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Drittes Kapitel.
Der Bauernkrieg.

1. Die Wurzeln des großen Bauernkriegs.

Wir sind schon im ersten Bande – so bei der Darstellung der Erhebung Dolcinos, der englischen Insurrektion von 1381 und der taboritischen Bewegung – auf die Gegensätze zu sprechen gekommen, die zu den Bauernkriegen führten. Wir brauchen bereits Gesagtes nicht zu wiederholen und nur auf jene Punkte hinzuweisen, welche die Situation der deutschen Bauern zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts von der ihrer Vorgänger unterschieden.

Die eben genannten Insurrektionen fanden alle zu einer Zeit statt, in der im allgemeinen die Lage der Bauern in Hebung begriffen war. In Deutschland führten die Verhältnisse erst dann zu einer großen Empörung der Bauernschaft, als deren Lage sich erheblich verschlechtert hatte.

Die Zeit der Hussitenkriege kann ungefähr als die Grenzscheide gelten, von der an in der Bauernschaft die sie niederdrückenden Tendenzen anfingen, nicht nur gelegentlich und in einzelnen Lokalitäten, sondern allgemein die sie emporhebenden Tendenzen zurückzudrängen. Die Hauptursache davon sehen wir in der Erstarkung des Kapitals (zunächst des Kaufmannskapitals) und des damit verbündeten absoluten Fürstentums.

Die Erstarkung des Kapitals war die naturnotwendige Folge der Entwicklung der Warenproduktion und des Warenhandels. Das Kapital, vor allem das Kaufmannskapital, bedarf aber einer starken Staatsgewalt, die ihm den inneren Markt sichert und die Konkurrenz auf dem Weltmarkt ermöglicht. Die Kapitalisten förderten daher die Entwicklung des absoluten Fürstentums und seiner beiden großen Werkzeuge, der Bureaukratie und des Söldnerheers, auf jede Weise und standen ihm, nicht mit ihren Personen, wohl aber mit ihren Geldmitteln bei in seinen Kämpfen gegen die unbotmäßigen Klassen, die ihre gewonnenen Freiheiten und Rechte zu behaupten suchten, Adel und Geistlichkeit auf der einen, Bauern und Kleinbürger auf der anderen Seite. Dabei kam es den Fürsten und Kapitalisten sehr zustatten, daß die gegnerischen Klassen selbst in schroffem Gegensatz zueinander standen und einander erbittert befehdeten.

Das Kapital – Kaufleute und Wucherer – und die Fürsten wußten alle diese Klassen sich immer mehr zinspflichtig zu machen. Jede derselben suchte ihre Lasten immer weiter abzuwälzen, und so fielen diese schließlich mit verdoppelter Wucht auf die untersten Volksschichten, die städtischen Proletarier und namentlich die Bauern, die große Masse des Volkes. Die Preisrevolution, von der wir schon gesprochen haben, vergrößerte noch die Wirkung dieser Belastung.

Aber während so der Druck auf die unteren Klassen wuchs, verminderte sich gleichzeitig ihre Kraft des Gegendrucks. Wenn die Lage der Bauern sich im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert besserte, so war das nicht zum mindesten dem Aufblühen der Städte, namentlich der zahlreichen kleinen Landstädte zu danken, an denen die Bauern einen Rückhalt fanden als Verbündete gegen den gemeinsamen Feind. Jedoch im fünfzehnten Jahrhundert geraten in Deutschland die Städte immer mehr in Abhängigkeit von den Fürsten. Die Selbständigkeit der Mehrzahl der deutschen Städte war zu Ende des fünfzehnten Jahrhunderts bereits gebrochen. Die verhältnismäßig wenigen, die sich ihre Freiheit zu bewahren gewußt hatten, waren zumeist große Städte, deren herrschende Klassen selbst an der bäuerlichen Ausbeutung auf das lebhafteste interessiert waren. Die städtischen Republiken – unter ihnen wohl die bedeutendste Nürnberg – neigten ebenso zu den Fürsten, wie in Böhmen während der Hussitenkriege Prag auf Seite der großen Aristokraten gestanden hatte. Das Rückgrat der Demokratie war das kleinstädtische Bürgertum gewesen. In dem Maße, in dem dies an Selbständigkeit verlor, verloren auch die demokratischen Richtungen an Kraft.

Aber noch in anderer Weise verschlechterte die Gestaltung des Städtewesens während des fünfzehnten Jahrhunderts die Lage der Bauern. Bis ins vierzehnte Jahrhundert hatten die Städte Zufluchtsstätten gebildet, die den Bauern offenstanden. Dies zwang die Grundherren, wollten sie nicht ihrer Arbeiter verlustig gehen, die Bauern an sich zu fesseln, womöglich durch Gewalt, aber auch durch gute Behandlung.

Jetzt wurde das anders. Erinnern wir uns dessen, was wir im ersten Band über die Entwicklung des Zunftwesens gesagt. Im fünfzehnten Jahrhundert beginnt die Abschließung der Handwerke gegen allzu starken Zufluß von Arbeitern bereits größere Ausdehnung anzunehmen. Das führt zur Niederdrückung nicht nur des städtischen unorganisierten Proletariats, sondern auch der Bauernschaft. Der Weg zum Wohlstand in den Städten wird ihr verschlossen. Zwischen der städtischen Kleinbürgerschaft und dem Bauerntum bildet sich ein Gegensatz heraus, der mitunter durch eine Allianz gegen gemeinsame Feinde überbrückt wird – gegen Kirche, Adel, Fürsten, Kapitalisten –, der aber auch dann die Freundschaft zu einer sehr lauen macht.

Je mehr die Städte aufhörten, Zufluchtsorte für die Bauern zu sein, desto weniger brauchte der Grundherr diese zu schonen. Sie waren ihm jetzt sicher, sie hatten in den Städten nichts mehr zu gewinnen, solange sie nicht gänzlich verkommen waren. Aber auch den Proletariern verschlossen sich die Städte immer mehr. Neben dem städtischen bildet sich ein ländliches Proletariat, das vermehrt wird durch die Verringerung und Auflösung der feudalen Gefolgschaften, eine natürliche Folge des Eindringens der Warenproduktion und der damit zusammenhängenden Geldgier in das flache Land. Wir haben schon gesehen, daß dadurch die urwüchsige Gastfreundschaft immer mehr eingeengt wurde. Diese Entwicklung führte auch zu fortschreitender Reduzierung der Gefolgschaften. Die Landesfürsten förderten diesen Vorgang, wo sie nur konnten, um die ihnen unbequeme Selbständigkeit des Adels zu mindern.

Aber die Entwicklung der Warenproduktion verlieh auch dem Grund und Boden einen Wert, drängte auf der einen Seite die Markgenossenschaften, sich abzuschließen, auf der anderen Seite die Grundherren, das Gemeineigentum der Genossenschaften als ihr eigenes Privateigentum in Anspruch zu nehmen und zu annektieren.

Bedenkt man alles das: die Versperrung der Zufluchtsstätten in Stadt und Land für landlose Leute, während gleichzeitig neben dem natürlichen Bevölkerungszuwachs die Auflösung der Gefolgschaften sowie die wachsende Belastung der Bauern durch Staatssteuern, grundherrliche Lasten und Wucherzinsen immer mehr landlose Leute schuf, dann dürfen wir uns nicht wundern, daß das ländliche Proletariat rasch wuchs. Zunächst war es vornehmlich Lumpenproletariat, es lieferte Bettler und Gauner, legitime und illegitime, Räuber und Kriegsknechte.

Im vierzehnten Jahrhundert waren die Söldner noch zum großen Teil abenteuer- und beutelustige jüngere Bauernsöhne gewesen, die nach einigen Jahren des Kriegsdienstes wieder Bauern wurden, deren Klasseninteressen teilten, gegen diese – wenigstens im eigenen Lande – schwer verwendbar waren und nach ihrer Rückkehr die bäuerliche Wehrhaftigkeit steigerten. Im fünfzehnten Jahrhundert treten immer mehr die Lumpenproletarier unter den Kriegsknechten in den Vordergrund, Deklassierte, die keine Klasseninteressen mehr kennen, die für ihren Herrn durch dick und dünn gehen und zu allem zu haben sind – solange er sie bezahlt.

So ungünstig dies allein schon die militärische Widerstandsfähigkeit der Bauernschaft beeinflussen mußte, so wirkte noch mehr in gleicher Richtung die Entwicklung des Kriegswesens. Wir haben bereits gesehen, in welcher Weise die Taboriten es revolutionierten. Es entwickelte sich in der von ihnen eingeschlagenen Richtung weiter; immer wichtiger wurde neben der Übung des einzelnen im Gebrauch der Waffen die Übung der Masse der Krieger in künstlichen Evolutionen, die Disziplin, das planmäßige und sichere Zusammenwirken der einzelnen Abteilungen des Heeres. Diese neue Taktik hatte in den Händen der Taboriten die Demokratie unbesiegbar gemacht, nun entschied sie das militärische Übergewicht der Gegner der Demokratie. Nur der Berufssoldat war imstande, sie zu üben, den bäuerlichen und kleinbürgerlichen Erhebungen der zweiten Hälfte des fünfzehnten und des sechzehnten Jahrhunderts stand aber nicht die Zeit zu Gebote, welche die Taboriten gehabt, um in ihrer Mitte eine Berufsarmee auszubilden. Wer die Berufssoldaten bezahlen konnte, auf dessen Seite wandte sich der Sieg.

In gleicher Weise wirkte die Anwendung des Schießpulvers zu Kriegszwecken, die seit den Hussitenkriegen rasche Fortschritte machte. Man hat die Erfindung des Schießpulvers eine demokratische Erfindung genannt, weil sie dem Rittertum ein Ende machte. Wir können nicht viel »Demokratisches« in dem Wirken dieser Erfindung entdecken. Ganz abgesehen davon, daß der Einfluß des Schießpulvers auf die Brechung der Macht des niederen Adels oft sehr überschätzt wird – dessen ökonomischer und militärischer Bankrott war entschieden, ehe die Feuerwaffen angefangen hatten, von wesentlicher Bedeutung im Kriegswesen zu sein – ganz abgesehen davon ist zu bemerken, daß es ebensosehr den Widerstand der Bauernheere brechen half, wie den der Ritterheere. Die Entwicklung der Feuerwaffen ist der letzte Ring in jener Kette, die im sechzehnten Jahrhundert geschlossen war; von da an galt als das wesentlichste Mittel der Kriegführung Geld, Geld und noch einmal Geld. Feuerwaffen für den Kriegsgebrauch zu erwerben und zweckentsprechend anzuwenden, war ein Privilegium der reichen Machthaber, der großen Städte und Fürsten. Sie halfen das Rittertum niederwerfen, nicht zugunsten der Bauern und Kleinbürger, sondern zugunsten kapitalistischer und fürstlicher Ausbeutung.

Und die Kosten der militärischen Niederwerfung des Adels hatten wieder die Bauern zu tragen. Im vierzehnten Jahrhundert war der Adel von oben und unten gleichzeitig bedrängt worden; von oben durch die Fürsten (verbündet mit den Kapitalisten), von unten durch die Bauern. Lange sucht er sich der einen wie der anderen gleichzeitig zu erwehren, schließlich aber unterwirft er sich den Fürsten, welche dafür die Verpflichtung übernehmen, seine Bauern niederzuhalten. Er verkauft seine Selbständigkeit, um dafür die Ausbeutung der Bauern um so fester zu begründen.

Nicht überall vollzog sich diese Entwicklung in gleicher Weise und zur gleichen Zeit. In Norddeutschland, namentlich im Osten desselben, machte sie sich erst später geltend. In Süd- und Mitteldeutschland aber empfanden die Bauern im fünfzehnten Jahrhundert bereits ihre niederdrückenden Wirkungen, und zwar um so mehr, je näher das sechzehnte Jahrhundert heranrückte. Bei dessen Beginn war ihre Lage nach den damaligen Begriffen völlig unerträglich geworden, wenn sie auch in manchen Beziehungen sich vorteilhaft von der heutigen Lage der arbeitenden Klassen in Stadt und Land unterscheidet.

Diese Herabdrückung, die Vermehrung der Leistungen an Arbeit, Naturalien und Geld, größere Abhängigkeit vom Grundherrn, Konfiskation von bäuerlichem Gemeineigentum an Weide und Wald zugunsten des Grundherrn – die Konfiskation von bäuerlichem Privateigentum, das Legen von Bauern, tritt erst später und nicht überall ein – das alles vollzog sich natürlich nicht ohne energischen Widerstand der Bauernschaft. Während des fünfzehnten Jahrhunderts folgte in Deutschland ein Bauernaufstand dem anderen, und sie wurden um so häufiger und erbitterter, je mehr das Jahrhundert voranschritt.

Die wichtigsten dieser Vorläufer des großen Bauernkriegs finden wir bei Zimmermann verzeichnet, auf dessen Buch wir auch jeden verweisen, der die bäuerliche Erhebung von 1525 eingehender verfolgen will, als im Rahmen dieser Darstellung möglich ist. Alle diese Erhebungen scheiterten. Von ihnen gilt, was wir schon bei Dolcinos Bewegung gesehen: sie blieben lokale Bewegungen.

Da kam die Reformationsbewegung, wühlte die ganze Nation auf und vereinigte, wenigstens vorübergehend, alle die lokalen Klassengegensätze zu nationalen, über das ganze Reich oder wenigstens dessen größten Teil sich erstreckenden Klassengegensätzen. So flossen jetzt auch die verschiedenen lokalen bäuerlichen Bewegungen in einer einzigen großen Bewegung zusammen, für Jahrhunderte hinaus der letzten großen und der gewaltigsten Kraftanstrengung der Bauern des europäischen Festlandes, das Joch abzuwerfen, das auf ihnen lastete. Wenn wir absehen von England, dann finden wir eine gleich großartige Bauernbewegung erst wieder 1789 in Frankreich, jedoch unter ganz anderen, günstigeren Verhältnissen. So unwiderstehlich letztere war, so sehr trug die von 1525 von vornherein den Keim des Todes in sich.

Mit den Bauern erhoben sich aber auch andere Klassen, wie denn die bürgerliche Gesellschaft viel zu kompliziert ist, als daß eine große revolutionäre Erhebung bisher das Werk einer einzigen Klasse gewesen wäre. Aber stets ist es eine Klasse, der der Vorkampf zufällt. Heute ist es das Proletariat, 1789 war es das Kleinbürgertum, 1525 die Bauernschaft.

Die Alliierten der letzteren kennen wir schon; 1525 fochten zum großen Teil dieselben Klassen zusammen, die sich um das Banner der Taboriten geschart. Hier wie dort gesellt sich ein Teil des bankrotten niederen Adels den Rebellen zu, vorwiegend in hervorragender Stellung als militärische Führer, eine Stellung, die sie teils zu überzeugungstreuen Helden machte, wie Florian Geyer, teils zu Verrätern, wie Götz von Berlichingen. Auch ein großer Teil der städtischen, namentlich der kleinstädtischen Bevölkerung schließt sich den Bauern an, darunter in erster Linie das Proletariat. Aber das deutsche Städtewesen zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts ist ein anderes als das böhmische zu Beginn des fünfzehnten. Die Städte sind intellektuell viel weiter fortgeschritten, aber politisch haben sie an Selbständigkeit eingebüßt. Und nur das städtische Proletariat ist noch ein zuverlässiger Bundesgenosse der Bauern. Die Handwerksmeister und selbst die Handwerksgesellen sind ihnen entfremdet. Die Last des Kampfes liegt daher 1525 mehr als in den Hussitenkriegen auf den Bauern. Nur sehr lau greifen die Städte ein, die Bewegung findet nirgends einen Stützpunkt, wie ihn hundert Jahre vorher in Böhmen Tabor bot. Nicht in militärischer, sondern nur in intellektueller Beziehung haben sich die städtischen Sympathien für die Bauern lebhafter geäußert, nämlich in der Beeinflussung ihres Programms.

Dagegen fanden die Insurgenten von 1525 einen Verbündeten, der den Taboriten fehlte: die Bergleute. Erinnern wir uns des über sie im ersten Band Gesagten, ihrer Wehrhaftigkeit und ihres Zusammenwohnens in großen Massen. Sie waren geübt in kriegerischen Evolutionen und gewohnt, Disziplin zu halten. Militärisch standen sie auf einer weit höheren Stufe als alle anderen Schichten der arbeitenden Klassen jener Zeit. Wo sie energisch in den Kampf eintraten, ist die Erhebung militärisch unbesiegt geblieben. Wir haben dies eingehend dargetan in einer Artikelserie der »Neuen Zeit«, 1889, »Die Bergarbeiter und der Bauernkrieg, vornehmlich in Thüringen«.

Daß es zu einer gewaltsamen Erhebung kommen werde und müsse, wurde im Laufe des Jahres 1524 jedem klar, der mit den Bauern innigere Fühlung besaß; besonders einem Manne wie Münzer konnte es nicht verborgen bleiben. Sie machten alle dieselben Erfahrungen wie er: freudig hatten sie Luther zugejauchzt, der sich von der Popularität tragen ließ, indem er die Erwartungen aller Klassen rege machte. Als aber der allgemeine Feind überwunden schien, als der Papst und sein Schützer, der Kaiser, in Worms 1521 ihre Ohnmacht gezeigt hatten, als die alten Autoritäten gestürzt waren und es galt, an die Neuordnung der Dinge zu gehen, und nun die Klassengegensätze immer schroffer aneinanderstießen, als es galt, die Frage zu entscheiden, wer die Früchte der Kirchenreform einheimsen solle, die unteren Klassen oder die oberen, da entschied sich Luther noch nicht, solange er nicht mußte – bloß gegen die kommunistischen Schwärmer trat er von vornherein entschieden auf, wie wir gesehen –, aber er stemmte sich jedem Versuch der unteren Klassen entgegen, praktische Vorteile aus der Reformation zu ziehen, indes er alle Schritte der Fürsten in dieser Richtung begünstigte. Diesen sollten die Kirchengüter zufallen, nicht den Bauern. »Wir haben bloß die Herzen von den Klöstern zu reißen,« schrieb er (wahrscheinlich Ende Juli) 1524, »nicht diese anzugreifen. Wenn die (die Herzen) nun davon sind, daß Kirchen und Klöster wüst liegen, so laß man dann die Landesherren damit machen, was sie wollen.« Luthers sämtliche Werke, XIX, S. 240, Leipzig 1729.

Von der Lutheranischen Reformation, das wurde 1524 immer klarer, hatten die unteren Klassen nichts zu erwarten. Nur durch eigene Kraft, in gewaffneter Erhebung konnten sie sich von dem Joche befreien, das auf ihnen lastete.

2. Münzers Vorbereitungen der Erhebung.

Sobald es klar geworden war, daß den unteren Klassen nichts übrigbleibe, als das Schwert gegen alle Ausbeuter zu erheben, die revolutionären ebenso wie die reaktionären, war niemand eifriger als Münzer, die Insurrektion vorzubereiten. Seine Umsicht, seine Tatkraft, seine Kühnheit machten ihn zum Mittelpunkt der revolutionären Bewegung der ausgebeuteten Klassen Thüringens und verliehen ihm Einfluß weit darüber hinaus.

Man kann seine Tätigkeit ermessen nach den Anklagen, die gegen ihn bei den sächsischen Regenten einliefen. Da klagte zum Beispiel ein Friedrich Wizleben, seine Untertanen aus Wendelstein, Wollmerstadt und Roßleben hätten Boten an Münzer gesandt und diesen befragt, ob sie einen Bund wider ihren Herrn schließen dürften, der sie hindere, den Münzerschen Gottesdienst zu besuchen. Münzer hatte diese Frage bejaht und ihnen wohl auch gezeigt, wie sie sich organisieren müßten. Ebenso betrieb er die Organisierung der zahlreichen und wehrhaften Mansfeldischen Bergarbeiter. An die Untertanen des Herzogs Georg von Sachsen zu Sangershausen erließ er einen Brief, in dem er sie mahnte, beim Evangelium, das heißt bei der demokratischen Sache, zu stehen und sich den Feinden des Evangeliums zu widersetzen.

Auch an die Orlamünder wendete er sich, wo Karlstadt eine ähnliche Stellung einnahm wie Münzer in Allstätt, und lud sie zu einem Bündnis ein. Aber Karlstadt und seine Leute gehörten der Richtung an, die von einem gewalttätigen Vorgehen nichts wissen wollte. In einer Antwort, »der von Orlemund schrifft an die zu Alstedt, wie man Christlich fechten soll« (gedruckt zu Wittenberg 1524), schrieb er: »Wir wollen nicht zu Messern und Spießen laufen, vielmehr soll man wider seine Feinde gewaffnet sein mit dem Harnisch des Glaubens. Daß Ihr schreibt, wir sollen uns zu Euch gesellen und mit Euch verbinden; so wir das täten, wären wir nicht mehr freie Christen, sondern an Menschen gebunden. Dies würde dem Evangelio ein rechtes Zetergeschrei bringen, da sollten die Tyrannen frohlocken und sprechen: Diese rühmen sich des ewigen Gottes, nun verbinden sie sich einer mit dem anderen, ihr Gott ist nicht stark genug, sie zu verfechten.« Abgedruckt bei Strobel, S. 77, 78.

Dieser Brief, der veröffentlicht wurde, nützte Karlstadt nichts; Luther warf ihn doch in einen Topf mit Münzer. Für diesen aber bedeutete der Brief eine Denunziation.

Am bedenklichsten aber war es, daß durch einen Verräter, Nicol Rugkert, den Fürsten das Bestehen eines Geheimbundes in Allstätt bekannt wurde, den Münzer gestiftet hatte, wie Melanchthon mitteilt: »Er machte ein Register, schrieb darein alle, so sich zu ihm verbunden und verpflichten, die unchristlichen Fürsten zu strafen und christlich Regiment einzusetzen.« Der Bund hatte auch außerhalb Allstätts Anhänger, so »im Tal Mansfeld«, in Sangershausen, ja selbst in Zwickau. Als Zweck der Organisation gab Münzer in seinem »Bekenntnis« an: »Ist die Verbindung wider die, so das Evangelium verfolgen, gewest.« Was aber unter dem »Evangelium« zu verstehen sei, darüber sagte er, peinlich befragt, aus: »Ist ihr Artikel gewest und habens auf die Wege richten wollen: omnia sunt communia (alles ist gemeinsam), und sollte einem jeden nach seiner Notdurft ausgeteilt werden, nach Gelegenheit. Welcher Fürst, Graf oder Herr das nicht hätte tun wollen, dazu ernstlich erinnert, denen sollte man die Köpfe abschlagen oder (sie) hängen.«

Wie weit die Ziele des Bundes damals schon den sächsischen Fürsten bekannt wurden, wissen wir nicht. Aber das, was sie davon erfuhren, genügte im Verein mit den anderen Anklagen, daß sie den gefährlichen Mann zu einem Verhör nach Weimar luden, um so mehr, da sie auch Luther gegen ihn hetzte.

In einem offenen Brief an die sächsischen Regenten (Ende Juli Die gewöhnliche Datierung vom 21. August ist falsch. Vergleiche Merx, S. 39, Note. denunzierte »Bruder Sanftleben«: »Ich hab diesen Brief an Eure fürstliche Gnaden allein aus der Ursach gegeben, daß ich vernommen und auch aus ihrer Schrift verstanden habe, als wollte derselbe Geist die Sache nicht im Wort lassen bleiben, sondern gedenke sich mit der Faust darein zu begeben und wolle sich mit Gewalt setzen wider die Obrigkeit und stracks daher eine leibliche Aufruhr anrichten ... Wiewohl ich mich nun versehe, Eure fürstliche Gnaden werden sich hierinnen besser wissen zu halten, denn ich raten kann, so gebührt mir doch untertäniger Fleiß, auch das Meine dazu zu tun und Eure fürstliche Gnaden untertänig zu bitten und zu ermahnen, hierinnen ein ernstlich Einsehen zu haben und aus Schuld und Pflicht ordentlicher Gewalt solchem Unfug zu wehren und dem Aufruhr zuvorzukommen ... Darum Eure fürstliche Gnaden hie nicht zu schlaffen noch zu säumen ist, denn Gott wird's fordern und Antwort haben wollen um solchen hinlässigen Brauch und Ernst des befohlnen Schwerts. So würde es auch vor den Leuten und der Welt nicht zu entschuldigen sein, daß Eure fürstliche Gnaden aufrührische und frevle Faust dulden und leiden sollen.« Luthers sämtliche Werke, XIX, S. 237, 238.

Diese Stellen geben den Grundton des Briefes an. Sie sind charakteristisch für Luther wie für die damalige Situation. Der Rest des Briefes enthält eine Polemik gegen Münzer und ein nicht geringes Lob der eigenen Persönlichkeit, sowie endlich, wohl um der Denunziation den bösen Beigeschmack zu nehmen, den Hinweis darauf, daß er nicht die Unterdrückung des Allstättischen Geistes verlange, sondern nur die seiner Faust. Greife er nicht zur Gewalttat, dann lasse man ihn ruhig predigen. Münzer selbst hat bereits in seiner Antwort auf diesen Brief, der »Schutzrede«, darauf hingewiesen, welche Heuchelei in diesen Ausführungen liegt. War es doch Luthers eifrigstes Bestreben gewesen, Münzer mundtot zu machen.

Münzer war unerschrocken genug, der Vorladung nach Weimar zu folgen, am 1. August. Herzog Johann verhörte ihn, entließ ihn jedoch vorläufig noch ungekränkt: »Weil man befunden, daß er das Volk zum Bündnis ermahnt und dergleichen Unschicklichkeit mehr begangen habe, so wolle sich der Herzog mit dem Kurfürsten erst über die Maßnahmen, welche gegen ihn vorgenommen werden sollten, beraten, ›und was Ihrer Kurfürstlichen Gnaden Gemüt sei, würde man ihm in kurzem anzeigen lassen‹. Bis dahin solle er sich friedlich halten.« Merx, S. 41.

Münzer wartete aber nicht ab, was der Kurfürst über ihn verhängte. Seine Stellung in Allstätt war unhaltbar geworden. Das Strafgericht der Fürsten drohte dem Städtchen und der Rat erklärte sich jetzt gegen ihn. Da entwich er (in der Nacht vom 7. zum 8. August). Er erzählt selbst in seiner »Schutzrede«: »Da ich heimkam von der Verhörung zu Weimar, meinte ich zu predigen das ernste Wort Gottes, da kamen meine Ratsherren und wollten mich den höchsten Feinden des Evangelii überantworten. Da ich das vernahm, war meines Bleibens nimmer. Ich wischte von meinen Schuhen ihren Staub, denn ich sah mit meinen sichtigen Augen, daß sie viel mehr ihre Eide und Pflichten als Gottes Wort achteten.«

Der schwächliche Renegat Melanchthon suchte auch hier, wie sonst, Münzer in den Verdacht der Feigheit zu bringen: »Thomas hat da seines großen Geistes vergessen und macht sich davon und verbarg sich ein halbes Jahr.«

Wie wenig Feigheit mit Münzers Auszug aus Allstätt zu tun hatte, und wie wenig er gesonnen war, sich zu verbergen, zeigt, daß er sich von Allstätt unmittelbar nach einem neuen Kriegsschauplatz begab, nach Mühlhausen, wo wir ihn schon am 15. August finden. Und in diesem Punkte kann kein Irrtum Melanchthons vorliegen, sondern nur eine bewußte Lüge, denn 1525 mußte er sich noch sehr wohl des Schreckens erinnern, der im August 1524 Luther und seine Freunde ergriff, als sie erfuhren, Münzer habe sich nach Mühlhausen gewendet.

Luther schrieb sofort an die von Mühlhausen und forderte sie auf, Münzer zu vertreiben. Der Rat lade ihn vor und frage ihn, wer ihn gerufen, zu predigen: »Wenn er dann sagt, Gott und sein Geist habe ihn gesandt, wie die Apostel, so laßt ihn dasselbe beweisen mit Zeichen und Wundern, aber wehret ihm das Predigen, denn wo Gott die ordentliche Weise will ändern, so tut er allwege Wunderzeichen dabeiLuthers sämtliche Werke, XIX, S. 236.

Daß Luther so energisch gegen den kommunistischen Agitator zu Felde zog, hatte seinen guten Grund. Nicht nur mehrten sich die Anzeichen der drohenden Empörung, in Mühlhausen war Münzer auch gefährlicher als in Allstätt. Es war größer, enthielt etwa 6000 Einwohner und beherrschte ein Gebiet von etwa 220 Quadratkilometern. Merx, S. 48. Handwerk und Handel blühten. Namentlich Weberei und Tuchhandel waren dort stark entwickelt. »Es wurde besonders viel Tuch zu Mühlhausen gewebt und ein vorteilhafter Handel damit nach Rußland und anderen Ländern in jener Weltgegend getrieben.« (Galletti, Geschichte Thüringens, IV, S. 91.) Mühlhausen war aber nicht bloß reich und stark, es war auch von den sächsischen Fürsten unabhängig, eine der wenigen freien Reichsstädte, die sich in Thüringen noch selbständig erhalten hatten. Fiel diese Stadt in die Hände der kommunistischen Schwärmer, dann gewannen sie einen Stützpunkt, der sie ziemlich gefährlich machte.

Die inneren Verhältnisse lagen für eine Volkserhebung nicht ungünstig. Die starke Ausdehnung der Wollenweberei als Exportgewerbe mußte einen fruchtbaren Boden für rebellische und kommunistische Strömungen erzeugen. Dazu kam, daß in Mühlhausen »ein drückendes Aristokratenregiment herrschte: in dieser freien Reichsstadt gab es nicht mehr als sechsundneunzig Männer, die in Wahrheit freie Bürger waren. Das waren die Herren des Rates, der sich selbst ergänzte und nur aus PatriziernZimmermann, Bauernkrieg, I, S. 191. Zimmermann stand eine Reihe wichtiger Forschungen aus dem Stadtarchiv zu Mühlhausen zu Gebote.

In Mühlhausen waren daher nicht bloß die städtischen Proletarier, die Vorstädter und die Bauern der umliegenden Orte, die von der Stadt abhingen, rebellisch, sondern auch die zünftigen Handwerker, die anderswo zu den privilegierten Klassen gehörten. Kein Wunder, daß die Reformationsbewegung dort zu einer Reihe heftiger Erhebungen der Bürgerschaft gegen das Patrizierregiment führte. Der Leiter des Volkes in diesen Kämpfen war Heinrich Pfeiffer, ein Mönch, der, wie so viele andere zu jener Zeit, aus seinem Kloster getreten war. Pfeiffer war der Führer des oppositionellen Teiles der wohlhabenden Bürgerschaft, der zünftigen Handwerker und der Kaufleute, soweit diese nicht zu den Patriziern gehörten. Aber die Patrizier waren zu stark in Mühlhausen, als daß er die Bauern und Proletarier außer acht hätte lassen können. Er wendete sich auch an sie und rief sie auf zum Kampfe gegen die städtische Aristokratie.

Und noch eines anderen Bundesgenossen erfreute sich Pfeiffer: der sächsischen Fürsten, die schon längst nach dem Besitz der mächtigen Reichsstadt lüstern waren und denen innere Unruhen in ihr sehr zweckdienlich erschienen. Vergleiche Zimmermann, a. a. O., I, S. 194. Derselbe Herzog Johann von Sachsen, der Pfeiffer später, nachdem er ihm unbequem geworden war, als Rebellen köpfen ließ, begünstigte zunächst dessen Rebellion.

Trotz allen diesen Gegnern muß der Rat doch einen starken Anhang in der Stadt besessen haben, denn es gelang den Demokraten nicht, einen dauernden Erfolg zu erzielen. 1523 siegte Pfeiffer zum ersten Male mit seinem Anhang. Die Beute fiel nur der wohlhabenden Bürgerschaft zu; bloß diese erhielt Anteil am Stadtregiment; die Proletarier und die Kleinhandwerker in den Vorstädten und gar erst die Bauern gingen völlig leer aus.

Sollte dies einen Umschwung in der Stimmung der niederen Klassen hervorgerufen haben? Sicher ist es, daß es dem Rate bald gelang, Pfeiffer zu vertreiben, und vergebens verwendete sich Herzog Johann von Sachsen für seine Rückkehr. Dennoch finden wir ihn bald wieder in Mühlhausen, in heftigem Kampfe mit dem Rate, wobei das Glück sich bald auf die eine Seite, bald auf die andere neigte.

Mitten in diesem Kampfe traf Münzer dort ein. Der Rat war damals zu ohnmächtig, um Luthers Aufforderung nachzukommen, so gerne er gewollt hätte. »Ist auch ein ehrbar Rat so wenig mit ihm als mit Pfeiffer zufrieden gewest, aber der Pöbel hat ihn mit Gewalt behalten. Da er eben mit seinem Gesellen, dem Pfeiffer, eine Meuterei über die andere gestiftet und angerichtet hat.« Johann Becherer, Newe Thüringische Chronica, Mühlhausen 1601, S. 473. Diese thüringische Chronik beginnt mit Moses: »Wenn man von der Thüringer ersten Urankunft etwas zu wissen begehret, hat man keine ältere Nachrichtung, denn die uns der allerälteste und gewisseste Scribent Moses gibt.« Von Japhets Sohn Mesach stammen die Meißner, von Thiras die Thüringer.

Gerade um diese Zeit finden wir, daß die Partei Pfeiffers eine Schwenkung nach links vornimmt. Sie erhebt Forderungen auch für die Bauern und Vorstädter, und erringt nun den Sieg, am 27. August 1524. Ob und inwieweit Münzer an diesem Umschwung beteiligt war, kann nicht festgestellt werden.

Aber wie wahrscheinlich schon 1523, trat auch jetzt wieder eine Spaltung unter den Siegern ein. Waren damals die Vorstädter und Bauern nicht befriedigt worden, so bekamen jetzt die Bürger, die Handwerker und Kaufleute Furcht vor den Bauern und den Proletariern, die seit Münzers Ankunft sicher an Zuversicht nicht verloren hatten. Die Bürger schlugen sich auf die Seite des Rates, und schon am 25. September erlitten Pfeiffer und Münzer eine Niederlage. Münzer wurde vertrieben, bald darauf auch Pfeiffer.

Er wandte sich nach Süddeutschland, gleich so vielen anderen in Sachsen politisch Geächteten, wie zum Beispiel Karlstadt. Der letztere war auf Betreiben Luthers ausgewiesen worden, da diesen auf einer Agitationsreise, die er gegen Karlstadt unternommen, die Orlamünder sehr schlecht aufgenommen hatten. Aber auch jetzt bedeutete der Rückzug Münzers nicht den Rücktritt von der Bewegung zu wenigstens zeitweiser Ruhe, sondern nur das Aufsuchen eines neuen Feldes der Tätigkeit. Er mußte über die Dinge, welche sich in Süddeutschland vorbereiteten, wohlunterrichtet sein. Denn Deutschland – wenigstens Süd- und Mitteldeutschland – war damals von einem Netz mehr oder weniger geheimer revolutionärer Gesellschaften überzogen, die in steter Verbindung miteinander standen. Namentlich die kommunistischen Sekten lieferten zahlreiche wandernde Agitatoren, die, wie in England zur Zeit John Balls, so auch jetzt in Süd- und Mitteldeutschland die verschiedenen Bündnisse in Fühlung miteinander erhielten. Wir wissen bereits, daß seit den Anfängen der Waldenser die »Vertrauensleute« der Kommunisten, die »Apostel«, die »armen Priester«, oder wie sie sonst heißen mochten, in der Regel in steter Wanderung mit nur kurzen Unterbrechungen begriffen waren. Die Entwicklung des Wanderns der Handwerksgesellen war ein weiteres Mittel, den interlokalen Zusammenhang für diese Schichten zu einem engeren zu gestalten als für jede andere Schicht der Gesellschaft. »Alle wandernden Handwerker, die der Gemeinde angehörtem so Meister als Gesellen, wurden Apostel.« C. A. Cornelius, Geschichte des Münsterschen Aufruhrs, Leipzig 1860, II, S. 41.

Als Münzer sich nach Süddeutschland wandte, mußte er also wohl unterrichtet sein über die dortigen Verhältnisse; er mußte wissen, daß dort allenthalben der Aufstand drohte, er wußte jedenfalls auch schon davon, daß (Ende August) sich bereits die Bauern in Stühlingen tatsächlich erhoben hatten und die Erhebung an der Schweizer Grenze rasch um sich griff. Grund genug für Münzer, sich dorthin zu wenden, sobald ihm in den sächsischen Ländern jede Wirksamkeit für so lange unmöglich gemacht worden war, als die bestehenden Machtverhältnisse dauerten.

Nur vorübergehend hielt er sich in Nürnberg auf, nicht um einen Aufruhr zu entfachen – wie viele Leute glaubten – und er hätte Anhang genug in diesem alten beghardischen Zentrum gefunden, der Reichsstadt, deren Patriziat so mißtrauisch und selbstherrlich war, daß es selbst die zünftigen Organisationen der Handwerker verbot. Schönlank, Soziale Kämpfe vor dreihundert Jahren, S. 5 ff. Er blieb nur, um eine Schrift dort heimlich drucken zu lassen. Zu einem Aufstand schien ihm die Gelegenheit nicht günstig.

Seinen Nürnberger Aufenthalt charakterisiert Münzer am besten selbst in einem Briefe an einen Christoph N. in Eisleben. Abgedruckt in Luthers sämtlichen Werken unter dessen Schriften gegen Münzer und die aufrührerischen Bauern, XIX, S. 245. Wie traurig seine Verhältnisse damals waren, zeigt folgende Stelle daraus: »So Ihr's vermögt, helft mir mit einer Zehrung, es sei, was es wolle. Aber wenn Ihr Euch dran ärgern solltet, will ich keinen Heller haben.« Bereichert hatte sich also Münzer in Allstätt und Mühlhausen nicht. Er schreibt weiter in dem Briefe: »Ich hab meine Lehr lassen zu Nürnberg drucken und sie wollten beim römischen Reich Dank verdienen, sie zu unterdrücken, ich bin entschuldigt ... Ich wollte wohl ein feines Spiel mit denen von N. (Nürnberg) angerichtet haben, wenn ich Lust hatte, Aufruhr zu machen, wie mir die lügenhafte Welt schuld gibt, aber ich will alle meine Widersacher mit Worten so feig machen, daß sie es nicht werden verleugnen. Viele vom N. (Nürnberger) Volke rieten mir, zu predigen, da antwortete ich, ich wäre um deswillen nicht gekommen, sondern um mich durch den Druck zu verantworten. Da das die Herren erfuhren, klangen ihnen die Ohren. Denn gute Tage tun ihnen wohl, der Handwerksleute Schweiß schmeckt ihnen süß, süß, gedeiht aber zur bitteren Galle. Es wird da kein Bedenken oder Spiegelfechten helfen, die Wahrheit muß herfür, es hilft sie nichts das Gedichte annehmen des Evangelii; die Leute sind hungrig, sie wollen essen.«

Damit schließt der Brief.

Den Erfolg seines Nürnberger Aufenthalts schildert uns kurz ein alter Berichterstatter, Johann Müllner (zitiert bei Strobel, S. 64): »Ein Buchdrucker zu Nürnberg hat sich unterstanden, ein Büchlein von Thomas Münzer zu drucken. Dem hat der Rat alle Exemplarien nehmen und seinen Gesellen, der es ohne des Meisters Vorwissen getan, in das Lochgefängnis einziehen lassen.«

Um noch ein übriges zu tun, haben Luther und sein Anhang die Schrift systematisch totgeschwiegen und sie nie erwähnt, geschweige denn darauf geantwortet, obwohl, oder vielmehr weil sie die schärfsten Angriffe und Anklagen gegen Luther enthielt – gegen Luther und gegen die Fürsten. Diese letzte Schrift Münzers ist seine leidenschaftlichste und revolutionärste.

Wenn die Nürnberger und Luther mit seinen Leuten glaubten, durch die Konfiskation und das Totschweigen etwas gewonnen zu haben, so irrten sie sich, wie sich bis auf den heutigen Tag noch zahlreiche Staatsmänner irrten und irren, die in gleicher Weise Politik treiben. Es gelang dem hochwohlweisen Rat keineswegs, aller Exemplare habhaft zu werden. Nicht nur fand die Schrift noch vor dem Bauernkrieg Verbreitung; trotz des Vernichtungskriegs gegen alle aufrührerischen Schriften, der nach dem Bauernkrieg wütete, haben sich Exemplare des konfiszierten Libells bis heute erhalten. Es ist die »hoch verursachte Schutzrede«. Hoch verursachte Schutzrede und antwort wider das Gaistlose Sanfft lebende Fleysch zu Wittenberg, welches mit verkärter weyße, durch den Diepstal der heiligen schrift die erbermdliche Christenheit also gantz jämmerlich besudelt hat. Thomas Müntzer Alstedter. Mit feiner Verspottung der damaligen Servilität der Schriftgelehrten ist sie gewidmet: »Dem Durchlauchtigsten Erstgeborenen Fürsten und allmächtigen Herrn Jesu Christo, dem gütigen König aller Könige, dem tapferen Herzog aller Gläubigen, meinem gnädigsten Herrn und getreuen Beschirmer und seiner betrübten einzigen Braut, der armen Christenheit.«

Nach einer Reihe von Ausfällen gegen Luther, den »Dr. Ludibrii«, und die Schriftgelehrten, kommt er darauf zu sprechen, daß er die Fürsten in Allstätt aufgefordert habe, das Schwert zu ergreifen zur Verteidigung des Evangeliums. Er habe dies mit der Bibel gerechtfertigt. »Gleichwohl kommt der Gevatter Leisetritt, ach der kirre Geselle, und sagt, ich wolle Aufruhr machen, wie er denn aus meinem Sendbrief an die Berggesellen erlesen. Eines sagt er und das Allerbescheidenste verschweigt er: wie ich klärlich vor den Fürsten ausbreitete, daß eine ganze Gemeinde Gewalt des Schwertes habe, wie auch den Schlüssel zur Auflösung, und sagte vom Text Danielis 7, Apocalyp. 6 und Romano. 13, 1. Reg. 8, daß die Fürsten keine Herren, sondern Diener des Schwertes (der öffentlichen Gewalt) seien. Sie sollen's nicht machen, wie es ihnen wohl gefällt, Deutero. 17, sie sollen recht tun. Darum muß auch nach altem gutem Brauch das Volk daneben sein, wenn einer recht gerichtet wird nach dem Gesetz Gottes, Num. 15. Ei warum: Wenn die Obrigkeit das Urteil wollte verkehren (Esaia 10), so sollen die umstehenden Christen das verneinen und nicht leiden, denn Gott will Rechenschaft haben vom unschuldigen Blut, Psalm 78. Es ist der allergrößte Greuel auf Erden, daß niemand der dürftigen Not sich will annehmen; die Großen machen's wie sie wollen ... Sieh zu, die Grundsuppe des Wuchers, der Dieberei und Räuberei sind unsere Herren und Fürsten, sie nehmen alle Kreaturen zum Eigentum. Die Fische im Wasser, die Vögel in der Luft, das Gewächs auf Erden, alles muß ihr sein (Esaia 5). Darüber lassen sie dann Gottes Gebot ausgehen unter die Armen und sprechen: Gott hat geboten, du sollst nicht stehlen; sie selbst aber folgen dem nicht. Daher sie nun alle Menschen beschweren, den armen Ackersmann, Handwerksmann und alles, was da lebt, schinden und schaben (Micha 3). So er sich dann vergreift am Allergeringsten, muß er hängen. Da sagt dann der Dr. Lügner Amen. Die Herren machen das selber, daß ihnen der arme Mann Feind wird; die Ursache des Aufruhrs wollen sie nicht weg tun, wie kann es auf die Länge gut werden. So ich das sage, muß ich aufrührisch sein. Wohlhin!« Dieser ganze Passus ist bei Zimmermann als Zitat aus dem »anderen Unterschied Danielis« gebracht, a. a. O., I, S. 185.

Münzer polemisiert nun weiter gegen Luther, dem er unter anderem seinen Neid darüber vorwirft, daß Münzer ihm mit dem »Deutschen Amt« zuvorgekommen. (Wir haben die Stelle zitiert 2. Bd. S. 85.) Er weist Luther nach, daß dieser heuchle, wenn er behaupte, daß er bloß Münzers Taten bekämpfe, dagegen seinen Predigten nichts in den Weg lege. »Jungfrau Martin«, »die keusche babylonische Frau« verdamme Münzer nicht, sie denunziere ihn bloß. Er höhnt Luther, der sich auf sein Martyrium so viel zugute tut: »Es nimmt mich sehr wunder, wie es der ausgeschämte Mönch tragen kann, daß er also greulich verfolgt wird bei dem guten Malvasier und bei dem Hurenkästlein.« Nicht minder verächtlich wie das Posieren als Märtyrer bei Wohlleben und Würden sei die Speichelleckerei Luthers und seine Achselträgerei. »Die armen Mönch und Pfaffen und Kaufleut können sich nicht wehren, darum hast du sie wohl zu schelten. Aber die gottlosen Regenten soll niemand richten, ob sie schon Christum mit Füßen treten.« Dabei aber treibe er Demagogie, um es auch mit den Bauern nicht zu verderben. Lächerlich sei sein Prahlen mit seiner Tapferkeit. Weder in Leipzig noch in Worms habe er etwas riskiert. (Wir haben die Worms betreffende Stelle oben zitiert, 2. Bd. S. 16.) Den Rest bildet, außer der Mitteilung über Münzers Auszug aus Allstätt (zitiert 2. Bd. S. 78), eine saftige Schimpferei auf Luther, in einem Stil, den auch dieser selbst liebte: »Schlaf sanft, liebes Fleisch. Ich rieche dich lieber gebraten in deinem Trotz durch Gottes Grimm im Hafen oder Topf beim Feuer, denn in deinem eigenen Söslein gekocht, sollte dich der Teufel fressen. Du bist ein eselisch Fleisch, du würdest langsam gar werden und ein zähes Gericht werden deinen Milchmäulern.«

Nachdem Münzer diesen Partherpfeil gegen seinen Gegner abgeschossen, verließ er Nürnberg und wandte sich nach der Schweizergrenze, wo er den Winter verbrachte. Genaueres ist über seinen dortigen Aufenthalt nicht bekannt. Nach Cochläus hätte er seine damaligen Reisen bis Hall in Tirol ausgedehnt, einem Bergwerksdistrikt, der später ein Wiedertäuferzentrum wurde. Vielfach nahm man an, er sei der Verfasser der berühmten zwölf Artikel, in denen die aufgestandenen Bauern ihre Forderungen formulierten, ja man behauptete sogar, er habe die süddeutsche Insurrektion veranlaßt. Die beiden letzteren Angaben sind sicher grundlos. Wahrscheinlich auch die des Cochläus.

Münzer selbst sagt uns in seinem »Bekenntnis« über seinen Aufenthalt an der Schweizer Grenze nur folgendes, und das dürfte alle wesentlichen Momente seiner damaligen Tätigkeit enthalten: »Im Klettgau und Hegau bei Basel habe er etliche Artikel, wie man herrschen soll, aus dem Evangelio angeben; daraus haben andere andere Artikel gemacht. Sie hätten ihn gerne zu sich genommen, er habe ihnen aber dafür gedankt. Die Empörung habe er dort nicht gemacht, sondern sie seien bereits aufgestanden gewest. Ökolampadius und Hugowaldus haben ihn dort aufgefordert, zum Volk zu predigen, da habe er dann gepredigt.«

Münzer hat also die zwölf Artikel nicht verfaßt, wohl aber hat er auf ihre Entstehung Einfluß genommen. Er betrachtete seinen Aufenthalt nur als einen vorübergehenden, aber er blieb nicht untätig, sondern wirkte agitatorisch, »predigte dem Volke«, wie er sagte, oder wie Bullinger sich ausdrückt: »er pflanzte seinen vergifteten Samen des Bauernaufruhrs.«

Hier an der Schweizer Grenze hatte er aber auch Gelegenheit, mit den Führern der Schweizer Wiedertäufer zusammenzutreffen. Das Verhältnis Münzers zu ihnen ist jedoch zwar sehr charakteristisch für diese, dagegen von geringer Bedeutung für das Verständnis des thüringischen Kommunisten und seines Wirkens. Eine Darstellung dieses Verhältnisses würde das Eingehen auf die Anfänge der Wiedertäufer überhaupt bedingen. Um den Fortgang der Darstellung nicht ungebührlich zu unterbrechen, sehen wir hier davon ab, um im nächsten Abschnitt darauf zurückzukommen.

3. Der Verlauf der Erhebung und Münzers Untergang.

Zu Beginn des Jahres 1525, vielleicht schon im Januar, verließ Münzer Schwaben, um nach Thüringen zurückzugehen. Er ging nicht aufs Geratewohl. Er wußte, daß der Ausbruch der Bewegung bevorstehe.

Wie in England 1381 der Bauernaufstand auf allen Punkten an demselben Tage losgebrochen war, so galt auch jetzt unter den aufrührerischen Bauern allenthalben der gleiche Tag – der 2. April – als der Tag des allgemeinen Losschlagens, wenn auch der Aufstand in manchen Gegenden durch Ungeduld der Beteiligten oder unter dem Zwang der Verhältnisse früher schon losbrach. Wir dürfen also nicht daran zweifeln, daß eine weitverzweigte Verschwörung hinter der Empörung stand, diese organisierte und ihren Ausbruch leitete.

Heute, wo ein Geheimbund, und wenn er noch so wenige Mitglieder umfaßte, wohl den Massen der Bevölkerung, auf die er sich stützen will, verborgen bliebe, in der Regel aber nicht den Regierungen, gibt es wohl keinen ernsthaften revolutionären Politiker mehr, der eine große, den ganzen Bereich der Nation umfassende Erhebung durch eine Verschwörung bewerkstelligen wollte. Im vierzehnten und auch noch im sechzehnten Jahrhundert lag die Sache günstiger. Noch war die politische Staatspolizei nicht entwickelt – wenigstens nicht nördlich der Alpen –, auch war das Postwesen mit seinen Anhängseln noch nicht Staatssache geworden; die Briefe waren daher noch nicht »so sicher, wie die Bibel auf dem Altar«, alle Mitteilungen nach entfernteren Gegenden wurden durch Boten besorgt, und die »Feldpost« der Revolutionäre arbeitete ebenso prompt, oft noch prompter als die der Herrschenden, dank namentlich den wandernden Gesellen und »Aposteln«, auf deren Rolle in dieser Beziehung wir schon hingewiesen.

So blieb zum Beispiel auch während des Bauernkrieges Münzer von Mühlhausen aus in lebhaftem Verkehr mit Schwaben. Bullinger erzählt in seinem Buche über die Wiedertäufer: »Und als er gleichwohl hier oben in dieser Gegend (dem Klettgau) nicht mehr war, sondern sich wiederum herab nach Thüringen getan und zu Mühlhausen wohnte, schrieb er doch Briefe an seine Vertrauten herauf, mit denen er immerdar unruhige Leute anzündete und hetzte wider ihre Herrn und Obern. Und nicht lang vor dem Ausbruch des bäurischen Aufruhrs, der in der Landgrafschaft und darum sich erhob, schickte er einen Boten herauf mit Briefen und auch mit Zetteln, in welche er hatte lassen verzeichnen die Kreise und Größe der Kugeln des Geschützes, das zu Mühlhausen zu dem Aufruhr schon gegossen war: stärkte damit und tröstete die Unruhigen.« »Der Widertäufferen vrsprung, fürgang, Secten, wäsen, fürnemen vnd gemeine jrer leer Artickel, auch jre grind vnd worüm sy sich absunderind vnd ein eigne Kirchen anrichtind, mit widerlegung etc. Abgeteilt in VI Bücher und beschriben durch Heinerychen Bullingern, Dienern der Kirchen zu Zürich,« Zürich 1561.

Am meisten aber wurde damals der Erfolg einer Verschwörung begünstigt dadurch, daß jedes Mitglied der unteren Klassen in einem kleinen Kreise lebte, von dem es gesellschaftlich, meist auch ökonomisch, höchst abhängig war, der all sein Tun und Treiben kannte und mit dem es aufs innigste verwuchs. Die Markgenossenschaft und die Dorfgemeinde, die Zunft und die Gesellenschaft erzeugten da eine Disziplin, eine Solidarität, aber auch eine Abschließung von anderen Kreisen, die der Bewahrung von Geheimnissen, sowie dem Erstehen und Bestehen von Geheimbünden höchst förderlich war. Die Zeit, in der Zunftgeheimnisse jahrhundertelang bewahrt werden konnten, ohne ausgeplaudert zu werden, war auch die Zeit, in der die Geheimbünde gediehen. Nicht nur sektiererische Lehren wurden auf dem Wege der Geheimbündelei verbreitet – erinnern wir uns der »Grubenheimer« –, sondern auch politische Aktionen in Stadt und Land wurden dadurch bewirkt. Manche dieser geheimen Gesellschaften haben große Bedeutung erlangt, so zum Beispiel der »Bundschuh« und der »Arme Konrad«, die den Bauernkrieg einleiteten.

Zur Zeit der Reformation endlich wurde die Verschwörung noch besonders erleichtert durch das kolossale Mißtrauen der Herrschenden untereinander. Erschwerte schon die Zerrissenheit Deutschlands ein planmäßiges Zusammenwirken der Obrigkeiten verschiedener Lokalitäten, so wurde diese Schwierigkeit noch gesteigert während der Reformation, wo nicht nur die unteren Klassen revoltierten, sondern auch ein großer Teil der oberen auf die Revolution spekulierte, wo die geistlichen Herren den weltlichen, die katholischen den evangelischen nicht über den Weg trauten, und umgekehrt. Es mußte ihnen erst das Wasser an die Kehle gehen, ehe sie sich zu einer »reaktionären Masse« vereinigten.

So wird es erklärlich, daß der Aufstand, dessen Anzeichen schon im Herbst 1524 an verschiedenen Punkten zutage traten und der im Winter eifrig vorbereitet wurde, die herrschenden Klassen überraschte, so daß die Empörer zu Beginn fast allenthalben im Vorteil waren.

So früh Münzer aufgebrochen war, er stieß unterwegs bereits auf insurgierte Bauern. Einmal wäre ihm das um ein Haar schlecht bekommen. Im Fuldischen wurde er mit einem Haufen Bauernrebellen gefangen genommen. Der Allstätter Schösser Hans Zeyß, der über Münzer stets gut unterrichtet war, schrieb damals (22. Februar) an Spalatin: »Ich füg' Euch zu wissen, daß Thomas Münzer zu Fulda gewesen, daselbst im Turm einige Zeit gelegen, und der Abt hat zu Arnstädt auf des von Schwarzburg Wirtschaft gesagt, – hätte er gewußt, daß es Thomas Münzer gewesen, er wollte ihn nicht ledig gegeben haben.«

Kurz darauf, 12. März, finden wir Münzer wieder in Mühlhausen, wohin Pfeiffer schon früher (im Dezember) gekommen war. Binnen wenigen Tagen sind sie durch einen glücklichen Aufstand Herren der Stadt (am 17. März), fast an demselben Tage, an dem sich, mehr als drei Jahrhunderte später, 1848 das Volk von Berlin und 1871 das von Paris siegreich erhob. Der eben erwähnte Hans Zeyß schrieb darüber an Spalatin, mit merkwürdiger Hervorhebung Pfeiffers auf Kosten Münzers, aber mit richtiger Kennzeichnung der Elemente, durch die der Kampf gewonnen ward: »Ich hätte Euch einen ganzen Tag zu berichten, der grausamen Uneinigkeit und Aufruhr, die ein Prediger, der Pfeiffer genannt, und Münzer in Mühlhausen anrichten. In Summa, Herr Omnes (Herr Alle, das Volk) hat dem Rat das Regiment genommen; der darf nichts wider ihren Willen strafen, regieren, schreiben noch handeln.

»Nachdem der Pfeiffer mit Münzer vom Rat vertrieben, und da sie zu Nürnberg gewest und ausgewest, ist Pfeiffer wiederkommen und hat sich in der von Mühlhausen Dörfern beworben und beklagt, wie er mit Gewalt vertrieben worden sei, allein um der Wahrheit und um deswillen, daß er sie frei vom Rat und der Obrigkeit und von aller Beschwerung habe predigen und machen wollen. Und er hat dieselbigen Bauern mit ihren Gewehren versammelt und ist gegen Mühlhausen in die Vorstadt gezogen, dort aufgetreten und hat mit Gewalt gepredigt. Da das der Rat zu Mühlhausen gewahr worden ist, daß Pfeiffer mit Gewalt zu ihnen eindringe, haben sie in der Stadt ihre Ordnungen und Haufen gemacht und sind aus der Stadt Pfeiffer entgegengezogen, ihn wieder zu vertreiben. Als der Kampf angehen sollte, da haben die gemeinen Bürger, die doch dem Rat beständig sein sollten, sich gegen den Rat geschlagen und solche Untreue gespielt, davon nicht zu sagen ist. Und ihr Hauptmann hat gesehen, wie das gemeine Volk vom Rat gefallen sei und mit großer Mühe und Arbeit das Spiel und den Lärmen gestillt, doch nicht anders, denn daß diese (Pfeiffer und Münzer) Prediger bleiben und der Rat sich hat müssen zwingen lassen, nichts zu tun oder zu schaffen ohne der Gemeinde Wissen und Wollen. Damit ist dem Rat das Schwert genommen und es geht in Mühlhausen seltsam zu.«

In der Tat sehr seltsam: eine kommunistische Gemeinde wurde dort eingerichtet.

»Dies war der Anfang des neuen christlichen Regiments,« schreibt Melanchthon. »Danach stießen sie die Mönche aus, nahmen die Klöster und Stiftgüter ein; da haben die Johanniter einen Hof gehabt und große Rent; denselben Hof nahm Thomas ein ... Er lehrte auch, daß alle Güter gemein sollten sein, wie in Actis Apostolorum geschrieben steht, daß sie die Güter zusammengetan haben. Damit macht er den Pöbel so mutwillig, daß sie nicht mehr arbeiten wollten, sondern wo einem Korn oder Tuch vonnöten war, ging er zu einem Reichen, wo er wollt', und fordert's aus christlichen Rechten. Denn Christus wollt, man sollte teilen mit den Dürftigen. Wo denn ein Reicher nicht willig gab, was man fordert, nahm man es ihm mit Gewalt. Dies geschah von vielen, auch täten es die, so bei Thomas wohnten im Johanniterhof

Und Becherer erzählt: »In diesem Regiment war Münzer Diktator und Oberster und hat alles nach seinem Gefallen gerichtet ... Insonderheit drang er auf Gemeinschaft der Güter, woraus denn erfolget, daß die Leute ihr Handwerk und tägliche Arbeit liegen ließen, meinten, ehe sie der Edelleute, Fürsten und Herrn, Stifter und Klöster Güter hätten verzehrt, unterdes würde Gott mehr bescheren; lernten also rauben und stehlen; und dies Wesen trieb Münzer etliche Monate lang.« Becherer, a. a. O., S. 479.

Die schlimmen Wirkungen, die das kommunistische Regiment angeblich auf Handel und Wandel geübt, brauchen wir wohl nicht eingehend zu beleuchten; sie sind nichts als das herkömmliche Gerede des Bürgertums und seiner Anwälte über den Kommunismus und haben gar keine tatsächliche Grundlage. Das ergibt sich schon daraus, daß das Regiment der revolutionären Kommune von Mühlhausen nicht viel über zwei Monate dauerte (fast genau so lange wie das der Pariser Kommune von 1871 – ersteres vom 17. März bis zum 25. Mai, letzteres vom 18. März bis zum 28. Mai); Münzer selbst verließ Mühlhausen schon vor dem 12. Mai. In diesen paar Wochen soll der Kommunismus fühlbare Einwirkungen auf die Produktion geäußert haben, mitten in der wildesten Kriegsnot, die jeden wehrhaften Arbeiter unter die Waffen rief!

Melanchthon freilich erzählt uns, der Kommunismus in Mühlhausen habe ein Jahr lang gedauert! Man stelle sich vor, ein moderner Schriftsteller hätte im Herbst 1871 ein Buch über die Pariser Kommune geschrieben, in dem er deren Dauer auf ein Jahr ansetzte! Man weiß nicht, worüber man sich mehr wundern soll, über die Unverfrorenheit des »sanften und schüchternen« Melanchthon oder über die Gedankenlosigkeit seines Publikums.

Und aus solchen »zeitgenössischen Quellen« ist bisher von bürgerlicher Seite die Geschichte der kommunistischen Bewegungen in der Regel zusammengelesen worden.

Indes sind diese Fälschungen bei einiger Sorgfalt leicht zu entdecken. Weit verwirrender hat die gänzlich unrichtige Darstellung der Rolle gewirkt, die Münzer in Mühlhausen spielte. Becherer wie Melanchthon stellten ihn als Diktator hin, dessen Wille in der Stadt unumschränkt gebot. In gleicher Weise äußerte sich gelegentlich Luther. Er schrieb in einem Briefe: Zitiert bei Strobel, S. 88. » Müntzer Mulhusi Rex et Imperator est,« »Münzer ist Mühlhausens Herr und König.«

In Wirklichkeit war Münzers Lage nichts weniger als erfreulich. Er hatte nicht durch die eigene Kraft seiner Anhänger gesiegt, sondern durch einen Kompromiß mit der Pfeifferschen Richtung, die nicht kommunistisch, sondern ausgesprochen bürgerlich war. Er kam nicht an die Spitze der Regierung, des Rates, sondern blieb einfacher Prediger. Aber auch seine Predigt war in Mühlhausen nicht ausschlaggebend. Die Politik der Stadt entsprach keineswegs seiner Politik. In den wichtigsten Angelegenheiten begegnete er Pfeiffers Widerstand, und dieser hatte die Mehrheit hinter sich.

Mühlhausen war kein Tabor. Dieses kann man als eine kommunistische Kolonie bezeichnen. Es war eine Neugründung, in der die Kommunisten zusammenströmten, um dort die alleinige Bevölkerung zu bilden. Ganz anders lagen die Verhältnisse in der alten Reichsstadt. Die Kommunisten fanden dort ihre vornehmliche Stütze nur im Proletariat und daneben noch in manchen Kreisen der kleinen selbständigen, vorstädtischen Handwerker und der umwohnenden Bauern. Diese Bevölkerungsschichten waren damals viel zu schwach, um den verschiedenen Schichten des Bürgertums ihren Willen aufzwingen zu können. Durch ein glückliches Zusammentreffen günstiger Umstände und deren geschickte und energische Ausnutzung waren die Kommunisten in Mühlhausen dahin gelangt, eine entscheidende Rolle spielen zu können, wohl als das Zünglein an der Wage zwischen den beiden kämpfenden Parteien. Aber mehr konnten sie von der Richtung, die mit ihrer Hilfe obenauf gelangt war, nicht erlangen als Duldung. Wir dürfen uns den Zustand in Mühlhausen nicht so vorstellen, als wäre die ganze Stadt kommunistisch organisiert worden; die »Brüder« erlangten jedenfalls nicht mehr, als daß ihnen gestattet wurde, ihre geheime Organisation in eine offene zu verwandeln und eine »Kommune« innerhalb der Stadtgemeinde zu bilden. Den Sitz dieser Kommune bildete wahrscheinlich der Johanniterhof.

Wie wenig zahlreich Münzers Anhang in Mühlhausen war, sieht man daraus, daß, als er von dort auszog, um den Bauern zu helfen, nur 300 Mann ihm folgten. Melanchthon spricht von 300 »Buben«. Bei einem früheren Auszug, am 26. April, folgten ihm nach Becherer »ungefähr 400 Mann, mehrenteils fremdes Gesindlein ... Bei diesem Haufen und Zuge sind wenige Bürger und kein Ratsherr von Mühlhausen gewest (a. a. O., S. 480).

Daß die Münzersche Kommune, »so bei Thomas wohnten im Johanniterhof«, in den wenigen Wochen ihres Bestehens ihre Einnahmen nicht bloß aus der Arbeit ihrer Mitglieder zog, sondern und vornehmlich aus der Beute, die in Kirchen, Klöstern und Schlössern gemacht wurde, dürfen wir Melanchthon wohl glauben. Ähnlich hatten es die Taboriten gehalten, und in den damaligen Zeitläufen waren die Kirchengüter res nullius, niemandes Eigentum, das an sich riß, wer die Macht dazu hatte. Meistens die Fürsten. Hier und da auch ein paar arme Teufel.

Daß Münzer und Pfeiffer in grundsätzlichem Gegensatz zueinander standen, darauf haben wir schon hingewiesen. Aber daraus folgten auch Gegensätze taktischer Natur.

Pfeiffer, als echter Kleinbürger der vorkapitalistischen Zeit, fühlte sich bloß als Vertreter lokaler Interessen. Münzer war, wie die Kommunisten jener Zeit überhaupt, interlokal. Pfeiffer betrachtete die Erhebung in Mühlhausen als eine reine Mühlhauser Angelegenheit. Für Münzer war sie nur ein Glied in einer großen Kette revolutionärer Erhebungen, deren Zusammenwirken der Tyrannei und Ausbeutung den Garaus machen sollte. Was ehedem Tabor für Böhmen gewesen, sollte jetzt die feste Stadt Mühlhausen für Thüringen werden, der Stützpunkt der ganzen Rebellion, die innigste Fühlung mit der fränkischen und schwäbischen zu halten habe.

Pfeiffer – und wenn wir hier von Pfeiffer und Münzer reden, so meinen wir nicht die beiden Personen allein, sondern auch die Richtungen, deren vornehmste Vertreter sie waren – Pfeiffer war wohl gleich bei der Hand bei einigen Plünderungszügen in benachbarte Gebiete, jedoch nur in katholische, aber weiter als an kleine Stadtfehden dachte er nicht. Münzer dagegen war sich wohl bewußt, daß der Sieg in Mühlhausen nicht den Abschluß der revolutionären Kämpfe bedeute, sondern die Einleitung des Entscheidungskampfes. Es galt also, sich zu rüsten und zu organisieren, die Massen wehrhaft zu machen und die Erhebungen der verschiedenen Gebiete zu gemeinsamem Handeln zu vereinigen.

Mit der Wehrhaftigkeit der Bauern stand es in Thüringen besonders schlimm. Vielleicht nirgends in Deutschland war das Bauernvolk so ungeübt in den Waffen und ohne alle Rüstung, wie gerade dort. Sie zu bewaffnen und in den Waffen zu üben, dazu brauchte man Zeit.

»Münzer wollte sich nicht übereilen; er wollte den rechten Augenblick erwarten, warten, bis der Aufstand durch die Zeit und Gewohnheit Stärke gewänne und eine vollkommenere Organisation; bis die waffengeübten, handfesten Bergknappen bei ihm wären, die Oberschwaben und andere Haufen die ersten Schlachtsiege über die Fürsten gewonnen hätten. Er wollte sie alle zum Rückhalt haben und dann erst von seinem Mühlhausen sich erheben mit Gideons Schwert. Er kannte ihn wohl, den größten Teil seiner Thüringer. Das waren keine Schwaben, die von Jugend an der Fahne gefolgt, im Kriege heraufgewachsen waren, keine Franken, wie Herrn Florians schwarze Schar, keine Schützen, wie die in den Alpen und im Elsaßerland: der Erdscholle mühsam und kümmerlich den Unterhalt abzuringen, war ihr Tagwerk, Hacke und Spaten die einzigen ihnen gewohnten Waffen.« Zimmermann, II, S. 424.

Was er tun konnte, tat Münzer. Namentlich sorgte er für grobes Geschütz. Er ließ im Barfüßer Kloster Kanonen gießen. Welchen Wert er darauf legte, vielleicht mehr als moralisches, denn als taktisches Machtmittel, sieht man daraus, daß er bis nach Schwaben die Mitteilung davon schickte, wie wir gesehen haben. Diese Tatsache allein zeigt uns aber bereits, wie eifrig er die Verbindung mit den süddeutschen Insurgenten pflegte.

Noch eifriger betrieb er die Anspornung und Zusammenfassung der Aufrührer in Thüringen. Er entfaltete geradezu eine fieberhafte Tätigkeit in Wort und Schrift. Nach allen Seiten sandte er Briefe zur Ermahnung und Ermutigung. Einen davon druckt Seidemann als Beilage zu seinem Buche ab (Beilage 38, S. 143). Er sei hier mitgeteilt: »Den christlichen Brüdern von Schmalkalden, itzt zu Eisenach im Lager.

»Die reine rechtschaffene Furcht Gottes zuvor, Allerliebste. Euch sei zu wissen, daß wir mit allem Vermögen und allen Kräften Euch zu Hilfe und Schirm kommen wollen. Es haben aber neulich unsere Brüder Ernst von Honstein, Günther von Schwarzburg Hilfe begehrt, welche wir ihnen auch zugesagt und jetzt zu vollziehen geneigt sind. So Ihr darüber geängstigt würdet, wollen wir und der ganze Haufe von der Gegend in Euer Lager kommen. Aber tragt eine kurze Zeit Geduld mit unseren Brüdern, die zu mustern wir über die Maßen zu schaffen haben, denn es viel ein grobes Volk ist, wann ein jeder austrachten kann. Ihr seid in vielen Sachen Eures Beschwerens inne worden, den Unseren aber vermögen wir nicht mit allem Gemüt dasselbige zu erkennen geben. Allein wie sie Gott mit Gewalt treibt, müssen wir ihnen handeln. Ich wollt sonderlich von Gott begehren, umzugehn und Euch zu raten und helfen, und desselbigen mit Beschwerung lieber pflegen, denn mit Unwitzigen vorgehn zu müssen. Jedoch will Gott die närrischen Dinge erwählen und die klugen verwerfen. Darum ist's auch was Schwaches, daß Ihr Euch also sehr fürchtet, und Ihr mögt es doch wohl an der Wand greifen, wie Euch Gott beisteh. Habt den allerbesten Mut und singet mit uns: Ich will mich vor Hunderten und Tausenden nicht fürchten und deren Volk, wiewohl sie mich umlagert haben. Gott gebe Euch den Geist der Stärke, das wird er nimmermehr unterlassen, durch Jesum Christum, der Euch Allerliebsten bewahre alle. Amen. Gegeben zu Mühlhausen, Im Tag Jubilate (7. Mai) Anno 1525. Thomas Münzer mit der ganzen Gemeinde Gottes zu Mühlhausen und von vielen Örtern.«

Der Brief ist bezeichnend, nicht bloß für Münzers Beziehungen zu den Insurgenten außerhalb Mühlhausens, sondern auch für seine Stellung innerhalb dieser Stadt. Man sieht, wie wenig zufrieden er mit den »Brüdern« dort ist, den »Unwitzigen«, dem »groben Volke«, das ihm »über die Maßen zu schaffen« machte, die »ihres Beschwerens noch nicht völlig inne worden«.

Wichtiger als die unzuverlässigen Mühlhausener und als die schlecht bewehrten Bauern erschienen ihm die Bergarbeiter. Diese waren der wehrhafteste und trotzigste Teil des Volkes in Sachsen, und auf sie richtete sich denn auch sofort Münzers Aufmerksamkeit. Er setzte sich mit den Bergwerken am Erzgebirge in Verbindung, vor allem aber trachtete er danach, die ihm nächsten Bergarbeiter, die Mansfelder, zur Erhebung zu bringen, unter denen er ja noch von seiner Allstätter Zeit her gute Verbindungen hatte.

Ein Brief, den er damals an seine Bundesbrüder im Mansfeldischen richtete, den Balthasar und Barthel usw., die Agitation unter den Bergarbeitern in Fluß zu bringen, ist abgedruckt in Luthers Werken als eine von »drey greulichen aufrührischen Schrifften Thomä Müntzers« (XIX, S. 289 ff.). Er ist später mehrfach veröffentlicht worden, so von Strobel, S. 93, und Zimmermann, II, S. 297. Er lautet: »Die reine Furcht Gottes zuvor. Lieben Brüder, wie lange schlaft Ihr? Wie lange seid Ihr Gott seines Willens nicht geständig, darum, daß er Euch nach Eurem Ansehen verlassen hat? Wie oft habe ich Euch gesagt, daß es das muß sein. Gott kann sich nicht länger offenbaren. Ihr müßt stehen; tut Ihr's nicht, so ist das Opfer, ein herzbetrübtes Herzeleid, umsonst. Ihr müsset danach wieder in Leiden kommen. Das sage ich Euch, wollt Ihr nicht um Gottes willen leiden, so müßt Ihr des Teufels Märtyrer sein. Darum hütet Euch. Seid nicht verzagt, nicht nachlässig; schmeichelt nicht länger den verkehrten Phantasten, den gottlosen Bösewichtern. Fahet an und streitet den Streit des Herrn. Es ist hohe Zeit. Haltet Eure Brüder all dazu, daß sie göttliches Zeugnis nicht verspotten; sonst müssen sie alle verderben. Das ganze Deutsch-, Französisch- und Welschland ist erregt. Der Meister will ein Spiel machen, die Bösewichter müssen dran. Zu Fulda haben sie in der Osterwoche vier Stiftskirchen verwüstet. Die Bauern im Klettgau, im Hegau und Schwarzwald sind auf, als dreißigtausend stark, und wird der Haufe je länger je größer. Allein das ist meine Sorge, daß die närrischen Menschen sich verwilligen in einen falschen Vertrag, darum, daß sie den Schaden noch nicht erkennen. Wo Euer nur drei sind, die in Gott gelassen, allein seinen Namen und seine Ehre suchen, werdet Ihr Hunderttausende nicht fürchten. Nur dran, dran, dran! Es ist Zeit. Die Bösewichter sind verzagt wie die Hunde. Reget die Brüder an, daß sie zu Fried kommen und ihr Gezeugnis halten. Es ist über die Maßen hoch, hoch vonnöten: dran, dran, dran! Lasset Euch nicht erbarmen, ob Euch der Esau gute Worte vorschlägt. Sehet nicht an den Jammer der Gottlosen. Sie werden Euch so freundlich bitten, greinen, flehen wie die Kinder. Laßt es Euch nicht erbarmen, wie Gott durch Mosen befohlen hat, 5. Buch Mosis, 7. Uns, uns hat er auch offenbaret dasselbe. Reget an in Dörfern und Städten, und sonderlich die Berggesellen mit anderen guten Burschen. Wir müssen nicht länger schlafen. Siehe, da ich die Worte schrieb, kam mir Botschaft von Salza, wie das Volk den Amtmann des Herzog Georgens vom Schloß langen wollen, um deswillen, daß er drei habe wollen heimlich umbringen. Die Bauern vom Eichsfeld sind über ihre Junker fröhlich worden; kurz, sie wollen keine Gnade haben. Es ist des Wesens viel, Euch zum Ebenbilde. Ihr müsset dran, dran, es ist Zeit! Balthasar und Barthel! Krumpf, Velten und Bischof, gehet feine an. Diesen Brief lasset den Berggesellen werden. Mein Drucker wird kommen in kurzen Tagen. Ich habe die Botschaft erhalten; ich kann es jetzt nicht anders machen. Selbst wollte ich den Brüdern Unterricht geben, daß ihnen das Herz viel größer sollte werden, denn alle Schlösser und Rüstung der gottlosen Bösewichter auf Erden. Dran, dran, dran! weil das Feuer heiß ist. Lasset Euer Schwert nicht kalt werden von Blut; schmiedet Pinckepanck auf dem Amboß Nimrods, werft ihm den Turm zu Boden. Es ist nicht möglich, dieweil sie leben, daß Ihr der menschlichen Furcht sollt loswerden. Man kann Euch von Gott nicht sagen, dieweil sie über Euch regieren. Dran, dran, dran! dieweil Ihr Tag habt, Gott geht Euch für, folget. Die Geschichte stehet beschrieben Matthäi 25. Darum lasset Euch nicht abschrecken. Gott ist mit Euch, wie geschrieben stehet 2. Chron. 2. Dies sagt Gott: Ihr sollt Euch nicht fürchten, Ihr sollt diese große Menge nicht scheuen. Es ist nicht Euer, sondern des Herrn Streit; Ihr seid's nicht, die Ihr streitet. Stellet Euch fürwahr männlich. Ihr werdet sehen die Hilfe des Herrn über Euch. Da Josaphat diese Worte hörte, da fiel er nieder. Also tut auch durch Gott, der Euch stärke ohne Furcht der Menschen im rechten Glauben. Amen.

»Gegeben Mühlhausen im Jahre 1525. Thomas Münzer, ein Knecht Gottes wider die Gottlosen.«

Münzers Brief wurde gut aufgenommen, ein großer Haufe rottete sich im Mansfeldischen zusammen (Strobel, S. 96), und es kam zu Unruhen. Bis in die Bergwerksdistrikte von Meißen zeigte sich der im Mansfeldischen gegebene Anstoß wirksam. »Noch ehe die sinnlosen Aufrührer den blutigen Tag bei Frankenhausen sich heraufführten,« sagt Hering, »hatten mehrere Bergleute aus der in Aufruhr begriffenen Grafschaft Mansfeld sich auf unsere Berge geflüchtet, entweder weil sie daheim etwas Gutes sich nicht versahen, oder weil sie eine bedeutende Rolle durch die neue Weisheit in ferner Gegend zu spielen hofften.« Geschichte des sächsischen Hochlandes, S. 203.

Es gelang ihnen, Einfluß zu gewinnen und einen Aufstandsversuch in der Gegend von Zwickau zu fördern, wo die Schwärmer unter Storch und Münzer selbst bereits früher Einfluß gewonnen und den Boden vorbereitet hatten.

Es kam auch wirklich im April im Erzgebirge zu einer Erhebung von Bauern und Bergleuten. Erst nach der Schlacht bei Frankenhausen brach die Bewegung dort, wie überall in Sachsen, zusammen.

Aber im allgemeinen hatten die Bestrebungen Münzers, ein Zusammenwirken der revolutionären Bewegungen der verschiedenen Gegenden Sachsens herbeizuführen, nur geringen Erfolg.

Der bäuerliche und kleinstädtische Partikularismus war zu mächtig. Die Gleichheit des ökonomischen Druckes allerorten, die Aufwühlung der ganzen Nation durch die Reformationsbewegung und – last but not least – die unermüdliche interlokale Tätigkeit der kommunistischen »Apostel« hatten gerade hingereicht, die Erhebung der Bauern und ihrer Verbündeten in ihrem Anfang zu einer nationalen, den Bereich des größten Teils der Nation umfassenden zu machen, so daß sie allenthalben ungefähr zu gleicher Zeit losbrach. In ihrem Fortgang aber, als es galt, die Früchte der anfänglichen Siege zu sichern und einzuheimsen, trat der lokale Partikularismus immer deutlicher hervor. Er war eben zu tief in den Verhältnissen begründet, als daß er für mehr denn eine kurze Spanne Zeit hätte auch nur notdürftig überwunden werden können.

Zu diesem Partikularismus gesellte sich eine verhängnisvolle Einfalt der Bauern. Diese unerfahrenen Leute glaubten, ein Fürstenwort gelte, wenn nicht mehr, so doch zum mindesten nicht weniger als das Wort irgend eines ehrlichen Mannes. Sie hatten keine Ahnung von der neueren Staatskunst, die Ehrlosigkeit und Verlogenheit zu den vornehmsten Fürstentugenden machte, jener Staatskunst, die wir bereits mehr als hundert Jahre vorher den Knaben Richard gegenüber den englischen Bauern mit solcher Virtuosität haben praktizieren sehen.

Statt zusammenzuwirken, gingen jeder Gau, jede Stadt, die sich den Aufrührern angeschlossen hatten, auf eigene Faust vor, und ein paar leere Versprechungen ihrer Herren, wodurch ihnen die Bewilligung ihrer Forderungen in Aussicht gestellt wurde, genügten in der Regel, die Insurgenten zum Auseinanderlaufen und zum Niederlegen ihrer Waffen zu bewegen. So fanden die Fürsten Zeit, Truppen heranzuziehen, sich zu vereinigen und einen Bauernhaufen nach dem anderen mit leichter Mühe niederzuwerfen, indes sie allen zusammen gegenüber schweren Stand gehabt hätten. Während auf Seite der Bauern die Planlosigkeit wuchs, vermehrte die Gefahr bei den Fürsten immer mehr ihren Zusammenhalt und ihr planmäßiges Zusammenwirken.

Bald war kein Zweifel mehr, auf welcher Seite der Sieg schließlich bleiben werde. Anfangs war das keineswegs so zweifellos gewesen. Noch am 14. April hatte sich der Kurfürst Friedrich von Sachsen ebenso pessimistisch wie nachsichtig über den Aufstand geäußert. Er schrieb am Karfreitag seinem Bruder, dem Herzog Johann von Sachsen: »Es ist das ein großer Handel, daß man mit Gewalt handeln soll. Vielleicht hat man denen armen Leuten zu solchem Aufruhr Ursach gegeben, und sonderlich mit Verbietung des Wortes Gottes. So werden die Armen in viel Wegen von uns geistlicher und weltlicher Obrigkeit beschwert. Gott wende seinen Zorn von uns. Will es Gott also haben, so wird es also hinausgehn, daß der gemeine Mann regieren soll

Unter dem Eindruck einer ähnlichen Auffassung steht die erste Schrift, in der Luther Stellung zu der bäuerlichen Erhebung nimmt, seiner »Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben«. Er beginnt mit dem Ausdruck der Hoffnung, es werde noch alles gut werden, wenn es den Bauern mit ihren zwölf Artikeln ernst sei, sie nicht darüber hinausgehen wollten. Er akzeptiert diese also als Grundlage einer Verständigung.

Zunächst wendet er sich an die Fürsten und Herren: »Erstlich mögen wir niemand auf Erden danken solches Unrats und Aufruhrs, denn euch, Fürsten und Herrn, sonderlich euch blinden Bischöfen, tollen Pfaffen und Mönchen ... Das Schwert sitzt euch auf dem Halse; noch meint ihr, ihr sitzt so fest im Sattel, man werde euch nicht mögen aufheben. Solche Sicherheit und verstockte Vermessenheit wird euch den Hals brechen, das werdet ihr sehn ... Wohlan, weil ihr denn Ursach seid solches Gottes Zorns, wird's ohne Zweifel auch über euch ausgehn, wo ihr euch nicht mit der Zeit bessert. Die Zeichen am Himmel und Wunder auf Erden gelten euch, liebe Herrn, kein Gutes deuten sie euch, kein Gutes wird auch euch geschehn ... Denn das sollt ihr wissen, lieben Herrn, Gott schafft's also, daß man nicht kann noch will eure Wüterei die Länge dulden. Ihr müsset anders werden und Gottes Wort weisen. Tut ihr's nicht durch freundliche willige Weise, so müsset ihr's tun durch gewaltige und verderbliche Unweise ... Es sind nicht Bauern, liebe Herrn, die sich wider euch setzen, Gott ist's selber, der setzt sich wider euch, heimzusuchen eure Wüterei.« Aber, fährt Luther fort, es sei Gott davor, daß er, Luther, sich auf Seite der Bauern schlage. Er bitte die Fürsten in ihrem eigenen Interesse, den Bauern Konzessionen zu machen. Auf Grundlage der zwölf Artikel könne man unterhandeln. Einige unter diesen seien recht und billig. So der erste Artikel, der das Recht verlangt, das Evangelium zu hören und die Pfarrherrn selbst zu wählen. »Die andern Artikel, so leibliche Beschwerungen anzeigen als mit dem Leibfall, Aufsätzen und dergleichen, sind ja auch billig und recht. Denn Obrigkeit nicht darum eingesetzt ist, daß sie ihren Nutzen und Mutwillen an den Untertanen suche, sondern Nutzen und das Beste verschaffe bei den Untertanen. Nun ist's ja nicht länger erträglich, so zu schatzen und schinden. Was hülfe es, wenn eines Bauern Acker so viel Gulden als Halmen und Körner trüge, da die Obrigkeit nur desto mehr nähme und ihre Pracht damit immer größer machte und das Gut verschleuderte mit Kleidern, Fressen, Saufen, Bauen und dergleichen, als wäre es Spreu. Man müßte die Pracht einschränken und die Ausgaben stopfen, daß ein armer Mann auch was behalten könnte.«

Nun wendet sich Luther an die Bauernschaft und gibt ihr zu, die Fürsten seien es wert, »daß Gott sie vom Stuhl stürze«. Aber sie sollten die Sache recht anpacken, »sonst würden sie, auch wenn sie zeitlich gewännen und alle Fürsten erschlügen, an ihrer Seele Schaden leiden«. Er ermahnt die Bauern, »liebe Herrn und Brüder«, sie sollten vom Schwerte lassen und sich nicht wider die Obrigkeit auflehnen, denn zum Aufruhr hätten sie nur Recht, wenn Gott es ihnen heiße durch Zeichen und Wunder. »Leiden, Leiden, Kreuz, Kreuz, ist des Christen Recht, das, und kein anders.«

Die Schrift schließt mit »Vermahnung beydes an die Oberkeit und Bauerschaft«. Beide Teile haben unrecht, sind heidnisch und nicht christlich. Beiden droht Gottes Verderben. Ihre Seelen werden der Hölle anheimfallen, Deutschland wird vernichtet werden. »Darum wäre nun mein treuer Rat, daß man aus dem Adel etliche Grafen und Herrn, aus den Städten etliche Ratsherrn erwählete und die Sache ließe freundlicher Weise handeln und stillen, daß ihr Herrn euren steifen Mut herunterließet, welchen ihr doch müßt zuletzt lassen, ihr wollet oder wollet nicht, und wichet ein wenig von eurer Tyrannei und Unterdrückung, daß der arme Mann auch Luft und Raum gewänne zu leben. Wiederum sich die Bauern auch weisen ließen und etliche Artikel, die zu viel und zu hoch greifen, übergeben und fahren ließen, auf daß also die Sache, ob sie nicht mag in christlicher Weise gehandelt werden, daß sie doch nach menschlichen Rechten und Vertragen gestillet würde ... Wohlan, ich habe, als mir mein Gewissen Zeugnis gibt, euch allen christlich und brüderlich treu genug geraten. Gott gebe, daß es helfe, Amen.«

Wären diejenigen im Recht, die annehmen, Luthers übermächtige Persönlichkeit habe die Reformation gemacht, dann hätte auch diese Schrift dem Bauernkrieg eine andere Wendung geben müssen. Tatsächlich blieb sie völlig wirkungslos. Bei seinem ersten Versuch, nicht mit dem Strome zu schwimmen, zeigte sich Luther ohnmächtig.

Aber er war nicht der Mann, eine Position zu verteidigen, der kein Erfolg winkte. Und er brauchte nicht lange zu überlegen, auf welche Seite er sich zu schlagen habe. Mit seinem friedliebenden Herrn, dem Kurfürsten Friedrich, ging's bergab. Dieser starb am 5. Mai. An seine Stelle trat sein Bruder Johann, der von Friede und Versöhnung nichts wissen wollte.

Und allenthalben erhoben sich die Fürsten mit Macht, die Erhebung der Bauern in ihrem Blute zu ersticken. In der letzten Aprilwoche hatte der Heerführer des Schwäbischen Bundes, Truchseß von Waldburg, den Aufstand in Schwaben zum größten Teil niedergeschlagen. Um dieselbe Zeit war es dem Landgrafen Philipp gelungen, der Aufstände in Hessen Herr zu werden. Gegen die Insurgenten von Franken und Thüringen zogen zahlreiche kriegsgeübte Truppen heran.

Dazu kam noch ein persönlicher Grund für Luther, sich gegen die Bauern zu wenden. In der zweiten Hälfte des April hatte er eine Agitationstour durch Thüringen unternommen, um das Volk zur Ruhe zurückzuführen, aber überall die Entdeckung gemacht, daß er, der sich als Abgott der Bevölkerung wähnte, jeden Einfluß auf sie verloren habe. Mit jener leidenschaftlichen Wut, die ihn stets gekennzeichnet hat, wendete er sich nun gegen die Rebellen. Protestantische Historiker, zum Beispiel Ranke, möchten uns gern glauben machen, die eben erwähnte Schrift Luthers über die zwölf Artikel sei schon vor dem Ausbruch der Empörung erschienen, als die Mehrzahl der Bauern sich noch nicht erhoben hatte, im März 1525. Was ihn erbittert habe, seien ihre Gewalttätigkeiten im April gewesen. Diese hätten seinen Frontwechsel veranlaßt. Tatsächlich ist die Schrift nach dem 16. April (dem Tag von Weinsberg) erschienen, wahrscheinlich um den 20. April herum. (Vergleiche Janssen, II, S. 490; Lamprecht, V, 1, S. 345.) Hatte er sie kürzlich noch als liebe »Herrn und Brüder« angesprochen, so waren sie jetzt nur noch Räuber, Mörder und tolle Hunde, die man totschlagen müsse. Hatte er eben noch anerkannt, daß die Unerträglichkeit des Druckes durch die Obrigkeit die Bauern gezwungen habe, sich zu erheben, so erklärt er nun, die Obrigkeit sei im Recht, Noch weiter ging der biedere Martin einige Wochen später nach der Niederschlagung des thüringischen Aufstandes in einer Schrift zur Verteidigung seines Manifestes gegen die Bauern, dem »Sendbrief an Kaspar Müller, Mansfeldischen Kanzler, von dem harten Büchlein wider die Bauern«. Nachdem er erklärt, wer sein Büchlein tadle, »solle sich vorsehen, er ist aufrührisch im Herzen«, schreibt er den Bauernaufstand dem Umstand zu, daß es – den Bauern zu gut ging! In dem Kriege sei Gottes Wille geschehen, »damit die Bauern lernten, wie ihnen zu wohl gewest ist und sie gute Tage in Frieden nicht wollten erleiden, daß sie hinfürder Gott lernten danken, wenn sie eine Kuh müßten geben, auf daß sie der anderen mit Frieden genießen könnten ... Es war keine Furcht noch Scheu mehr im Volk, ein jeglicher tät schier, was er wollte. Niemand wollt nichts geben und doch prassen, saufen, kleiden und müßig gehn, als wären sie allzumal Herrn. Der Esel will Schläge haben und der Pöbel will mit Gewalt regiert sein.« (Luthers Werke, XIX, S. 270, 272.) in seiner Schrift: »Wider die räuberischen und mörderischen Bauern«, die am 6. Mai erschien, einen Tag nach dem Tode Friedrichs.

Die Bauern haben dreingeschlagen, heißt es da, »kurzum, eitel Teufels Werk treiben sie, und insonderheit ist's der Erzteufel, der zu Mühlhausen regiert und nichts denn Raub, Mord und Blutvergießen anricht, wie denn Christus, Johannis 8, von ihm sagt, daß er sei ein Mörder von Anbeginn«. Angesichts dieses Vorgehens müsse er jetzt anders schreiben als im »vorigen Büchlein«. Der Aufruhr sei schlimmer als Mord: »Darum soll hie zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, und gedenken, daß nichts Giftigers, Schädlichers und Teuflischers sein kann, denn ein aufrührischer Mensch. Gleich als wenn man einen tollen Hund totschlagen muß; schlägst du nicht, so schlägt er dich und ein ganzes Land mit ihm ... Darum ist hie nicht zu schlaffen. Es gilt auch nicht hie Geduld und Barmherzigkeit; es ist des Schwerts und Zorns Zeit hin und nicht der Gnaden Zeit.« »Wer für die Obrigkeit fällt, ist ein rechter Märtyrer für Gott ... was auf der Bauern Seite umkommt, ein ewiger Höllenbrand ... Solche wunderliche Zeiten sind jetzt, daß ein Fürst den Himmel mit Blutvergießen besser verdienen kann, denn andere mit Beten ... Steche, schlage, würge, wer da kann. Bleibst du darüber tot, wohl dir, seliglicheren Tod kannst du nimmermehr überkommen. Denn du stirbst im Gehorsam göttlichen Worts und Befehls, Römer 13, und im Dienst der Liebe (!!), deinen Nächsten zu retten aus der Höllen und des Teufels Banden.« Luthers Werke, XIX, S. 264 bis 267.

Gleiche »Liebesdienste« erwies Luther den Bauern in gleichzeitigen Privatbriefen. So schrieb er an Dr. Rühl, mansfeldischen Rat, am 30. Mai, man solle die Bauern ohne Federlesens umbringen: »Daß man den Bauern will Barmherzigkeit wünschen, sind Unschuldige drunter, die wird Gott wohl erretten und bewahren, wie er Loth und Jeremiä tät. Tut er's nicht, sind sie gewiß nicht unschuldig ... Der weise Mann sagt cibus onus et virga asino (Futter, Last und Prügel gebühren dem Esel), in einen Bauer gehört Haberstroh. Sie hören nicht das Wort und sind unsinnig; so müssen sie die Virgam, die Büchsen hören, und geschieht ihnen recht. Bitten sollen wir für sie, daß sie gehorchen: wo nicht, so gilt's hie nicht viel Erbarmens. Laßt nur die Büchsen unter sie sausen, sie machen's sonst tausendmal ärger ... Wohlan, wer Münzer gesehn hat, der mag sagen, er habe den Teufel leibhaftig gesehn in seinem höchsten Grimm. O Herr Gott, wo solcher Geist in den Bauern auch ist, wie hohe Zeit ist's, daß sie erwürgt werden wie tolle Hunde.« In allen Schriften Luthers aus jener Zeit sieht man deutlich, daß Münzer ihm als der Gefährlichste unter den Aufrührern erschien. In Thüringen war er es auch.

Noch später rühmte sich Luther, er habe »im Aufruhr alle Bauern erschlagen, denn ich habe sie heißen totschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Hals«. Indes bewog ihn da sein Größenwahn, sich eine größere Blutschuld aufzuladen, als ihm zukam. So kennzeichnend seine Haltung im Bauernkrieg für ihn und das Verhältnis zwischen bürgerlicher und bäuerlich-proletarischer Ketzerei ist – weshalb wir näher darauf eingegangen sind –, so wenig ist sie auf dessen Ausgang von Einfluß gewesen. So vergeblich sein Mahnen zur Friedfertigkeit gewesen war, so überflüssig jetzt sein Aufhetzen der Fürsten zu unbarmherziger Metzelei. Das besorgten die Herren auch ohne ihn mit gebührendem Blutdurst; die Gegner Luthers in gleicher Weise wie seine Anhänger, und beide Teile in brüderlicher Vereinigung. Den Ausgebeuteten gegenüber hörte der Kampf um die Beute zwischen den Ausbeutern auf. Katholiken und Evangelische wirkten zusammen, das arme Volk niederzuschlagen.

Zu Anfang Mai vereinigte der gut »evangelische« Landgraf Philipp von Hessen seine Scharen mit denen des erzkatholischen Georg von Sachsen und einiger kleinerer Fürsten, wozu später noch der neue sächsische Kurfürst Johann kam, um dem thüringischen Aufstand ein Ende zu machen. Als dessen Zentrum zeigte sich Frankenhausen, ein durch seine Salinen berühmter Ort mit einer zahlreichen Bevölkerung von Salzarbeitern, G. Sartorius, Versuch einer Geschichte des deutschen Bauernkriegs, S. 319, Berlin 1795. nur wenige Meilen vom Mansfeldischen Bergwerk entfernt. Dort sammelte sich die Hauptmacht der Aufständischen und nicht etwa bei dem festen, mit Geschützen wohl versehenen Mühlhausen oder einem südlicheren Punkt, etwa Erfurt oder Eisenach, die auch in den Händen der Aufständischen waren und von denen aus es leichter gewesen wäre, mit dem Aufstand in Franken Fühlung zu halten.

Wie den Aufständischen, erschien auch den Fürsten das Lager vor Frankenhausen als das wichtigste. Um dorthin zu gelangen, unternahm Philipp von Hessen eine ganz unerhörte Bewegung. Er rückte über Eisenach und Langensalza heran, ließ Mühlhausen links und Erfurt rechts liegen und marschierte zwischen diesen beiden wohlbesetzten Städten hindurch geradeswegs auf Frankenhausen zu. Bezeugt dies die Bedeutung von Frankenhausen, so beweist die Tatsache, daß er diese Bewegung machen konnte, ohne von den Mühlhausenern und Erfurtern im geringsten bedroht oder auch nur belästigt zu werden, welcher Mangel an Zusammenhalt und an Zusammenwirken und welche Planlosigkeit bei den Aufständischen herrschte.

Die Bedeutung von Frankenhausen können wir uns aber nur erklären durch die Nähe des Mansfeldischen Bergwerks mit seinen zahlreichen wehrhaften Knappen. Gelang es, den Aufstand dahin zu tragen, dann stand den fürstlichen Heeren ein harter Strauß bevor.

Münzer erkannte ebenfalls sehr wohl die Bedeutung von Frankenhausen, und er bot sein möglichstes auf, von allen Seiten alle verfügbaren Kräfte dorthin zu lenken. Auch an die Erfurter schrieb er, aber diese rührten sich nicht. Nicht einmal die Mülhausener konnte er bewegen, denen vor Frankenhausen zu Hilfe zu ziehen. Was gingen die Kleinbürger der freien Reichsstadt die Bauern dort an? Der wegen seiner Energie vielgerühmte Pfeiffer blieb tatlos sitzen. Münzer zog allein mit seinem Anhang aus, 300 Mann. Kaum, daß ihm die Mühlhausener acht »Karrenbüchsen« liehen.

Nicht bester ging es ihm mit den Bergleuten von Mansfeld. Leider fehlen uns über die Vorgänge im Mansfeldischen alle näheren Nachrichten. In Spangenbergs Mansfeldischer Chronik (Kapitel 362 Die von uns benutzte zweite Auflage führt den Titel »Sächsische Chronica« (Frankfurt a. M. 1535), ist aber tatsächlich auch nur eine Mansfeldische Chronik.) finden wir bloß folgende Notiz, die Bieringen in seiner »Beschreibung des Mansfeldischen Bergwerks«, S. 16, noch kürzer wiedergibt: »Die Bauern standen auch in der Grafschaft Mansfeld auf. Graf Albrecht zu Mansfeld ließ es ihm sauer werden, legte allen möglichen Fleiß an und gab den Bergleuten die besten Worte, daß er sie in der Grafschaft behielt, damit sie sich nicht zu den aufrührerischen Bauern ins Feld begäben.«

Das scheint ihm auch gelungen zu sein. Die Besorgnis, die Münzer in seinem oben mitgeteilten Brief an die »Berggesellen« ausgesprochen, »die närrischen Menschen« könnten sich »in einen falschen Vertrag verwilligen«, war nicht unbegründet. Die Masse der Bergarbeiter beruhigte sich, sobald ihre Forderungen bewilligt waren, und kümmerte sich nicht weiter um die aufständischen Bauern. Einzelne Zuzügler oder kleine Scharen aber wurden von Graf Albrechts Reitern überfallen, die alle Straßen besetzt hielten.

Eine Möglichkeit blieb noch: den Aufstand ins Mansfeldische selbst zu tragen und so die Bergarbeiter mit sich fortzureißen. Aber auch diese Möglichkeit wurde nicht benutzt. Die Bauern vor Frankenhausen waren einfältig genug, sich mit Albrecht von Mansfeld in Unterhandlungen einzulassen, die der schlaue Patron von Tag zu Tag hinauszuschieben wußte, bis die Heere der Fürsten vor Frankenhausen standen.

Für den 12. Mai hatte Albrecht mit den Bauern eine Zusammenkunft verabredet. Aber er kam nicht, schützte wichtige Geschäfte vor und entbot die Bauern auf den nächsten Sonntag, den 14. Mai. »Indes schickt es Gott,« erzählt Luther, »daß Thomas Münzer aus Mühlhausen gen Frankenhausen kommt.« Erschreckliche Geschichte und Gerichte Gottes über Thomas Münzer. Luthers Werke, XIX, S. 288. Dieser veranlaßte den sofortigen Abbruch der Verhandlungen mit dem Grafen, dessen Hinterlist er durchschaute, und bot alles auf, einen Kampf zwischen ihm und den Bauern zu provozieren, ehe noch die Fürsten kamen. Als solche Provokationen betrachten wir die maßlos groben Briefe, die er damals an die Mansfelde schrieb, Briefe, die nur als Provokationen verständlich sind. Zimmermann betrachtet sie als Produkte der Verzweiflung, die sich selbst zu belügen strebt, von halbem Wahnsinn. Aber Münzers Anordnungen deuten auf sehr klaren Verstand hin.

An Albrecht schrieb er: »Furcht und Zittern sei einem jeden, der übel tut. Römer 2, 9. Daß Du die Epistel Pauli also übel mißbrauchst, erbarmet mich. Du willst die böswichtige Obrigkeit dadurch bestätigen in aller Masse, wie der Papst Petrum und Paulum zu Stockmeistern gemacht. Meinst Du, daß Gott der Herr sein unverständig Volk nicht erregen könne, ›die Tyrannen abzusetzen in seinem Grimm‹ (Oseä, am 13. und 8.)? Hat nicht die Mutter Christi aus dem Heiligen Geist geredet von Dir und Deinesgleichen, weissagend (Lukas 1): ›Die Gewaltigen hat er vom Stuhl gestoßen und die Niedrigen (die Du verachtest) erhoben.‹

»Hast Du in Deiner lutherischen Grütz und Deiner Wittenbergischen Suppen nicht mögen finden, was Ezechiel an seinem 37. Kapitel weissagt? Auch hast Du in Deinem Martinischen Bauerndreck nicht mögen schmecken, wie derselbige Prophet weiter sagt am 39. Unterschied, wie Gott alle Vögel des Himmels fordert, daß sie sollen fressen das Fleisch der Fürsten und die unvernünftigen Tiere sollen saufen das Blut der großen Hansen, wie in der heimlichen Offenbarung am 18. und 19. beschrieben. Meinst Du, daß Gott nicht mehr an seinem Volk denn an Euch Tyrannen gelegen? Du willst unter dem Namen Christi ein Heide sein und Dich mit Paulo zudecken. Man wird Dir aber die Bahn vorlaufen, da wisse Dich danach zu halten.

»Willst Du erkennen, Danielis 7, wie Gott die Gewalt der Gemeinde gegeben hat und vor uns erscheinen und Deinen Glauben brechen, wollen wir Dir das gerne geständig sein und Dich für einen gemeinen Bruder ansehn; wo aber nicht, werden wir uns an Deine lahme, schale Fratze nichts kehren und wider Dich fechten, wie wider einen Erbfeind des Christenglaubens. Da wisse Dich danach zu halten.

»Gegeben zu Frankenhausen, Freitags nach Jubilate (12. Mai). Anno 1525.

Thomas Münzer mit dem Schwert Gideons.«

Einen noch »viel gröberen und frecheren Brief«, wie Strobel sich ausdrückt (S. 99), schrieb Münzer an demselben Tage an den Grafen Ernst zu Mansfeld, der die Burg Heldrungen in der Nähe von Frankenhausen besetzt hielt. Dieser feste Stützpunkt der Mansfelde sollte zunächst genommen werden. Er ruft dem Grafen zu: »Du elender, dürftiger Madensack ... Du sollst und mußt Deinen Glauben brechen, wie 1. Petri 3 befohlen. Du sollst in wahrhaftiger Weise gut sicher Geleit haben. Deinen Glauben an den Tag zu bringen, das hat Dir eine ganze Gemeinde im Ringe zugesagt, und sollst Dich auch entschuldigen Deiner offenbarlichen Tyrannei, auch ansagen, wer Dich so dürftiglich gemacht, daß Du allen Christen zum Nachteil unter einem christlichen Namen willst ein solcher heidnischer Bösewicht sein. Würdest Du ausbleiben und Dich aufgelegter Sache nicht entledigen, so will ich ausschreien vor aller Welt, daß alle Brüder ihr Blut getrost sollen wagen; da sollst Du verfolgt und ausgerottet werden. Wirst Du Dich nicht demütigen vor den Kleinen, so sage ich Dir, der ewige lebendige Gott hat es geheißen. Dich von dem Stuhle mit der Gewalt, die uns gegeben, zu stoßen; denn Du bist der Christenheit nichts nutz. Du bist ein schädlicher Staupbesen der Freunde Gottes. Gott hat es von Dir und Deinesgleichen gesagt, Dein Nest soll ausgerissen und zerschmettert werden. Wir wollen Deine Antwort noch heut haben, oder Dich im Namen Gottes der Heerscharen heimsuchen. Wir werden unverzüglich tun, was uns Gott befohlen hat; tu auch Du Dein Bestes; ich fahre daher.«

Die Mansfelde erwiesen indes Münzer nicht den Gefallen, sich provozieren zu lassen. Münzer aber fühlte sich zu schwach, oder die Bauern waren zu unwillig, zum Angriff überzugehen.

Und bald war es zu spät dazu. Am 12. Mai war Münzer nach Frankenhausen gekommen, am 14. langten der Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Heinrich von Braunschweig an, am 15. traf Herzog Georg von Sachsen mit seinem Heere ein.

Nun war das Schicksal derer von Frankenhausen besiegelt, damit aber auch das Ende des thüringischen Aufstandes. Auf der einen Seite standen 8000 schlecht bewaffnete, undisziplinierte Bauern, fast ohne Geschütz. Auf der anderen Seite waren ungefähr ebensoviel wohl gerüstete und geübte Krieger mit zahlreichem Geschütz.

Die Darstellung der Schlacht von Frankenhausen wird gewöhnlich nach der Erzählung Melanchthons wiedergegeben. Danach hätte zuerst Münzer eine schöne Rede an die Bauern, dann der Landgraf Philipp noch eine schönere Rede an seine Truppen gehalten, worauf diese angriffen. »Die armen Leute aber stunden da und sangen: Nun bitten wir den Heiligen Geist, gleich als wären sie wahnsinnig, schickten sich weder zur Wehr, noch zur Flucht, viele auch trösteten sich der großen Zusag Thomä, daß Gott Hilfe vom Himmel erzeigen würde, dieweil Thomas gesagt hätte, er wollt alle Schüsse in den Ärmel fassen.« Als sich das Wunder nicht einstellen wollte, vielmehr die Soldaten einhieben, wendeten sich die betörten Bauern zur Flucht und wurden massenhaft niedergemetzelt. Eine sonderbare Schlacht!

Sollten Münzer und die Bauern wirklich solche ganz einzig dastehende Narren gewesen sein?

Betrachten wir zunächst die Reden. Die Münzers ist ganz und gar nicht im Münzerschen Stile gehalten, ist von einem hohlen Pathos, das ihm keineswegs eigen war. Noch sonderbarer aber erscheint bei näherem Zusehen die Rede des Landgrafen: sie ist eine Antwort auf die Rede Münzers, als hätte er dieser beigewohnt, und widerlegt deren Anklagen Punkt für Punkt! Man vergleiche zum Beispiel:

Münzer:

»Was tun aber unsere Fürsten? Sie nehmen sich des Regiments nicht an, hören die armen Leute nicht, sprechen nicht Recht, halten die Straßen nicht rein, wehren nicht Mord und Raub, strafen keinen Frevel noch Mutwillen« usw.

Landgraf:

»Denn es ist ja erdichtet und erlogen, daß wir nicht gemeinen Landfrieden halten, daß wir nicht die Gerichte bestellen, Mord und Räuberei nicht wehren. Denn wir nach unserem Vermögen beflissen sind, friedlich Regiment zu erhalten.«

Und so weiter. Je mehr man sich beide Reden ansieht, desto klarer wird es, daß sie nicht in Wirklichkeit gehalten, sondern von dem gelehrten Schulmeister erfunden wurden, nach dem Beispiel der Reden der Staatsmänner und Feldherren, die uns Thukydides und Livius berichten. Es sind rhetorische Übungen, zu bestimmten Zwecken erfunden. Die Vorlesung des Landgrafen über Sitte und Recht, über die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Steuern usw., mit dem rührenden Schlusse: es handle sich darum, die Sicherheit von Weib und Kind zu erkämpfen – eine derartige Rede konnte auf die zuchtlosen, aus allen Ländern zusammengelesenen Landsknechte nicht den geringsten Eindruck machen. Aber sie mußte das Ansehen des Landgrafen erhöhen in den Augen der gebildeten Spießbürger, für die Melanchthon schrieb. Für diese, und nicht für die Soldateska ist die Rede berechnet.

Auf der anderen Seite ist die Rede Münzers ganz dazu komponiert, ihn lächerlich erscheinen zu lassen. »Lasset euch nicht erschrecken das schwache Fleisch,« läßt Melanchthon Münzer am Schlusse seiner Rede sagen, »und greift die Feinde kühnlich an; ihr dürft die Geschütze nicht fürchten, denn ihr sollt sehen, daß ich alle Büchsensteine im Ärmel fassen will, die sie gegen uns schießen« usw.

So absurd in praktischen Dingen hat sich Münzer in seinen Schriften nie geäußert; sein Mystizismus bestand nur im Glauben daran, daß Gott mit ihm direkt verkehre, daß seine Lehre dem Geiste Gottes entspringe. Daß er Wunder wirken könne, hat Münzer nie und nimmer behauptet. Wir stehen daher nicht an, diese Rede für eine kecke Erfindung Melanchthons zu erklären.

Und sie ist auch eine plumpe Erfindung. So plump, daß schon vor hundert Jahren Strobel zur Überzeugung kam, nicht Münzer, »sondern Melanchthon ist ganz sicher der Verfasser« der Rede (S. 112). Trotzdem wird sie heute noch, zum Beispiel von Janssen, zur Charakterisierung Münzers benutzt.

Auch Zimmermann sagt in einer Note (II, S. 435): »Daß die Rede ... ein Machwerk Melanchthons ist, ist offen klar; es ist nicht ein Hauch Münzerscher Art darin.« Aber er wie Strobel nehmen an, die Rede sei wirklich gehalten, von Melanchthon bloß entstellt wiedergegeben worden.

Uns erscheint nicht einmal das wahrscheinlich. Zum Redenhalten war wenig Zeit, wenn die Schlacht in der Weise vor sich ging, wie es in der Schrift geschildert wird: »Ain nützlicher Dialogus odder gesprechbüchlein zwischen einem Müntzerischen schwermer vnd einem Evangelischen frummen Bavern, die straff der aufruhrischen Schwermer zu Frankenhausen geschlagen belangende. Wittenberg 1525.« Da sagt der Schwärmer: » Nun wohlan, ist das auch ehrlich von den Fürsten und Herren, daß sie uns drei Stunden Bedenkzeit gaben und doch nicht eine Viertelstunde Glauben hielten, sondern sobald sie den Grafen von Stolberg mit etlichen vom Adel von uns zu sich brachten, da ließen sie das Geschütz in uns gehen und griffen uns alsbald an

Das heißt, die Fürsten unterhandelten mit den Bauern, verlangten ihre Unterwerfung und gaben ihnen drei Stunden Bedenkzeit. Inzwischen veranlaßten sie die Adeligen, die sich im Bauernheer befanden, zu ihnen überzugehen, und sofort, lange bevor der Waffenstillstand abgelaufen war, überfielen sie die ahnungslosen Bauern und metzelten sie nieder.

Daß die »Schlacht« tatsächlich nur ein treuloser Überfall während des Waffenstillstandes gewesen war, geht auch aus dem Brief hervor, den am 19. Mai die Mühlhausener an die Oberfranken schrieben. Darin heißt es, daß die Fürsten bei Frankenhausen »im Stillstand und guten Frieden« den christlichen Haufen überfallen hätten.

Das war nicht sehr ehrenhaft, und wir begreifen es, daß Melanchthon sich bemühte, eine andere Version zu erfinden. Aber während diese völlig unsinnig ist, entspricht die Darstellung des Dialogus ganz dem Verfahren, das die Fürsten den Bauern gegenüber damals überhaupt anwendeten. Trotz ihrer Übermacht griffen sie noch zu Verrat und Wortbruch, um der Bauern Herr zu werden. Dadurch und nicht durch die blödsinnige Erwartung der letzteren, Münzer werde wirklich die Büchsenkugeln in seinen Rockärmeln auffangen, ist es gekommen, daß auf der Seite der Aufständischen der weitaus größte Teil niedergemetzelt wurde – 5000 bis 6000 von 8000! – indes die fürstlichen Truppen einen kaum nennenswerten Verlust erlitten.

Nach dem gewonnenen Siege rückten die Truppen in Frankenhausen ein, und es wurde nun, wie der Landgraf Philipp am nächsten Tage selbst schrieb, »was darinnen von Mannspersonen befunden, alles erstochen, die Stadt geplündert«.

Münzer war mit einem Teile des geschlagenen Haufens in die Stadt geflüchtet, und da ihm die feindlichen Reiter auf den Fersen waren, hatte er sich in eines der ersten Häuser beim Tore gestürzt, sein Haupt verbunden, um sich unkenntlich zu machen, und in ein Bett gelegt, als sei er krank. Doch seine List mißlang. Ein Kriegsknecht, der zu ihm kam, erkannte ihn an dem Inhalt der Tasche, die bei ihm lag. Sofort wurde er gefaßt und vor den Landgrafen von Hessen und Herzog Georg gebracht. »Da er vor die Fürsten kam, fragten sie, warum er die armen Leute also verführt habe? Antwortet er trotziglich, er habe recht getan, daß er vorgehabt hätte, die Fürsten zu strafen.« Fürwahr eine kühne Antwort. Melanchthon, der uns dies berichtet, vergißt hier für einen Moment, daß er Münzer stets als ausnehmend feig hinstellen will.

Die Fürsten ließen ihn sofort auf die Folter spannen und weideten sich an seinen Qualen, dann schenkten sie ihn als »Beutepfennig« dem Grafen Ernst von Mansfeld. »War er zuvor ›übel gemartert worden‹, so wurde jetzt im Turme zu Heldrungen nach einigen Tagen ›greulich mit ihm umgegangen‹.« (Zimmermann.)

Damals wurden ihm jene Bekenntnisse entrissen, deren Protokoll wir bereits wiederholt zitiert haben. Er widerrief nichts, und verriet von seinem Geheimbund nur Dinge, die niemand schaden konnten. Von den Mitgliedern, die er nannte, ist keines unter den Hingerichteten angeführt. Wahrscheinlich gab er nur solche an, die schon gefallen waren.

Die Schlacht von Frankenhausen brach das Rückgrat der Bewegung in Thüringen. Den Fürsten blieb nichts mehr zu tun übrig, als blutige Rache zu nehmen. Und das haben sie redlich besorgt.

Die Bergleute zu Mansfeld ließ man einstweilen noch ungeschoren. Man war froh, daß sie Frieden hielten. Erst im nächsten Jahre, erzählt uns Spangenberg, begann man »die Bergleute etwas hart zu versetzen mit Arbeit, worüber sie sich hart beschwerten, ohne Linderung erlangen zu können«. Im Gegenteil, es wurde Kriegsvolk zu ihnen gesandt, das sie »beruhigte«. Alle Versammlungs- und Redefreiheit wurde für sie aufgehoben.

Schlimmer noch mußte Mühlhausen dafür büßen, daß es im entscheidenden Moment die Sache des Aufstandes im Stiche gelassen hatte. Von Frankenhausen rückten die vereinigten Fürsten sofort nach Mühlhausen. Vergeblich wandte sich die Stadt um Hilfe an die fränkischen Aufständischen. Was sie selbst denen vor Frankenhausen angetan, widerfuhr ihr nun von den Franken. Unter den eben noch rebellischen Kleinbürgern der Reichsstadt verbreitete sich rasch Mutlosigkeit, als am 19. Mai die Belagerung der Stadt begann. Pfeiffer sah, daß alles verloren sei, und entwich am 24. mit 400 Mann heimlich, um sich nach Oberfranken durchzuschlagen. Aber die Reiter der Fürsten ereilten ihn und nahmen ihn mit 92 der Seinen gefangen.

Mühlhausen ergab sich am 25. gegen die schriftliche Zusage der Gnade. Diese bestand in der Hinrichtung einer Reihe von Bürgern und in der Brandschatzung der Stadt, die ihre Unabhängigkeit verlor. Was die sächsischen Fürsten von der Rebellion in Mühlhausen erhofft, das erreichten sie, die Herrschaft über die Stadt. Die Rebellen, die ihnen dazu verholfen, wurden enthauptet, sowohl Pfeiffer wie Münzer, der ebenfalls nach Mühlhausen gebracht worden war.

Pfeiffer starb trotzig und reuelos. Darüber sind alle Berichterstatter einig. Von Münzer dagegen behauptet Melanchthon natürlich, er sei »sehr kleinmütig gewest in derselben letzten Not«. Als Beweis dafür erzählt er, Münzer habe vor lauter Angst kein Wort hervorgebracht, so daß er den Glauben nicht habe beten können, Herzog Heinrich von Braunschweig habe ihm denselben vorbeten müssen. Gleich darauf aber läßt unser Gewährsmann den vor Furcht Sprachlosen eine jener schönen Reden halten, die der klassisch gebildete Schulmeister liebt.

Die anderen Berichterstatter jener Zeit erwähnen nichts von seiner »Kleinmütigkeit«. (Vergleiche Zimmermann, II, S. 444.) Nur ein Zeugnis gibt es, neben dem ganz wertlosen Melanchthons, das auf Verzagtheit Münzers in seinen letzten Tagen schließen läßt: Seinen Brief an den Rat und die Gemeinde von Mühlhausen, geschrieben am 17. Mai in seinem Gefängnis zu Heldrungen. Er ermahnt sie darin, die Obrigkeit nicht zu erbittern; sein Tod sei verdient und geeignet, den »Unverständigen« die Augen zu öffnen! Er bittet, sie möchten seinem armen Weibe beistehen. Noch einmal folgt die Ermahnung, die Obrigkeit nicht durch Eigennutz zu erbittern, wie sie getan, der Empörung nicht weiter anzuhängen und um Gnade bei den Fürsten zu bitten.

Kein Zweifel, aus diesem Briefe spricht Kleinmut. Wir können uns Zimmermann nicht anschließen, der ihn günstiger auslegt.

Aber ist der Brief auch echt? Er rührt nicht von Münzers Hand her. Dieser sagt selbst darin, er diktiere ihn einem gewissen Christoph Lau. Warum diktiert er ihn, warum schreibt er ihn nicht selbst? Und wer hatte ein Interesse daran, daß ein solcher Brief von Münzer nach Mühlhausen komme? Niemand anders als die Fürsten. Am 17. ist der Brief verfaßt, am 19. beginnt die Belagerung Mühlhausens. Der Brief mußte diese erleichtern, mußte Verzagtheit unter den Belagerten hervorrufen. Liegt da die Annahme nicht nahe, daß Münzers Name von den Fürsten zu einer jener Kriegslisten gebraucht wurde, wie sie damals gewöhnlich waren?

Zum mindesten ist dieser nicht von Münzers Hand selbst geschriebene Brief hoch verdächtig und nicht geeignet, Melanchthon zu bekräftigen.

Wir dürfen also wohl sagen, daß über Münzers Ende Genaues nicht bekannt, die Behauptungen von seiner Kleinmütigkeit unerwiesen sind.

Für unser Urteil über Münzer und seine Sache ist es natürlich ganz unerheblich, ob er seine Nerven bis zum letzten Moment in seiner Gewalt hatte oder nicht. Die Frage ist von größerem Interesse nur deswegen, weil sie Münzers Gegner charakterisiert.

Wohl beweist physischer Mut ebensowenig wie physische Kraft oder physische Schönheit irgend etwas für die moralische Trefflichkeit des Trägers dieser Eigenschaften, aber wir sind einmal so organisiert, daß uns der Feigling von vornherein nicht sympathisch ist, wie auch oft noch der Häßliche und der Schwächling. Wir begreifen daher sehr wohl das Bestreben Melanchthons, unmittelbar nach dem Kampfe den so gefürchteten Gegner seiner Sache durch die Beschuldigung der Feigheit herabzusetzen.

Aber bis heute wird diese Beschuldigung hartnäckig wiederholt, obwohl ihr jede greifbare Unterlage fehlt, ja sie wird mitunter noch übertrieben.

Das Famoseste hat wohl Herr Seidemann geleistet, der von Münzers Benehmen nach der Schlacht von Frankenhausen schreibt: »Er hatte sich, vielleicht unter den ersten, vom Schlachtberg geflüchtet.« Dieses »vielleicht« ist kostbar! Ebensogut könnte man natürlich sagen: »vielleicht unter den letzten«, denn es fehlt jede Andeutung darüber, in welchem Zeitpunkt der Schlacht Münzer vor den andrängenden Feinden wich. Indes ist anzuerkennen, daß unser lutherischer Basilio einen mäßigen Gebrauch von seinem »vielleicht« machte. Er hätte ja ebensogut schreiben können: »vielleicht vor allen anderen«.

Diese verbissene Voreingenommenheit und Feindseligkeit gegen den kommunistischen Rebellen ist ein erfreuliches Zeichen. Wie lange es auch her ist, daß Münzer sein Leben für seine Sache ließ, diese selbst, die Sache des Proletariats, sie lebt und ist gefürchtet, mehr noch als zu Münzers Zeiten. Die Verleumdungen, die das Pfaffen- und Professorentum heute noch einträchtig über den großen Gegner der fürstlichen und bürgerlichen Reformation verbreitet, wären zwecklos, wenn sie bloß den toten Mann treffen sollten und nicht vielmehr die lebendige kommunistische Bewegung.

Aber die wütenden Angriffe, welche die Anwälte der herrschenden Klassen seit Luther und Melanchthon bis auf unsere Tage gegen Münzer mehr als gegen jeden anderen Kommunisten und Revolutionär seiner Zeit (die Wiedertäufer in Münster fallen etwas später) richten, sind gerade das mächtigste Mittel geworden, das Andenken an ihn im Volke wachzuhalten und ihm dessen Sympathien ungeschmälert zu bewahren.

Münzer war und ist heute noch im Volksbewußtsein die glänzendste Verkörperung des rebellischen, ketzerischen Kommunismus.


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