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Frau H. hatte in der zweiten Schwangerschaft nun zwar auch Krämpfe, doch hatte sie Bewußtsein von ihnen, und das Bad machte sie abermals auch so kräftig, daß sie von Löwenstein nach Oberstenfeld, mehrere Stunden, wohl zu Fuß gehen konnte. Sie brachte bis Ausgang November wieder in Kürnbach zu und wollte auch durchaus daselbst bleiben; aber da kein geschickter Hebarzt in der Nähe war und sie durch die frühere Niederkunft so viel gelitten hatte, überredete man sie, dieselbe bei ihren Eltern zu erwarten. Am 28. Dezember erfolgte sie, und sie mußte wegen Krämpfen wieder künstlich entbunden werden. Vierzehn Tage nachher stellte sich ein heftiges Fieber mit Frost ein, sie phantasierte die ganze Nacht und meinte immer in einer ungeheuren Kirche zu liegen. Nach Aufhören dieses Fiebers erschienen wieder Krämpfe aller Art und stellte sich ein vermehrter magnetischer Zustand aufs neue ein.
Da gewöhnliche Arzneien nichts fruchteten, so nahm man wieder zum Handauflegen die Zuflucht, was gemeiniglich ihr Bruder tat, in dessen Abwesenheit aber auch andre Menschen der verschiedensten Art von ihren Eltern in ihrem Jammer dazu erbeten wurden; ein Umstand, der nicht nur auf den Ruf dieser Frau sehr nachteilig einwirkte, sondern auch ihrer Gesundheit nur zum Nachteil gereichen konnte, da dieses magnetische Einwirken so verschiedenartiger Nervengeister sie immer tiefer und ungeregelter in das magnetische Leben brachte und ihr diese erborgte Nervenkraft Fremder immer mehr zur Gewohnheit machte. Es ist nicht genug zu bedauern, daß hier nicht vorsichtiger verfahren wurde: es würde über diese ohnedies unglückliche Frau auch so manches schiefe, durchaus falsche Urteil vermieden und sie vielleicht noch eher aus ihrem unglücklichen magnetischen Leben geführt worden sein.
Merkwürdig ist, daß ihr Kind, ein Knabe, besonders in den ersten Wochen seines Lebens nie in einer andern Stellung schlief, als in der, welche die Mutter in ihrem magnetischen Schlafe hatte, nämlich mit auf der Brust gekreuzten Armen und gekreuzten Füßen. Auch wird man unten erfahren, daß auch ihm die unglückliche Gabe, Geister zu sehen, wurde.
Krämpfe, Somnambulismus usw. dauerten nun (wie unter einer solchen gemischten Behandlung auch zu erwarten war) fort. Man konnte am Ende ihre Krankheit nicht begreifen und wurde des Zustandes überdrüssig. Sie aber wurde immer abgezehrter und elender. Es kam bei Nacht kein Schlaf mehr, sie weinte Nächte durch, hatte Durchfälle und Nachtschweiße. Man sagte ihr: es schade ihr doch alles nichts, sie sterbe doch nicht.
Man versuchte Zwangsmittel, sie aufrecht zu erhalten, man zwang sie, sich aus dem Bette zu erheben, aber sie fiel ohne Bewußtsein um.
Man kam auf den Gedanken, diese Krankheit sei durch dämonische Einflüsse erzeugt und nahm die Zuflucht zu einem durch sympathetische Kuren in Ruf stehenden Mann. Dieser sandte zuerst ein grünes Pulver. Sie sträubte sich, es anzunehmen, aber man zwang sie. Als sie es zum zweitenmal eingenommen, konnte sie auf einmal aufstehen, doch sie lief ganz steif umher, und je nach einigen Schritten drehte es sie, wie im Veitstanze, im Ringe herum.
Einen völlig schlafwachen Zustand hatte sie in dieser letzten Periode nicht mehr, nun trat ein solcher auf einmal wieder ein, und sie gab im Schlafe an, wieviel sie von diesem Pulver nehmen dürfe. Ihre Stimme wurde ganz schreiend, sie sprach hochdeutsch und auf einmal eine allen fremde Sprache, die sie auch schrieb, und die sie ihre innere Sprache nannte, von der weiter unten ausführlicher die Rede sein wird. So oft sie diese Sprache sprach, war sie in halbwachem Zustande; und wollte sie wieder die gewöhnliche Sprache sprechen, so gab sie sich selbst magnetische Striche aufwärts, wodurch sie wach wurde.
Mit dem Pulver sandte jener Mann ein Amulett von schwarzem Leder, das an einem dreifachen Faden hing. Alle Freitage wurde zu dem Manne sieben Stunden weit geschickt, so wollte er es. Sie sagte im Schlafe: der Mann wolle immer in seinem Innern, daß man ihn bitten solle, daß er selbst komme, er tue das aus Eigennutz, und tue man es nicht, so stecke er Nadeln tiefer in eine gewisse Pflanze im Keller, wodurch sie noch mehr an ihn gebunden werde, noch mehr Angst und Unruhe bekomme. Sie müsse an ihn selbst schreiben.
Dies tat sie nun im magnetischen Schlafe. Man sandte einen Boten mit dem Briefe ab, und der Mann erschien selbst.
Er hatte ein schwarzes, rohes, abschreckendes Gesicht und äußerst stiere funkelnde Augen. Als er erschien, lag sie im magnetischen Schlafe. Sie erklärte, daß er nicht ins Zimmer treten dürfe, bevor er nicht vor demselben gesprochen:
»Ich glaube, daß Jesus Christus wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren.«
Er tat dies, und nun durfte er eintreten, allein sie sprach nichts mit ihm. Sie bat, man solle verhüten, daß er ihr, wenn sie erwache, die Hand gebe, er werde sie begehren, aber man solle ihm das nicht sagen, sonst werde er erzürnt.
Man tat nun, als sie erwachte, das Möglichste, um das zu verhüten, und sagte es ihr auch wach; aber dennoch geschah es. Der Mann ergriff ihre Hand, aber im Momente, da er sie faßte, wurde sie aufs fürchterlichste verkrümmt, so daß sie durch alles Magnetisieren, Behauchen usw. nicht mehr zurecht zu bringen war. Sie wurde hierauf schlafwach und sagte: man solle ihr die Hand sogleich in fließendes Wasser tauchen und dann mit warmem Wein waschen, sonst leide sie den größten Schaden. Nachdem man dies getan hatte, verschwand die Krümmung der Hand wieder.
Das Pulver (das sie aber immer magnetischer machte) nahm sie noch drei Wochen in ganz kleinen Gaben fort: denn sie behauptete, wenn sie von ihm gar nichts nehme, würde ihr der Mann Schaden zufügen. In dieser Zeit geschah es, daß das Amulett, das ihr jener Mann gesandt hatte, einigemal ganz von freien Stücken unberührt über ihren Kopf heraus und über ihre Brust und Bettdecke, wie ein lebendiges Wesen, vor mehreren Anwesenden, weiterlief, so daß man es auf dem Boden fangen und wieder zurückbringen mußte. Für diese uns freilich unglaubliche Erscheinung sprechen mehrere sehr achtbare Zeugen.
Im magnetischen Schlafe sagte sie darüber folgendes: »Der Mann macht dieses durch seine böse Kunst, er wirkte magisch auf mich. Er will das Amulett wieder zurückhaben, damit man ein neues begehre, weil ich ohne dasselbe jetzt schon einmal nicht mehr sein kann.«
Sie trug dies Amulett ein Vierteljahr lang auf dem Rücken. Ich untersuchte es, als es mir nach einem Jahre übergeben wurde und fand in ihm Asa foetida, Sabina, Cyanus, zwei Körner semen stramonii, ein Magnetsteinchen und ein Zettelchen, auf welchem geschrieben stand: »Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre.« Ob sie gleich wieder kräftiger wurde, dauerte ihr magnetischer Zustand doch immer noch an, und sie schlief täglich ein-, auch zweimal magnetisch. Der abermalige Gebrauch des Löwensteiner Bades wäre vielleicht nun angezeigt gewesen, allein man war der Sache zu sehr überdrüssig geworden, und man schrieb ihrem Gatten, sie nach Kürnbach zu holen.
Dieser fand sie sehr schwach, und ihre Bestimmungen im magnetischen Schlafe waren auch noch nicht für die Reise, aber wach war sie, besonders um ihren Eltern nicht mehr beschwerlich zu fallen, für sie. Die Reise wurde gemacht, allein eine Folge derselben war nun das Eintreten der heftigsten Unterleibskrämpfe und Blutflüsse. Früher hatte sie nie Unterleibs-, sondern meistens nur Brust- und andere Krämpfe. Da nun ihr somnambuler Zustand in Kürnbach nur zunahm und sie im magnetischen Schlafe immer erklärte, man dürfe sie nicht dalassen, so wurde sie wieder nach O. zu ihren Eltern gebracht. Aber die Reise dauerte vierzehn Tage lang, da unterwegs die größte Schwäche mit beständigem Erbrechen eintrat. Dieses Erbrechen dauerte auch zu O. acht Wochen lang fort. Es kam immer stoßweise vom Unterleib aus und wurde endlich durch kleine Gaben von Opium gestillt.
Nun fing eine besondere Reizbarkeit der Magennerven eine Rolle zu spielen an: es mußte alle Minuten etwas in den Magen kommen, sonst erfolgte die furchtbarste Schwäche. Die Magennerven waren in steter Überreizung und forderten beständig Speise; Kraftlosigkeit und Krämpfe dauerten immer an, und eine völlige Nervenzerrüttung trat ein. Zwar brachten ärztliche Verordnungen wieder einige Linderung ihrer Übel, aber nur scheinbar, und man sah sich, auch wegen Entfernung der Ärzte, veranlaßt, sie zu einem ihrer Oheime nach Löwenstein zu bringen.
Hier blieb sie drei Tage lang erträglich, aber dann stellten sich Blutflüsse ein. Sie schlief alle Abende magnetisch und machte sich Verordnungen, auf die man kein Vertrauen mehr hatte, und die man nicht mehr befolgte.
Nun zog man auch mich zu Rate.
Nie hatte ich vorher diese Frau selbst gesehen, aber viel Falsches und Entstelltes über sie durch das Gerede der Leute erfahren.
Ich muß bekennen, daß ich dazumal noch die Ansichten der Welt und ihrer Lügen über sie teilte, daß ich abriet, auf ihren nun schon so lange angedauerten schlafwachen Zustand und ihre Verordnungen in ihm noch einige Rücksicht zu nehmen, ihr bei Krämpfen die Hände aufzulegen, Menschen mit stärkeren Nerven in ihre Nähe zu lassen, kurz, daß ich den Rat gab: mit allem dahin zu wirken, sie aus ihrem magnetischen Zustande hinauszuführen und sie mit Vorsicht, aber rein nur mit den gewöhnlichen ärztlichen Mitteln zu behandeln.
Diese Ansicht teilte mit mir mein Freund Dr. Off zu Löwenstein und richtete ein ihr gemäßes Heilverfahren ein. Aber unser Zweck wurde nicht erreicht. Blutflüsse, Krämpfe, Nachtschweiße dauerten immer an. Das Zahnfleisch wurde skorbutisch und blutete immer, sie verlor all ihre Zähne. Von Arzneimitteln, die nur etwas stärkend waren, bekam sie das Gefühl, als würde sie in die Höhe gezogen, es wandelte sie eine Furcht vor allen Menschen an und nächtlich oft eine Schwäche des Todes.
Man kam auf den Gedanken, dämonische Einflüsse durch Gebet aus ihr zu treiben. Von dort an war ihr alles gleichgültig, was man mit ihr anfing, sie wurde wie verstockt. Es war ihr der Tod zu wünschen, sie wurde ein Marterbild und starb nicht. Ihre Verwandten waren in Jammer und Verlegenheit und brachten sie (fast gegen meinen Willen) auf gutes Glück, ob noch Heilung auf irgendeinem Wege bezweckt werden möchte, nach Weinsberg.