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Die Veranlassung zu denselben nehme ich größtenteils von der Rezension dieses Buchs in den Götting. Anz. 28stes Stück, den 18ten Februar 1797; welche, mit Einsicht und Schärfe der Prüfung, dabei aber doch auch mit Teilnahme und »der Hoffnung, daß jene Anfangsgründe Gewinn für die Wissenschaft bleiben werden,« abgefaßt, ich hier zum Leitfaden der Beurteilung, überdem auch einiger Erweiterung dieses Systems gebrauchen will.
Gleich beim Anfange der Einleitung in die Rechtslehre stößt sich mein scharfprüfender Rezensent an einer Definition. – Was heißt Begehrungsvermögen? Sie ist, sagt der Text, das Vermögen, durch seine Vorstellungen Ursache der Gegenstände dieser Vorstellungen zu sein. – Dieser Erklärung wird entgegengesetzt: »daß sie nichts wird, sobald man von äußeren Bedingungen der Folge des Begehrens abstrahiert. – Das Begehrungsvermögen ist aber auch dem Idealisten Etwas, obgleich diesem die Außenwelt nichts ist.« Antwort: Gibt es aber nicht auch eine heftige und doch zugleich mit Bewußtsein vergebliche Sehnsucht (z. B. wollte Gott, jener Mann lebte noch!), die zwar tatleer, aber doch nicht folgeleer ist und zwar nicht an Außendingen, aber doch im Innern des Subjekts selbst mächtig wirkt (krank macht). Eine Begierde als Bestreben (nisus) vermittelst seiner Vorstellungen Ursache zu sein ist, wenn das Subjekt gleich die Unzulänglichkeit der letzteren zur beabsichtigten Wirkung einsieht, doch immer Kausalität, wenigstens im Innern desselben. – Was hier den Mißverstand ausmacht, ist: daß, da das Bewußtsein seines Vermögens überhaupt (in dem genannten Falle) zugleich das Bewußtsein seines Unvermögens in Ansehung der Außenwelt ist, die Definition auf den Idealisten nicht anwendbar ist; indessen daß doch, da hier bloß von dem Verhältnisse einer Ursache (der Vorstellung) zur Wirkung (dem Gefühl) überhaupt die Rede ist, die Kausalität der Vorstellung (jene mag äußerlich oder innerlich sein) in Ansehung ihres Gegenstandes im Begriff des Begehrungsvermögens unvermeidlich gedacht werden muß.
Wenn rechtskundige Philosophen sich bis zu den metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre erheben oder versteigen wollen (ohne welche alle ihre Rechtswissenschaft bloß statutarisch sein würde), so können sie über die Sicherung der Vollständigkeit ihrer Einteilung der Rechtsbegriffe nicht gleichgültig wegsehen: weil jene Wissenschaft sonst kein Vernunftsystem, sondern bloß aufgerafftes Aggregat sein würde. – Die Topik der Prinzipien muß der Form des Systems halber vollständig sein, d. i. es muß der Platz zu einem Begriff (locus communis) angezeigt werden, der nach der synthetischen Form der Einteilung für diesen Begriff offen ist: man mag nachher auch dartun, daß einer oder der andere Begriff, der in diesen Platz gesetzt würde, an sich widersprechend sei und aus diesem Platze wegfalle.
Die Rechtslehrer haben bisher nun zwei Gemeinplätze besetzt: den des dinglichen und den des persönlichen Rechts. Es ist natürlich, zu fragen: ob auch, da noch zwei Plätze aus der bloßen Form der Verbindung beider zu einem Begriffe, als Glieder der Einteilung a priori, offen stehen, nämlich der eines auf persönliche Art dinglichen, imgleichen der eines auf dingliche Art persönlichen Rechts, ob nämlich ein solcher neuhinzukommender Begriff auch statthaft sei und vor der Hand, obzwar nur problematisch, in der vollständigen Tafel der Einteilung angetroffen werden müsse. Das letztere leidet keinen Zweifel. Denn die bloß logische Einteilung (die vom Inhalt der Erkenntnis – dem Objekt – abstrahiert) ist immer Dichotomie, z. B. ein jedes Recht ist entweder ein dingliches oder ein nicht-dingliches Recht. Diejenige aber, von der hier die Rede ist, nämlich die metaphysische Einteilung, kann auch Tetrachotomie sein: weil außer den zwei einfachen Gliedern der Einteilung noch zwei Verhältnisse, nämlich die der das Recht einschränkenden Bedingungen, hinzukommen, unter denen das eine Recht mit dem anderen in Verbindung tritt, deren Möglichkeit einer besonderen Untersuchung bedarf. – Der Begriff eines auf persönliche Art dinglichen Rechts fällt ohne weitere Umstände weg; denn es läßt sich kein Recht einer Sache gegen eine Person denken. Nun fragt sich: ob die Umkehrung dieses Verhältnisses auch eben so undenkbar sei; oder ob dieser Begriff, nämlich der eines auf dingliche Art persönlichen Rechts, nicht allein ohne inneren Widerspruch, sondern selbst auch ein notwendiger (a priori in der Vernunft gegebener) zum Begriffe des äußeren Mein und Dein gehörender Begriff sei, Personen auf ähnliche Art als Sachen zwar nicht in allen Stücken zu behandlen, aber sie doch zu besitzen und in vielen Verhältnissen mit ihnen als Sachen zu verfahren.
Die Definition des auf dingliche Art persönlichen Rechts ist nun kurz und gut diese: »Es ist das Recht des Menschen, eine Person außer sich als das Seine Ich sage hier auch nicht: eine Person als die meinige (mit dem Adjektiv), sondern: als das Meine (ôï meum, mit dem Substantiv) zu haben. Denn ich kann sagen: dieser ist mein Vater, das bezeichnet nur mein physisches Verhältnis (der Verknüpfung) zu ihm überhaupt. Z. B.: ich habe einen Vater. Aber ich kann nicht sagen: ich habe ihn als das Meine. Sage ich aber: mein Weib, so bedeutet dieses ein besonderes, nämlich rechtliches, Verhältnis des Besitzers zu einem Gegenstande (wenn es auch eine Person wäre), als Sache. Besitz (physischer) aber ist die Bedingung der Möglichkeit der Handhabung ( manipulatio) eines Dinges als einer Sache; wenn dieses gleich in einer anderen Beziehung zugleich als Person behandelt werden muß. zu haben.« Ich sage mit Fleiß: eine Person; denn einen anderen Menschen, der durch Verbrechen seine Persönlichkeit eingebüßt hat (zum Leibeigenen geworden ist), könnte man wohl als das Seine haben; von diesem Sachenrecht ist aber hier nicht die Rede.
Ob nun jener Begriff »als neues Phänomen am juristischen Himmel« eine Stella mirabilis (eine bis zum Stern erster Größe wachsende, vorher nie gesehene, allmählig aber wieder verschwindende, vielleicht einmal wiederkehrende Erscheinung), oder bloß eine Sternschnuppe sei, das soll jetzt untersucht werden.
Etwas Äußeres als das Seine haben heißt es rechtlich besitzen; Besitz aber ist die Bedingung der Möglichkeit des Gebrauchs. Wenn diese Bedingung bloß als die physische gedacht wird, so heißt der Besitz Inhabung. – Rechtmäßige Inhabung reicht nun zwar allein nicht zu, um deshalb den Gegenstand für das Meine auszugeben, oder es dazu zu machen; wenn ich aber, es sei, aus welchem Grunde es wolle, befugt bin auf die Inhabung eines Gegenstandes zu dringen, der meiner Gewalt entwischt oder entrissen ist, so ist dieser Rechtsbegriff ein Zeichen (wie Wirkung von ihrer Ursache), daß ich mich für befugt halte ihn als das Meine, mich aber auch als im intelligibelen Besitz desselben befindlich gegen ihn zu verhalten und diesen Gegenstand so zu gebrauchen.
Das Seine bedeutet zwar hier nicht das des Eigentums an der Person eines anderen (denn Eigentümer kann ein Mensch nicht einmal von sich selbst, viel weniger von einer anderen Person sein), sondern nur das Seine des Nießbrauchs ( ius utendi fruendi), unmittelbar von dieser Person gleich als von einer Sache, doch ohne Abbruch an ihrer Persönlichkeit, als Mittel zu meinem Zweck Gebrauch zu machen.
Dieser Zweck aber, als Bedingung der Rechtmäßigkeit des Gebrauchs, muß moralisch notwendig sein. Der Mann kann weder das Weib begehren, um es gleich als Sache zu genießen, d. i. unmittelbares Vergnügen an der bloß tierischen Gemeinschaft mit demselben zu empfinden, noch das Weib sich ihm dazu hingeben, ohne daß beide Teile ihre Persönlichkeit aufgeben (fleischliche oder viehische Beiwohnung), d. i. ohne unter der Bedingung der Ehe, welche, als wechselseitige Dahingebung seiner Person selbst in den Besitz der anderen, vorher geschlossen werden muß: um durch körperlichen Gebrauch, den ein Teil vom anderen macht, sich nicht zu entmenschen.
Ohne diese Bedingung ist der fleischliche Genuß dem Grundsatz (wenn gleich nicht immer der Wirkung nach) kannibalisch. Ob mit Maul und Zähnen, oder der weibliche Teil durch Schwängerung und daraus vielleicht erfolgende, für ihn tödliche Niederkunft, der männliche aber durch von öfteren Ansprüchen des Weibes an das Geschlechtsvermögen des Mannes herrührende Erschöpfungen aufgezehrt wird, ist bloß in der Manier zu genießen unterschieden, und ein Teil ist in Ansehung des anderen bei diesem wechselseitigen Gebrauche der Geschlechtsorganen wirklich eine verbrauchbare Sache (res fungibilis), zu welcher also sich vermittelst eines Vertrags zu machen, es ein gesetzwidriger Vertrag (pactum turpe) sein würde.
Eben so kann der Mann mit dem Weibe kein Kind, als ihr beiderseitiges Machwerk (res artificialis), zeugen, ohne daß beide Teile sich gegen dieses und gegen einander die Verbindlichkeit zuziehen es zu erhalten: welches doch auch die Erwerbung eines Menschen gleich als einer Sache, aber nur der Form nach (einem bloß auf dingliche Art persönlichen Rechte angemessen) ist. Die Eltern In deutscher Schreibart werden unter dem Wort Ältern Seniores, unter den Eltern aber Parentes verstanden; welches im Sprachlaut nicht zu unterscheiden, dem Sinne nach aber sehr unterschieden ist. haben ein Recht gegen jeden Besitzer des Kindes, das aus ihrer Gewalt gebracht worden, (ius in re) und zugleich ein Recht, es zu allen Leistungen und aller Befolgung ihrer Befehle zu nötigen, die einer möglichen gesetzlichen Freiheit nicht zuwider sind (ius ad rem): folglich auch ein persönliches Recht gegen dasselbe.
Endlich, wenn bei eintretender Volljährigkeit die Pflicht der Eltern zur Erhaltung ihrer Kinder aufhört, so haben jene noch das Recht, diese als ihren Befehlen unterworfene Hausgenossen zu Erhaltung des Hauswesens zu brauchen, bis zur Entlassung derselben; welches eine Pflicht der Eltern gegen diese ist, die aus der natürlichen Beschränkung des Rechts der ersteren folgt. Bis dahin sind sie zwar Hausgenossen und gehören zur Familie, aber von nun an gehören sie zur Dienerschaft ( famulatus) in derselben, die folglich nicht anders als durch Vertrag zu dem Seinen des Hausherrn (als seine Domestiken) hinzu kommen können. – Eben so kann auch eine Dienerschaft außer der Familie zu dem Seinen des Hausherren nach einem auf dingliche Art persönlichen Rechte gemacht und als Gesinde ( famulatus domesticus) durch Vertrag erworben werden. Ein solcher Vertrag ist nicht der einer bloßen Verdingung ( locatio conductio operae), sondern der Hingebung seiner Person in den Besitz des Hausherrn, Vermietung ( locatio conductio personae), welche darin von jener Verdingung unterschieden ist, daß das Gesinde sich zu allem Erlaubten versteht, was das Wohl des Hauswesens betrifft und ihm nicht als bestellte und spezifisch bestimmte Arbeit aufgetragen wird: anstatt daß der zur bestimmten Arbeit Gedungene (Handwerker oder Tagelöhner) sich nicht zu dem Seinen des Anderen hingibt und so auch kein Hausgenosse ist. – Des letzteren, weil er nicht im rechtlichen Besitz des Anderen ist, der ihn zu gewissen Leistungen verpflichtet, kann der Hausherr, wenn jener auch sein häuslicher Einwohner ( inquilinus) wäre, sich nicht ( via facti) als einer Sache bemächtigen, sondern muß nach dem persönlichen Recht auf die Leistung des Versprochenen dringen, welche ihm durch Rechtsmittel ( via iuris) zu Gebote stehen. – – So viel zur Erläuterung und Verteidigung eines befremdlichen, neu hinzukommenden Rechtstitels in der natürlichen Gesetzlehre, der doch stillschweigend immer im Gebrauch gewesen ist.
Ferner ist mir als Heterodoxie im natürlichen Privatrechte auch der Satz: Kauf bricht Miete (Rechtslehre Kap. 31 S. 407) zur Rüge aufgestellt worden.
Daß jemand die Miete seines Hauses vor Ablauf der bedungenen Zeit der Einwohnung dem Mieter aufkündigen und also gegen diesen, wie es scheint, sein Versprechen brechen könne, wenn er es nur zur gewöhnlichen Zeit des Verziehens in der dazu gewohnten bürgerlich-gesetzlichen Frist tut, scheint freilich beim ersten Anblick allen Rechten aus einem Vertrage zu widerstreiten. – Wenn aber bewiesen werden kann, daß der Mieter, da er seinen Mietskontrakt machte, wußte oder wissen mußte, daß das ihm getane Versprechen des Vermieters als Eigentümers natürlicherweise (ohne daß es im Kontrakt ausdrücklich gesagt werden durfte), also stillschweigend, an die Bedingung geknüpft war: wofern dieser sein Haus binnen dieser Zeit nicht verkaufen sollte (oder es bei einem etwa über ihn eintretenden Konkurs seinen Gläubigern überlassen müßte): so hat dieser sein schon an sich der Vernunft nach bedingtes Versprechen nicht gebrochen, und der Mieter ist durch die ihm vor der Mietszeit geschehene Aufkündigung an seinem Rechte nicht verkürzt worden.
Denn das Recht des letzteren aus dem Mietskontrakte ist ein persönliches Recht auf das, was eine gewisse Person der anderen zu leisten hat ( ius ad rem); nicht gegen jeden Besitzer der Sache ( ius in re), ein dingliches.
Nun konnte der Mieter sich wohl in seinem Mietskontrakte sichern und sich ein dingliches Recht am Hause verschaffen: er durfte nämlich diesen nur auf das Haus des Vermieters, als am Grunde haftend, einschreiben (ingrossieren) lassen: alsdann konnte er durch keine Aufkündigung des Eigentümers, selbst nicht durch dessen Tod (den natürlichen oder auch den bürgerlichen, den Bankrott) vor Ablauf der abgemachten Zeit aus der Miete gesetzt werden. Wenn er es nicht tat, weil er etwa frei sein wollte, anderweitig eine Miete auf bessere Bedingungen zu schließen, oder der Eigentümer sein Haus nicht mit einem solchen onus belegt wissen wollte, so ist daraus zu schließen: daß ein jeder von beiden in Ansehung der Zeit der Aufkündigung (die bürgerlich bestimmte Frist zu derselben ausgenommen) einen stillschweigend-bedingten Kontrakt gemacht zu haben sich bewußt war, ihn ihrer Konvenienz nach wieder aufzulösen. Die Bestätigung der Befugnis, durch den Kauf Miete zu brechen, zeigt sich auch an gewissen rechtlichen Folgerungen aus einem solchen nackten Mietskontrakte; denn den Erben des Mieters, wenn dieser verstorben ist, wird doch nicht die Verbindlichkeit zugemutet, die Miete fortzusetzen: weil diese nur die Verbindlichkeit gegen eine gewisse Person ist, die mit dieser ihrem Tode aufhört (wobei doch die gesetzliche Zeit der Aufkündigung immer mit in Anschlag gebracht werden muß). Eben so wenig kann auch das Recht des Mieters, als eines solchen, auch auf seine Erben ohne einen besonderen Vertrag übergehen; so wie er auch beim Leben beider Teile ohne ausdrückliche Übereinkunft keinen Aftermieter zu setzen befugt ist.
Die bloße Idee einer Staatsverfassung unter Menschen führt schon den Begriff einer Strafgerechtigkeit bei sich, welche der obersten Gewalt zusteht. Es fragt sich nur, ob die Strafarten dem Gesetzgeber gleichgültig sind, wenn sie nur als Mittel dazu taugen, das Verbrechen (als Verletzung der Staatssicherheit im Besitz des Seinen eines jeden) zu entfernen, oder ob auch noch auf Achtung für die Menschheit in der Person des Missetäters (d. i. für die Gattung) Rücksicht genommen werden müsse, und zwar aus bloßen Rechtsgründen, indem ich das ius talionis der Form nach noch immer für die einzige a priori bestimmende (nicht aus der Erfahrung, welche Heilmittel zu dieser Absicht die kräftigsten wären, hergenommene) Idee als Prinzip des Strafrechts halte. In jeder Bestrafung liegt etwas das Ehrgefühl des Angeklagten (mit Recht) Kränkendes, weil sie einen bloßen einseitigen Zwang enthält und so an ihm die Würde eines Staatsbürgers, als eines solchen, in einem besonderen Fall wenigstens suspendiert ist: da er einer äußeren Pflicht unterworfen wird, der er seinerseits keinen Widerstand entgegen setzen darf. Der Vornehme und Reiche, der auf den Beutel geklopft wird, fühlt mehr seine Erniedrigung sich unter den Willen des geringeren Mannes beugen zu müssen, als den Geldverlust. Die Strafgerechtigkeit ( iustitia punitiva), da nämlich das Argument der Strafbarkeit moralisch ist ( quia peccatum est), muß hier von der Strafklugheit, da es bloß pragmatisch ist ( ne peccetur) und sich auf Erfahrung von dem gründet, was am stärksten wirkt, Verbrechen abzuhalten, unterschieden werden und hat in der Topik der Rechtsbegriffe einen ganz anderen Ort, locus iusti, nicht des conducibilis oder des Zuträglichen in gewisser Absicht, noch auch den des bloßen honesti, dessen Ort in der Ethik aufgesucht werden muß. – Wie wird es aber mit den Strafen gehalten werden, die keine Erwiderung zulassen, weil diese entweder an sich unmöglich, oder selbst ein strafbares Verbrechen an der Menschheit überhaupt sein würden, wie z. B. das der Notzüchtigung, imgleichen das der Päderastie, oder Bestialität? Die beiden ersteren durch Kastration (entweder wie eines weißen oder schwarzen Verschnittenen im Serail), das letztere durch Ausstoßung aus der bürgerlichen Gesellschaft auf immer, weil er sich selbst der menschlichen unwürdig gemacht hat. – Per quod quis peccat, per idem punitur et idem. – Die gedachten Verbrechen heißen darum unnatürlich, weil sie an der Menschheit selbst ausgeübt werden. – Willkürlich Strafen für sie zu verhängen ist dem Begriff einer Straf-Gerechtigkeit buchstäblich zuwider. Nur dann kann der Verbrecher nicht klagen, daß ihm unrecht geschehe, wenn er seine Übeltat sich selbst über den Hals zieht, und ihm, wenn gleich nicht dem Buchstaben, doch dem Geiste des Strafgesetzes gemäß das widerfährt, was er an anderen verbrochen hat.
»Das Recht der Ersitzung ( usucapio) soll nach S. 408ff. durchs Naturrecht begründet werden. Denn nähme man nicht an, daß durch den ehrlichen Besitz eine ideale Erwerbung, wie sie hier genannt wird, begründet werde, so wäre gar keine Erwerbung peremtorisch gesichert. (Aber Hr. K. nimmt ja selbst im Naturstande eine nur provisorische Erwerbung an und dringt deswegen auf die juristische Notwendigkeit der bürgerlichen Verfassung. – Ich behaupte mich als ehrlicher Besitzer aber nur gegen den, der nicht beweisen kann, daß er eher als ich ehrlicher Besitzer derselben Sache war und mit seinem Willen zu sein nicht aufgehört hat.)« – Davon ist nun hier nicht die Rede, sondern ob ich mich auch als Eigentümer behaupten kann, wenn sich gleich ein Prätendent als früherer wahrer Eigentümer der Sache melden sollte, die Erkundung aber seiner Existenz als Besitzers und seines Besitzstandes als Eigentümers schlechterdings unmöglich war; welches letztere alsdann zutrifft, wenn dieser gar kein öffentlich gültiges Zeichen seines ununterbrochenen Besitzes (es sei aus eigener Schuld oder auch ohne sie), z. B. durch Einschreibung in Matrikeln, oder unwidersprochene Stimmgebung als Eigentümer in bürgerlichen Versammlungen, von sich gegeben hat.
Denn die Frage ist hier: wer soll seine rechtmäßige Erwerbung beweisen? Dem Besitzer kann diese Verbindlichkeit ( onus probandi) nicht aufgebürdet werden; denn er ist, so weit wie seine konstatierte Geschichte reicht, im Besitz derselben. Der frühere angebliche Eigentümer der Sache ist durch eine Zwischenzeit, innerhalb deren er keine bürgerlich gültige Zeichen seines Eigentums gab, von der Reihe der auf einander folgenden Besitzer nach Rechtsprinzipien ganz abgeschnitten. Diese Unterlassung irgend eines öffentlichen Besitzakts macht ihn zu einem unbetitelten Prätendenten. (Dagegen heißt es hier wie bei der Theologie: conservatio est CONTINUA creatio.) Wenn sich auch ein bisher nicht manifestierter, obzwar hinten nach mit aufgefundenen Dokumenten versehener Prätendent vorfände, so würde doch wiederum auch bei diesem der Zweifel vorwalten, ob nicht ein noch älterer Prätendent dereinst auftreten und seine Ansprüche auf den früheren Besitz gründen könnte. – Auf die Länge der Zeit des Besitzes kommt es hiebei gar nicht an, um die Sache endlich zu ersitzen ( acquirere per usucapionem). Denn es ist ungereimt, anzunehmen, daß ein Unrecht dadurch, daß es lange gewährt hat, nachgerade ein Recht werde. Der (noch so lange) Gebrauch setzt das Recht in der Sache voraus: weit gefehlt, daß dieses sich auf jenen gründen sollte. Also ist die Ersitzung ( usucapio) als Erwerbung durch den langen Gebrauch einer Sache ein sich selbst widersprechender Begriff. Die Verjährung der Ansprüche als Erhaltungsart ( conservatio possessionis meae per praescriptionem) ist es nicht weniger: indessen doch ein von dem vorigen unterschiedener Begriff, was das Argument der Zueignung betrifft. Es ist nämlich ein negativer Grund, d. i. der gänzliche Nichtgebrauch seines Rechts, selbst nicht einmal der, welcher nötig ist, um sich als Besitzer zu manifestieren, für eine Verzichtung[**] auf dieselbe ( derelictio), welche ein rechtlicher Akt, d. i. Gebrauch seines Rechts gegen einen anderen, ist, um durch Ausschließung desselben vom Ansprüche ( per praescriptionem) das Objekt desselben zu erwerben, welches einen Widerspruch enthält.
Ich erwerbe also ohne Beweisführung und ohne allen rechtlichen Akt: ich brauche nicht zu beweisen, sondern durchs Gesetz (lege); und was dann? Die öffentliche Befreiung von Ansprüchen, d. i. die gesetzliche Sicherheit meines Besitzes, dadurch daß ich nicht den Beweis führen darf und mich auf einen ununterbrochenen Besitz gründe. Daß aber alle Erwerbung im Naturstande bloß provisorisch ist, das hat keinen Einfluß auf die Frage von der Sicherheit des Besitzes des Erworbenen, welche vor jener vorhergehen muß.
Was das Recht der Beerbung anlangt, so hat den Herrn Rezensenten diesesmal sein Scharfblick, den Nerven des Beweises meiner Behauptung zu treffen, verlassen. – Ich sage ja nicht S. 411: daß ein jeder Mensch notwendiger Weise jede ihm angebotene Sache, durch deren Annehmung er nur gewinnen, nichts verlieren kann, annehme (denn solche Sachen gibt es gar nicht), sondern daß ein jeder das Recht des Angebots in demselben Augenblick unvermeidlich und stillschweigend, dabei aber doch gültig immer wirklich annehme: wenn es nämlich die Natur der Sache so mit sich bringt, daß der Widerruf schlechterdings unmöglich ist, nämlich im Augenblicke seines Todes; denn da kann der Promittent nicht widerrufen, und der Promissar ist, ohne irgend einen rechtlichen Akt begehen zu dürfen, in demselben Augenblick Akzeptant, nicht der versprochenen Erbschaft, sondern des Rechts, sie anzunehmen oder auszuschlagen. In diesem Augenblicke sieht er sich bei Eröffnung des Testaments, daß er schon vor der Akzeptation der Erbschaft vermögender geworden ist, als er war; denn er hat ausschließlich die Befugnis zu akzeptieren erworben, welche schon ein Vermögensumstand ist. – Daß hiebei ein bürgerlicher Zustand vorausgesetzt wird, um etwas zu dem Seinen eines Anderen zu machen, wenn man nicht mehr da ist, dieser Übergang des Besitztums aus der Totenhand ändert in Ansehung der Möglichkeit der Erwerbung nach allgemeinen Prinzipien des Naturrechts nichts, wenn gleich der Anwendung derselben auf den vorkommenden Fall eine bürgerliche Verfassung zum Grunde gelegt werden muß. – Eine Sache nämlich, die ohne Bedingung anzunehmen oder auszuschlagen in meiner freien Wahl gestellt wird, heißt res iacens. Wenn der Eigentümer einer Sache mir etwas, z. B. ein Möbel des Hauses, aus dem ich auszuziehen eben im Begriff bin, umsonst anbietet (verspricht, es soll mein sein), so habe ich, so lange er nicht widerruft (welches, wenn er darüber stirbt, unmöglich ist), ausschließlich ein Recht zur Akzeptation des Angebotenen (ius in re iacente), d. i. ich allein kann es annehmen oder ausschlagen, wie es mir beliebt: und dieses Recht ausschließlich zu wählen erlange ich nicht vermittelst eines besonderen rechtlichen Akts meiner Deklaration, ich wolle, dieses Recht solle mir zustehen, sondern ohne denselben (lege). – Ich kann also zwar mich dahin erklären, ich wolle, die Sache solle mir nicht angehören (weil diese Annahme mir Verdrießlichkeiten mit Anderen zuziehen dürfte), aber ich kann nicht wollen, ausschließlich die Wahl zu haben, ob sie mir angehören solle oder nicht; denn dieses Recht (des Annehmens oder Ausschlagens) habe ich ohne alle Deklaration meiner Annahme unmittelbar durchs Angebot: denn wenn ich sogar die Wahl zu haben ausschlagen könnte, so würde ich wählen nicht zu wählen; welches ein Widerspruch ist. Dieses Recht zu wählen geht nun im Augenblicke des Todes des Erblassers auf mich über, durch dessen Vermächtnis ( institutio haeredis) ich zwar noch nichts von der Habe und Gut des Erblassers, aber doch den bloß-rechtlichen (intelligibelen) Besitz dieser Habe oder eines Teils derselben erwerbe: deren Annahme ich mich nun zum Vorteil Anderer begeben kann, mithin dieser Besitz keinen Augenblick unterbrochen ist, sondern die Sukzession als eine stetige Reihenfolge vom Sterbenden zum eingesetzten Erben durch seine Akzeptation übergeht und so der Satz: testamenta sunt iuris naturae wider alle Zweifel befestigt wird.
Stiftung ( sanctio testamentaria beneficii perpetui) ist die freiwillige, durch den Staat bestätigte, für gewisse auf einander folgende Glieder desselben bis zu ihrem gänzlichen Aussterben errichtete wohltätige Anstalt. – Sie heißt ewig, wenn die Verordnung zu Erhaltung derselben mit der Konstitution des Staats selbst vereinigt ist (denn der Staat muß für ewig angesehen werden); ihre Wohltätigkeit aber ist entweder für das Volk überhaupt, oder für einen nach gewissen besonderen Grundsätzen vereinigten Teil desselben, einen Stand, oder für eine Familie und die ewige Fortdauer ihrer Deszendenten abgezweckt. Ein Beispiel vom ersteren sind die Hospitäler, vom zweiten die Kirchen, vom dritten die Orden (geistliche und weltliche), vom vierten die Majorate.
Von diesen Korporationen und ihrem Rechte zu sukzedieren sagt man nun, sie können nicht aufgehoben werden: weil es durch Vermächtnis zum Eigentum des eingesetzten Erben geworden sei, und eine solche Verfassung ( corpus mysticum) aufzuheben so viel heiße, als jemanden das Seine nehmen.
Die wohltätige Anstalt für Arme, Invalide und Kranke, welche auf dem Staatsvermögen fundiert worden (in Stiften und Hospitälern), ist allerdings unablöslich. Wenn aber nicht der Buchstabe, sondern der Sinn des Willens des Testators den Vorzug haben soll, so können sich wohl Zeitumstände ereignen, welche die Aufhebung einer solchen Stiftung wenigstens ihrer Form nach anrätig machen. – So hat man gefunden: daß der Arme und Kranke (den vom Narrenhospital ausgenommen) besser und wohlfeiler versorgt werde, wenn ihm die Beihülfe in einer gewissen (dem Bedürfnisse der Zeit proportionierten) Geldsumme, wofür er sich, wo er will, bei seinen Verwandten oder sonst Bekannten, einmieten kann, gereicht wird, als wenn – wie im Hospital von Greenwich – prächtige und dennoch die Freiheit sehr beschränkende, mit einem kostbaren Personale versehene Anstalten dazu getroffen werden. – Da kann man nun nicht sagen, der Staat nehme dem zum Genuß dieser Stiftung berechtigten Volke das Seine, sondern er befördert es vielmehr, indem er weisere Mittel zur Erhaltung desselben wählt.
Die Geistlichkeit, welche sich fleischlich nicht fortpflanzt (die katholische), besitzt mit Begünstigung des Staats Ländereien und daran haftende Untertanen, die einem geistlichen Staate (Kirche genannt) angehören, welchem die Weltlichen durch Vermächtnis zum Heil ihrer Seelen sich als ihr Eigentum hingegeben haben, und so hat der Klerus als ein besonderer Stand einen Besitztum, der sich von einem Zeitalter zum anderen gesetzmäßig vererben läßt und durch päpstliche Bullen hinreichend dokumentiert ist. – Kann man nun wohl annehmen, daß dieses Verhältnis derselben zu den Laien durch die Machtvollkommenheit des weltlichen Staats geradezu den ersteren könne genommen werden, und würde das nicht so viel sein, als jemanden mit Gewalt das Seine nehmen; wie es doch von Ungläubigen der französischen Republik versucht wird?
Die Frage ist hier: ob die Kirche dem Staat oder der Staat der Kirche als das Seine angehören könne; denn zwei oberste Gewalten können einander ohne Widerspruch nicht untergeordnet sein. – Daß nur die erstere Verfassung ( politico-hierarchica) Bestand an sich haben könne, ist an sich klar: denn alle bürgerliche Verfassung ist von dieser Welt, weil sie eine irdische Gewalt (der Menschen) ist, die sich samt ihren Folgen in der Erfahrung dokumentieren läßt. Die Gläubigen, deren Reich im Himmel und in jener Welt ist, müssen, in so fern man ihnen eine sich auf dieses beziehende Verfassung ( hierarchico-politica) zugesteht, sich den Leiden dieser Zeit unter der Obergewalt der Weltmenschen unterwerfen. – Also findet nur die erstere Verfassung statt.
Religion (in der Erscheinung), als Glaube an die Satzungen der Kirche und die Macht der Priester als Aristokraten einer solchen Verfassung, oder auch, wenn diese monarchisch (päpstlich) ist, kann von keiner staatsbürgerlichen Gewalt dem Volke weder aufgedrungen, noch genommen werden, noch auch (wie es wohl in Großbritannien mit der irländischen Nation gehalten wird) der Staatsbürger wegen einer von des Hofes seiner unterschiedenen Religion von den Staatsdiensten und den Vorteilen, die ihm dadurch erwachsen, ausgeschlossen werden.
Wenn nun gewisse andächtige und gläubige Seelen, um der Gnade teilhaftig zu werden, welche die Kirche den Gläubigen auch nach dieser ihrem Tode zu erzeigen verspricht, eine Stiftung auf ewige Zeiten errichten, durch welche gewisse Ländereien derselben nach ihrem Tode ein Eigentum der Kirche werden sollen, und der Staat an diesem oder jenem Teil, oder gar ganz sich der Kirche lehnspflichtig macht, um durch Gebete, Ablässe und Büßungen, durch welche die dazu bestellten Diener derselben (die Geistlichen) das Los in der anderen Welt ihnen vorteilhaft zu machen verheißen: so ist eine solche vermeintlich auf ewige Zeiten gemachte Stiftung keineswegs auf ewig begründet, sondern der Staat kann diese Last, die ihm von der Kirche aufgelegt worden, abwerfen, wenn er will. – Denn die Kirche selbst ist als ein bloß auf Glauben errichtetes Institut, und wenn die Täuschung aus dieser Meinung durch Volksaufklärung verschwunden ist, so fällt auch die darauf gegründete furchtbare Gewalt des Klerus weg, und der Staat bemächtigt sich mit vollem Rechte des angemaßten Eigentums der Kirche: nämlich des durch Vermächtnisse an sie verschenkten Bodens; wiewohl die Lehnsträger des bis dahin bestandenen Instituts für ihre Lebenszeit schadenfrei gehalten zu werden aus ihrem Rechte fordern können.
Selbst Stiftungen zu ewigen Zeiten für Arme, oder Schulanstalten, sobald sie einen gewissen, von dem Stifter nach seiner Idee bestimmten entworfenen Zuschnitt haben, können nicht auf ewige Zeiten fundiert und der Boden damit belästigt werden; sondern der Staat muß die Freiheit haben, sie nach dem Bedürfnisse der Zeit einzurichten. – Daß es schwerer hält, diese Idee allerwärts auszuführen (z. B. die Pauperbursche die Unzulänglichkeit des wohltätig errichteten Schulfonds durch bettelhaftes Singen ergänzen zu müssen), darf niemanden wundern; denn der, welcher gutmütiger-, aber doch zugleich etwas ehrbegierigerweise eine Stiftung macht, will, daß sie nicht ein anderer nach seinen Begriffen umändere, sondern Er darin unsterblich sei. Das ändert aber nicht die Beschaffenheit der Sache selbst und das Recht des Staats, ja die Pflicht desselben zum Umändern einer jeden Stiftung, wenn sie der Erhaltung und dem Fortschreiten desselben zum Besseren entgegen ist, kann daher niemals als auf ewig begründet betrachtet werden.
Der Adel eines Landes, das selbst nicht unter einer aristokratischen, sondern monarchischen Verfassung steht, mag immer ein für ein gewisses Zeitalter erlaubtes und den Umständen nach notwendiges Institut sein; aber daß dieser Stand auf ewig könne begründet werden, und ein Staatsoberhaupt nicht solle die Befugnis haben, diesen Standesvorzug gänzlich aufzuheben, oder, wenn er es tut, man sagen könne, er nehme seinem (adlichen) Untertan das Seine, was ihm erblich zukommt, kann keinesweges behauptet werden. Er ist eine temporäre, vom Staat autorisierte Zunftgenossenschaft, die sich nach den Zeitumständen bequemen muß und dem allgemeinen Menschenrechte, das so lange suspendiert war, nicht Abbruch tun darf. – Denn der Rang des Edelmanns im Staate ist von der Konstitution selber nicht allein abhängig, sondern ist nur ein Akzidenz derselben, was nur durch Inhärenz in demselben existieren kann (ein Edelmann kann ja als ein solcher nur im Staate, nicht im Stande der Natur gedacht werden). Wenn also der Staat seine Konstitution abändert, so kann der, welcher hiemit jenen Titel und Vorrang einbüßt, nicht sagen, es sei ihm das Seine genommen: weil er es nur unter der Bedingung der Fortdauer dieser Staatsform das Seine nennen konnte, der Staat aber diese abzuändern (z. B. in den Republikanism umzuformen) das Recht hat. – Die Orden und der Vorzug, gewisse Zeichen desselben zu tragen, geben also kein ewiges Recht dieses Besitzes.
Was endlich die Majoratsstiftung betrifft, da ein Gutsbesitzer durch Erbeseinsetzung verordnet: daß in der Reihe der auf einander folgenden Erben immer der nächste von der Familie der Gutsherr sein solle (nach der Analogie mit einer monarchisch-erblichen Verfassung eines Staats, wo der Landesherr es ist), so kann eine solche Stiftung nicht allein mit Beistimmung aller Agnaten jederzeit aufgehoben werden und darf nicht auf ewige Zeiten – gleich als ob das Erbrecht am Boden haftete – immerwährend fortdauern, noch gesagt werden, es sei eine Verletzung der Stiftung und des Willens des Urahnherrn derselben, des Stifters, sie eingehen zu lassen: sondern der Staat hat auch hier ein Recht, ja sogar die Pflicht, bei den allmählig eintretenden Ursachen seiner eigenen Reform ein solches föderatives System seiner Untertanen gleich als Unterkönige (nach der Analogie von Dynasten und Satrapen), wenn es erloschen ist, nicht weiter aufkommen zu lassen.
Zuletzt hat der Herr Rezensent von den unter der Rubrik öffentliches Recht aufgeführten Ideen, von denen, wie er sagt, der Raum nicht erlaube, sich darüber zu äußern, noch folgendes angemerkt: »Unseres Wissens hat noch kein Philosoph den paradoxesten aller paradoxen Sätze anerkannt, den Satz: daß die bloße Idee der Oberherrschaft mich nötigen soll, jedem, der sich zu meinem Herrn aufwirft, als meinem Herrn zu gehorchen, ohne zu fragen, wer ihm das Recht gegeben, mir zu befehlen. Daß man Oberherrschaft und Oberhaupt anerkennen und man Diesen oder Jenen, dessen Dasein nicht einmal a priori gegeben ist, a priori für seinen Herrn halten soll, das soll einerlei sein?« – Nun, hiebei die Paradoxie eingeräumt, hoffe ich, es solle, näher betrachtet, doch wenigstens der Heterodoxie nicht überwiesen werden können; vielmehr solle es dem einsichtsvollen und mit Bescheidenheit tadelnden, gründlichen Rezensenten (der jenes genommenen Anstoßes ungeachtet »diese metaphysischen Anfangsgründe der Rechtslehre im Ganzen als Gewinn für die Wissenschaft ansieht«) nicht gereuen, sie wenigstens als einen der zweiten Prüfung nicht unwürdigen Versuch gegen Anderer trotzige und seichte Absprechungen in Schutz genommen zu haben.
Daß dem, welcher sich im Besitz der zu oberst gebietenden und gesetzgebenden Gewalt über ein Volk befindet, müsse gehorcht werden und zwar so juridisch-unbedingt, daß auch nur nach dem Titel dieser seiner Erwerbung öffentlich zu forschen, also ihn zu bezweifeln, um sich bei etwaiger Ermangelung desselben ihm zu widersetzen, schon strafbar, daß es ein kategorischer Imperativ sei: Gehorchet der Obrigkeit (in allem, was nicht dem inneren Moralischen widerstreitet), die Gewalt über euch hat, ist der anstößige Satz, der in Abrede gezogen wird. – Nicht allein aber dieses Prinzip, welches ein Faktum (die Bemächtigung) als Bedingung dem Rechte zum Grunde legt, sondern daß selbst die bloße Idee der Oberherrschaft über ein Volk mich, der ich zu ihm gehöre, nötige, ohne vorhergehende Forschung dem angemaßten Rechte zu gehorchen (Rechtslehre 49), das scheint die Vernunft des Rez. zu empören.
Ein jedes Faktum (Tatsache) ist Gegenstand in der Erscheinung (der Sinne); dagegen das, was nur durch reine Vernunft vorgestellt werden kann, was zu den Ideen gezählt werden muß, denen adäquat kein Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann, dergleichen eine vollkommene rechtliche Verfassung unter Menschen ist, das ist das Ding ansich selbst.
Wenn dann nun ein Volk, durch Gesetze unter einer Obrigkeit vereinigt, da ist, so ist der Idee der Einheit desselben überhaupt unter einem machthabenden obersten Willen gemäß als Gegenstand der Erfahrung gegeben; aber freilich nur in der Erscheinung; d. i. eine rechtliche Verfassung im allgemeinen Sinne des Worts ist da; und obgleich sie mit großen Mängeln und groben Fehlern behaftet sein und nach und nach wichtiger Verbesserungen bedürfen mag, so ist es doch schlechterdings unerlaubt und sträflich, ihr zu widerstehen: weil, wenn das Volk dieser, obgleich noch fehlerhaften Verfassung und der obersten Autorität Gewalt entgegen setzen zu dürfen sich berechtigt hielte, es sich dünken würde, ein Recht zu haben: Gewalt an die Stelle der alle Rechte zu oberst vorschreibenden Gesetzgebung zu setzen; welches einen sich selbst zerstörenden obersten Willen abgeben würde.
Die Idee einer Staatsverfassung überhaupt, welche zugleich absolutes Gebot der nach Rechtsbegriffen urteilenden praktischen Vernunft für ein jedes Volk ist, ist heilig und unwiderstehlich; und wenn gleich die Organisation des Staats durch sich selbst fehlerhaft wäre, so kann doch keine subalterne Gewalt in demselben dem gesetzgebenden Oberhaupte desselben tätlichen Widerstand entgegensetzen, sondern die ihm anhängenden Gebrechen müssen durch Reformen, die er an sich selbst verrichtet, allmählig gehoben werden: weil sonst bei einer entgegengesetzten Maxime des Untertans (nach eigenmächtiger Willkür zu verfahren) eine gute Verfassung selbst nur durch blinden Zufall zu Stande kommen kann. – Das Gebot: »Gehorchet der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat,« grübelt nicht nach, wie sie zu dieser Gewalt gekommen sei (um sie allenfalls zu untergraben); denn die, welche schon da ist, unter welcher ihr lebt, ist schon im Besitz der Gesetzgebung, über die ihr zwar öffentlich vernünfteln, euch aber selbst nicht zu widerstrebenden Gesetzgebern aufwerfen könnt.
Unbedingte Unterwerfung des Volkswillens (der an sich unvereinigt, mithin gesetzlos ist) unter einem souveränen (alle durch Ein Gesetz vereinigenden) Willen ist Tat, die nur durch Bemächtigung der obersten Gewalt anheben kann und so zuerst ein öffentliches Recht begründet. – Gegen diese Machtvollkommenheit noch einen Widerstand zu erlauben (der jene oberste Gewalt einschränkte), heißt sich selbst widersprechen; denn alsdann wäre jene (welcher widerstanden werden darf) nicht die gesetzliche oberste Gewalt, die zuerst bestimmt, was öffentlich recht sein soll oder nicht – und dieses Prinzip liegt schon a priori in der Idee einer Staatsverfassung überhaupt, d. i. in einem Begriffe der praktischen Vernunft, dem zwar adäquat kein Beispiel in der Erfahrung untergelegt werden kann, dem aber auch als Norm keine widersprechen muß.