte zu seiner Mutter: »Mama! die neue Magd hat eben die große porzellanene Salatschüssel zerbrochen.«

Madame Bouracand hatte eher gewünscht, daß sich ihre Tochter die Zunge abgebissen, als daß sie ihr diese Nachricht in Gegenwart ihres Mannes überbracht hätte. Sie fing an zu singen, jagte das Kind zur Thüre hinaus und verließ selbst das Zimmer, indem sie ausrief: »Ich freue mich heute außerordentlich auf die Pfannkuchen!«

Die Zeit des Mittagessens kam herbei.

Die Familie des ehemaligen Gemäldehändlers setzte sich zu Tische.

Alles war gut. Madame Bouracand war so erfreut, daß sie sich beinahe krank aß. Die aufgezogenen Pfannkuchen wurden servirt: sie waren wunderschön, einen Fuß hoch und hatten eine prächtige Farbe.

Man speiste mit Entzücken und wagte nicht zu sprechen, um das köstliche Lieblingsgericht ungestört zu genießen, als plötzlich ein ungeheurer Lärm aus der Küche her ertönte.

»Ach, mein Gott, was ist das?« rief Herr Bouracand aus.

Die kleine Adele ging in die Küche und kam ganz bestürzt mit der Nachricht zurück, daß die neue Magd eine ungeheure Schicht Teller habe fallen lassen.

Herr Bouracand verzog das Gesicht, und seine Frau sagte rasch: »Das ist ein Unglück, aber so etwas kann Jedermann begegnen!«

»Heute hat sie schon zweimal Etwas zerbrochen,« murmelte die kleine Eugenie, »diesen Morgen die große Sala...«

Das Kind beendigte seinen Satz nicht, denn seine Mutter gab ihm einen Tritt und schob ihm zu gleicher Zeit einen Löffel voll aufgezogenen Pfannkuchen in den Mund.

Bald darauf trat Jungfer Desirée mit ihrer gewöhnlichen heitern, leichtsinnigen Miene ein und sagte: »O, es ist nicht von Bedeutung, Madame! Ich habe die Teller hinunterfallen lassen, aber es sind nur elf zerbrochen; die übrigen sind glücklicher Weise noch ganz.«

»Nur elf!« brummte Herr Bouracand, vom Tische aufstehend; »das scheint mir für den Einstand genug.«

Am folgenden Morgen warf Jungfer Desirée beim Reinigen der Zimmer, während sie mit einer bewundernswürdigen Lebhaftigkeit abstäubte, zwei hübsche, mit Muschelwerk verzierte Flacons hinunter, die in Stücke zerbrachen.

»Das ist auch nichts Solides!« rief das dicke Mädchen mit lachender Miene aus, »denn ich bin kaum daran hingekommen.«

Herr Bouracand ging mit einem tiefen Seufzer in sein Zimmer.

Madame befahl schnell: »Desirée, Du mußt uns heute Mittag wieder aufgezogene Pfannkuchen machen. Du kannst es sehr gut!«

Die Essenszeit rückte heran. Madame Bouracand war etwas mäßiger in Lobeserhebungen über ihre Küche, denn die neue Magd hatte ihr im Laufe des Tages ihr Waschgeschirr zerbrochen, ein Vorfall, den sie sorgfältig vor ihrem Manne verborgen hielt.

Als jedoch die aufgezogene Omelette aufgetragen wurde, äußerte man seinen Beifall wieder laut.

Aber beim Abdecken zerbrach Desirée ein vor Herrn Bouracand stehendes Krystallglas, woran ihm sehr viel lag, da es ein Andenken seines Vaters war.

»Das ist ein kleines Unglück,« sagte die Magd, »das Glas sah übrigens recht altväterisch aus.«

»Du mußt Dich besser in Acht nehmen, Desirée,« versetzte Madame.

»Das arme Glas, welches mir so lieb war,« rief Herr Bouracand aus, »es stammte noch von meinem Vater her!«

»O, seien Sie beruhigt, Herr, es gibt noch mehr solche.«

»Mein Lieber, willst Du noch Etwas von dem Pfannkuchen?« fragte Madame Bouracand ihren Mann.

»Nein, ich habe genug,« erwiderte der arme Mann in fast weinerlichem Tone, während er wehmüthig die Scherben seines Glases betrachtete.

Am folgenden Morgen zerbrach Jungfer Desirée den Rücken eines Stuhles und die Glasglocke über der Uhr.

Madame Bouracand bestellte wieder aufgezogene Pfannkuchen, Tags darauf zerbrach sie eine Theekanne und eine Uhr.

Herr Bouracand erklärte nun seiner Frau, daß er keine aufgezogene Pfannkuchen mehr wolle, da sie ihm zu theuer zu stehen kamen.

Als Madame ihren Toilettenspiegel statt in einem in sechs Stücken fand, entschloß sie sich, Jungfer Desirée fortzuschicken.

*

Man war acht Tage ohne Magd.

Am neunten trat Madame Bouracand mit befriedigter Miene auf ihren Mann zu und sagte: »Morgen bekommen wir eine neue Magd. Ich glaube, daß ich endlich gefunden habe, was ich suchte; das Mädchen hat mir auf den ersten Blick gefallen. Sie ist eine Normännin, hat ein offenes, freimüthiges Gesicht und ist erst zwanzig Jahre alt; sie mag vielleicht nicht gerade die Gescheiteste sein, aber sie kann kochen was in einer gewöhnlichen Haushaltung vorkommt. Im Uebrigen ist sie die Rechtschaffenheit und Tugend selbst; mein Fleischer hat sie mir recommandirt.«

Herr Bouracand hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, nichts auf das zu antworten, was ihm seine Frau sagte, wenn sie eine neue Magd dingte.

Die Normännin kam: sie war ein fast häßliches Mädchen mit Blatternarben und schielte, aber Madame Bouracand sagte: »Man darf nicht immer auf das Aeußere gehen, es betrügt Einen oft schändlich; ich lasse mich nicht mehr daran kriegen!«

Trotzdem pries Madame Bouracand ihre Magd nach den ersten Tagen ihrer Ankunft unaufhörlich. »Endlich,« sagte sie triumphirend zu ihrem Manne, »habe ich, was ich suchte. Das Mädchen taugt für uns: sie ist fleißig, thätig, zerbricht nichts und ist höflich; sie spricht ganz, wie es sich schickt, und ist nicht so unverschämt wie Ihre Dorothea.«

Herr Bouracand schüttelte bloß den Kopf und erwiderte: »Wir wollen noch ein Bischen zusehen.«

Aber bald bemerkte man, daß der Wein abnahm, der Likör verschwand, Servietten und Tücher abhanden kamen und das Silberzeug nicht mehr vollständig war.

Bei jeder Nachfrage antwortete die Normännin stets: »Madame, ich will hoffen, daß Sie keinen Verdacht auf mich haben, sonst würde ich augenblicklich Ihren Dienst verlassen.«

»Nein, ich habe gewiß keinen Verdacht auf Dich, aber ich begreife nicht, wie es zugeht.«

»Ihre frühern Mägde müssen Ihnen wahrscheinlich viel gestohlen haben.«

»Ohne Zweifel!«

Allein Madame Bouracand hatte nicht den Muth, die Normännin zu beaufsichtigen.

Als Madame aber eines Abends unerwartet nach Hause kam, während die Magd glaubte, es sei Alles im Theater, traf sie das Mädchen, welches man ihr recommandirt hatte, wie sie ihr eben Halstücher, Strümpfe und Hemden stehlen wollte.

Am nächsten Morgen jagte man die Normännin zum Hause hinaus und blieb vierzehn Tage ohne Dienstboten.

Nach Verlauf dieser Zeit nahm Madame Bouracand wieder ihre heitere Miene an und rief ihrem Manne entgegen: »Jetzt hat es ein Ende, lieber Freund.«

»Mit unserem Hausrathe?«

»Nein, mit unseren Plackereien mit den Mägden. Nun bekommen wir einen wahren Schatz.«

»Einen Schatz?«

»Ja! O, diesmal können wir uns darauf verlassen; es ist eine Lothringerin.«

»Eine Lothringerin? Das hat, meiner Ansicht nach nichts Beruhigendes; die ist ja nach dem Sprüchwort ein Loth ringer als die andern.«

»Du weißt wohl, daß die Sprüchwörter sich gar oft nicht bewähren. Es ist ein vorzügliches Mädchen, welches eben aus seiner Provinz kommt, die Tugend und die Rechtschaffenheit selbst ...«

»Ja, ja, wie gewöhnlich! ... Ei, mein Gott, wann wirst Du denn die Wuth aufgeben, Personen zu loben, die Du nicht kennst?«

»Meine Krämerin hat sich für sie verbürgt; das Mädchen heißt Gothon.«

»Das ist nun in den zwei Monaten, seit Du Dorothea fortgeschickt hast, die vierte!«

Jungfer Gothon trat ihren Dienst bei der Familie Bouracand an.

Die Lothringerin war ein ziemlich hübsches Mädchen, welches stets die Blicke zu Boden schlug und so schüchtern aussah, wie eine Novize.

Madame Bouracand war abermals entzückt. Man konnte in der That nichts gegen die Magd einwenden: sie machte ihre Arbeit gut, kochte ordentlich und hielt Alles rein. Man hatte einen Schatz gefunden.

Aber als Madame eines Abends bälder, als sie gesagt hatte, vom Spaziergang zurückkehrte, fand sie ihren Schatz im Gespräche mit einem andern Schatz, d. h. einem baumlangen Burschen in einer blauen Blouse.

Der große Bursche machte sich eilends aus dem Staube und rief der Lothringerin zu: »Adieu, Base.«

»Du hast also Vettern?« fragte Madame Bouracand ihre Magd.

»Ja, Madame,« entgegnete Jungfer Gothon, »das ist ein Geschwisterkind von mir, das erst kürzlich hierher kam.«

»Dieses Kind könnte ganz gut einen Flügelmann bei der Garde vorstellen,« murmelte Herr Bouracand.

»Einen Vetter kann man allerdings haben,« sagte Madame, »nur soll er nicht zu oft kommen.«

Kurze Zeit darauf überraschte man den Schatz in traulicher Unterhaltung mit einem zweiten Schatz, einem kleinen Tambour.

»Es ist auch ein Geschwisterkind von mir,« antwortete Jungfer Gothon.

»Die hat, wie es scheint, Vettern von allen Dimensionen!« dachte der Herr des Hauses.

Als jedoch Madame Bouracand eines Morgens ihren Schatz früh wecken wollte und sich zu diesem Behufe leise in Gothons Kammer hinaufschlich, fand sie die Lothringerin bereits in lebhafter Unterhaltung mit einem dritten Vetter und zwar in einer Art Unterhaltung, die von einem verwandtschaftlichen Besuch wesentlich verschieden war.

Madame Bouracand, die wie die meisten Frauen gegen Freundschaftsergießungen dieser Art unerbittlich streng war, jagte ihre vetternreiche Lothringerin zum Kuckuk.

Und auf diese vier Mägde folgten im Verflusse von vier Monaten noch zwölf.

Man probirte es mit Burgunderinnen, Perigorderinnen, Elsäßerinnen, Auvergnerinnen, kurz mit Innen, aus allen Departements.

Nach Verlauf dieser Zeit bestellte Herr Bouracand, dem es in seinem Hause entleidet war, weil er sich nicht an diesen ewigen Wechsel der Gesichter gewöhnen konnte, eines Morgens einen Platz in dem Postwagen, und trat in das Zimmer seiner Frau, um Abschied von ihr zu nehmen.

»Ich verändere zwar meinen Wohnort sehr ungern,« sagte er, »aber da Du einen Taubenschlag aus meinem Hause gemacht hast, will ich lieber reisen.«

»Wie, mein Herr, Sie wollen sich entfernen?«

»Ja, Madame.«

»Und auf wie lange?«

»Das weiß ich selbst noch nicht. Wenn Du mit einer und derselben Magd einmal länger als drei Monate auskommst, so thue es mir zu wissen, dann kehre ich zurück.«

Damit reiste Herr Bouracand ab.

Zwei Jahre darauf war er noch nicht zurückgekehrt, und doch hatte seine Frau schon mit siebenundzwanzig Schätzen den Versuch gemacht.


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