Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Es war der 13. Februar 1822, da ersah Frau H. im nächtlichen Traume in ihrem Hause große Unruhe und Zerstörung. Es war ihr, als sollte sie sich zu Bette legen, aber da lag in demselben im Totenkleide die Leiche jenes teuren Verstorbenen, auf dessen Grabe sich ihr inneres Leben anfachte. Außen im andern Zimmer hörte sie die Stimme ihres Vaters und zweier Ärzte, von denen ihr nur einer bekannt war, und diese beratschlagten sich über eine schwere Krankheit, die sie befallen. Sie rief hinaus: »Laßt mich nur ruhig bei diesem Toten, der heilt mich, mich heilt kein Arzt!« Da war es ihr, als wollte man sie von der Leiche reißen, aber ihre Totenkälte war ihr heilendes Gefühl, und sie genas nur durch diese. Sie sprach nun laut im Traume; »Wie wohl ist mir neben diesem Toten, nun werde ich ganz gesund.« (Sie war aber dazumal noch nicht krank.)
Als sie ihr Gatte so im Traume sprechen hörte, weckte er sie. Am andern Morgen befiel sie ein Fieber, das vierzehn Tage lang mit der größten Heftigkeit andauerte und auf das in ihr ein sieben Jahre langes magnetisches Leben (mit wenigen, wohl nur scheinbaren Intervallen) folgte. Da meine eigene Beobachtung von diesen Jahren nur das sechste und siebente umfaßt, so kann ich von den früheren nur eine oberflächliche Skizze geben, wie ich sie aus dem Munde der Frau H., ihres Gatten und anderer Verwandten erhielt. Nach jenem Fieber, es war am 27. Februar, nachts ein Uhr, brach auf einmal bei ihr ein heftiger Brustkrampf aus. Man rieb und bürstete bis zwölf Uhr an ihr, bis ihr Rücken blutete. Sie lag ohne Bewußtsein wie tot, und der Ortschirurg schlug ihr eine Ader. Dieselben Krämpfe dauerten noch drei Tage fort, und man ließ ihr dann wieder zur Ader.
Am zweiten Tage erscheint bei ihr eine Bauersfrau aus dem Orte, ungerufen, setzte sich zu ihr, sagte: sie solle doch keinen Arzt gebrauchen, das helfe nichts, und legte ihr die Hand auf die Stirne. Im Augenblick erhielt sie den allerfurchtbarsten Krampf, und die Stirne wurde wie abgestorben und kalt. Die ganze Nacht hindurch schrie sie ohne Besinnung; jene Frau hatte wie dämonisch auf sie gewirkt, und sooft dieselbe wiederkehrte, brachen bei ihr die fürchterlichsten Krämpfe aus. Am dritten Tage sandte man zum Arzte nach Bretten. Da war sie schon in den magnetischen Kreis eingetreten; denn als er erschien, sagte sie zu ihm, ob sie ihn gleich nie gesehen: »Bist du ein Arzt, so mußt du mir helfen!« Dieser, die Krankheit wohl erkennend, legte die Hand auf ihr Haupt. Da zeigte sich, daß sie ihn allein nun sah und hörte, die andern Personen um sich (so lange bis er wieder das Zimmer verlassen hatte) nicht.
Auf dieses Handauflegen wurde sie auch ruhig und schlief einige Stunden. Es wurden ihr innerliche Mittel und ein Bad verordnet. Aber in der Nacht kamen wieder Brustkrämpfe, und nun achtzehn Wochen lang täglich wenigstens zwei, meistens fünf bis sechs.
Man schien den Arzt zu wenig persönlich berufen zu haben. Man ließ ihr in dieser Zeit zweiunddreißigmal zur Ader und setzte ihr noch Blutegel an Magen, Hals und Unterleib. Gleich anfangs jener Krämpfe erschien ihr nächtlich, als sie wach war, ihre Großmutter von Löwenstein. Diese hatte sich vor ihr Bett gestellt und sah sie stillschweigend an. Nach drei Tagen erfuhr sie den Tod jener Frau, der in derselben Nacht erfolgt war. Von da sprach sie wie im Schlafe oft von ihrer Anwesenheit, und später erkannte sie dieselbe als ihren Schutzgeist. Es war auch schon um diese Zeit, daß ihr im Traume eine Maschine und deren Verfertigung und Gebrauch als Bedingung ihres Gesundwerdens erschien. Sie zeichnete dieselbe auch auf ein Papier, aber man gab ihrem Gefühle keine Folge.
Als alle ärztlichen Mittel (und auch Sympathie, die versucht wurde) nichts halfen, gab der Arzt dem Chirurgen auf: ihr bei den höchsten Krämpfen nur die Hand aufzulegen, und nütze dies nichts, ihr einige magnetische Striche zu geben. Auf dies ließen auch die Krämpfe jedesmal nach. Menschen, die den Zustand dieser Frau nicht zu beurteilen wußten, fingen dazumal schon an, aus dem Umstande, daß sie in der Angst heftiger Krämpfe nach jenem Chirurgen oft laut schrie, und daraus, daß nur dieser ihr die Krämpfe stillen konnte, nur Gemeines zu schließen. Es wurde ihr wohl hinterbracht, aber ruhig ertrug sie es, im Bewußtsein ihrer Unschuld, wie auch später das immer mehr sich häufende Geklatsch der Außenwelt über sie, und besonders das ihres eigenen Geschlechtes, ihr Inneres nicht berührte.
Als einstmals ein Brustkrampf zu lange andauerte, hauchte ihr die Magd eine Stunde lang in die Herzgrube, worauf es ihr äußerst leicht und wohl wurde.
Es ist wahrscheinlich, daß jetzt eine regelmäßig eingeleitete magnetische Behandlung, da sie nun doch schon tief in die magnetischen Kreise eingeführt war, ihr vielen Jammer erspart hätte; ihr sehr vortrefflicher Arzt schlug dies auch vor, allein er war zu fern vom Orte, und der Gatte konnte sich noch nicht entschließen, sie vom Wohnorte entfernen zu lassen.
Dagegen schien eine vom Arzte eingeleitete homöopathische Heilungsweise, wenigstens auf einige Zeit, eine günstige Nervenumstimmung in ihr zu veranlassen, und dazu wurden Belladonna, Nux vomica etc. in den bekannten, äußerst kleinen Gaben gewählt.
Es geschah nun auch, daß sie wieder im Mai das Bett verlassen konnte, und später trat ihre erste Schwangerschaft ein, von der man sich ihre völlige Genesung versprach.
In dem Laufe dieser ersten Krankheitsperiode geschah auch die Erfüllung des Traumes, den sie zu Anfang derselben hatte. Ihr Vater nämlich erschien wirklich mit jenen zwei Ärzten, von denen sie nur einen an seiner Stimme erkannte, und besprach sich mit ihnen über ihre Krankheit im Vorzimmer, während sie im andern in Krämpfen lag.
Obgleich auch jetzt noch Brustkrämpfe nicht ausblieben und sie immer in einem mehr magnetischen Zustande zu sein schien, machte sie dennoch im Juni eine Reise zu ihren Eltern nach Oberstenfeld, und gebrauchte achtundzwanzig Bäder im Bade zu Löwenstein, auf die sie ganz kräftig wurde, ob sie gleich auch da die Brustkrämpfe noch nicht verließen.
Im August kehrte sie wieder nach Hause und mußte am 18. Februar 1823 wegen heftiger Brustkrämpfe künstlich entbunden werden.
Es fanden Zerreißungen, heftige Blutflüsse, Kindbettfieber und Jammer jeder Art statt, und sie kam dem Tode sehr nahe. Zweiundzwanzig Wochen lang blieb sie in fieberhaftem Zustand, und als dieser nachließ, traten dagegen wieder die heftigsten Krämpfe ein.
Jene Frau, die früher schon einmal auf sie von so übler Einwirkung war, kam nun auch wieder und brachte eine Milch dem Kinde und ließ sich auch nicht abhalten, ihm selbst davon zu reichen. Sogleich verfiel dieses in die heftigsten Krämpfe, bewegte auch von da an periodisch den rechten Fuß und den rechten Arm konvulsivisch. Es erfolgte auch sein Tod im August zu Oberstenfeld, wohin die Mutter nach einiger Wiederherstellung gereist war, unter fürchterlichen Konvulsionen. Nachdem sie sich nun abermals des Löwensteiner Bades einige Wochen bedient, reiste sie im September wieder nach Hause, war aber immer sehr geschwächt und oft in völlige Melancholie versunken.
Im Februar 1824 hatte sie Besuch von Freundinnen, alles war lustig und tanzte, sie aber blieb trüb. Als alles ruhig war, wandte sie sich zum Gebete. Eine Person, die sie nahe anging, fing auf einmal darüber zu lachen an. Dies griff sie so an, daß sie sogleich kalt und starr wie ein Toter wurde. Lange hörte man keinen Atem mehr, endlich wurde er röchelnd. Man legte Senfpflaster, machte Fuß- und Halsbänder, sie kehrte ins Leben, aber nur wieder zu langem Leiden. Sie lag immer wie im Traume.
Einmal sprach sie drei Tage lang nur in Versen, und ein andermal sah sie drei Tage lang nichts als eine Feuermasse, die durch ihren ganzen Körper lief wie auf lauter dünnen Fäden. Dann hatte sie wieder drei Tage lang die Empfindung, als tröpfelte ihr ein Tropfen kalten Wassers nach dem andern auf den Kopf, und hier erschien ihr auch das erste Mal außer sich ihr eigenes Bild. Es saß weißgekleidet vor ihr auf einem Stuhle, während sie im Bette lag. Sie sah lange das Bild an, wollte schreien, aber konnte nicht. Endlich tat sie einen Schrei nach ihrem Mann, und das Bild verschwand.
Ihr Gefühlsleben war nun so gesteigert, daß sie nach den größten Entfernungen hin alles fühlte und hörte; für siderische Einflüsse wurde sie schon so empfänglich, daß sie jeden eisernen Nagel in den Wänden des Zimmers fühlte und man alle entfernen mußte.
Sie konnte nun auch kein Licht mehr ertragen, man mußte sie vor allem Lichte bewahren.
Sie kam nun vom März bis Juni unter die Behandlung des Arztes von B–n. Todesbangigkeiten wechselten mit Krämpfen. Man mußte ihr immer die Hände halten, sie lebte nur noch wie von den Nervenausströmungen andrer, und waren diese schwach, vermehrten sie ihre Schwäche. Der Arzt verordnete Handauflegen neben dem Gebrauch von Arzneien, allein sie verfiel nun hie und da in magnetischen Schlaf und machte sich in diesem selbst Verordnungen.
Ein Hauptleiden war, daß sie immer das schmerzhafte Gefühl hatte, als sei ein Stein in ihrem Kopfe. Es schien ihr selbst das Gefühl von krampfhaft zusammengezogenem Gehirne zu sein, dessen Bewegung sie bei jedem Atemzuge schmerzhaft empfand. Dieses Gefühl störte sie in jedem Schlafe, der überhaupt nur so lange dauerte, als man die Hand auf ihre Stirne legte. Es wurde nun ein Versuch mit dem mineralischen Magnet gemacht. Man bestrich ihr damit die Stirne, worauf sich ihr auf einmal Kopf und Gesicht völlig verdrehten und ihr Mund, wie der eines Schlagflüssigen, verzerrt ward.
Diese Zufälle dauerten zwei Tage lang, worauf sie wieder von selbst verschwanden. Durch jene Verordnungen und Handauflegen wurde sie inzwischen doch so weit gebracht, daß sie wieder das Licht zu ertragen fähig wurde; trat aber ihre Periode ein, die immer regelmäßig war, so vermehrten sich Krampf und Schwäche.
Um diese Zeit fühlte sie, daß sie alle Abend sieben Uhr, sieben Tage lang, ein nur von ihr gesehener Geist magnetisierte. Es geschah mit drei Fingern, die der Geist gleich Strahlen ausbreitete. Die Striche gingen meistens nur bis zur Herzgrube. Sie erkannte in dieser geistigen Gestalt ihre Großmutter. Eine unbegreifliche, aber von vielen ehrbaren Zeugen beglaubigte Tatsache ist, daß ihr während dieser Zeit Dinge, deren längere Berührung ihr schädlich waren, wie von einer unsichtbaren Hand weggenommen wurden. Man sah solche Gegenstände, z. B. sehr oft den silbernen Löffel, aus ihrer Hand in ziemlicher Entfernung von ihr auf den Teller gelegt werden, ohne daß sie wie geworfen fielen, sie gingen ganz langsam durch die Luft, als trüge sie eine unsichtbare Hand dahin, wohin sie gehörten.
Durch dieses geistige Magnetisieren noch in tiefern Schlaf gefallen, gab sie an, daß sie durch Magnetisieren zu erhalten sei.
Um diese Zeit sah sie auch das erste Mal hinter jeder Person, die sie sah, eine andere, auch von menschlicher Gestalt, aber wie in Verklärung, schweben. So sah sie hinter ihrer jüngsten Schwester immer ihren verstorbenen Bruder Heinrich, und hinter einer Freundin sah sie die geistige Gestalt einer alten Frau, die sie in ihrer Kindheit einmal zu Löwenstein gesehen. Hauptsächlich durch die Anordnung ihrer Oheime zu Löwenstein wurde sie nun im Juni 1824 einer geregelten magnetischen Behandlung unterworfen, die Herr Dr. B. zu B–n übernahm.
Anfänglich besserte es sich nicht, sie schien den Magnetiseur nicht ertragen zu können, und er mußte öfters nach ihrem Verlangen das Zimmer verlassen. Die Manipulation dauerte von neun bis zehn Uhr morgens, und auch gemeiniglich von abends fünf bis sechs Uhr hatte sie sich dies im Schlafe selbst verordnet. Nach und nach ertrug sie den Magnetiseur besser; sie verordnete sich selbst, und ihre Kräfte kamen wieder; aber sie blieb immer in einem magnetischen Zustande, in welchen sie auch im August desselben Jahres wieder die Bäder in Löwenstein gebrauchte, durch die sie aber so gestärkt wurde, daß sie alle Tage von der Wohnung des Großvaters in das Tal zum Bade und wieder zurückgehen konnte. Sie machte sich nun auch wieder an leichte weibliche Geschäfte und wurde immer kräftiger und besser; doch schlief sie noch alle sieben Tage, zuletzt alle sieben Wochen, magnetisch.
Hierauf blieb sie eine Zeitlang nur noch halbwach, ging aber in diesem Winter in Schnee und Regen spazieren und blieb am liebsten in der Kälte. Sie war noch zu O. bei ihren Eltern, ihr Gatte besuchte sie oft, und man geriet, selbst von Ärzten darauf geleitet, abermals auf die irrige Meinung, es möchten sie die Mutterfreuden am füglichsten wieder ins gewöhnliche Leben zurückführen. Ob sie nun gleich nicht mehr in einem auffallend magnetischen Zustande war, so war sie dennoch bestimmt auch jetzt noch in einem nur halbwachen, äußerst gesteigerten Gefühlsleben, indem besonders alles Geistige auf sie von größerem Einfluß war. Ahnungsvolle Träume, Divinationen, Voraussehen in Glas- und Krystallspiegeln sprachen von ihrem aufgeregten inneren Leben. So sah sie in einem Glase Wasser, das auf dem Tische stand, Personen, die nach einer halben Stunde erst das Zimmer betraten, schon zum voraus. So sah sie in diesem Glase einmal ein Gefährt mit zwei Menschen die Straße von B. (auf die man nicht sehen konnte) herfahren. Sie beschrieb die Art des Gefährtes, die in ihm Sitzenden, die Farbe der Pferde usw. aufs genaueste, und nach einer halben Stunde fuhr auch das gleiche Gefährt mit den gleichen Menschen und Bespannung am Hause vorüber.
Um diese Zeit hatte sie auch zum erstenmal die Erscheinung eines sogenannten zweiten Gesichts. Als sie eines Morgens, bei Anwesenheit des Arztes, aus dem Zimmer trat, sah sie auf dem Vorplatze einen Sarg stehen, in welchem ihr Großvater väterlicherseits als Leiche lag. Sie konnte nicht weitergehen, weil der Sarg über den Weg, den sie gehen wollte, herstund. Sie ging wieder zurück und sagte ihren Eltern und dem Arzte, sie sollen doch hinaustreten und den Sarg, der da außen stehe, sehen. Sie taten es, sahen aber nichts, und nun auch sie nicht mehr. Am andern Morgen stand der Sarg mit der Leiche wieder vor ihrem Bette.
Nach sechs Wochen aber starb derselbe Großvater, der bis wenige Tage vor seinem Tode ganz gesund war.
Die Gabe, Geister zu sehen, die Frau H. schon von früher Jugend auf hatte, bildete sich inzwischen in ihr immer mehr aus. Die zwei sehr merkwürdigen Geschichten aus dieser Periode findet der Leser im zweiten Teil dieser Schrift.