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In dem Buche »Meine Wasserkur« habe ich die Bemerkung gemacht, ich werde seinerzeit ein eigenes Büchlein schreiben über Erziehung. Seitdem sich die »Wasserkur« allgemein verbreitet hat, habe ich eine große Anzahl Briefe bekommen mit der Anfrage, wann denn dieses neue Buch endlich erscheinen werde. Mit dem besten Willen fand ich nicht Zeit dazu, wollte aber doch mein Versprechen halten. Ich habe mich deshalb stundenweise eingesperrt, um doch einige Zeit dem Büchlein schenken zu können. Nun ist es fertig und soll, gleich der »Wasserkur«, hinausgehen in die Welt. Schon weil mir die Zeit fehlte, konnte ich das Buch nicht bearbeiten, wie man es vielleicht erwartete. Ich wollte auch kein wissenschaftliches Werk schreiben und mache nicht im Geringsten Anspruch auf Wissenschaft und Gelehrsamkeit; im Gegentheil, ich möchte, wie ein einfacher Landpfarrer seinem Volke eine praktische Predigt hält, die allgemein verständlich und nützlich ist, so auch in diesem Buche in der einfachsten, populärsten Weise zu den Leuten reden. Und was ich mein Leben hindurch mittels Beobachtung und Erfahrung gewonnen habe, das möchte ich allen Lesern dieses Buches zuwenden, indem ich ihnen zurufe: »So sollt ihr leben!«
Wie eine Predigt, wenn sie scharfe Wahrheiten enthält, gar oft unlieb aufgenommen wird, so mag auch, was ich in diesem Buche aufgestellt habe, von mancher Seite nicht die beste Aufnahme finden. Doch das verschlägt nichts; denn wie in einer Predigt selten alle Zuhörer die offene Wahrheit ertragen, so geht es auch mit den praktischen Lebenswahrheiten. Am allerbesten ist's, man mache den Versuch, und es wird sich schon herausstellen, wer Recht oder Unrecht hat.
In meiner »Wasserkur«, welche seitdem allseitig die Runde gemacht, habe ich bereits den Wunsch ausgesprochen, es möchten sich Fachmänner um die Wasserkur annehmen, damit ich von dieser Last befreit werde, da ich doch in der Seelsorge Arbeit genug habe. Wenn man es auch nicht glauben will, so ist es doch wahr, daß ich für das medizinische Fach weder Studium gemacht noch auch mich leidenschaftlich in dasselbe vertieft habe. Wie die Noth mich selbst zum Wasser geführt, so hat mich das Mitleid mit den Kranken, Leidenden und allseitig Verlassenen dabei bleiben lassen; ich kann jedoch nichts sehnlicher wünschen, als daß man mir diese Last abnehme. Ein Arzt, den ich empfohlen, Dr. J. Stützle, hat im Jordanbad (Württemberg) diese Heilmethode begonnen; er fühlt sich recht zufrieden damit, und die leidende Menschheit ist froh, wenn sie auf diese einfache Weise geheilt wird. – Ein zweiter Arzt, der in Wörishofen den Betrieb der Wasserkur kennen gelernt und sechs Wochen hindurch eingeübt hat, that die Äußerung: »Es ist wider alles Erwarten, wie das Wasser in dieser einfachen Weise wirkt.« Derselbe hat bereits eine kleine Heilanstalt gegründet, und die Kurgäste befinden sich recht wohl bei diesen Wasseranwendungen. – Ein dritter Arzt, Herr Sanitätsrath Dr. Bilfinger, war auch hier, hat mit großer Aufmerksamkeit die ganze Sache durchschaut, innerhalb mehrerer Tage die ganze Methode liebgewonnen und fängt nun bereits an, in dieser Weise den leidenden Menschen behilflich zu sein. Auf die Frage, wie ihm diese Methode gefalle, gab er zur Antwort: »Mich überzeugen die Geheilten von Stuttgart, die krank fortgingen und geheilt zurückkehrten. Diese waren auch die Veranlassung für mich, der Wasserheilmethode näher zu treten, und jetzt bin ich höchst überrascht über die Einfachheit und Wirksamkeit der Anwendungen. Ich werde das Möglichste thun, dieser Methode Geltung zu verschaffen.« – Herr Dr. Bernhuber, der Badearzt in Wörishofen war, ist nach Rosenheim gezogen. Dieser besonders durch Operationen berühmte Arzt hat es öfters ausgesprochen: »Wenn die Beispiele von Geheilten nicht vorlägen, könnte ich es nicht glauben, daß das Wasser solche Wirkungen hervorzubringen im Stande wäre.« Gerade für Rosenheim wollte man einen Arzt, der nach dieser Methode kurierte, und hat für den kommenden Arzt diese Bedingungen gestellt. – Wie die Genannten, so hat auch in Neu-Ulm der praktische Arzt Dr. Klotz durch mehr als sechs Wochen diese Methode kennen gelernt und eingeübt und am Schlusse gesagt: »Mich freut jetzt die Medizin auf's Neue, weil ich gelernt habe, Krankheiten zu heilen, an deren Heilung man sonst verzweifelte.« Auch dieser Arzt hat bereits mit der Wasserkur begonnen und bei einem kürzlich mir gemachten Besuche sich ausgesprochen, es gehe ihm recht gut, und er habe auf diese Weise schon Mehrere geheilt, die er sonst nicht hätte heilen können. – So hat auch der praktische Arzt Herr Dr. Schlichte, derzeit in Biberach, diese Methode mit regem Interesse kennen gelernt und eingeübt. – Auch in Prag (in Böhmen) ist Professor Jezek bereit, Hilfesuchenden nach dieser Heilmethode Rath und Anweisung zu ertheilen.
Ich erwähne ferner noch besonders den derzeitigen Badearzt von Wörishofen, Herrn Dr. Kleinschrod in Schlingen, der mit unermüdlichem Eifer mir meine schwere Last zu erleichtern sucht. Kaltwasseranstalten nach meinem Prinzipe entstanden in jüngster Zeit auch in Schärding in Oberösterreich unter Leitung des Herrn Dr. Otto Ebenhecht, in Brixen (Süd-Tirol) unter Herrn Dr. Otto v. Guggenberg und in Veitshöchheim bei Würzburg unter Herrn Dr. Wendelin Loeser; diese sämmtlichen Herren haben bei mir mit regem Interesse meine Methode studirt und kann ich daher deren Anstalten auf's Wärmste empfehlen.
Es gereicht mir zu großer Freude, daß diese edlen Männer so eifrig das aufsuchten, was sie zum Nutzen der Menschheit für dienlich erachteten, und ich hätte nur einen Wunsch, es möchten mehrere junge Fachmänner sich vorerst genau mit dieser Methode befassen, bis sie zur Ueberzeugung gelangen, daß das Wasser, in dieser einfachen Weise angewendet, ein vorzügliches Heilmittel ist. Ich will ja nicht als der Entdecker der Thatsache gelten, daß das Wasser ein Heilmittel ist; ich suchte nur den Wasserstrom in der gelindesten Weise für die menschliche Natur zu verwenden. Ich besitze mehrere Briefe, in denen ich von den Schreibern derselben angegangen wurde, doch dahin zu wirken, daß für ihre Stadt und Gegend ein Arzt komme, der meine Methode gut gelernt und eingeübt habe. Es thut mir wirklich wehe, daß ich solchen gutmeinenden Leuten nicht gründlich unterrichtete Aerzte schicken kann.
Sollte irgend ein junger Arzt, der noch nicht eine gesicherte Stellung hat, die er ungern verließe, diese Zeile lesen, so möchte ich ihm zurufen: »Lernen Sie dieses einfache Verfahren! Sie werden der Menschheit nützen und sich auch eine ergiebige Erwerbsquelle verschaffen.« Ich kann Jedem hoch und theuer versichern: Ich will mich gar nicht durch mein Werk groß machen, will mich auch durchaus nicht über einen Fachmann stellen; im Gegentheil, ich habe vor jedem Stande, der recht verwaltet wird, eine hohe Achtung. Aber das ist und bleibt wahr, daß Keiner auslernt. Tag für Tag durch's ganze Leben müssen wir in die Schule der Erfahrung gehen, und selbst am Sterbetage wird man noch nicht ausgelernt haben.
Freilich heißt es: »Man stirbt auch bei der Wasserkur; man hat Diesen oder Jenen nicht mehr retten können;« oder: »Es ist mit der Wasserkur gar noch schlimmer geworden.« Darauf antworte ich kurz: »Für den Tod ist kein Kraut gewachsen; sterben muß Jeder.« Sodann kommen, wie ich mich hundertmal überzeugte, zur Kur oft Solche, die keine Hilfe mehr gefunden haben und von allen Aerzten schon aufgegeben waren. Oder es kamen Solche, auf die der Tod schon seine Hand gelegt, und die das unruhige Verlangen fortgeführt, gesund zu werden. So kam zu mir ein Kranker von weiter Ferne; er war, von der Reise ganz erschöpft, gar nicht mehr im Stande, seine Krankheit zu erzählen. Er mußte eilig in's Bett, hatte hochgradige Lungensucht. Von Wasseranwendungen war keine Rede. Nach neun Tagen starb er, und da hieß es bei Manchen: »Die Wasserkur hat ihn umgebracht.« Ein Herr aus weiter Ferne kam in Begleitung, weil er nicht allein reisen konnte, mit einem solchen Herzleiden, daß er trotz aller Mühe nicht eine Treppe besteigen konnte. Zwei einzige Male hat er sich bloß im Zimmer gewaschen, und während er in der größten Heiterkeit und Fröhlichkeit im Garten verweilte, sank er um, vom Herzschlag getroffen, und starb. Natürlich mußte das unschuldige Wasser seinen Tod verschuldet haben. Doch wer denken gelernt hat, setzt sich über Derartiges hinweg. Allerdings kann bei dem Einen oder Andern die Wasserkur Nachtheile gebracht haben und bringt sie auch; aber sicher nur dann, wenn nicht in der rechten Weise die Anwendungen gewählt oder vorgenommen werden. Einer von den oben genannten Aerzten sagte: »Die Anwendungen sind so delikat und wirksam, daß die Auswahl nicht leicht ist, wenn man nicht eingehend die ganze Wirksamkeit des Wassers kennen gelernt und dessen Anwendungen eingeübt hat.« Und deßhalb habe ich in vorliegendem Buche nicht bloß die Krankheitsfälle mit den betreffenden Anwendungen bezeichnet, sondern auch jedesmal dazu bemerkt, was die einzelnen Anwendungen wirken, damit nicht die geringste Unklarheit betreffs der verschiedenen Anwendungen übrig bleibe, und warne ich nochmals eindringlich vor jeder Uebertreibung, Unvorsichtigkeit und Unüberlegtheit. Bei so genauer Beschreibung der Krankheiten und Anwendungen ist es Jedem bei der gehörigen Vorsicht leicht ermöglicht, das ihn Betreffende selbst auszuwählen. Ich bemerke das, weil es mir unmöglich ist, eigens zu antworten.
Und so gehe nun auch du, lieber Rathgeber, gleich der »Wasserkur« hinaus in die Welt und predige Tag für Tag, was du auf der Stirne trägst: »So sollt ihr leben!« Wirst du gehört und hat deine Predigt Erfolg, gut dann; – wirst du nicht beachtet oder gar verunglimpft, so ertrage auch dieses; denn Mißgeschick ist ja fast Aller Loos. Gehe aber nicht ohne die Weihe der Religion; sondern, gleich dem Kinde, das von Vater und Mutter gesegnet, die Heimath verläßt, so gehe auch du mit dem Segen des Himmels! Und dein Verfasser wird täglich von Gott erflehen, daß sein Segen dein beständiger Begleiter und Führer sei.
Wörishofen
am Feste der hl. Kirchenpatronin Justina,
26. September 1889.
Der Verfasser.