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In Krieglach, wo sich Rosegger leidend befand, begrüßte uns in seinem Namen der Dichter Hans Fraungruber am Bahnhofe, während der Zug anhielt. In dem hochbegabten Poeten, der schon populär in seinem Steirerland wurde, fand ich meinen einstmaligen ausgezeichneten Schüler vom Gymnasium wieder.

Wir hatten gehofft, das Schlimmste überstanden zu haben. Ugolino nahm mir förmlich einen Eid ab, Trautenburg nicht zu verschwören und nächstes Jahr gewiß im September wiederzukommen. Aus Dankbarkeit für die liebe Gastfreundschaft und weil ich nicht abergläubisch bin, versprach ich es und hielt auch mein Wort.

Scheinbar waren wir nicht innerlich verletzt. Ein volles Jahr ging herum, ohne daß ich in meinem Berufe wesentlich behindert war; nur eines war auffallend und machte sich immer lästiger bemerkbar: eine Schwäche des Herzens mit Atemnot, die mir das Aufwärtsgehen ansteigender Wege fast unmöglich machte. So kam der Herbst und wir fuhren wieder auf acht Tage nach Schloß Trautenburg. Und wieder kurz vor dem Tage des Abschiedes, geschah etwas Unerwartetes. Wir hatten alle zusammen im Walde kampiert. Beim Rückwege zum Schlosse wollten Ugolino und ich auf einem kürzeren Pfade voraus eilen. Der Gartenweg war mit dichtem, weichem Sand belegt und gewölbt nach beiden Seiten stark abfallend. Ich wollte hinanspringen, um der erste zu sein, glitt mit dem rechten Fuße aber so heftig mit der Ferse aus, daß ich in der Wade einen schmerzlichen Schlag wie von einem Beilhieb zu empfinden glaubte, einen Schlag, der sich wiederholte, sobald ich den Fuß wieder aufsetzen wollte.

Die wahrscheinlich im Vorjahre schwer beleidigte Vene war zerrissen. Ich verbiß den Schmerz, hüpfte, von Ugolino gestützt, auf einem Beine ins Schloß und saß noch ein paar Stunden am Abendtisch. Das war ein schwerer Fehler, denn der Fuß schwoll mächtig an und ich vermochte nur mit Unterstützung ins Zimmer und Bett zu gelangen. Töricht widersetzte ich mich dem dringenden Wunsche meiner Frau, einen Professor aus Graz zu berufen. Man brachte mir den örtlichen Hausarzt, der den gleichen Wunsch aussprach. Er behandelte mich sechs Wochen, ohne meine Verletzung und die Natur des gefährlichen Leidens erkennen zu können. Ich litt infolge der Verletzung der Vene an Venenentzündung und Thrombose. Das Leiden griff durch die Bauchhöhle hinüber auch in das zweite Bein. Furchtbare, fast unerträgliche Schmerzen brachten mich fast um die Besinnung. Thrombose erzeugt in der Vene einen stockenden, alle Zirkulation hemmenden Blutpfropf. Absolute Ruhelage ist Lebensbedingung, weil jede Bewegung den Pfropf aufwärts bis zur Kranzvene des Herzens treiben, Embolie und plötzlichen Tod bringen kann. Der junge Arzt diagnostizierte jedoch auf – Sehnenzerrung, hielt Bewegung für das richtige Verhalten, zwang mich aufzustehen, trotz Schmerz zu gehen – da fiel ich in Ohnmacht zu Boden.

Tag und Nacht wachte meine Frau an meiner Seite. Es entging ihr nicht, daß die Behandlung nicht glücklich, mein Zustand ein rapider Verfall sei. Mein Geist war zu umflort, als daß ich wahrgenommen hätte, wie es um mich und sie stand; denn erst nachträglich merkte auch ich, daß die Sorge um mein Leben und die Hoffnungslosigkeit ihr Gemüt, ja selbst ihre Geisteskräfte zu solcher Verzweiflung zerrüttet hatten, daß sie, nur um mich zu betreuen, sich vom Selbstmord zurückhielt.

Die Schloßfamilie mußte mit Anfang November nach Wien zurückkehren. Man bot uns freundlich an, bis zur Besserung meines Zustandes im Schloß Trautenburg zu verbleiben.

Aber Hermine raffte sich auf, verständigte unseren Freund und langjährigen Hausarzt, Dr. Poduschka, daß er die Bahnhofsverwaltung verständige und den geeigneten Transport vermittle. Frühmorgens sechs Uhr trug man mich die Treppe hinab in den geschlossenen Reisewagen, der ein festes Lager für mich enthielt. Um acht Uhr trafen wir, begleitet von Ugolino am Bahnhof von Ehrenhausen ein. Auf einer Tragbahre hob man mich in den anfahrenden Schnellzug. In Graz blieb Ugolino zurück. Jede Viertelstunde wurde meine sichtlich abnehmende Lebenskraft mit etwas Milch und Kognak gestärkt. So ging es, liegend in einem separaten Abteil zweiter Klasse, über den Semmering. In Leobersdorf, wo die Seitenstrecke abzweigt, wurde der Wagen gewechselt und mein lieber Dr. Poduschka übernahm die Führung. Als wir acht Uhr abends in St. Pölten eintrafen, trug man mich die Bahnhofstreppe hinab zu einem Wägelchen und führte mich in unsere Wohnung. In Trautenburg war ich zum ersten Mal, hier zu Hause zum zweiten Male in Schmerzen rückfällig geworden. Nach kurzer geringer Hoffnung meines Arztes, erkannte auch der zweite beigezogene Arzt, Dr. Leitameier, daß der Zustand jeder Hoffnung auf Rettung zu spotten scheine. Das Bewußtsein war tief umflort, die Nahrung verweigerte ich. Die Schmerzen waren unbeschreiblich. Ich schwoll bis ans Herz herauf an wie ein Sack. Die Thrombose saß an der Hohlvene.

Unermüdlich waren meine Aerzte. Aber unerreichbar an tätiger Sorge bei Tag und Nacht, unvergleichlich an Ausdauer in Wartung und Pflege war meine arme Frau. Ein Konsilium mit Professor Oser eröffnete ihr, daß die Ärzte mein Befinden für rettungslos erkannten. Mein Fall sei so beispiellos extrem, daß sie in ihrer Praxis kein Beispiel solcher Art erlebt hätten. Das klang wie ein Todesurteil für die Aermste. Erschütternd berührte sie der wahrhaft elementare Anteil aus allen Kreisen. Neun Monate lag ich ohne eigene Bewegung auf dem Spannbrett und diese Bewegungslosigkeit auf dem Rücken ließ die Aerzte Druckbrand oder Lungenentzündung befürchten. Das Haupt konnte ich aus eigener Kraft nicht mehr aufrichten.

Als meine Frau aus Uebermaß der Erschöpfung die Kraft verlor, mich zu heben und zu wenden, teilte sie sich in die Pflege mit einer Ordensschwester. Langsam, nach Monaten kaum merklich, nur ihrem Blick verständlich, belebte sich mein Auge, fand ich wieder eine Stimme, konnte eines Tages merklich den Nacken heben, worüber sie in einen Tränenstrom der Freude ausbrach. Mein guter Doktor hob mich jetzt auf seinen Armen ins warme Bad. Im zehnten Monat durfte ich mit großer Mühe außer Bett sitzen wenige Stunden. Das war ein Elend, denn ich hatte Gehen und Stehen verlernt. Gute Freunde wurden allmählich vorgelassen. Auch jetzt zweifelten die Aerzte noch an gründlicher Genesung, denn alle Funktionen lagen darnieder. Aber meine Frau, die sich über ihre Kraft die ganze Zeit hin aufrecht erhielt, begann – trotz der Aerzte – zu hoffen. Die Hoffnung war ihre einzige Kraft. Ihr hellsichtiges Auge, das immer forschend auf mich gerichtet war, erkannte die aufdämmernde Genesung. Mit den körperlichen, erwachten die geistigen Kräfte. Zuerst erfreuten mich – ganz wie in der Kinderzeit – Bilder und Witze der Münchner Fliegenden Blätter; dann verschlang ich die alten Jahrgänge von 1870 bis 71 der Augsburger Allgemeinen Zeitung und studierte weltvergessen nochmals den großen deutsch-französischen Krieg. Mein schönstes Weihnachtsgeschenk von Hermine waren die zehn wohlgebundenen Bände von Richard Wagners gesammelten Schriften und Dichtungen. Leise erwachte nun wieder der erloschene Humor. Aber vorläufig war ich ein humpelnder, herzbelasteter Invalide. Zwei volle Jahre blieb ich als Kranker beurlaubt, wurde endlich über Winter nach dem Süden geschickt, ohne der Schönheit Merans, Mailands, Genuas, San Remos froh zu werden. Denn ob ich auch sichtlich mich besserte, jetzt ging die Kraft meiner treuen Genossin zu Ende, jetzt brach bei ihr eine so furchtbare Rückwirkung aus, daß sogar die Anzeichen der schrecklichen Basedowschen Krankheit sich meldeten und ein Konsilium der dortigen Aerzte mir zur Kenntnis brachte, wolle ich das Leben meiner Frau retten, so müßten wir schleunigst nach Norden zurück. Mitte März zogen wir (mit Aufgebung der Romreise) über Genua nach Arco, wo sich meine Frau, trotz des neuen Schreckens, daß ich mich in Mailand mit schlechtem Trinkwasser nahezu vergiftet hatte, bis Mai mühselig und nur soweit erholte, daß wir in erträglicher Verfassung im frühlinggrünen, blütenreichen Wunderlande Salzburg unsre erste längere Rast halten konnten, um dann der lieben Heimat zuzueilen.

Ueber mein weiteres Leben will ich kurz hinwegkommen. Ein einziges Jahr noch versuchte ich, ins Schulamt zurückzukehren. Aber geistige, wie körperliche Kraft waren den immer steigenden Pflichten und Vorschriften des aufreibenden Berufes nicht mehr gewachsen.

Mein Hausarzt stellte mir die Entscheidung: Ruhestand und weiter leben, oder zusammenbrechen und möglicher Rückfall in die Thrombose. Im Sommer 1898, als ich mich mit meiner Frau in der Heilanstalt Dr. Deckers in München befand, erfuhr ich aus der Zeitung, daß der hohe niederösterreichische Landtag auf Antrag des Abgeordneten Dr. Scheicher, mich einstimmig in den Genuß einer Ehrenpension gesetzt habe, damit ich meiner dichterischen Tätigkeit erhalten bleiben könne. Diese freundliche Nachricht belebte uns beide, mir aber gab sie, zum erstenmal im Leben, die volle unabhängige Freiheit. Und es war auch wirklich Gottes Segen dabei, körperlich und geistig. In erster Hinsicht lernten wir nach einem längeren Aufenthalte in der weltberühmten Naturheilanstalt Dr. Lahmanns »zum weißen Hirsch« bei Dresden nun die wahrhaft naturgemäße Ernährung und Lebensweise kennen, besonders die Heilkraft von frischer Luft und voller Sonne, anderseits lebten wir in wechselndem Menschenverkehr wieder seelisch frohgemut auf. Daß es auch jetzt noch Rückfälle schlimmer und schwerer Natur gab, darf ich nicht verschweigen. Jene Darmvergiftung von Mailand machte sich als chronisches Leiden seßhaft und schleppte sich durch Jahre mit solcher Steigerung fort, daß ich erst durch eine radikale Kur im Sanatorium Dr. Kuglers in Gmunden glückliche Heilung erlangte. Mit gleicher Dankbarkeit muß ich meines zweiten lieben Lebenserhalters gedenken, des ausgezeichneten Chefarztes der trefflichen Naturheilanstalt Wällischhof bei Brunn an der Südbahn, Dr. Marius Sturza, der mich, wie meine Frau nach dem natürlichen System Dr. Lahmanns seit einer Reihe von Jahren immer wieder zu neugebornen Menschen zu machen bestrebt ist. Bisher ist ihm das jederzeit noch gelungen. Wer ein neuer Adam werden will, der besuche Wällischhof und seinen grünen Garten mit Sonne, Luft und Wasser. War man einmal dort, so kehrt man zu neuer Stärkung immer wieder gern dahin zurück.

Was mich sonst über meine Jahre jung und frisch erhalten hat, das sind die belebenden Beziehungen zu einem Kreise gleichgesinnter hochbegabter Freunde, unter welche ich den Leiter der städtischen Sammlungen, Herrn Direktor Probst, Dr. Matosch, den heimatlichen Mundartsdichter (die oberösterreichische Nachtigall) die Maler Heilmann, Professor Hlavacek und seinen Sohn Erich, die Schriftsteller Hango, Christel, Prof. Hammer, Frimberger, Hörmann und Professor Emil Hofmann ganz besonders rechne. So lebe ich gerne vom Oktober bis zum Mai in Wien, um mich dann wie ein Wandervogel regelmäßig die andere Hälfte des Jahres in die heimatlichen Alpen zu begeben, wo Natur und Volksleben mir ein unerschöpflicher Verjüngungsborn geworden sind. Ich liebe mit nicht minderer Kraft das Land als seine Menschen. Sind mir von diesen allzuviele schon gestorben, Berg und Tal, Wald und Wasser finde ich immer wieder als meine getreuen Gesellschafter; ihre Sprache verstehe ich immer. Ein Teil von ihnen zu sein, ist mein Leben; ihr Leben aber ist die Mutter meiner Kunst. So kehre ich immer zu meinem eigenen Ursprung mit Leib und Seele zurück. Will ich mir da selbst einen Namen beilegen, so soll er nur heißen: »Der Landel-Bua«. – Am liebsten verweile ich im herrlichen Gmunden am Traunsee, wo mein vieljähriger Freund, Edmund Födinger lebt, der geniale Zeichner und Maler, der Porträtist, der mich mit dem Stift verewigt hat. Ein kühner, künstlerischer Bergsteiger, weshalb ich ihn den »Gamsbeschleicher« nenne.

Seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts fühle ich mich wieder als der nämliche der ich einstmals war und ich konnte außer meinem besten Werke den »Amelungen«, die Komödie »Münchhausens letzte Lüge« die Schauspiele »Friedolin, ein Donaumärchen«, »Die Sünde von Gottestal« und »Der Büßer von Göttweih« vollenden, nebstdem die Gedichtsammlung »Lieder aus der weiten Welt«, die ich meiner lieben Frau zur Feier unserer silbernen Hochzeit, 4. Juli 1902 widmete. Mit meinem Wiederaufleben erholte sich auch Hermine.–

Vom Herzen dankbar will ich des warmen und erhebenden Anteils gedenken, den mir die gebildete Welt und insbesondere meine lieben Landsleute in Oesterreich, sowohl zu meinem sechzigsten, als ganz besonders jetzt zu meinem siebzigsten Geburtstage gewidmet haben. Dies aufzuzählen, wäre eine Unmöglichkeit. Es bleibt in meinem Herzen eingeschrieben, daß der neue Leiter des Hofburgtheaters in Wien, Freiherr Alfred von Berger, am 28. Dezember 1910 meine »Spinnerin am Kreuz« in neuer Besetzung und Inszenierung mit wahrhaft künstlerischem Erfolge in Szene gehen ließ. Und ich danke an dieser Stelle dem tüchtigen Spielleiter, Herrn Hofschauspieler Max Devrient für seine edle Kunst, sowie sämtlichen beteiligten Künstlern für ihre warme und treue Hingebung für mein Werk. Ganz besonders aber freue ich mich, daß nur eine einzige Stimme der Bewunderung darüber laut wurde, daß die Darsteller der beiden Hauptrollen, Frau Caroline Medelsky als Spinnerin und Herr Arnold Korff als Kreuzwirt so großartige, hinreißende Meisterleistungen boten, daß die Dichtung allmächtiges Leben gewann. In einem der nachfolgenden Bände meiner gesammelten Schriften wird sich Gelegenheit finden, auf manche Persönlichkeiten, welche mich künstlerisch oder freundschaftlich angeregt oder gefördert haben, näher einzugehen. Ich kann mir nicht versagen, einige hier anzurufen. Wie ein traumhafter Reigen schreiten längst verblichene Gestalten an meines Geistes Auge vorüber. Voran zwei liebliche Jugendbilder, Fritzel Weiß, der Komponist und Agnes Tyrrel, die Tondichterin. Dann Hans Herrig in Berlin, Friedrich Schlögl und Anzengruber in Wien. Ehrwürdig und unvergeßlich grüßt mich meine berühmte Freundin, Frau Christine Hebbel. Vom Jahre 1862 bis zum Frühling 1910 sah ich sie tapfer leiden, kämpfen und siegen für den Geist ihres Gatten. Und als sein Genius der Nachwelt gerettet war, da schied sie. Wie viele schöne Stunden habe ich mit meiner Frau bei ihr im Hebbelhaus und Garten zu Gmunden verlebt! Wie getreulich hat sie uns vor zwanzig Jahren trotz einer schlechten Treppe und ihrer Gicht in Gmunden besucht! Wie glückselig erzählte sie mir vor gut einem Jahrzehnt von der herrlichen Aufführung der »Nibelungen« im Berliner Hofschauspielhaus, wo der deutsche Kaiser zu ihr die bedeutsamen Worte sagte: »Ihr seliger Gemahl war im Geiste ein Mitbegründer unseres Reiches.« Ach! und wie verändert, fast erblindet war die leidende Frau, als wir sie, ein Jahr vor ihrem Tode in Wien am Franzensring in ihrem Lehnstuhl sitzend zum letztenmal erblickten. An der Stimme erkannte sie uns sofort. Bei beiden Händen faßte sie uns und sagte: »Das ist eine Freude! Das ist eine Freude!«

Im nächsten Frühling war die Dreiundneunzigjahrige tot – oder darf ich sagen, selig bei ihrem geliebten Gatten in Walhall? – Dieser Tod war eine Erlösung. Ein anderer Tod war dagegen ein lähmender Blitzschlag in die Seele von ganz Deutschland, war ein brennendes Weh für mein Herz: Wildenbruchs starkes, großes flammenhaft leuchtendes Leben war plötzlich erloschen. Was das deutsche Volk, was die Welt durch diesen Tod erlitten hat, mögen Berufene verkünden. Mir aber ist mit diesem Einzigen der Beleber, der Sankt Georg, der Sieger über den Drachen der Stumpfheit und künstlerischen Unnatürlichkeit unserer Zeit gestorben. Mir ist der Gottbegnadete, der Meister und der Freund in Geist und Herzen verloren gegangen. In der Folge meiner gesammelten Schriften werde ich Gelegenheit nehmen, diesem Herrlichen ein ausführliches Wort meiner dankbaren Bewunderung zu zollen. Nach Otto Ludwig war er die edelste Vereinigung von Charakter und Genialität. Möge mein Freudenerguß hier Platz finden, den ich einst an den Dichter der »Quitzows« richtete.

»Vom Norden kam's, zum Süden ist's gedrungen.
Dein tiefergreifend Hohenzollernlied,
Dein Lied der Treue, wie vom Sturm gesungen,
Der kühn vom Meer bis zu den Alpen zieht.

Du warfst uns nieder mit gewaltigem Grimme,
Du hobst uns hoch zu neuer Lebenslust,
Dein Dichterwort war wahrhaft Gottes Stimme,
Du trafst des Volkes Herz in tiefster Brust.

Der edle Kranz, den scheidend das Jahrhundert
Ums Haupt dir flicht, bei Gott! du bist ihn wert,
Gesegnet sei das Volk, das dich bewundert,
Gepriesen sei der Kaiser, der dich ehrt.

Mich aber laß im Herzen sinnend denken
Des Größten, den mein Vaterland gebar,
Auch du wirst ihm den Zoll der Liebe schenken.
Ihm, der so herrlich und so einsam war.

Hat er nicht auch ein Königslied gesungen
Von Ottokar, von Habsburgs Glück und Stern?
Wie Rolands Hornruf ist sein Sang erklungen.
Vom Völkerbabel unverstanden, fern.

An ihren Lichtern sollt ihr sie erkennen,
Die Zeiten, ob sie vorwärts, ob zurück,
Zur Siegeshöh', ob zum Verderben rennen:
Des Geistes Anwert zeigt der Völker Glück.

Drum nimm den Kranz, den scheidend das Jahrhundert
Aufs Haupt dir drückt; bei Gott, du bist ihn wert,
Gesegnet sei das Volk, das dich bewundert,
Gebenedeit der Kaiser, der dich ehrt!

Und den Schluß bilde meine Klage:

So hat auch dich des Todes Los getroffen?
Dein teures Haupt wird in die Gruft versenkt?
Du, unsre Kraft, du unser bestes Hoffen!
Verflucht der Deutsche, der nicht dein gedenkt!

Vom Himmel hoch war dir der Kranz beschieden,
Mit dem ein Gott nur Auserwählte ehrt;
Im Wahnsinnskampf der Zeit warst du der Frieden
Und in der Zeit der Not das deutsche Schwert.

Mag eine Welt von Herzen um dich klagen,
Wer hätte dich erkannt und nicht beweint?
Mir hast die schwerste Wunde du geschlagen.
Denn – du bist tot – und warst mein höchster Freund!

Nur wenn der Tod – nach deinen eignen Worten –
Kein Ende ist, wenn dieses Lebens Kleid
Hinuntersinkt, um zu vermodern dorten,
Die Seele aber ewig sich befreit:

Dann fühl' ich's, ja dann weiß ich's, du wirst leben!
Nicht nur in Marmor, Farbe oder Erz, –
Die du geliebt hast, wirst du treu umschweben
Und so auch mich! – Auch mir gehört dein Herz!


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