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I.

Die Schwatka'sche Franklin-Aufsuchungs-Partie in den Jahren 1878, 1879 und 1880.

Mitglieder der Expedition. – Lieutenant Fr. Schwatka. – Eskimo Joe. – Geldmittel. – Spenden. – Abreise.

Ein großer Theil des Gelingens einer arktischen Expedition im Allgemeinen liegt in deren richtigen Organisation und Ausrüstung.

Schon der Zweck und die Absicht der Partie, mit von Hunden, als ausschließlicher Zugkraft, fortgebrachten Schlitten vorzudringen, bestimmte, daß die Zahl der Theilnehmer an der Reise eine nur kleine sein konnte und zur Verrichtung der nothwendigen Arbeiten, soweit sie nicht wissenschaftliches und forschendes Gebiet betrafen, namentlich als Jäger und Hundelenker Eskimos mitzunehmen. Daß eine solche Expedition nur aus Leuten bestehen durfte, die mit einem gewissen inneren Triebe einestheils an dem Zwecke der Reise ein besonderes Interesse finden, anderentheils aber auch die nöthigen physischen Eignungen besitzen, ist natürlich.

Gleich nach der ersten Aufforderung der Amerikanischen geographischen Gesellschaft, die für eine neu auszusendende Expedition das Protectorat übernahm, meldete sich Lieutenant Friedrich Schwatka Lieutenant Friedrich Schwatka ist am 29. September 1849 im Staate Illinois geboren, stammt in dritter Generation von deutschen Eltern, die aus Danzig nach Amerika einwanderten, siedelte aber schon in einem frühen Alter mit seinen Eltern nach Salem im Staate Oregon über. Dort in den damals nur schwach bevölkerten Gegenden genoß er seinen ersten Unterricht – doch mag das Leben auf einem Vorposten der Civilisation viel dazu beigetragen haben, daß er in der militärischen Carrière die Ziele seines Lebensberufes zu suchen begann. In der Militär-Akademie zu Westpoint erhielt er die tüchtige Grundlage zu jenen umfassenden Kenntnissen, die ihm bei der Führung seines Commandos im Norden die Achtung seiner weißen Begleiter, die Bewunderung und das Vertrauen der Eskimo erwarb. Die Front des amerikanischen Militärs in unmittelbarer Nähe der verschiedenen Indianerstämme, ließ jene Constitutions-Verhältnisse in ihm aufkommen, die das Leben des Nordens erheischt, und sein Umgang mit Kameraden und Mannschaft in und außer Dienst lehrte ihn, wie stricte Disciplin auch dann zu handhaben sei, wenn man es versteht, ein Commando zu führen, ohne viel zu commandiren. Einen längeren Urlaub in die östlichen Staaten suchte er durch Studium ärztlicher Kenntnisse zu benützen, leider unterbrach der Krieg mit den Sioux-Indianern dessen Vollendung. Nach der Beendigung des Krieges, an welchem Lieutenant Schwatka activ theilnahm, meldete er sich für die Führung der Expedition, und der glückliche Erfolg derselben ist zum großen Theile seinen umfassenden Kenntnissen, seiner guten Ueberlegung, Energie und der richtigen Behandlung seiner Leute zuzuschreiben. des dritten Vereinigten Staaten-Cavallerie-Regiments freiwillig zum Commandanten und verlangte außer noch drei Weißen die Beistellung eines als Dolmetscher und Jäger nöthigen Eskimos.

Wilhelm H. Gilder von New York betheiligte sich als Correspondent des »New-York Herald«, Heinrich W. Klutschak aus Prag als Zeichner und Geometer und Franz F. Melms aus Milwaukee im

Lieutenant Schwatka

Staate Wisconsin – alle freiwillig – an der Ausführung der geplanten Sache, während der in den Vereinigten Staaten lebende, als Eskimo Joe bekannte Josef Eberbieng für die vorgenannten Pflichterfüllungen engagirt wurde.

Joe Eberbieng (Adlala ist sein eigentlicher Name) ist an der westlichen Küste der Davis-Straße am Cumberland-Sund unter dem Stamme der Nugamink-Eskimos geboren und kam (wie nach seinen eigenen Erzählungen zu schließen ist) zur Zeit des Krimkrieges zum erstenmale mit einem Wallfischfänger nach England. Dort hielt er sich einen Winter auf und seine Frau lernte so schnell englisch, daß nach seiner Rückkehr in die Heimat Capitän Carl F. Hall die Familie während seines ersten Aufenthaltes im Norden als stete Begleiter bei sich behielt. Mit diesem Herrn sah Joe sammt Familie zum erstenmale die Vereinigten Staaten, kehrte aber schon nach Verlauf eines Winters nach dem Norden zurück, um Capitän Hall bei seiner Tour nach König Wilhelms-Land zu begleiten. Nach abermaliger Rückkehr in die Vereinigten Staaten begleitete die Eskimofamilie die amerikanische Polar-Expedition der »Polaris«, und als nach dem Tode des Commandanten C. F. Hall im Sturme mit dem Eise die Bemannung vom Schiffe getrennt wurde, befanden sich Joe und die Seinen bei der Abtheilung, die mit Capitän Tyson jene bekannte Treibfahrt von 1500 engl. Meilen auf einer Eisscholle nach Süden mitmachte. Das Verdienst, während des strengen Winters 18 Menschen genährt und am Leben erhalten zu haben, gebührt Joe zum größten Theile selbst, und als nach der Rückkehr nach New-York das amerikanische Volk ihm ein Heim in Croton bei New-London (Staat Connecticut) schenkte, that es nicht mehr, als nach Recht und Gewissen die Treue und Umsicht eines als so brav bewährten Mannes belohnen, der der amerikanisch-arktischen Forschung so nützlich war. Aber auch jetzt blieb Joe nicht unbeschäftigt, schon 1873 begleitete er den Kriegsdampfer »Juniata« bei seiner Rettungsfahrt des Restes der »Polaris«-Mannschaft, und 1874 nahm Joe Theil an der Reise der »Pandora« mit dem leider unerreichten König Wilhelms-Land als Ziel. Joe hat somit im Ganzen zwei Nordpol- und drei Franklin-Reisen begleitet, fing auch schon an, sich in Amerika heimisch zu finden, doch als ihm der Tod Frau und ein schon zwölfjähriges Mädchen raubte, er während seiner Anwesenheit im Norden mit der Schwatka'schen Partie aber eine neue Gattin fand und diese ihm nicht nach den Vereinigten Staaten folgen wollte, da ließ er Haus und Bequemlichkeit civilisirter Gegenden hinter sich, um für die letzten seiner Tage seine eigentliche Heimat abermals zu seinem Wohnorte zu machen.

Die Ausrüstung der Expedition bedurfte keiner großen Geldmittel und in baarem Gelde sind es auch nur 450 Dollars, die von einzelnen Privaten gezeichnet wurden. Um so größer und zweckmäßiger waren die Spenden, die binnen wenigen Tagen die Expedition in den Stand setzten, gerade mit den Mitteln hinlänglich, ja reich versehen zu sein, deren dieselbe zur Lösung ihrer Aufgabe am meisten bedurfte. Für einen Proviantvorrath für die Zeit des Aufenthaltes in Hudsons-Bai vor Antritt der Landreise, sowie nach der Rückkehr dorthin bis zur Abfahrt nach den Vereinigten Staaten war mit geringen Mitteln schon gesorgt, für die Reise selbst aber konnten, wenigstens nicht für deren ganze Dauer, der unzulänglichen Transportmittel wegen, keine Vorräthe an Eßwaaren mitgeführt werden. Da aber die Eskimos schon von vornhinein bestimmt waren, das Contingent der Partie zu verstärken, und man die Nothwendigkeit einsah, daß man deren guten Willen durch deren bekannte Leckerbissen, Brot und Melasses (eine geringe Art Syrup), sich zu erwerben haben wird, so wurde für einen guten Vorrath an beiden zuerst gesorgt und die Geldspenden zum Ankaufe dieser Artikel verwendet.

Unter den sonstig gespendeten Proviant-Artikeln befanden sich unter Anderem: 200 Pfund des bekannten Cornbeefs von der Chicago-Firma Wilson u. Comp., 500 Pfund Extra-Zwieback von der Bäckerei Wilson in New-York, sowie 400 Pfund Oleomagerin, eine Art Ersatzartikel für Butter, der sich als vollkommen geeignet bewährte und für die Aufbewahrungsweise in sehr kaltem Klima der Butter selbst vorzuziehen ist.

An Conserven waren Aepfel, Paradiesäpfel und andere Früchte in geringeren Quantitäten zur Probe mitgegeben worden, doch ist es arktischen Expeditionen anzurathen, falls sie solche Gegenstände vor dem Gefrieren zu schützen nicht im Stande sind, dieselben nur für die erste Zeit mitzunehmen. Nach erfolgtem ersten Aufthauen sind die Sachen schnell verdorben, somit nach der ersten Ueberwinterung außerhalb eines Schiffes werthlos. Eine Ausnahme hiervon machte in unserem Falle condensirte Milch. Die letzten Kannen, die wir am 16. Juni 1879 auf König Wilhelms-Land gebrauchten, waren trotz der Aufbewahrung mit den übrigen Artikeln noch so gut wie die ersten im Sommer 1878 vor dem Gefrieren.

Die größte Sorgfalt wurde auf die Ausrüstung der Expedition mit Feuerwaffen und Munition verwendet.

In dieser Beziehung wurden gespendet: von der Firma Winchester u. Comp.: 2 Winchester-Magazin-Karabiner mit 1000 Stück Centralfeuer-Metallpatronen und zum Wiederladen derselben die nöthigen Zündhütchen und Apparate.

Von der Firma Sharp u. Comp.: 2 Stück feine Sharp's System Hinterladungs-Jagdgewehre mit 1000 Stück Patronen und Zubehör wie oben.

Von der Firma Remington u. Comp.: 2 Stück Remington Armee-Infanterie-Gewehre. 1000 Stück Patronen und gleichem Zubehör.

Von der Firma Whitney u. Comp.: 1 Stück feines Creadmore-Scheiben-Gewehr im Werthe von 115 Dollars, 1000 Stück Patronen, 1000 Stück Extra-, schon gepflasterte Kugeln mit allem Zubehör für den Dolmetscher-Eskimo Joe.

Von der Firma Merwin: 1 Stück System Evans, 26 Schuß-Magazin-Gewehr mit 500 Stück Patronen und Zubehör zur speciellen Erprobung durch Lieutenant Friedrich Schwatka; ferner 2 Stück russische Armee-Revolver (System Smith und Weston) mit 500 Stück Patronen.

Zu jedem dieser Gewehre wurden separate Schloß- und Verschlußbestandtheile beigegeben und die verschiedenen Metallpatronen-Etablissements leisteten noch erhebliche Beiträge.

Die Intendantur der Miliz-Waffen-Verwaltung des Staates New-York schenkte der Partie noch 20 Stück Vorderladungsgewehre sammt Reserve-Bestandtheilen zum Tauschhandel mit den Eingebornen.

Ferner wurden gespendet: 600 Pfund verschiedener Schrotgattungen, 1000 Pfund Blei in Flössen von der Newark-Blei-Compagnie und 300 Pfund Pulver verschiedener Gattung von diversen Firmen.

Beiträge von Jagdrequisiten, Zündhütchen (40.000) ec. wurden gemacht und die Expedition dieserseits mit Allem quantitativ und qualitativ sehr gut versehen.

Auch für den Tauschhandel wurde durch Donationen an Nadeln, Fischhaken, Blechgeschirr, Trinkbecher, Porzellangeschirr, Stirnbändern ec. gesorgt und die Firma P. Lorillard gab der Expedition die reichliche Quantität von 600 Pfund Rauchtabak.

An Instrumenten schenkte J. James Gordon Bennett: einen Regusschen Taschen-Chronometer im Werthe von 350 Dollars; einen Sextanten im Werthe von 85 Dollars und ein Aneroid-Barometer, 50 Dollars Werth, ferner nautische Hilfsbücher.

Die Firma C. J. Tagliabue in New-York: 6 Stück Weingeist-Thermometer mit Fahrenheit'scher Gradeintheilung.

An Medicamenten wurde blos eine kleine Flasche Opium und etwas Augenwasser mitgeführt.

Das Holz zum Baue von Schlitten spendete die Firma W. Poillon in Brooklyn.

Die Ueberführung der Expedition und ihre Ausrüstung nach ihrer Bestimmung übernahm die Firma Morison und Brown in New-York und beauftragte Capitän Thomas F. Barry, diese mit dem auf den Wallfischfang nach Hudsons-Bai abgehenden, ihr gehörigen Schooner »Eothen« mitzunehmen und dieselbe an einem dem Commandanten passenden Punkte zu landen.

Am 17. Juni 1878, 12 Uhr Mittags, nahm der Dampfer »Fletscher« die »Eothen« in's Schlepptau und unter zahlreicher Begleitung der Freunde der Partie, vieler Mitglieder der Amerikanischen geographischen Gesellschaft und einiger Herren der englischen Gesandtschaft begann die Expedition mit dem geringen Gesammtkosten-Aufwande von kaum 5000 Dollars (circa 10.000 fl. ö. W.) für einen wenigstens 2¼ jährigen Aufenthalt ihren Weg nach dem Norden.


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