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Weil es durchaus euer Wille ist, meine lieben Freunde, so will ich einiges über mein Werden und meinen künstlerischen Lebensweg mitteilen. Nicht um meiner selbst willen, sondern um der edlen Vorbilder zu gedenken, die mir als gute Sterne vorgeleuchtet haben, und jene Gestalten in meiner Erinnerung heraufzubeschwören, welche meist liebreich und fördernd, nur selten hemmend oder verständnislos meinen Wandel begleitet haben.

Jedes Dichterleben ist ein Gottesgericht. Ist es auf die Launen und Moden einer Zeit und Gesellschaft gestellt, so wird es mit diesen vergehen. Ist es aber auf das Ewige in Welt und Menschheit gerichtet, so wird es dauern, auch wenn, wie so oft, eine blinde Gegenwart oder eine augenblickliche Torheit es bekämpfen sollte. Wer nicht um der Kunst willen ein Künstler wird, wer da dichtet, malt oder komponiert, um einen persönlichen Gewinn oder Vorteil zu erreichen, der ist ein Fälscher oder ein Narr.

Ich habe auch an das Märchen von der vollständigen Verkennung des wahrhaft Großen, des wahrhaft Schönen niemals glauben können. Die das behaupten, vergessen, daß der wirklich bedeutende Geist über der Menge steht, daß sein Schaffen der Zeit vorauseilt. Wie sollte er da von der Menge, von der Gegenwart im engsten Sinne, beim ersten Aufstieg sogleich verstanden werden? Nur die Minderzahl der Gleichgestimmten wird ihn sofort verstehen. Gar nicht zu sprechen von denjenigen, die ihn zwar verstehen aber nicht anerkennen, weil sie ihn beneiden. Sagt doch Shakespeare so schön, daß vor der Menge vergoldeter Staub meist mehr gelte, als überstäubtes Gold. Künstlerische Ueberzeugung aber, die niemals vom Tagesgeschmacke ihre Bestimmung erhält, wird immer einen harten Kampf zu kämpfen haben. Aber Mut und Ausdauer verhelfen zum Siege; wenn auch dieser Sieg unter besonders ungünstigen Verhältnissen manchmal erst nach dem Tode des Künstlers eintreten sollte. So hat das trostlose Ende Heinrich von Kleists seine Ursache nicht bloß in der Verkennung seines Genius durch die Mitwelt, selbst durch Goethe, – nein, sie ist in der allgemeinen Hoffnungslosigkeit unseres Volkes, in der Erniedrigung des Vaterlandes, der Knechtung aller stolzen, selbständigen, aufrechten Geister unter das despotische Joch eines rücksichtslosen, fremden, unerbittlichen Machthabers begründet. Ganz abgesehen vom persönlichen Charakter und Schicksale des unglücklichen Dichters. Ohne Zweifel muß in solchen Ausnahmsfällen die Nachwelt das Urteil der Gegenwart in Ordnung bringen. Und das hat die Nachwelt, ob früher, ob später, auch allzeit getan. Wo sind die Kreaturen, die über drei Jahrzehnte den Titanen Richard Wagner verspotteten und begeiferten? Wo sind die dummen »unparteiischen Briefe« über Bayreuth aus der Feder theoretischer Ignoranten? Richard Wagners Kunst beherrscht die Welt. Seine Gegner sind alle zum Kehricht geworfen worden durch die Zeit. Darin liegt für mich die große Gerechtigkeit der Welt, an welche jeder wahre Künstler glauben muß; die er aber niemals verwechseln darf mit dem Augenblicksgezeter kleiner Kreise oder mit der Apathie der ewig verständnislosen Menge, welche herdenmäßig heute nach diesem, morgen nach jenem Vergnügungsfutter läuft, wie es ihrem stumpfen Instinkt oder ihren schlauen Zutreibern zusagt. Wenn Shakespeare im Hamlet behauptet, ein Ehrlicher sei ein Auserwählter unter zehntausend, so gilt diese Wahrheit vom verständnisvollen Schätzer der Künste unstreitig dreifach. Heil dem Künstler, der das nicht vergißt, seinem eigenen Stern vertraut und nicht zu spät wahrhafte, verständnisvolle Freunde findet!

Das wollte ich mir vom Herzen sprechen, bevor ich die Geschichte meines eigenen Lebens berühre, die, so bescheiden ich sie auch einschätze, doch vielleicht manchen jungen Kämpfer trösten und ermutigen wird.

Von väterlicher Abkunft entstamme ich durch meinen bürgerlichen Großvater Franz Wendelin Keim dem Deutschen Reiche, und zwar dem badischen Franken. Er zog im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts nach Wien, wo mein Vater, Franz Keim, geboren wurde. Der Vater meiner Mutter, ein Ritter von Steinhauser, Gutsbesitzer auf Schloß Bulgarn an der Donau bei Linz in Oberösterreich, stammte nach einem Ausspruche meiner Mutter aus der bayrischen Pfalz. Ich besitze sein geschlechtliches Adelsdiplom vom Jahre 1563, ausgefertigt zu Innsbruck und gezeichnet mit: »Wir von Gottes Gnaden, Ferdinandus I., erwählter römischer Kaiser, König in Germanien, Hungarn und Böheimb et cetera.« Ich führe diese an sich unscheinbaren Dinge an, weil diese Mischung von schlichtem Bürgertum und altem Adel möglicherweise in meiner Denkungsart und in der Wahl meiner poetischen Stoffe mich einerseits vor jeder Einseitigkeit bewahrte, andrerseits mich frühzeitig den Zauber geschichtlicher Gegensätze, die Bedeutung des Ringens der althergebrachten Stände des deutschen Volkes auf meinem Heimatboden und den Wert einer endlichen Versöhnung und Zusammenschließung dieser bodenständigen Elemente gegenüber fremden und feindlichen Elementen betrachten und darstellen lehrte. Unbewußt wurde ich so auf den Weg der nationalen Dichtung geführt, die nicht in politischer Reimerei, nicht in teutonischem Phrasentum besteht, das, selbstgeschaffene Drachen tötend, am schwungvollsten beim Bierglase schwärmend und wetternd, uns weder in Kunst noch Leben vorwärtsbringen könnte. Der Boden meines engeren Heimatlandes, der alte Traungau in Oberösterreich, ist ehrwürdiger deutscher Geschichtsboden. Die Grafen von Wels und Lambach erhoben sich in grauer Vorzeit zu jenem mächtigen Geschlechte, dessen Sitz die Styraburg (heute das gräflich Lambergische Schloß zu Stadt Steyr) wurde, und dessen Enkel, die Ottokare, die steirische Markgrafenwürde erhielten. In der später landesfürstlichen Burg zu Wels starb 1519 Kaiser Maximilian I. Lambach wurde durch den letzten Agnaten des traungauischen Geschlechtes in eine Benediktinerabtei verwandelt. Reformation und Gegenreformation, Bauernkrieg und Franzoseneinfälle sind im Gedächtnisse meiner Landsleute nicht erloschen. Bayrisches, fränkisches, auch schwäbisches Blut aus den Zeiten der urältesten Ansiedlung unter Kaiser Karl dem Großen, bis auf die Erwerbung des bayrischen Innviertels unter Kaiser Josef II. belebte und gestaltete unser obderennsisches Volkstum und gab ihm jene Derbheit und Zähigkeit, aber auch jenen natürlichen Witz, die besonders den Bauer bei uns charakterisieren. Bei diesem Stande hat sich ganz besonders neben der Kraft und Gesundheit des Leibes auch jene urwüchsige Phantasie erhalten, die in Trutzliedern und Tanzgesängen (Schnaderhüpfeln) die Quelle reicher Volkspoesie geworden ist. Beim »Landlertanz« wird nicht nur gesprungen, sondern auch gesungen. Wer auch nur flüchtig an Sonn- oder Feiertagen die Gassen unsrer Dörfer, Märkte und kleinen Städtchen durchwandelt, der vernimmt aus allen Wirtsstuben den vielstimmigen, prächtigen Gesang unsrer »Manner« und »Buben«, wohl auch Dirndeln, und hört aus den lustigen Jodlern die liedfreudige Herzenssprache unsers Volkes erklingen.

In dieser ländlichen Welt an der klaren Traun, nicht weit vom Marktflecken Lambach, im uralten Klosterwalde, genannt »das lange Holz«, wurde ich am 28. Dezember des Jahres 1840 meinen lieben Eltern als viertes und letztes Kind geboren. Mein Geburtshaus war das Stationsgebäude der einstmaligen Budweis–Linz–Gmundener Bahn, damals mit Pferdebeförderung, später mit der großen Wien– Salzburger Strecke der Elisabeth-Westbahn vereinigt und dem großen Verkehre einverleibt. Eingepfarrt waren wir nach dem Flößerdorf Stadel, mit der Schule und Kirche Baura.

Die damaligen Bewohner von Stadel waren ein urwüchsiges, fast gefürchtetes Schiffervolk, welches das Salz der kaiserlichen Sudwerke des Salzkammergutes vom Traunsee, die Traun hinunter in die Donau nach Wien verflößte. Die Kinder dieser Natursöhne waren meine ersten Schulgenossen. In diesem Sinne war ich und bin ich ein »Stadlinger«. Die im italienischen Renaissancestile erbaute Kirche und Schule Baura, auf einem grünen Hügel über dem Schifferorte an der Traun gelegen, scheint ein uralter Besiedlungspunkt des Stiftes Lambach gewesen zu sein. Der Name Baura (oder Paura) stammt von dem altdeutschen Worte Purenawe, Bauernaue und erklärt sich als Bauernsiedlung. Als Schüler dieser Schule bin ich daher sogar – ein »Bure«.

So war ich denn – am unschuldigen Kindertage – unter großen Schmerzen meiner lieben Mutter, zur Welt gekommen. Es wurde mir gesagt, ich sei ein Sonntagskind. Meine Eltern hatten durch Fleiß und gute Wirtschaft die vormals kleine Gastwirtschaft vergrößert und zu ehrenvollem Flor gebracht. Die kleine Bahn war eine der ersten Adern des Verkehres, der Weg von Wien nach Paris ging über unser gutes Lambach, und in den etwa fünfzehn Fremdenzimmern des »Gasthofes zur Eisenbahn« gab es damals viel seltenere, ja berühmtere Gäste, als später. So war der Vizekönig von Indien, Lord Canning, unser Sommergast. Seine Tochter Auguste, etwas älter als ich, sagte immer zu mir: »Du kleiner, dicker Junge du.« Beim Abschied schenkte sie mir ihre Puppe. Das Sturmjahr 1848 übte auch bei uns seine aufregende Wirkung. Eines Tages saß eben der Hauslehrer, Herr Denk, bei uns Kindern, als es plötzlich hieß, der Bahnhof sei in Gefahr, die Stadlinger kämen in Rotten durchs »lange Holz« und zerstörten die Bahngeleise. Wir stürzten alle ans Fenster, beruhigten uns aber, als wir hörten, der Major in der nahen Kaserne habe Mannschaften zur Streifung in die Wälder kommandiert. Die Stadlinger, welche ihr altes Monopol der Salzbeförderung zu Wasser an die Eisenbahn verloren hatten, vermeinten, die Zeit sei jetzt gekommen, wo sie ihr altes gutes Recht und ihren verlorenen Verdienst mit Gewalt wieder zurückerobern könnten. Nur schwer ließen sich die aufgeregten Leute beschwichtigen. Ich war zu jung und zu kindisch, um die Losung der Zeit zu verstehen, aber ich freute mich herzlich, als nun bald vom Giebel unseres Hauses die schwarzrotgelbe Fahne flatterte und ich oftmals unter unsern Fenstern den Männergesangverein die Arndtschen Lieder »Was ist des Deutschen Vaterland?« und »Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!« anstimmen hörte.

Erst später begriff ich, daß damals ein großes deutsches Reich wieder erstehen wollte, in dem mein Vaterland mit eingeschlossen werden sollte. Viel später erst erfuhr ich, daß dieser Blütentraum durch den Frost des deutschen Doktrinarismus, Eifersucht der Parteien und Mächte, kurz durch unsere politische Unzulänglichkeit wieder zerstört worden sei. Aber die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft des ganzen deutschen Volkes wuchs, hier stärker, dort schwächer in den Seelen meiner jungen Zeitgenossen.

Mit zwölf Jahren schickte mich der Vater – dank den Bitten meiner Mutter – aufs Gymnasium des berühmten Benediktiner-Stiftes Kremsmünster. Ich litt dort oft und viel an Heimweh. Vor Vater und Schwester Luise, die mich dahin begleitet hatten und mich an meinen Kostherrn, einen grämlichen, pedantischen Schulmeister ablieferten, hielt ich mich allerdings tapfer und stolz. Etwa zehn Jungens aller acht Klassen bewohnten wir das zweite Stockwerk des massiven Torgebäudes, das die äußere Pforte des Klosters bildete und von uns der Hungerturm genannt wurde. Die Frau unseres Kostherrn war infolge eines Schlagflusses in der Sprache und an der linken Körperhälfte merklich gelähmt, so daß sie uns unerfahrenen Burschen vollkommen albern erschien. Um so beweglicher, fast hätte ich gesagt, schlagfertiger, war ihre häusliche Stütze, die alte Jungfer Toni. Ich fühlte mich, fern von meinem heimatlichen Garten und Walde, hier wie in einem Kerker. Studienzeit und freie Bewegung waren für die Jüngeren aufs strengste geregelt. Um so freudiger begrüßten wir die Ferien. Welcher Jubel, wenn mein Vater oder später nur unser Knecht mit der großen Kutsche und den zwei Braunen vor dem Eichentor (so hieß unser Gefängnis) erschien, um mich und einige benachbarte Studentlein zur Heimfahrt aufzunehmen! Wie schön im Sommer, wie abenteuerlich im Winter! Da gab es hohe Schneeverwehungen und trügerisch verdeckte Hohlwege. Wir Jungens saßen dicht gedrängt im wohlverschlossenen Kasten, der Kutscher und mein Vater in Pelzen auf dem Kutschbock. Und da geschah einmal etwas sehr Ueberraschendes. Mit Rücksicht auf die oben berührten überschneiten Hohlwege, denen wir ausweichen sollten, um nicht zu versinken, sagte mein Vater vor der Abfahrt: »Merkt auf, Kinder! Wenn ich vom Kutschbock rufe: rechts halten, so beugt euch alle im Wagen nach der rechten Seite, damit wir nicht links im Graben versinken. Rufe ich: links halten, so tut dasselbe nach der linken Seite.« Gut. Wir versprachen das. Nach einer Stunde etwa hörten wir meines Vaters gebieterischen Ruf: »Alle links halten!« Aber – puff! – was ist das? Nicht nur wir Jungens, auch die Schlittenkutsche neigte sich nach links, und nochmals puff! – liegen wir im Graben auf der linken Seite und sinken tief hinein in den überwehten Hohlweg. Zornig rief der Vater, der noch rechtzeitig abgesprungen war und die versinkenden Pferde an sich riß: »Rechts halten, hab' ich sagen wollen – Donnerwetter!« Und nun krabbelten wir uns aus dem tiefen Schnee und mußten die Kutsche heben.

Von seinem brieflichen Lakonismus möchte ich hier auch ein kleines Beispiel geben. Ich war in jenen Jahren sehr kränklich. Meine gute Mutter, die mir regelmäßig alle acht Tage einen ausführlichen, stets zärtlichen Brief zuschickte, hatte mich auch seelisch durch ihre Liebe etwas verwöhnt. Der gewiß ebenso warmherzige Vater war aber mit aller Schreibekunst auf dem Kriegsfuß. So erhielt ich in der ersten Zeit, bei Beginn der Weihnachtsferien durch unsern Knecht Hans, der den Kutschenschlitten im Gasthof Kaltenbäck eingestellt hatte und sich bei mir zur Abfahrt im Hungerturm meldete, folgenden mit Blei vom Vater beschriebenen Zettel, dessen phlegmatische Kürze mich beinahe kindisch verletzte:

»Lieber Franz!

Ich sende den Kotzen zum allgemeinen Zudecken. Vor der Abfahrt beim Kaltenbäck Brotsuppen essen! Die Fenster zu!

Dein Vater.«

Schon frühzeitig erwachte in mir die Sehnsucht nach Büchern und Bildern. Meine Mutter, die an Bildung den Vater weit übertraf und natürliches Talent mit ungewöhnlicher Charakterstärke vereinigte, war nicht bloß eine geborene tüchtige Hausfrau, sondern auch in den wenigen Stunden ihrer Erholung eine leidenschaftliche Leserin. Schon als sechsjähriges Kind war sie ihres Vaters Vorleserin gewesen. Ihr frischer Geist, ihr natürliches Gefühl, ihre Freude am Schönen bildeten ihren sicheren Geschmack. Ihr Bücherschrank enthielt das bunteste Zeug aus der elterlichen Bücherei des Schlosses Bulgarn. Darunter den ganzen Walter Scott. Diesen verschlang ich frühzeitig gründlich. Meine Bilderfreude aber entzündeten die Münchner »Fliegenden Blätter«. Ihr goldener Humor war in unserem Hause das geflügelte Wort und ihre Bilder wurden meine ersten Zeichenlehrer. Dichtung und Malerei dämmerten als wunderbare Feenwesen in meiner jungen Seele auf und führten, wenn auch von mir selber unverstanden, jahrelang einen wechselnden Kampf um die Herrschaft in mir, bis der furchtbare Ernst des Lebens später wie ein greller Blitz mir den Weg der Dichtung als die einzig richtige Bahn meines Daseins bezeichnete. Aber in den Stunden, wo die Muse schweigt, greife ich auch heute noch mit wahrer Lust zu Stift und Pinsel, nicht zu öffentlichem Wettbewerb, nur zu meiner eigenen stillen Seelenfreude. Da ich aber am liebsten meine guten Freunde als ahnungslose Modelle zu lustigen Genrebildern verwerte, so wurde ich jederzeit um meine Ulke geplündert und habe meine Scherzaquarelle zu Hunderten nach allen vier Winden entflattern sehen müssen. Die Originale behalten sie wohl aus Rache oder aus Liebenswürdigkeit zum ewigen Andenken.

Diese Doppelnatur meines Talentes ist mir nicht nur zu beständiger Erfrischung des Geistes, ja zu einer Quelle der Beruhigung geworden, sie hat mir von Anbeginn bei meiner dramatischen Konzeption den besten praktischen Dienst geleistet. Ich sehe, bevor ich noch an die Ausführung einer theatralischen Arbeit gehe, jede Gestalt, jede Szene, das ganze Bühnenbild in lebendiger Geschlossenheit, hell beleuchtet oder verdüstert, in Ruhe oder in Bewegung, deutlich vor mir. Bin aber auch nur so lange Maler, bis das innere Ohr das erste Wort vernimmt, aus dem sich nun unaufhaltsam Rede und Gegenrede entzündet, worauf mir das ganze Werk zum tönenden Seelengemälde wird, also Dichtung ist und nicht mehr Bild.

Obgleich ich niemals Musik betrieb, im Sinne der eigentlichen Ausübung, ja nicht einmal der Noten fachmännisch kundig bin, hat doch die gütige Natur mir die wärmste Empfänglichkeit auch für den Zauber der Töne verliehen. Beethoven und Wagner versetzen mich in den höchsten Rausch der Entzückung. Daneben macht sich das Naturell des Oberösterreichers dadurch geltend, daß mich die einfachen Melodien, die Tanzweisen des heimischen »Landlers« förmlich ergreifen und rühren.

Weit entfernt, mir originelle Produktion anzumaßen, möchte ich doch eines viel späteren musikalisch-poetischen kleinen Ereignisses gedenken, das ich hier vorausnehmen muß.

Mein mundartliches Gedicht »Der Weltverdruß« war mir auf einem Spaziergange im alten Schloßpark zu Hetzendorf ganz plötzlich gleichzeitig in Wort und Tonweise aufgegangen. Ich summte es zum Klavier öfter in der Kneipe vor guten Freunden, es gefiel. Der Rundreim wurde im Chore mitgesungen und oftmals mußte ich das Lied anstimmen, wenn wir uns irgendwo versammelt hatten. Einst auf einem Ausfluge überraschten mich meine Schüler im Walde, indem sie plötzlich um mich einen Kreis bildeten und das Lied nach meiner Melodie sangen.


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