Friederike Kempner
Gedichte
Friederike Kempner

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Der Zustand der Gesellschaft

                  Die Erde bebte, groß, gewaltig wird ihr inn'res Wüten,
Und schwarz und finster war's und keine Sonnen glühten.

Ach, keine Blüten und kein Rauschen, und kein Frühlingswehen,
Die große Nacht war düster, schauerlich mit anzusehen.

Da schallt des Donners Stimme und erweckt die stumme Nacht.
Des Blitzes Schein erhellt die Erde, die Menschheit sie erwacht.

Sie öffnet halb das müde Auge, vom Schein zurückgeschreckt.
Und schläfrig bleibt die Wimper liegen, die ihr das Licht versteckt.

Doch durch die zarten, kleinen Härchen der große Lichtstrahl dringt,
Und golden es dem langen Schläfer in's trübe Auge blinkt.

Es folgt ein Blitz dem ersten Strahle, mit voller Blitzeskraft,
Die ganze Welt, sie steht in Flammen und hat sich aufgerafft.

Die Menschheit mit den edlen Zügen, sie sieht den jungen Tag.
Und macht sich auf vom finster'n Lager, wo sie im Schlafe lag.

Noch fühlt sie nicht den Rausch der Wonne, sie schreckt die Gegenwart,
Sie fühlt sich schwach, denn sie ist feige und ahnt, was ihrer harrt.

Sie konnt' das Finstre ja nicht schauen, was tat es ihr zu Leid?
Jetzt sieht sie es, vom Licht erhellet und sieht es weit und breit.

»Ich soll die Finsternis verscheuchen«, so ruft der Mensch und weint,
Die Finsternis wird groß und größer, je näher sie erscheint!

Ich will ihr nicht in's Auge sehen, der schwarzen Höllenbraut! –
In diesen Abgrund, der verzehret, wenn man hinunter schaut! –

Die Menschheit möchte wieder schlafen, und drückt ein Auge zu,
Doch auch im Herzen brennt die Flamme und ihr wird keine Ruh'!


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