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Der Inbegriff der Gesetze, die einer allgemeinen Bekanntmachung bedürfen, um einen rechtlichen Zustand hervorzubringen, ist das öffentliche Recht. – Dieses ist also ein System von Gesetzen für ein Volk, d. i. eine Menge von Menschen, oder für eine Menge von Völkern, die, im wechselseitigen Einflusse gegen einander stehend, des rechtlichen Zustandes unter einem sie vereinigenden Willen, einer Verfassung ( constitutio), bedürfen, um dessen, was Rechtens ist, teilhaftig zu werden. – Dieser Zustand der Einzelnen im Volke in Verhältnis unter einander heißt der bürgerliche ( status civilis) und das Ganze derselben in Beziehung auf seine eigene Glieder der Staat ( civitas), welcher seiner Form wegen, als verbunden durch das gemeinsame Interesse Aller, im rechtlichen Zustande zu sein, das gemeine Wesen ( res publica latius sic dicta) genannt wird, in Verhältnis aber auf andere Völker eine Macht ( potentia) schlechthin heißt (daher das Wort Potentaten), was sich auch wegen (anmaßlich) angeerbter Vereinigung ein Stammvolk ( gens) nennt und so unter dem allgemeinen Begriffe des öffentlichen Rechts nicht bloß das Staats-, sondern auch ein Völkerrecht ( ius gentium) zu denken Anlaß gibt: welches dann, weil der Erdboden eine nicht grenzenlose, sondern sich selbst schließende Fläche ist, beides zusammen zu der Idee eines Völkerstaatsrechts ( ius gentium) oder des Weltbürgerrechts ( ius cosmopoliticum) unumgänglich hinleitet: so daß, wenn unter diesen drei möglichen Formen des rechtlichen Zustandes es nur einer an dem die äußere Freiheit durch Gesetze einschränkenden Prinzip fehlt, das Gebäude aller übrigen unvermeidlich untergraben werden und endlich einstürzen muß.
Es ist nicht etwa die Erfahrung, durch die wir von der Maxime der Gewalttätigkeit der Menschen belehrt werden und ihrer Bösartigkeit, sich, ehe eine äußere machthabende Gesetzgebung erscheint, einander zu befehden, also nicht etwa ein Faktum, welches den öffentlich gesetzlichen Zwang notwendig macht, sondern, sie mögen auch so gutartig und rechtliebend gedacht werden, wie man will, so liegt es doch a priori in der Vernunftidee eines solchen (nicht-rechtlichen) Zustandes, daß, bevor ein öffentlich gesetzlicher Zustand errichtet worden, vereinzelte Menschen, Völker und Staaten niemals vor Gewalttätigkeit gegen einander sicher sein können, und zwar aus jedes seinem eigenen Recht zu tun, was ihm recht und gut dünkt, und hierin von der Meinung des Anderen nicht abzuhängen; mithin das Erste, was ihm zu beschließen obliegt, wenn er nicht allen Rechtsbegriffen entsagen will, der Grundsatz sei: man müsse aus dem Naturzustande, in welchem jeder seinem eigenen Kopfe folgt, herausgehen und sich mit allen anderen (mit denen in Wechselwirkung zu geraten er nicht vermeiden kann) dahin vereinigen, sich einem öffentlich gesetzlichen äußeren Zwange zu unterwerfen, also in einen Zustand treten, darin jedem das, was für das Seine anerkannt werden soll, gesetzlich bestimmt und durch hinreichende Macht (die nicht die seinige, sondern eine äußere ist) zu Teil wird, d. i. er solle vor allen Dingen in einen bürgerlichen Zustand treten.
Zwar durfte sein natürlicher Zustand nicht eben darum ein Zustand der Ungerechtigkeit ( iniustus) sein, einander nur nach dem bloßen Maße seiner Gewalt zu begegnen; aber es war doch ein Zustand der Rechtlosigkeit ( status iustitia vacuus), wo, wenn das Recht streitig ( ius controversum) war, sich kein kompetenter Richter fand, rechtskräftig den Ausspruch zu tun, aus welchem nun in einen rechtlichen zu treten ein jeder den Anderen mit Gewalt antreiben darf: weil, obgleich nach jedes seinen Rechtsbegriffen etwas Äußeres durch Bemächtigung oder Vertrag erworben werden kann, diese Erwerbung doch nur provisorisch ist, so lange sie noch nicht die Sanktion eines öffentlichen Gesetzes für sich hat, weil sie durch keine öffentliche (distributive) Gerechtigkeit bestimmt und durch keine dies Recht ausübende Gewalt gesichert ist.
Wollte man vor Eintretung in den bürgerlichen Zustand gar keine Erwerbung, auch nicht einmal provisorisch für rechtlich erkennen, so würde jener selbst unmöglich sein. Denn der Form nach enthalten die Gesetze über das Mein und Dein im Naturzustande eben dasselbe, was die im bürgerlichen vorschreiben, so fern dieser bloß nach reinen Vernunftbegriffen gedacht wird: nur daß im letzteren die Bedingungen angegeben werden, unter denen jene zur Ausübung (der distributiven Gerechtigkeit gemäß) gelangen. – Es würde also, wenn es im Naturzustande auch nicht provisorisch ein äußeres Mein und Dein gäbe, auch keine Rechtspflichten in Ansehung desselben, mithin auch kein Gebot geben, aus jenem Zustande herauszugehen.
Ein Staat ( civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen. So fern diese als Gesetze a priori notwendig, d. i. aus Begriffen des äußeren Rechts überhaupt von selbst folgend, (nicht statutarisch) sind, ist seine Form die Form eines Staats überhaupt, d. i. der Staat in der Idee, wie er nach reinen Rechtsprinzipien sein soll, welche jeder wirklichen Vereinigung zu einem gemeinen Wesen (also im Inneren) zur Richtschnur ( norma) dient.
Ein jeder Staat enthält drei Gewalten in sich, d. i. den allgemein vereinigten Willen in dreifacher Person ( trias politica): die Herrschergewalt (Souveränität) in der des Gesetzgebers, die vollziehende Gewalt in der des Regierers (zu Folge dem Gesetz) und die rechtsprechende Gewalt (als Zuerkennung des Seinen eines jeden nach dem Gesetz) in der Person des Richters ( potestas legislatoria, rectoria et iudiciaria) gleich den drei Sätzen in einem praktischen Vernunftschluß: dem Obersatz, der das Gesetz jenes Willens, dem Untersatz, der das Gebot des Verfahrens nach dem Gesetz, d. i. das Prinzip der Subsumtion unter denselben, und dem Schlußsatz, der den Rechtsspruch (die Sentenz) enthält, was im vorkommenden Falle Rechtens ist.
Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes zukommen. Denn da von ihr alles Recht ausgehen soll, so muß sie durch ihr Gesetz schlechterdings niemand unrecht tun können. Nun ist es, wenn jemand etwas gegen einen Anderen verfügt, immer möglich, daß er ihm dadurch unrecht tue, nie aber in dem, was er über sich selbst beschließt (denn volenti non fit iniuria). Also kann nur der übereinstimmende und vereinigte Wille Aller, so fern ein jeder über Alle und Alle über einen jeden eben dasselbe beschließen, mithin nur der allgemein vereinigte Volkswille gesetzgebend sein.
Die zur Gesetzgebung vereinigten Glieder einer solchen Gesellschaft ( societas civilis), d. i. eines Staats, heißen Staatsbürger ( cives), und die rechtlichen, von ihrem Wesen (als solchem) unabtrennlichen Attribute derselben sind gesetzliche Freiheit, keinem anderen Gesetz zu gehorchen, als zu welchem er seine Beistimmung gegeben hat; bürgerliche Gleichheit, keinen Oberen im Volk in Ansehung seiner zu erkennen, als nur einen solchen, den er eben so rechtlich zu verbinden das moralische Vermögen hat, als dieser ihn verbinden kann; drittens das Attribut der bürgerlichen Selbstständigkeit, seine Existenz und Erhaltung nicht der Willkür eines Anderen im Volke, sondern seinen eigenen Rechten und Kräften als Glied des gemeinen Wesens verdanken zu können, folglich die bürgerliche Persönlichkeit, in Rechtsangelegenheiten durch keinen Anderen vorgestellt werden zu dürfen.
Nur die Fähigkeit der Stimmgebung macht die Qualifikation zum Staatsbürger aus; jene aber setzt die Selbstständigkeit dessen im Volk voraus, der nicht bloß Teil des gemeinen Wesens, sondern auch Glied desselben, d. i, aus eigener Willkür in Gemeinschaft mit Anderen handelnder Teil desselben, sein will. Die letztere Qualität macht aber die Unterscheidung des aktiven vom passiven Staatsbürger notwendig, obgleich der Begriff des letzteren mit der Erklärung des Begriffs von einem Staatsbürger überhaupt im Widerspruch zu stehen scheint. – Folgende Beispiele können dazu dienen, diese Schwierigkeit zu heben: Der Geselle bei einem Kaufmann oder bei einem Handwerker; der Dienstbote (nicht der im Dienste des Staats steht); der Unmündige ( naturaliter vel civiliter); alles Frauenzimmer und überhaupt jedermann, der nicht nach eigenem Betrieb, sondern nach der Verfügung Anderer (außer der des Staats) genötigt ist, seine Existenz (Nahrung und Schutz) zu erhalten, entbehrt der bürgerlichen Persönlichkeit, und seine Existenz ist gleichsam nur Inhärenz. – Der Holzhacker, den ich auf meinem Hofe anstelle, der Schmied in Indien, der mit seinem Hammer, Amboß und Blasbalg in die Häuser geht, um da in Eisen zu arbeiten, in Vergleichung mit dem europäischen Tischler oder Schmied, der die Produkte aus dieser Arbeit als Ware öffentlich feil stellen kann; der Hauslehrer in Vergleichung mit dem Schulmann, der Zinsbauer in Vergleichung mit dem Pächter u. dergl. sind bloß Handlanger des gemeinen Wesens, weil sie von anderen Individuen befehligt oder beschützt werden müssen, mithin keine bürgerliche Selbstständigkeit besitzen.
Diese Abhängigkeit von dem Willen Anderer und Ungleichheit ist gleichwohl keinesweges der Freiheit und Gleichheit derselben als Menschen, die zusammen ein Volk ausmachen, entgegen: vielmehr kann bloß den Bedingungen derselben gemäß dieses Volk ein Staat werden und in eine bürgerliche Verfassung eintreten. In dieser Verfassung aber das Recht der Stimmgebung zu haben, d. i. Staatsbürger, nicht bloß Staatsgenosse zu sein, dazu qualifizieren sich nicht alle mit gleichem Recht. Denn daraus, daß sie fordern können, von allen Anderen nach Gesetzen der natürlichen Freiheit und Gleichheit als passive Teile des Staats behandelt zu werden, folgt nicht das Recht, auch als aktive Glieder den Staat selbst zu behandeln, zu organisieren oder zu Einführung gewisser Gesetze mitzuwirken: sondern nur daß, welcherlei Art die positiven Gesetze, wozu sie stimmen, auch sein möchten, sie doch den natürlichen der Freiheit und der dieser angemessenen Gleichheit Aller im Volk, sich nämlich aus diesem passiven Zustande zu dem aktiven empor arbeiten zu können, nicht zuwider sein müssen.
Alle jene drei Gewalten im Staate sind Würden und als wesentliche aus der Idee eines Staats überhaupt zur Gründung desselben (Konstitution) notwendig hervorgehend, Staatswürden. Sie enthalten das Verhältnis eines allgemeinen Oberhaupts (der, nach Freiheitsgesetzen betrachtet, kein Anderer als das vereinigte Volk selbst sein kann) zu der vereinzelten Menge eben desselben als Untertans, d. i. des Gebietenden ( imperans) gegen den Gehorsamenden ( subditus). – Der Akt, wodurch sich das Volk selbst zu einem Staat konstituiert, eigentlich aber nur die Idee desselben, nach der die Rechtmäßigkeit desselben allein gedacht werden kann, ist der ursprüngliche Kontrakt, nach welchem alle ( omnes et singuli) im Volk ihre äußere Freiheit aufgeben, um sie als Glieder eines gemeinen Wesens, d. i. des Volks als Staat betrachtet ( universi), sofort wieder aufzunehmen, und man kann nicht sagen: der Staat, der Mensch im Staate habe einen Teil seiner angebornen äußeren Freiheit einem Zwecke aufgeopfert, sondern er hat die wilde, gesetzlose Freiheit gänzlich verlassen, um seine Freiheit überhaupt in einer gesetzlichen Abhängigkeit, d. i. in einem rechtlichen Zustande, unvermindert wieder zu finden, weil diese Abhängigkeit aus seinem eigenen gesetzgebenden Willen entspringt.
Die drei Gewalten im Staate sind also erstlich einander, als so viel moralische Personen, beigeordnet ( potestates coordinatae), d. i. die eine ist das Ergänzungsstück der anderen zur Vollständigkeit ( complementum ad sufficientiam) der Staatsverfassung; aber zweitens auch einander untergeordnet ( subordinatae), so daß eine nicht zugleich die Funktion der anderen, der sie zur Hand geht, usurpieren kann, sondern ihr eigenes Prinzip hat, d. i. zwar in der Qualität einer besonderen Person, aber doch unter der Bedingung des Willens einer oberen gebietet; drittens durch Vereinigung beider jedem Untertanen sein Recht erteilend.
Von diesen Gewalten, in ihrer Würde betrachtet, wird es heißen: der Wille des Gesetzgebers ( legislatoris) in Ansehung dessen, was das äußere Mein und Dein betrifft, ist untadelig (irreprehensibel), das Ausführungs-Vermögen des Oberbefehlshabers ( summi rectoris) unwiderstehlich (irresistibel) und der Rechtsspruch des obersten Richters ( supremi iudicis) unabänderlich (inappellabel).
Der Regent des Staats ( rex, princeps) ist diejenige (moralische oder physische) Person, welcher die ausübende Gewalt ( potestas executoria) zukommt: der Agent des Staats, der die Magisträte einsetzt, dem Volk die Regeln vorschreibt, nach denen ein jeder in demselben dem Gesetze gemäß (durch Subsumtion eines Falles unter demselben) etwas erwerben, oder das Seine erhalten kann. Als moralische Person betrachtet, heißt er das Direktorium, die Regierung. Seine Befehle an das Volk und die Magisträte und ihre Obere (Minister), welchen die Staatsverwaltung ( gubernatio) obliegt, sind Verordnungen, Dekrete (nicht Gesetze); denn sie gehen auf Entscheidung in einem besonderen Fall und werden als abänderlich gegeben. Eine Regierung, die zugleich gesetzgebend wäre, würde despotisch zu nennen sein im Gegensatz mit der patriotischen, unter welcher aber nicht eine väterliche ( regimen paternale), als die am meisten despotische unter allen (Bürger als Kinder zu behandeln), sondern vaterländische ( regimen civitatis et patriae) verstanden wird, wo der Staat selbst ( civitas) seine Untertanen zwar gleichsam als Glieder einer Familie, doch zugleich als Staatsbürger, d. i. nach Gesetzen ihrer eigenen Selbstständigkeit, behandelt, jeder sich selbst besitzt und nicht vom absoluten Willen eines Anderen neben oder über ihm abhängt.
Der Beherrscher des Volks (der Gesetzgeber) kann also nicht zugleich der Regent sein, denn dieser steht unter dem Gesetz und wird durch dasselbe folglich von einem Anderen, dem Souverän, verpflichtet. Jener kann diesem auch seine Gewalt nehmen, ihn absetzen, oder seine Verwaltung reformieren, aber ihn nicht strafen (und das bedeutet allein der in England gebräuchliche Ausdruck: der König, d. i. die oberste ausübende Gewalt, kann nicht unrecht tun); denn das wäre wiederum ein Akt der ausübenden Gewalt, der zu oberst das Vermögen dem Gesetze gemäß zu zwingen zusteht, die aber doch selbst einem Zwange unterworfen wäre; welches sich widerspricht.
Endlich kann weder der Staatsherrscher noch der Regierer richten, sondern nur Richter als Magisträte einsetzen. Das Volk richtet sich selbst durch diejenigen ihrer Mitbürger, welche durch freie Wahl, als Repräsentanten desselben, und zwar für jeden Akt besonders dazu ernannt werden. Denn der Rechtsspruch (die Sentenz) ist ein einzelner Akt der öffentlichen Gerechtigkeit ( iustitiae distributivae) durch einen Staatsverwalter (Richter oder Gerichtshof) auf den Untertan, d. i. einen, der zum Volk gehört, mithin mit keiner Gewalt bekleidet ist, ihm das Seine zuzuerkennen (zu erteilen). Da nun ein jeder im Volk diesem Verhältnisse nach (zur Obrigkeit) bloß passiv ist, so würde eine jede jener beiden Gewalten in dem, was sie über den Untertan im streitigen Falle des Seinen eines jeden beschließen, ihm unrecht tun können: weil es nicht das Volk selbst täte und, ob schuldig oder nichtschuldig, über seine Mitbürger ausspräche; auf welche Ausmittelung der Tat in der Klagsache nun der Gerichtshof das Gesetz anzuwenden und vermittelst der ausführenden Gewalt einem jeden das Seine zu Teil werden zu lassen die richterliche Gewalt hat. Also kann nur das Volk durch seine von ihm selbst abgeordnete Stellvertreter (die Jury) über jeden in demselben, obwohl nur mittelbar, richten. – Es wäre auch unter der Würde des Staatsoberhaupts, den Richter zu spielen, d. i. sich in die Möglichkeit zu versetzen, Unrecht zu tun und so in den Fall der Appellation ( a rege male informato ad regem melius informandum) zu geraten.
Also sind es drei verschiedene Gewalten ( potestas legislatoria, executoria, iudiciaria), wodurch der Staat ( civitas) seine Autonomie hat, d. i. sich selbst nach Freiheitsgesetzen bildet und erhält. – In ihrer Vereinigung besteht das Heil des Staats ( salus reipublicae suprema lex est); worunter man nicht das Wohl der Staatsbürger und ihre Glückseligkeit verstehen muß; denn die kann vielleicht (wie auch Rousseau behauptet) im Naturzustande, oder auch unter einer despotischen Regierung viel behaglicher und erwünschter ausfallen: sondern den Zustand der größten Übereinstimmung der Verfassung mit Rechtsprinzipien versteht, als nach welchem zu streben uns die Vernunft durch einen kategorischen Imperativ verbindlich macht.
Allgemeine Anmerkung von den rechtlichen Wirkungen aus der Natur des bürgerlichen Vereins
A
Der Ursprung der obersten Gewalt ist für das Volk, das unter derselben steht, in praktischer Absicht unerforschlich: d. i. der Untertan soll nicht über diesen Ursprung, als ein noch in Ansehung des ihr schuldigen Gehorsams zu bezweifelndes Recht ( ius controversum), werktätig vernünfteln. Denn da das Volk, um rechtskräftig über die oberste Staatsgewalt ( summum imperium) zu urteilen, schon als unter einem allgemein gesetzgebenden Willen vereint angesehen werden muß, so kann und darf es nicht anders urteilen, als das gegenwärtige Staatsoberhaupt ( summus imperans) es will. – Ob ursprünglich ein wirklicher Vertrag der Unterwerfung unter denselben ( pactum subiectionis civilis) als ein Faktum vorher gegangen, oder ob die Gewalt vorherging, und das Gesetz nur hintennach gekommen sei, oder auch in dieser Ordnung sich habe folgen sollen: das sind für das Volk, das nun schon unter dem bürgerlichen Gesetze steht, ganz zweckleere und doch den Staat mit Gefahr bedrohende Vernünfteleien; denn wollte der Untertan, der den letzteren Ursprung nun ergrübelt hätte, sich jener jetzt herrschenden Autorität widersetzen, so würde er nach den Gesetzen derselben, d. i. mit allem Recht, bestraft, vertilgt, oder (als vogelfrei, exlex) ausgestoßen werden. – Ein Gesetz, das so heilig (unverletzlich) ist, daß es praktisch auch nur in Zweifel zu ziehen, mithin seinen Effekt einen Augenblick zu suspendieren schon ein Verbrechen ist, wird so vorgestellt, als ob es nicht von Menschen, aber doch von irgend einem höchsten, tadelfreien Gesetzgeber herkommen müsse, und das ist die Bedeutung des Satzes: »Alle Obrigkeit ist von Gott«, welcher nicht einen Geschichtsgrund der bürgerlichen Verfassung, sondern eine Idee als praktisches Vernunftprinzip aussagt: der jetzt bestehenden gesetzgebenden Gewalt gehorchen zu sollen, ihr Ursprung mag sein, welcher er wolle.
Hieraus folgt nun der Satz: der Herrscher im Staat hat gegen den Untertan lauter Rechte und keine (Zwangs-)Pflichten. – Ferner, wenn das Organ des Herrschers, der Regent, auch den Gesetzen zuwider verführe, z. B. mit Auflagen, Rekrutierungen u. dergl. wider das Gesetz der Gleichheit in Verteilung der Staatslasten, so darf der Untertan dieser Ungerechtigkeit zwar Beschwerden ( gravamina), aber keinen Widerstand entgegensetzen.
Ja es kann auch selbst in der Konstitution kein Artikel enthalten sein, der es einer Gewalt im Staat möglich machte, sich im Fall der Übertretung der Konstitutionalgesetze durch den obersten Befehlshaber ihm zu widersetzen, mithin ihn einzuschränken. Denn der, welcher die Staatsgewalt einschränken soll, muß doch mehr, oder wenigstens gleiche Macht haben, als derjenige, welcher eingeschränkt wird, und als ein rechtmäßiger Gebieter, der den Untertanen befähle, sich zu widersetzen, muß er sie auch schützen können und in jedem vorkommenden Fall rechtskräftig urteilen, mithin öffentlich den Widerstand befehligen können. Alsdann ist aber nicht jener, sondern dieser der oberste Befehlshaber; welches sich widerspricht. Der Souverän verfährt alsdann durch seinen Minister zugleich als Regent, mithin despotisch, und das Blendwerk, das Volk durch die Deputierte desselben die einschränkende Gewalt vorstellen zu lassen (da es eigentlich nur die gesetzgebende hat), kann die Despotie nicht so verstecken, daß sie aus den Mitteln, deren sich der Minister bedient, nicht hervorblickte. Das Volk, das durch seine Deputierte (im Parlament) repräsentiert wird, hat an diesen Gewährsmännern seiner Freiheit und Rechte Leute, die für sich und ihre Familien und dieser ihre vom Minister abhängige Versorgung in Armeen, Flotte und Zivilämtern lebhaft interessiert sind, und die (statt des Widerstandes gegen die Anmaßung der Regierung, dessen öffentliche Ankündigung ohnedem eine dazu schon vorbereitete Einhelligkeit im Volk bedarf, die aber im Frieden nicht erlaubt sein kann) vielmehr immer bereit sind, sich selbst der Regierung in die Hände zu spielen. – Also ist die sogenannte gemäßigte Staatsverfassung, als Konstitution des innern Rechts des Staats, ein Unding und, anstatt zum Recht zu gehören, nur ein Klugheitsprinzip, um so viel als möglich dem mächtigen Übertreter der Volksrechte seine willkürliche Einflüsse auf die Regierung nicht zu erschweren, sondern unter dem Schein einer dem Volk verstatteten Opposition zu bemänteln.
[Fußnote aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re] Wider das gesetzgebende Oberhaupt des Staats gibt es also keinen rechtmäßigen Widerstand des Volks; denn nur durch Unterwerfung unter seinen allgemein-gesetzgebenden Willen ist ein rechtlicher Zustand möglich; also kein Recht des Aufstandes ( seditio), noch weniger des Aufruhrs ( rebellio), am allerwenigsten gegen ihn als einzelne Person (Monarch) unter dem Vorwande des Mißbrauchs seiner Gewalt ( tyrannis) Vergreifung an seiner Person, ja an seinem Leben ( monarchomachismus sub specie tyrannicidii). Der geringste Versuch hiezu ist Hochverrat ( proditio eminens), und der Verräter dieser Art kann als einer, der sein Vaterland umzubringen versucht ( parricida), nicht minder als mit dem Tode bestraft werden. – – Der Grund der Pflicht des Volks einen, selbst den für unerträglich ausgegebenen Mißbrauch der obersten Gewalt dennoch zu ertragen liegt darin: daß sein Widerstand wider die höchste Gesetzgebung selbst niemals anders als gesetzwidrig, ja als die ganze gesetzliche Verfassung zernichtend gedacht werden muß. Denn um zu demselben befugt zu sein, müßte ein öffentliches Gesetz vorhanden sein, welches diesen Widerstand des Volks erlaubte, d. i. die oberste Gesetzgebung enthielte eine Bestimmung in sich, nicht die oberste zu sein und das Volk als Untertan in einem und demselben Urteile zum Souverän über den zu machen, dem es untertänig ist; welches sich widerspricht und wovon der Widerspruch durch die Frage alsbald in die Augen fällt: wer denn in diesem Streit zwischen Volk und Souverän Richter sein sollte (denn es sind rechtlich betrachtet doch immer zwei verschiedene moralische Personen); wo sich dann zeigt, daß das erstere es in seiner eigenen Sache sein will.Weil die Entthronung eines Monarchen doch auch als freiwillige Ablegung der Krone und Niederlegung seiner Gewalt mit Zurückgebung derselben an das Volk gedacht werden kann, oder auch als eine ohne Vergreifung an der höchsten Person vorgenommene Verlassung derselben, wodurch sie in den Privatstand versetzt werden würde, so hat das Verbrechen des Volks, welches sie erzwang, doch noch wenigstens den Vorwand des Notrechts ( casus necessitatis) für sich, niemals aber das mindeste Recht ihn, das Oberhaupt, wegen der vorigen Verwaltung zu strafen: weil alles, was er vorher in der Qualität eines Oberhaupts tat, als äußerlich rechtmäßig geschehen angesehen werden muß, und er selbst, als Quell der Gesetze betrachtet, nicht unrecht tun kann. Unter allen Gräueln einer Staatsumwälzung durch Aufruhr ist selbst die Ermordung des Monarchen noch nicht das ärgste; denn noch kann man sich vorstellen, sie geschehe vom Volk aus Furcht, er könne, wenn er am Leben bleibt, sich wieder ermannen und jenes die verdiente Strafe fühlen lassen, und solle also nicht eine Verfügung der Strafgerechtigkeit, sondern bloß der Selbsterhaltung sein. Die formale Hinrichtung ist es, was die mit Ideen des Menschenrechts erfüllte Seele mit einem Schaudern ergreift, das man wiederholentlich fühlt, so bald und so oft man sich diesen Auftritt denkt, wie das Schicksal Karls I. oder Ludwigs XVI. Wie erklärt man sich aber dieses Gefühl, was hier nicht ästhetisch (ein Mitgefühl, Wirkung der Einbildungskraft, die sich in die Stelle des Leidenden versetzt), sondern moralisch, der gänzlichen Umkehrung aller Rechtsbegriffe, ist? Es wird als Verbrechen, was ewig bleibt und nie ausgetilgt werden kann ( crimen immortale, inexpiabile) angesehen und scheint demjenigen ähnlich zu sein, was die Theologen diejenige Sünde nennen, welche weder in dieser noch in jener Welt vergeben werden kann. Die Erklärung dieses Phänomens im menschlichen Gemüte scheint aus folgenden Reflexionen über sich selbst, die selbst auf die staatsrechtlichen Prinzipien ein Licht werfen, hervorzugehen.
Eine jede Übertretung des Gesetzes kann und muß nicht anders als so erklärt werden, daß sie aus einer Maxime des Verbrechers (sich eine solche Untat zur Regel zu machen) entspringe; denn wenn man sie von einem sinnlichen Antrieb ableitete, so wäre sie nicht von ihm, als einem
freien Wesen, begangen und könnte ihm nicht zugerechnet werden; wie es aber dem Subjekt möglich ist, eine solche Maxime wider das klare Verbot der gesetzgebenden Vernunft zu fassen, läßt sich schlechterdings nicht erklären; denn nur die Begebenheiten nach dem Mechanism der Natur sind erklärungsfähig. Nun kann der Verbrecher seine Untat entweder nach der Maxime einer angenommenen objektiven Regel (als allgemein geltend), oder nur als Ausnahme von der Regel (sich davon gelegentlich zu dispensieren) begehen; im
letzteren Fall weicht er nur (obzwar vorsetzlich) vom Gesetz
ab; er kann seine eigene Übertretung zugleich verabscheuen und, ohne dem Gesetz förmlich den Gehorsam aufzukündigen, es nur umgehen wollen; im
ersteren aber verwirft er die Autorität des Gesetzes selbst, dessen Gültigkeit er sich doch vor seiner Vernunft nicht abläugnen kann, und macht es sich zur Regel wider dasselbe zu handeln; seine Maxime ist also nicht bloß
ermangelungsweise (
negative, sondern sogar
abbruchsweise (
contrarie) oder, wie man sich ausdrückt,
diametraliter, als Widerspruch (gleichsam feindselig) dem Gesetz entgegen. So viel wir einsehen, ist ein dergleichen Verbrechen einer förmlichen (ganz nutzlosen) Bosheit zu begehen Menschen unmöglich und doch (obzwar bloße Idee des Äußerst-Bösen) in einem System der Moral nicht zu übergehen.
Der Grund des Schauderhaften bei dem Gedanken von der förmlichen Hinrichtung eines Monarchen
durch sein Volk ist also der, daß der
Mord nur als
Ausnahme von der Regel, welche dieses sich zur Maxime machte, die
Hinrichtung aber als eine völlige
Umkehrung der Prinzipien des Verhältnisses zwischen Souverän und Volk (dieses, was sein Dasein nur der Gesetzgebung des ersteren zu verdanken hat, zum Herrscher über jenen zu machen) gedacht werden muß, und so die Gewalttätigkeit mit dreuster Stirn und nach Grundsätzen über das heiligste Recht erhoben wird; welches, wie ein Alles ohne Wiederkehr verschlingender Abgrund, als ein vom Staate an ihm verübter Selbstmord, ein keiner Entsündigung fähiges Verbrechen zu sein scheint. Man hat also Ursache anzunehmen, daß die Zustimmung zu solchen Hinrichtungen wirklich nicht aus einem vermeint-rechtlichen Prinzip, sondern aus Furcht vor Rache des vielleicht dereinst wieder auflebenden Staats am Volk herrührte, und jene Förmlichkeit nur vorgenommen worden, um jener Tat den Anstrich von Bestrafung, mithin eines
rechtlichen Verfahrens (dergleichen der Mord nicht sein würde) zu geben, welche Bemäntelung aber verunglückt, weil eine solche Anmaßung des Volks noch ärger ist, als selbst der Mord, da diese einen Grundsatz enthält, der selbst die Wiedererzeugung eines umgestürzten Staats unmöglich machen müßte.
Eine Veränderung der (fehlerhaften) Staatsverfassung, die wohl bisweilen nötig sein mag – kann also nur vom Souverän selbst durch Reform, aber nicht vom Volk, mithin durch Revolution verrichtet werden, und wenn sie geschieht, so kann jene nur die ausübende Gewalt, nicht die gesetzgebende treffen. – In einer Staatsverfassung, die so beschaffen ist, daß das Volk durch seine Repräsentanten (im Parlament) jener und dem Repräsentanten derselben (dem Minister) gesetzlich widerstehen kann – welche dann eine eingeschränkte Verfassung heißt –, ist gleichwohl kein aktiver Widerstand (der willkürlichen Verbindung des Volks die Regierung zu einem gewissen tätigen Verfahren zu zwingen, mithin selbst einen Akt der ausübenden Gewalt zu begehen), sondern nur ein negativer Widerstand, d. i. Weigerung des Volks (im Parlament), erlaubt, jener in den Forderungen, die sie zur Staatsverwaltung nötig zu haben vorgibt, nicht immer zu willfahren; vielmehr wenn das letztere geschähe, so wäre es ein sicheres Zeichen, daß das Volk verderbt, seine Repräsentanten erkäuflich und das Oberhaupt in der Regierung durch seinen Minister despotisch, dieser selber aber ein Verräter des Volks sei.
Übrigens, wenn eine Revolution einmal gelungen und eine neue Verfassung gegründet ist, so kann die Unrechtmäßigkeit des Beginnens und der Vollführung derselben die Untertanen von der Verbindlichkeit, der neuen Ordnung der Dinge sich als gute Staatsbürger zu fügen, nicht befreien, und sie können sich nicht weigern, derjenigen Obrigkeit ehrlich zu gehorchen, die jetzt die Gewalt hat. Der entthronte Monarch (der jene Umwälzung überlebt) kann wegen seiner vorigen Geschäftsführung nicht in Anspruch genommen, noch weniger aber gestraft werden, wenn er, in den Stand eines Staatsbürgers zurückgetreten, seine und des Staats Ruhe dem Wagstück vorzieht, sich von diesem zu entfernen, um als Prätendent das Abenteuer der Wiedererlangung desselben, es sei durch ingeheim angestiftete Gegenrevolution, oder durch Beistand anderer Mächte, zu bestehen. Wenn er aber das letztere vorzieht, so bleibt ihm, weil der Aufruhr, der ihn aus seinem Besitz vertrieb, ungerecht war, sein Recht an demselben unbenommen. Ob aber andere Mächte das Recht haben, sich diesem verunglückten Oberhaupt zum besten in ein Staatenbündnis zu vereinigen, bloß um jenes vom Volk begangene Verbrechen nicht ungeahndet, noch als Skandal für alle Staaten bestehen zu lassen, mithin eine in jedem anderen Staat durch Revolution zu Stande gekommene Verfassung in ihre alte mit Gewalt zurückzubringen berechtigt und berufen seien, das gehört zum Völkerrecht.
B
Kann der Beherrscher als Obereigentümer (des Bodens), oder muß er nur als Oberbefehlshaber in Ansehung des Volks durch Gesetze betrachtet werden? Da der Boden die oberste Bedingung ist, unter der allein es möglich ist, äußere Sachen als das Seine zu haben, deren möglicher Besitz und Gebrauch das erste erwerbliche Recht ausmacht, so wird von dem Souverän, als Landesherren, besser als Obereigentümer ( dominus territorii), alles solche Recht abgeleitet werden müssen. Das Volk, als die Menge der Untertanen, gehört ihm auch zu (es ist sein Volk), aber nicht ihm als Eigentümer (nach dem dinglichen), sondern als Oberbefehlshaber (nach dem persönlichen Recht). – Dieses Obereigentum ist aber nur eine Idee des bürgerlichen Vereins, um die notwendige Vereinigung des Privateigentums aller im Volk unter einem öffentlichen allgemeinen Besitzer zu Bestimmung des besonderen Eigentums nicht nach Grundsätzen der Aggregation (die von den Teilen zum Ganzen empirisch fortschreitet), sondern dem notwendigen formalen Prinzip der Einteilung (Division des Bodens) nach Rechtsbegriffen vorstellig zu machen. Nach diesen kann der Obereigentümer kein Privateigentum an irgend einem Boden haben (denn sonst machte er sich zu einer Privatperson), sondern dieses gehört nur dem Volk (und zwar nicht kollektiv, sondern distributiv genommen) zu; wovon doch ein nomadisch-beherrschtes Volk auszunehmen ist, als in welchem gar kein Privateigentum des Bodens statt findet. – Der Oberbefehlshaber kann also keine Domänen, d. i. Ländereien zu seiner Privatbenutzung (zu Unterhaltung des Hofes), haben. Denn weil es alsdann auf sein eigen Gutbefinden ankäme, wie weit sie ausgebreitet sein sollten, so würde der Staat Gefahr laufen, alles Eigentum des Bodens in den Händen der Regierung zu sehen und alle Untertanen als grunduntertänig ( glebae adscripti) und Besitzer von dem, was immer nur Eigentum eines Anderen ist, folglich aller Freiheit beraubt ( servi) anzusehen. – Von einem Landesherrn kann man sagen: er besitzt nichts (zu eigen), außer sich selbst; denn wenn er neben einem anderen im Staat etwas zu eigen hätte, so würde mit diesem ein Streit möglich sein, zu dessen Schlichtung kein Richter wäre. Aber man kann auch sagen: er besitzt alles; weil er das Befehlshaberrecht über das Volk hat (jedem das Seine zu Teil kommen zu lassen), dem alle äußere Sachen ( divisim) zugehören.
Hieraus folgt: daß es auch keine Korporation im Staat, keinen Stand und Orden geben könne, der als Eigentümer den Boden zur alleinigen Benutzung den folgenden Generationen (ins Unendliche) nach gewissen Statuten überliefern könne. Der Staat kann sie zu aller Zeit aufheben, nur unter der Bedingung, die Überlebenden zu entschädigen. Der Ritterorden (als Korporation, oder auch bloß Rang einzelner, vorzüglich beehrter Personen), der Orden der Geistlichkeit, die Kirche genannt, können nie durch diese Vorrechte, womit sie begünstigt worden, ein auf Nachfolger übertragbares Eigentum am Boden, sondern nur die einstweilige Benutzung desselben erwerben. Die Komthureien auf einer, die Kirchengüter auf der anderen Seite können, wenn die öffentliche Meinung wegen der Mittel, durch die Kriegsehre den Staat wider die Lauigkeit in Verteidigung desselben zu schützen, oder die Menschen in demselben durch Seelmessen, Gebete und eine Menge zu bestellender Seelsorger, um sie vor dem ewigen Feuer zu bewahren, anzutreiben, aufgehört hat, ohne Bedenken (doch unter der vorgenannten Bedingung) aufgehoben werden. Die, so hier in die Reform fallen, können nicht klagen, daß ihnen ihr Eigentum genommen werde; denn der Grund ihres bisherigen Besitzes lag nur in der Volksmeinung und mußte auch, so lange diese fortwährte, gelten. So bald diese aber erlosch, und zwar auch nur in dem Urteil derjenigen, welche auf Leitung desselben durch ihr Verdienst den größten Anspruch haben, so mußte, gleichsam als durch eine Appellation desselben an den Staat (a rege male informato ad regem melius informandum), das vermeinte Eigentum aufhören.
Auf diesem ursprünglich erworbenen Grundeigentum beruht das Recht des Oberbefehlshabers, als Obereigentümers (des Landesherrn), die Privateigentümer des Bodens zu beschatzen, d. i. Abgaben durch die Landtaxe, Akzise und Zölle, oder Dienstleistung (dergleichen die Stellung der Mannschaft zum Kriegsdienst ist) zu fordern: so doch, daß das Volk sich selber beschatzt, weil dieses die einzige Art ist, hiebei nach Rechtsgesetzen zu verfahren, wenn es durch das Korps der Deputierten desselben geschieht, auch als gezwungene (von dem bisher bestandenen Gesetz abweichende) Anleihe nach dem Majestätsrechte, als in einem Falle, da der Staat in Gefahr seiner Auflösung kommt, erlaubt ist.
Hierauf beruht auch das Recht der Staatswirtschaft, des Finanzwesens und der Polizei, welche letztere die öffentliche Sicherheit, Gemächlichkeit und Anständigkeit besorgt (denn daß das Gefühl für diese [ sensus decori] als negativer Geschmack durch Bettelei, Lärmen auf Straßen, Gestank, öffentliche Wollust ( venus volgivaga), als Verletzungen des moralischen Sinnes, nicht abgestumpft werde, erleichtert der Regierung gar sehr ihr Geschäfte, das Volk durch Gesetze zu lenken).
Zu Erhaltung des Staats gehört auch noch ein drittes: nämlich das Recht der Aufsicht (ius inspectionis), daß ihm nämlich keine Verbindung, die aufs öffentliche Wohl der Gesellschaft (publicum) Einfluß haben kann, (von Staats- oder Religions-Illuminaten) verheimlicht, sondern, wenn es von der Polizei verlangt wird, die Eröffnung ihrer Verfassung nicht geweigert werde. Die aber der Untersuchung der Privatbehausung eines jeden ist nur ein Notfall der Polizei, wozu sie durch eine höhere Autorität in jedem besonderen Falle berechtigt werden muß.
C
Dem Oberbefehlshaber steht indirekt, d. i. als Übernehmer der Pflicht des Volks, das Recht zu, dieses mit Abgaben zu seiner (des Volks) eigenen Erhaltung zu belasten, als da sind: das Armenwesen, die Findelhäuser und das Kirchenwesen, sonst milde oder fromme Stiftungen genannt.
Der allgemeine Volkswille hat sich nämlich zu einer Gesellschaft vereinigt, welche sich immerwährend erhalten soll, und zu dem Ende sich der inneren Staatsgewalt unterworfen, um die Glieder dieser Gesellschaft, die es selbst nicht vermögen, zu erhalten. Von Staatswegen ist also die Regierung berechtigt, die Vermögenden zu nötigen, die Mittel der Erhaltung derjenigen, die es selbst den notwendigsten Naturbedürfnissen nach nicht sind, herbei zu schaffen: weil ihre Existenz zugleich als Akt der Unterwerfung unter den Schutz und die zu ihrem Dasein nötige Vorsorge des gemeinen Wesens ist, wozu sie sich verbindlich gemacht haben, auf welche der Staat nun sein Recht gründet, zur Erhaltung ihrer Mitbürger das Ihrige beizutragen. Das kann nun geschehen: durch Belastung des Eigentums der Staatsbürger, oder ihres Handelsverkehrs, oder durch errichtete Fonds und deren Zinsen; nicht zu Staats- (denn der ist reich), sondern zu Volksbedürfnissen, aber nicht bloß durch freiwillige Beiträge (weil hier nur vom Rechte des Staats gegen das Volk die Rede ist), worunter einige gewinnsüchtige sind (als Lotterien, die mehr Arme und dem öffentlichen Eigentum gefährliche machen, als sonst sein würden, und die also nicht erlaubt sein sollten), sondern zwangsmäßig, als Staatslasten. Hier frägt sich nun: ob die Versorgung der Armen durch laufende Beiträge, so daß jedes Zeitalter die Seinigen ernährt, oder durch nach und nach gesammelte Bestände und überhaupt fromme Stiftungen (dergleichen Witwenhäuser, Hospitäler u. dergl. sind) und zwar jenes nicht durch Bettelei, welche mit der Räuberei nahe verwandt ist, sondern durch gesetzliche Auflage ausgerichtet werden soll. – Die erstere Anordnung muß für die einzige dem Rechte des Staats angemessene, der sich niemand entziehen kann, der zu leben hat, gehalten werden: weil sie nicht (wie von frommen Stiftungen zu besorgen ist), wenn sie mit der Zahl der Armen anwachsen, das Armsein zum Erwerbmittel für faule Menschen machen und so eine ungerechte Belästigung des Volks durch die Regierung sein würden.
Was die Erhaltung der aus Not oder Scham ausgesetzten, oder wohl gar darum ermordeten Kinder betrifft, so hat der Staat ein Recht, das Volk mit der Pflicht zu belasten, diesen, obzwar unwillkommenen Zuwachs des Staatsvermögens nicht wissentlich umkommen zu lassen. Ob dieses aber durch Besteurung der Hagestolzen beiderlei Geschlechts (worunter die vermögende Ledige verstanden werden), als solche, die daran doch zum Teil Schuld sind, vermittelst dazu errichteter Findelhäuser, oder auf andere Art mit Recht geschehen könne (ein anderes Mittel es zu verhüten möchte es aber schwerlich geben), ist eine Aufgabe, deren Lösung, ohne entweder wider das Recht, oder die Moralität zu verstoßen, bisher noch nicht gelungen ist.
Da auch das Kirchenwesen, welches von der Religion als innerer Gesinnung, die ganz außer dem Wirkungskreise der bürgerlichen Macht ist, sorgfältig unterschieden werden muß (als Anstalt zum öffentlichen Gottesdienst für das Volk, aus welchem dieser auch seinen Ursprung hat, es sei Meinung oder Überzeugung), ein wahres Staatsbedürfnis wird, sich auch als Untertanen einer höchsten unsichtbaren Macht, der sie huldigen müssen, und die mit der bürgerlichen oft in einen sehr ungleichen Streit kommen kann, zu betrachten: so hat der Staat das Recht, nicht etwa der inneren Konstitutionalgesetzgebung, das Kirchenwesen nach seinem Sinne, wie es ihm vorteilhaft dünkt, einzurichten, den Glauben und gottesdienstliche Formen (ritus) dem Volk vorzuschreiben oder zu befehlen (denn dieses muß gänzlich den Lehrern und Vorstehern, die es sich selbst gewählt hat, überlassen bleiben), sondern nur das negative Recht den Einfluß der öffentlichen Lehrer auf das sichtbare, politische gemeine Wesen, der der öffentlichen Ruhe nachteilig sein möchte, abzuhalten, mithin bei dem inneren Streit, oder dem der verschiedenen Kirchen unter einander die bürgerliche Eintracht nicht in Gefahr kommen zu lassen, welches also ein Recht der Polizei ist. Daß eine Kirche einen gewissen Glauben und welchen sie haben, oder daß sie ihn unabänderlich erhalten müsse und sich nicht selbst reformieren dürfe, sind Einmischungen der obrigkeitlichen Gewalt, die unter ihrer Würde sind: weil sie sich dabei, als einem Schulgezänke, auf den Fuß der Gleichheit mit ihren Untertanen einläßt (der Monarch sich zum Priester macht), die ihr geradezu sagen können, daß sie hievon nichts verstehe; vornehmlich was das letztere, nämlich das Verbot innerer Reformen, betrifft; – denn was das gesamte Volk nicht über sich selbst beschließen kann, das kann auch der Gesetzgeber nicht über das Volk beschließen. Nun kann aber kein Volk beschließen, in seinen den Glauben betreffenden Einsichten (der Aufklärung) niemals weiter fortzuschreiten, mithin auch sich in Ansehung des Kirchenwesens nie zu reformieren: weil dies der Menschheit in seiner eigenen Person, mithin dem höchsten Recht desselben entgegen sein würde. Also kann es auch keine obrigkeitliche Gewalt über das Volk beschließen. – – Was aber die Kosten der Erhaltung des Kirchenwesens betrifft, so können diese aus eben derselben Ursache nicht dem Staat, sondern müssen dem Teil des Volks, der sich zu einem oder dem anderen Glauben bekennt, d. i. nur der Gemeine, zu Lasten kommen.
D
Das Recht des obersten Befehlshabers im Staat geht auch 1. auf Verteilung der Ämter, als mit einer Besoldung verbundener Geschäftsführung; 2. der Würden, die als Standeserhöhungen ohne Sold, d. i. Rangerteilung des Oberen (der zum Befehlen) in Ansehung der Niedrigern (die, obzwar als freie und nur durchs öffentliche Gesetz verbindliche, doch jenen zu gehorsamen zum Voraus bestimmt sind), bloß auf Ehre fundiert sind – und 3. außer diesem (respektiv-wohltätigen) Recht auch aufs Strafrecht.
Was ein bürgerliches Amt anlangt, so kommt hier die Frage vor: hat der Souverän das Recht, einem, dem er ein Amt gegeben, es nach seinem Gutbefinden (ohne ein Verbrechen von Seiten des letzteren) wieder zu nehmen? Ich sage: nein! Denn was der vereinigte Wille des Volks über seine bürgerliche Beamte nie beschließen wird, das kann auch das Staatsoberhaupt über ihn nicht beschließen. Nun will das Volk (das die Kosten tragen soll, welche die Ansetzung eines Beamten ihm machen wird) ohne allen Zweifel, daß dieser seinem ihm auferlegten Geschäfte völlig gewachsen sei; welches aber nicht anders als durch eine hinlängliche Zeit hindurch fortgesetzte Vorbereitung und Erlernung desselben, über der er diejenige versäumt, die er zur Erlernung eines anderen ihn nährenden Geschäfts hätte verwenden können, geschehen kann; mithin würde in der Regel das Amt mit Leuten versehen werden, die keine dazu erforderliche Geschicklichkeit und durch Übung erlangte reife Urteilskraft erworben hätten; welches der Absicht des Staats zuwider ist, als zu welcher auch erforderlich ist, daß jeder vom niedrigeren Amte zu höheren (die sonst lauter Untauglichen in die Hände fallen würden) steigen, mithin auch auf lebenswierige Versorgung müsse rechnen können.
Die Würde betreffend, nicht bloß die, welche ein Amt bei sich führen mag, sondern auch die, welche den Besitzer auch ohne besondere Bedienungen zum Gliede eines höheren Standes macht, ist der Adel, der, vom bürgerlichen Stande, in welchem das Volk ist, unterschieden, den männlichen Nachkommen anerbt, durch diese auch wohl den weiblichen unadlicher Geburt, nur so, daß die adlich Geborne ihrem unadlichen Ehemann nicht umgekehrt diesen Rang mitteilt, sondern selbst in den bloß bürgerlichen (des Volks) zurückfällt. – Die Frage ist nun: ob der Souverän einen Adelstand, als einen erblichen Mittelstand zwischen ihm und den übrigen Staatsbürgern, zu gründen berechtigt sei. In dieser Frage kommt es nicht darauf an: ob es der Klugheit des Souveräns wegen seines oder des Volks Vorteils, sondern nur, ob es dem Rechte des Volks gemäß sei, einen Stand von Personen über sich zu haben, die zwar selbst Untertanen, aber doch in Ansehung des Volks geborne Befehlshaber (wenigstens privilegierte) sind. – – Die Beantwortung derselben geht nun hier eben so wie vorher aus dem Prinzip hervor: »Was das Volk (die ganze Masse der Untertanen) nicht über sich selbst und seine Genossen beschließen kann, das kann auch der Souverän nicht über das Volk beschließen.« Nun ist ein angeerbter Adel ein Rang, der vor dem Verdienst vorher geht und dieses auch mit keinem Grunde hoffen läßt, ein Gedankending ohne alle Realität. Denn wenn der Vorfahr Verdienst hatte, so konnte er dieses doch nicht auf seine Nachkommen vererben, sondern diese mußten es sich immer selbst erwerben, da die Natur es nicht so fügt, daß das Talent und der Wille, welche Verdienste um den Staat möglich machen, auch anarten. Weil nun von keinem Menschen angenommen werden kann, er werde seine Freiheit wegwerfen, so ist es unmöglich, daß der allgemeine Volkswille zu einem solchen grundlosen Prärogativ zusammenstimme, mithin kann der Souverän es auch nicht geltend machen. – Wenn indessen gleich eine solche Anomalie in das Maschinenwesen einer Regierung von alten Zeiten (des Lehnswesens, das fast gänzlich auf den Krieg angelegt war) eingeschlichen, von Untertanen, die mehr als Staatsbürger, nämlich geborne Beamte (wie etwa ein Erbprofessor), sein wollen, so kann der Staat diesen von ihm begangenen Fehler eines widerrechtlich erteilten erblichen Vorzugs nicht anders, als durch Eingehen und Nichtbesetzung der Stellen allmählig wiederum gut machen, und so hat er provisorisch ein Recht, diese Würde dem Titel nach fortdauern zu lassen, bis selbst in der öffentlichen Meinung die Einteilung in Souverän, Adel und Volk der einzigen natürlichen in Souverän und Volk Platz gemacht haben wird.
Ohne alle Würde kann nun wohl kein Mensch im Staate sein, denn er hat wenigstens die des Staatsbürgers; außer wenn er sich durch sein eigenes Verbrechen darum gebracht hat, da er dann zwar im Leben erhalten, aber zum bloßen Werkzeuge der Willkür eines Anderen (entweder des Staats, oder eines anderen Staatsbürgers) gemacht wird. Wer nun das letztere ist (was er aber nur durch Urteil und Recht werden kann), ist ein Leibeigener (servus in sensu stricto) und gehört zum Eigentum (dominium) eines Anderen, der daher nicht bloß sein Herr ( herus), sondern auch sein Eigentümer (dominus) ist, der ihn als eine Sache veräußern und nach Belieben (nur nicht zu schandbaren Zwecken) brauchen und über seine Kräfte, wenn gleich nicht über sein Leben und Gliedmaßen verfügen (disponieren) kann. Durch einen Vertrag kann sich niemand zu einer solchen Abhängigkeit verbinden, dadurch er aufhört, eine Person zu sein; denn nur als Person kann er einen Vertrag machen. Nun scheint es zwar, ein Mensch könne sich zu gewissen, der Qualität nach erlaubten, dem Grad nach aber unbestimmten Diensten gegen einen Andern (für Lohn, Kost oder Schutz) verpflichten durch einen Verdingungsvertrag ( locatio conductio), und er werde dadurch bloß Untertan ( subiectus), nicht Leibeigener ( servus); allein das ist nur ein falscher Schein. Denn wenn sein Herr befugt ist, die Kräfte seines Untertans nach Belieben zu benutzen, so kann er sie auch (wie es mit den Negern auf den Zuckerinseln der Fall ist) erschöpfen bis zum Tode oder der Verzweiflung, und jener hat sich seinem Herrn wirklich als Eigentum weggegeben; welches unmöglich ist. – Er kann sich also nur zu der Qualität und dem Grade nach bestimmten Arbeiten verdingen: entweder als Tagelöhner, oder ansässiger Untertan; im letzteren Fall, daß er teils für den Gebrauch des Bodens seines Herrn statt des Tagelohns Dienste auf demselben Boden, teils für die eigene Benutzung desselben bestimmte Abgaben (einen Zins) nach einem Pachtvertrage leistet, ohne sich dabei zum Gutsuntertan (glebae adscriptus) zu machen, als wodurch er seine Persönlichkeit einbüßen würde, mithin eine Zeit- oder Erbpacht gründen kann. Er mag nun aber auch durch sein Verbrechen ein persönlicher Untertan geworden sein, so kann diese Untertänigkeit ihm doch nicht anerben, weil er sie sich nur durch seine eigene Schuld zugezogen hat, und eben so wenig kann der von einem Leibeigenen Erzeugte wegen der Erziehungskosten, die er gemacht hat, in Anspruch genommen werden, weil Erziehung eine absolute Naturpflicht der Eltern und, im Falle daß diese Leibeigene waren, der Herren ist, welche mit dem Besitz ihrer Untertanen auch die Pflichten derselben übernommen haben,
E
Vom Straf- und Begnadigungsrecht
I
Das Strafrecht ist das Recht des Befehlshabers gegen den Unterwürfigen, ihn wegen seines Verbrechens mit einem Schmerz zu belegen. Der Oberste im Staate kann also nicht bestraft werden, sondern man kann sich nur seiner Herrschaft entziehen. – Diejenige Übertretung des öffentlichen Gesetzes, die den, welcher sie begeht, unfähig macht, Staatsbürger zu sein, heißt Verbrechen schlechthin ( crimen), aber auch ein öffentliches Verbrechen ( crimen publicum); daher das erstere (das Privatverbrechen) vor die Zivil-, das andere vor die Kriminalgerechtigkeit gezogen wird. – Veruntreuung, d. i. Unterschlagung der zum Verkehr anvertrauten Gelder oder Waren, Betrug im Kauf und Verkauf bei sehenden Augen des Anderen sind Privatverbrechen. Dagegen sind: falsch Geld oder falsche Wechsel zu machen, Diebstahl und Raub u. dergl. öffentliche Verbrechen, weil das gemeine Wesen und nicht bloß eine einzelne Person dadurch gefährdet wird. – Sie könnten in die der niederträchtigen Gemütsart ( indolis abiectae) und die der gewalttätigen (indolis violentae) eingeteilt werden.
Richterliche Strafe (poena forensis), die von der natürlichen (poena naturalis), dadurch das Laster sich selbst bestraft und auf welche der Gesetzgeber gar nicht Rücksicht nimmt, verschieden, kann niemals bloß als Mittel ein anderes Gute zu befördern für den Verbrecher selbst, oder für die bürgerliche Gesellschaft, sondern muß jederzeit nur darum wider ihn verhängt werden, weil er verbrochen hat; denn der Mensch kann nie bloß als Mittel zu den Absichten eines Anderen gehandhabt und unter die Gegenstände des Sachenrechts gemengt werden, wowider ihn seine angeborne Persönlichkeit schützt, ob er gleich die bürgerliche einzubüßen gar wohl verurteilt werden kann. Er muß vorher strafbar befunden sein, ehe noch daran gedacht wird, aus dieser Strafe einigen Nutzen für ihn selbst oder seine Mitbürger zu ziehen. Das Strafgesetz ist ein kategorischer Imperativ, und wehe dem! welcher die Schlangenwindungen der Glückseligkeitslehre durchkriecht, um etwas aufzufinden, was durch den Vorteil, den es verspricht, ihn von der Strafe, oder auch nur einem Grade derselben entbinde nach dem pharisäischen Wahlspruch: »Es ist besser, daß ein Mensch sterbe, als daß das ganze Volk verderbe«; denn wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, daß Menschen auf Erden leben. – Was soll man also von dem Vorschlage halten: einem Verbrecher auf den Tod das Leben zu erhalten, wenn er sich dazu verstände, an sich gefährliche Experimente machen zu lassen, und so glücklich wäre gut durchzukommen; damit die Ärzte dadurch eine neue, dem gemeinen Wesen ersprießliche Belehrung erhielten? Ein Gerichtshof würde das medizinische Kollegium, das diesen Vorschlag täte, mit Verachtung abweisen; denn die Gerechtigkeit hört auf eine zu sein, wenn sie sich für irgend einen Preis weggibt.
Welche Art aber und welcher Grad der Bestrafung ist es, welche die öffentliche Gerechtigkeit sich zum Prinzip und Richtmaße macht? Kein anderes, als das Prinzip der Gleichheit, (im Stande des Züngleins an der Wage der Gerechtigkeit) sich nicht mehr auf die eine, als auf die andere Seite hinzuneigen. Also: was für unverschuldetes Übel du einem Anderen im Volk zufügst, das tust du dir selbst an. Beschimpfst du ihn, so beschimpfst du dich selbst; bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst; schlägst du ihn, so schlägst du dich selbst; tötest du ihn, so tötest du dich selbst. Nur das Wiedervergeltungsrecht (ius talionis) aber, wohl zu verstehen, vor den Schranken des Gerichts (nicht in deinem Privaturteil), kann die Qualität und Quantität der Strafe bestimmt angeben; alle andere sind hin und her schwankend und können anderer sich einmischenden Rücksichten wegen keine Angemessenheit mit dem Spruch der reinen und strengen Gerechtigkeit enthalten. – Nun scheint es zwar, daß der Unterschied der Stände das Prinzip der Wiedervergeltung Gleiches mit Gleichem nicht verstatte; aber wenn es gleich nicht nach dem Buchstaben möglich sein kann, so kann es doch der Wirkung nach respektive auf die Empfindungsart der Vornehmeren immer geltend bleiben. – So hat z. B. Geldstrafe wegen einer Verbalinjurie gar kein Verhältnis zur Beleidigung, denn der des Geldes viel hat, kann diese sich wohl einmal zur Lust erlauben; aber die Kränkung der Ehrliebe des Einen kann doch dem Wehtun des Hochmuts des Anderen sehr gleich kommen: wenn dieser nicht allein öffentlich abzubitten, sondern jenem, ob er zwar niedriger ist, etwa zugleich die Hand zu küssen durch Urteil und Recht genötigt würde. Eben so wenn der gewalttätige Vornehme für die Schläge, die er dem niederen, aber schuldlosen Staatsbürger zumißt, außer der Abbitte noch zu einem einsamen und beschwerlichen Arrest verurteilt würde, weil hiemit, außer der Ungemächlichkeit, noch die Eitelkeit des Täters schmerzhaft angegriffen und so durch Beschämung Gleiches mit Gleichem gehörig vergolten würde. – Was heißt das aber: »Bestiehlst du ihn, so bestiehlst du dich selbst?« Wer da stiehlt, macht aller Anderer Eigentum unsicher; er beraubt sich also (nach dem Recht der Wiedervergeltung) der Sicherheit alles möglichen Eigentums; er hat nichts und kann auch nichts erwerben, will aber doch leben; welches nun nicht anders möglich ist, als daß ihn Andere ernähren. Weil dieses aber der Staat nicht umsonst tun wird, so muß er diesem seine Kräfte zu ihm beliebigen Arbeiten (Karren- oder Zuchthausarbeit) überlassen und kommt auf gewisse Zeit, oder nach Befinden auch auf immer in den Sklavenstand. – Hat er aber gemordet, so muß er sterben. Es gibt hier kein Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit. Es ist keine Gleichartigkeit zwischen einem noch so kummervollen Leben und dem Tode, also auch keine Gleichheit des Verbrechens und der Wiedervergeltung, als durch den am Täter gerichtlich vollzogenen, doch von aller Mißhandlung, welche die Menschheit in der leidenden Person zum Scheusal machen könnte, befreieten Tod. – Selbst wenn sich die bürgerliche Gesellschaft mit aller Glieder Einstimmung auflösete (z. B. das eine Insel bewohnende Volk beschlössse aus einander zu gehen und sich in alle Welt zu zerstreuen), müßte der letzte im Gefängnis befindliche Mörder vorher hingerichtet werden, damit jedermann das widerfahre, was seine Taten wert sind, und die Blutschuld nicht auf dem Volke hafte, das auf diese Bestrafung nicht gedrungen hat: weil es als Teilnehmer an dieser öffentlichen Verletzung der Gerechtigkeit betrachtet werden kann.
Diese Gleichheit der Strafen, die allein durch die Erkenntnis des Richters auf den Tod nach dem strengen Wiedervergeltungsrechte möglich ist, offenbart sich daran, daß dadurch allein proportionierlich mit der inneren Bösartigkeit der Verbrecher das Todesurteil über alle (selbst wenn es nicht einen Mord, sondern ein anderes nur mit dem Tode zu tilgendes Staatsverbrechen beträfe) ausgesprochen wird. – Setzet: daß, wie in der letzten schottischen Rebellion, da verschiedene Teilnehmer an derselben (wie Balmerino und andere) durch ihre Empörung nichts als eine dem Hause Stuart schuldige Pflicht auszuüben glaubten, andere dagegen Privatabsichten hegten, von dem höchsten Gericht das Urteil so gesprochen worden wäre: ein jeder solle die Freiheit der Wahl zwischen dem Tode und der Karrenstrafe haben; so sage ich: der ehrliche Mann wählt den Tod, der Schelm aber die Karre; so bringt es die Natur des menschlichen Gemüts mit sich. Denn der erstere kennt etwas, was er noch höher schätzt, als selbst das Leben: nämlich die Ehre; der andere hält ein mit Schande bedecktes Leben doch immer noch für besser, als gar nicht zu sein ( animam praeferre pudori. Iuven.). Der erstere ist nun ohne Widerrede weniger strafbar als der andere, und so werden sie durch den über alle gleich verhängten Tod ganz proportionierlich bestraft, jener gelinde nach seiner Empfindungsart und dieser hart nach der seinigen; da hingegen, wenn durchgängig auf die Karrenstrafe erkannt würde, der erstere zu hart, der andere für seine Niederträchtigkeit gar zu gelinde bestraft wäre; und so ist auch hier im Ausspruche über eine im Komplott vereinigte Zahl von Verbrechern der beste Ausgleicher vor der öffentlichen Gerechtigkeit der Tod. – Überdem hat man nie gehört, daß ein wegen Mordes zum Tode Verurteilter sich beschwert hätte, daß ihm damit zu viel und also unrecht geschehe; jeder würde ihm ins Gesicht lachen, wenn er sich dessen äußerte. – Man müßte sonst annehmen, daß, wenn dem Verbrecher gleich nach dem Gesetz nicht unrecht geschieht, doch die gesetzgebende Gewalt im Staat diese Art von Strafe zu verhängen nicht befugt und, wenn sie es tut, mit sich selbst im Widerspruch sei.
So viel also der Mörder sind, die den Mord verübt, oder auch befohlen, oder dazu mitgewirkt haben, so viele müssen auch den Tod leiden; so will es die Gerechtigkeit als Idee der richterlichen Gewalt nach allgemeinen, a priori begründeten Gesetzen. – Wenn aber doch die Zahl der Komplizen ( correi) zu einer solchen Tat so groß ist, daß der Staat, um keine solche Verbrecher zu haben, bald dahin kommen könnte, keine Untertanen mehr zu haben, und sich doch nicht auflösen, d. i. in den noch viel ärgeren, aller äußeren Gerechtigkeit entbehrenden Naturzustand übergehen (vornehmlich nicht durch das Spektakel einer Schlachtbank das Gefühl des Volks abstumpfen) will, so muß es auch der Souverän in seiner Macht haben, in diesem Notfall ( casus necessitatis) selbst den Richter zu machen (vorzustellen) und ein Urteil zu sprechen, welches statt der Lebensstrafe eine andere den Verbrechern zuerkennt, bei der die Volksmenge noch erhalten wird, dergleichen die Deportation ist: dieses selbst aber nicht als nach einem öffentlichen Gesetz, sondern durch einen Machtspruch, d. i. einen Akt des Majestätsrechts, der als Begnadigung nur immer in einzelnen Fällen ausgeübt werden kann.
Hiegegen hat nun der Marchese Beccaria aus teilnehmender Empfindelei einer affektierten Humanität ( compassibilitas) seine Behauptung der Unrechtmäßigkeit aller Todesstrafe aufgestellt: weil sie im ursprünglichen bürgerlichen Vertrage nicht enthalten sein könnte; denn da hätte jeder im Volk einwilligen müssen, sein Leben zu verlieren, wenn er etwa einen Anderen (im Volk) ermordete; diese Einwilligung aber sei unmöglich, weil niemand über sein Leben disponieren könne. Alles Sophisterei und Rechtsverdrehung.
Strafe erleidet jemand nicht, weil er sie, sondern weil er eine strafbare Handlung gewollt hat; denn es ist keine Strafe, wenn einem geschieht, was er will, und es ist unmöglich, gestraft werden zu wollen. – Sagen: ich will gestraft werden, wenn ich jemand ermorde, heißt nichts mehr als: ich unterwerfe mich samt allen Übrigen den Gesetzen, welche natürlicherweise, wenn es Verbrecher im Volk gibt, auch Strafgesetze sein werden. Ich als Mitgesetzgeber, der das Strafgesetz diktiert, kann unmöglich dieselbe Person sein, die als Untertan nach dem Gesetz bestraft wird; denn als ein solcher, nämlich als Verbrecher, kann ich unmöglich eine Stimme in der Gesetzgebung haben (der Gesetzgeber ist heilig). Wenn ich also ein Strafgesetz gegen mich als einen Verbrecher abfasse, so ist es in mir die reine rechtlich-gesetzgebende Vernunft ( homo noumenon), die mich als einen des Verbrechens Fähigen, folglich als eine andere Person ( homo phaenomenon) samt allen übrigen in einem Bürgerverein dem Strafgesetze unterwirft. Mit andern Worten: nicht das Volk (jeder einzelne in demselben), sondern das Gericht (die öffentliche Gerechtigkeit), mithin ein anderer als der Verbrecher diktiert die Todesstrafe, und im Sozialkontrakt ist gar nicht das Versprechen enthalten, sich strafen zu lassen und so über sich selbst und sein Leben zu disponieren. Denn wenn der Befugnis zu strafen ein Versprechen des Missetäters zum Grunde liegen müßte, sich strafen lassen zu wollen, so müßte es diesem auch überlassen werden, sich straffällig zu finden, und der Verbrecher würde sein eigener Richter sein. – Der Hauptpunkt des Irrtums (πρωτον ψευδος) dieses Sophisms besteht darin: daß man das eigene Urteil des Verbrechers (das man seiner Vernunft notwendig zutrauen muß), des Lebens verlustig werden zu müssen, für einen Beschluß des Willens ansieht, es sich selbst zu nehmen, und so sich die Rechtsvollziehung mit der Rechtsbeurteilung in einer und derselben Person vereinigt vorstellt.
Es gibt indessen zwei todeswürdige Verbrechen, in Ansehung deren, ob die Gesetzgebung auch die Befugnis habe, sie mit der Todesstrafe zu belegen, noch zweifelhaft bleibt. Zu beiden verleitet das Ehrgefühl. Das eine ist das der Geschlechtsehre, das andere der Kriegsehre und zwar der wahren Ehre, welche jeder dieser zwei Menschenklassen als Pflicht obliegt. Das eine Verbrechen ist der mütterliche Kindesmord (infanticidium maternale); das andere der Kriegsgesellenmord (commilitonicidium), das Duell. – Da die Gesetzgebung die Schmach einer unehelichen Geburt nicht wegnehmen und eben so wenig den Fleck, welcher aus dem Verdacht der Feigheit, der auf einen untergeordneten Kriegsbefehlshaber fällt, welcher einer verächtlichen Begegnung nicht eine über die Todesfurcht erhobene eigene Gewalt entgegensetzt, wegwischen kann: so scheint es, daß Menschen in diesen Fällen sich im Naturzustande befinden und Tötung (homicidium), die alsdann nicht einmal Mord (homicidium dolosum) heißen müßte, in beiden zwar allerdings strafbar sei, von der obersten Macht aber mit dem Tode nicht könne bestraft werden. Das uneheliche auf die Welt gekommene Kind ist außer dem Gesetz (denn das heißt Ehe), mithin auch außer dem Schutz desselben geboren. Es ist in das gemeine Wesen gleichsam eingeschlichen (wie verbotene Ware), so daß dieses seine Existenz (weil es billig auf diese Art nicht hätte existieren sollen), mithin auch seine Vernichtung ignorieren kann, und die Schande der Mutter, wenn ihre uneheliche Niederkunft bekannt wird, kann keine Verordnung heben. – Der zum Unter-Befehlshaber eingesetzte Kriegesmann, dem ein Schimpf angetan wird, sieht sich eben sowohl durch die öffentliche Meinung der Mitgenossen seines Standes genötigt, sich Genugtuung und, wie im Naturzustande, Bestrafung des Beleidigers nicht durchs Gesetz, vor einem Gerichtshofe, sondern durch das Duell, darin er sich selbst der Lebensgefahr aussetzt, zu verschaffen, um seinen Kriegsmut zu beweisen, als worauf die Ehre seines Standes wesentlich beruht, sollte es auch mit der Tötung seines Gegners verbunden sein, die in diesem Kampfe, der öffentlich und mit beiderseitiger Einwilligung, doch auch ungern geschieht, eigentlich nicht Mord (homicidium dolosum) genannt werden kann. – Was ist nun in beiden (zur Kriminalgerechtigkeit gehörigen) Fällen Rechtens? – Hier kommt die Strafgerechtigkeit gar sehr ins Gedränge: entweder den Ehrbegriff (der hier kein Wahn ist) durchs Gesetz für nichtig zu erklären und so mit dem Tode zu strafen, oder von dem Verbrechen die angemessene Todesstrafe wegzunehmen, und so entweder grausam oder nachsichtig zu sein. Die Auflösung dieses Knotens ist: daß der kategorische Imperativ der Strafgerechtigkeit (die gesetzwidrige Tötung eines Anderen müsse mit dem Tode bestraft werden) bleibt, die Gesetzgebung selber aber (mithin auch die bürgerliche Verfassung), so lange noch als barbarisch und unausgebildet, daran Schuld ist, daß die Triebfedern der Ehre im Volk (subjektiv) nicht mit den Maßregeln zusammen treffen wollen, die (objektiv) ihrer Absicht gemäß sind, so daß die öffentliche, vom Staat ausgehende Gerechtigkeit in Ansehung der aus dem Volk eine Ungerechtigkeit wird.
II
Das Begnadigungsrecht (ius aggratiandi) für den Verbrecher, entweder der Milderung oder gänzlichen Erlassung der Strafe, ist wohl unter allen Rechten des Souveräns das schlüpfrigste, um den Glanz seiner Hoheit zu beweisen und dadurch doch im hohen Grade unrecht zu tun. – In Ansehung der Verbrechen der Untertanen gegen einander steht es schlechterdings ihm nicht zu, es auszuüben; denn hier ist Straflosigkeit ( impunitas criminis) das größte Unrecht gegen die letztern. Also nur bei einer Läsion, die ihm selbst widerfährt, ( crimen laesae maiestatis) kann er davon Gebrauch machen. Aber auch da nicht einmal, wenn durch Ungestraftheit dem Volk selbst in Ansehung seiner Sicherheit Gefahr erwachsen könnte. – Dieses Recht ist das einzige, was den Namen des Majestätsrechts verdient.
Von dem rechtlichen Verhältnisse des Bürgers zum Vaterlande und zum Auslande
Das Land (territorium), dessen Einsassen schon durch die Konstitution, d. i. ohne einen besonderen rechtlichen Akt ausüben zu dürfen (mithin durch die Geburt), Mitbürger eines und desselben gemeinen Wesens sind, heißt das Vaterland; das, worin sie es ohne diese Bedingung nicht sind, das Ausland, und dieses, wenn es einen Teil der Landesherrschaft überhaupt ausmacht, heißt die Provinz (in der Bedeutung, wie die Römer dieses Wort brauchten), welche, weil sie doch keinen koalisierten Teil des Reichs ( imperii) als Sitz von Mitbürgern, sondern nur eine Besitzung desselben als eines Unterhauses ausmacht, den Boden des herrschenden Staats als Mutterland (regio domina) verehren muß.
1. Der Untertan (auch als Bürger betrachtet) hat das Recht der Auswanderung; denn der Staat könnte ihn nicht als sein Eigentum zurückhalten. Doch kann er nur seine fahrende, nicht die liegende Habe mit herausnehmen, welches alsdann doch geschehen würde, wenn er seinen bisher besessenen Boden zu verkaufen und das Geld dafür mit sich zu nehmen befugt wäre.
2. Der Landesherr hat das Recht der Begünstigung der Einwanderung und Ansiedelung Fremder (Kolonisten), obgleich seine Landeskinder dazu scheel sehen möchten; wenn ihnen nur nicht das Privateigentum derselben am Boden gekürzt wird.
3. Eben derselbe hat auch im Falle eines Verbrechens des Untertans, welches alle Gemeinschaft der Mitbürger mit ihm für den Staat verderblich macht, das Recht der Verbannung in eine Provinz im Auslande, wo er keiner Rechte eines Bürgers teilhaftig wird, d. i. zur Deportation.
4. Auch das der Landesverweisung überhaupt ( ius exilii), ihn in die weite Welt, d. i. ins Ausland überhaupt (in der altdeutschen Sprache Elend genannt), zu schicken; welches, weil der Landesherr ihm nun allen Schutz entzieht, so viel bedeutet, als ihn innerhalb seinen Grenzen vogelfrei zu machen.
Die drei Gewalten im Staat, die aus dem Begriff eines gemeinen Wesens überhaupt ( res publica latius dicta) hervorgehen, sind nur so viel Verhältnisse des vereinigten, a priori aus der Vernunft abstammenden Volkswillens und eine reine Idee von einem Staatsoberhaupt, welche objektive praktische Realität hat. Dieses Oberhaupt (der Souverän) aber ist so fern nur ein (das gesamte Volk vorstellendes) Gedankending, als es noch an einer physischen Person mangelt, welche die höchste Staatsgewalt vorstellt und dieser Idee Wirksamkeit auf den Volkswillen verschafft. Das Verhältnis der ersteren zum letzteren ist nun auf dreierlei verschiedene Art denkbar: entweder daß Einer im Staate über alle, oder daß Einige, die einander gleich sind, vereinigt, über alle andere, oder daß Alle zusammen über einen jeden, mithin auch über sich selbst gebieten, d. i. die Staatsform ist entweder autokratisch, oder aristokratisch, oder demokratisch. (Der Ausdruck monarchisch statt autokratisch ist nicht dem Begriffe, den man hier will, angemessen; denn Monarch ist der, welcher die höchste, Autokrator aber oder Selbstherrscher der, welcher alle Gewalt hat; dieser ist der Souverän, jener repräsentiert ihn bloß). – Man wird leicht gewahr, daß die autokratische Staatsform die einfachste sei, nämlich von Einem (dem Könige) zum Volke, mithin wo nur Einer der Gesetzgeber ist. Die aristokratische ist schon aus zwei Verhältnissen zusammengesetzt: nämlich dem der Vornehmen (als Gesetzgeber) zu einander, um den Souverän zu machen, und dann das dieses Souveräns zum Volk; die demokratische aber die allerzusammengesetzteste, nämlich den Willen Aller zuerst zu vereinigen, um daraus ein Volk, dann den der Staatsbürger, um ein gemeines Wesen zu bilden, und dann diesem gemeinen Wesen den Souverän, der dieser vereinigte Wille selbst ist, vorzusetzen. Von der Verfälschung dieser Formen durch sich eindringende unbefugte Machthaber (der Oligarchie und Ochlokratie), imgleichen den so genannten gemischten Staatsverfassungen erwähne ich hier nichts, weil es zu weit führen würde. Was die Handhabung des Rechts im Staat betrifft, so ist freilich die einfachste auch zugleich die beste, aber, was das Recht selbst anlangt, die gefährlichste fürs Volk in Betracht des Despotismus, zu dem die so sehr einladet. Das Simplifizieren ist zwar im Maschinenwerk der Vereinigung des Volks durch Zwangsgesetze die vernünftige Maxime: wenn nämlich alle im Volk passiv sind und Einem, der über sie ist, gehorchen; aber das gibt keine Untertanen als Staatsbürger. Was die Vertröstung, womit sich das Volk befriedigen soll, betrifft, daß nämlich die Monarchie (eigentlich hier Autokratie) die beste Staatsverfassung sei, wenn der Monarch gut ist (d. i. nicht bloß den Willen, sondern auch die Einsicht dazu hat): gehört zu den tautologischen Weisheitssprüchen und sagt nichts mehr als: die beste Verfassung ist die, durch welche der Staatsverwalter zum besten Regenten gemacht wird, d. i. diejenige, welche die beste ist.
Der Geschichtsurkunde dieses Mechanismus nachzuspüren, ist vergeblich, d. i. man kann zum Zeitpunkt des Anfangs der bürgerlichen Gesellschaft nicht herauslangen (denn die Wilden errichten kein Instrument ihrer Unterwerfung unter das Gesetz, und es ist auch schon aus der Natur roher Menschen abzunehmen, daß sie es mit der Gewalt angefangen haben werden). Diese Nachforschung aber in der Absicht anzustellen, um allenfalls die jetzt bestehende Verfassung mit Gewalt abzuändern, ist sträflich. Denn diese Umänderung müßte durchs Volk, welches sich dazu rottierte, also nicht durch die Gesetzgebung, geschehen; Meuterei aber in einer schon bestehenden Verfassung ist ein Umsturz aller bürgerlich-rechtlichen Verhältnisse, mithin alles Rechts, d. i. nicht Veränderung der bürgerlichen Verfassung, sondern Auflösung derselben, und dann der Übergang in die bessere nicht Metamorphose, sondern Palingenesie, welche einen neuen gesellschaftlichen Vertrag erfordert, auf den der vorige (nun aufgehobene) keinen Einfluß hat. – Es muß aber dem Souverän doch möglich sein, die bestehende Staatsverfassung zu ändern, wenn sie mit der Idee des ursprünglichen Vertrags nicht wohl vereinbar ist, und hiebei doch diejenige Form bestehen zu lassen, die dazu, daß das Volk einen Staat ausmache, wesentlich gehört. Diese Veränderung kann nun nicht darin bestehen, daß der Staat sich von einer dieser drei Formen zu einer der beiden anderen selbst konstituiert, z. B. daß die Aristokraten einig werden, sich einer Autokratie zu unterwerfen, oder in eine Demokratie verschmelzen zu wollen, und so umgekehrt; gleich als ob es auf der freien Wahl und dem Belieben des Souveräns beruhe, welcher Verfassung er das Volk unterwerfen wolle. Denn selbst dann, wenn er sich zu einer Demokratie umzuändern beschlösse, würde er doch dem Volk unrecht tun können, weil es selbst diese Verfassung verabscheuen könnte und eine der zwei übrigen für sich zuträglicher fände.
Die Staatsformen sind nur der Buchstabe (littera) der ursprünglichen Gesetzgebung im bürgerlichen Zustande, und sie mögen also bleiben, so lange sie, als zum Maschinenwesen der Staatsverfassung gehörend, durch alte und lange Gewohnheit (also nur subjektiv) für notwendig gehalten werden. Aber der Geist jenes ursprünglichen Vertrages (anima pacti originarii) enthält die Verbindlichkeit der konstituierenden Gewalt, die Regierungsart jener Idee angemessen zu machen und so sie, wenn es nicht auf einmal geschehen kann, allmählig und kontinuierlich dahin zu verändern, daß sie mit der einzig rechtmäßigen Verfassung, nämlich der einer reinen Republik, ihrer Wirkung nach zusammenstimme, und jene alte empirische (statutarische) Formen, welche bloß die Untertänigkeit des Volks zu bewirken dienten, sich in die ursprüngliche (rationale) auflösen, welche allein die Freiheit zum Prinzip, ja zur Bedingung alles Zwanges macht, der zu einer rechtlichen Verfassung im eigentlichen Sinne des Staats erforderlich ist und dahin auch dem Buchstaben nach endlich führen wird. – Dies ist die einzige bleibende Staatsverfassung, wo das Gesetz selbstherrschend ist und an keiner besonderen Person hängt; der letzte Zweck alles öffentlichen Rechts, der Zustand, in welchem allein jedem das Seine peremptorisch zugeteilt werden kann; indessen daß, so lange jene Staatsformen dem Buchstaben nach eben so viel verschiedene mit der obersten Gewalt bekleidete moralische Personen vorstellen sollen, nur ein provisorisches inneres Recht und kein absolut-rechtlicher Zustand der bürgerlichen Gesellschaft zugestanden werden kann.
Alle wahre Republik aber ist und kann nichts anders sein, als ein repräsentatives System des Volks, um im Namen desselben, durch alle Staatsbürger vereinigt, vermittelst ihrer Abgeordneten (Deputierten) ihre Rechte zu besorgen. Sobald aber ein Staatsoberhaupt der Person nach (es mag sein König, Adelstand, oder die ganze Volkszahl, der demokratische Verein) sich auch repräsentieren läßt, so repräsentiert das vereinigte Volk nicht bloß den Souverän, sondern es ist dieser selbst; denn in ihm (dem Volk) befindet sich ursprünglich die oberste Gewalt, von der alle Rechte der Einzelnen, als bloßer Untertanen (allenfalls als Staatsbeamten), abgeleitet werden müssen, und die nunmehr errichtete Republik hat nun nicht mehr nötig, die Zügel der Regierung aus den Händen zu lassen und sie denen wieder zu übergeben, die sie vorher geführt hatten, und die nun alle neue Anordnungen durch absolute Willkür wieder vernichten könnten.
Es war also ein großer Fehltritt der Urteilskraft eines mächtigen Beherrschers zu unserer Zeit, sich aus der Verlegenheit wegen großer Staatschulden dadurch helfen zu wollen, daß er es dem Volk übertrug, diese Last nach dessen eigenem Gutbefinden selbst zu übernehmen und zu verteilen; da es denn natürlicherweise nicht allein die gesetzgebende Gewalt in Ansehung der Besteurung der Untertanen, sondern auch in Ansehung der Regierung in die Hände bekam: nämlich zu verhindern, daß diese nicht durch Verschwendung oder Krieg neue Schulden machte, mithin die Herrschergewalt des Monarchen gänzlich verschwand (nicht bloß suspendiert wurde) und aufs Volk überging, dessen gesetzgebenden Willen nun das Mein und Dein jedes Untertans unterworfen wurde. Man kann auch nicht sagen: daß dabei ein stillschweigendes, aber doch vertragsmäßiges Versprechen der Nationalversammlung, sich nicht eben zur Souveränität zu konstituieren, sondern nur dieser ihr Geschäfte zu administrieren, nach verrichtetem Geschäfte aber die Zügel des Regiments dem Monarchen wiederum in seine Hände zu überliefern, angenommen werden müsse; denn ein solcher Vertrag ist an sich selbst null und nichtig. Das Recht der obersten Gesetzgebung im gemeinen Wesen ist kein veräußerliches, sondern das allerpersönlichste Recht. Wer es hat, kann nur durch den Gesamtwillen des Volks über das Volk, aber nicht über den Gesamtwillen selbst, der der Urgrund aller öffentlichen Verträge ist, disponieren. Ein Vertrag, der das Volk verpflichtete, seine Gewalt wiederum zurückzugeben, würde demselben nicht als gesetzgebender Macht zustehen und doch das Volk verbinden, welches nach dem Satze: Niemand kann zweien Herren dienen, ein Widerspruch ist.
Die Menschen, welche ein Volk ausmachen, können als Landeseingeborne nach der Analogie der Erzeugung von einem gemeinschaftlichen Elterstamm (congeniti) vorgestellt werden, ob sie es gleich nicht sind: dennoch aber in intellektueller und rechtlicher Bedeutung, als von einer gemeinschaftlichen Mutter (der Republik) geboren, gleichsam eine Familie (gens, natio) ausmachen, deren Glieder (Staatsbürger) alle ebenbürtig sind und mit denen, die neben ihnen im Naturzustande leben möchten, als unedlen keine Vermischung eingehen, obgleich diese (die Wilden) ihrerseits sich wiederum wegen der gesetzlosen Freiheit, die sie gewählt haben, vornehmer dünken, die gleichfalls Völkerschaften, aber nicht Staaten ausmachen. Das Recht der Staaten in Verhältnis zu einander [welches nicht ganz richtig im Deutschen das Völkerrecht genannt wird, sondern vielmehr das Staatenrecht (ius publicum civitatum) heißen sollte] ist nun dasjenige, was wir unter dem Namen des Völkerrechts zu betrachten haben: wo ein Staat, als eine moralische Person, gegen einen anderen im Zustande der natürlichen Freiheit, folglich auch dem des beständigen Krieges betrachtet, teils das Recht zum Kriege, teils das im Kriege, teils das, einander zu nötigen, aus diesem Kriegszustande herauszugehen, mithin eine den beharrlichen Frieden gründende Verfassung, d. i. das Recht nach dem Kriege, zur Aufgabe macht, und führt nur das Unterscheidende von dem des Naturzustandes einzelner Menschen oder Familien (im Verhältnis gegen einander) von dem der Völker bei sich, daß im Völkerrecht nicht bloß ein Verhältnis eines Staats gegen den anderen im Ganzen, sondern auch einzelner Personen des einen gegen einzelne des anderen, imgleichen gegen den ganzen anderen Staat selbst in Betrachtung kommt; welcher Unterschied aber vom Recht Einzelner im bloßen Naturzustande nur solcher Bestimmungen bedarf, die sich aus dem Begriffe des letzteren leicht folgern lassen.
Die Elemente des Völkerrechts sind: 1. daß Staaten, im äußeren Verhältnis gegen einander betrachtet, (wie gesetzlose Wilde) von Natur in einem nicht-rechtlichen Zustande sind; 2. daß dieser Zustand ein Zustand des Krieges (des Rechts des Stärkeren), wenn gleich nicht wirklicher Krieg und immerwährende wirkliche Befehdung (Hostilität) ist, welche (indem sie es beide nicht besser haben wollen), obzwar dadurch keinem von dem Anderen unrecht geschieht, doch an sich selbst im höchsten Grade unrecht ist, und aus welchem die Staaten, welche einander benachbart sind, auszugehen verbunden sind; 3. daß ein Völkerbund nach der Idee eines ursprünglichen gesellschaftlichen Vertrages notwendig ist, sich zwar einander nicht in die einheimische Mißhelligkeiten derselben zu mischen, aber doch gegen Angriffe der äußeren zu schützen; 4. daß die Verbindung doch keine souveräne Gewalt (wie in einer bürgerlichen Verfassung), sondern nur eine Genossenschaft (Föderalität) enthalten müsse; eine Verbündung, die zu aller Zeit aufgekündigt werden kann, mithin von Zeit zu Zeit erneuert werden muß, – ein Recht in subsidium eines anderen und ursprünglichen Rechts, den Verfall in den Zustand des wirklichen Krieges derselben unter einander von sich abzuwehren (foedus Amphictyonum).
Bei jenem ursprünglichen Rechte zum Kriege freier Staaten gegen einander im Naturzustande (um etwa einen dem rechtlichen sich annähernden Zustand zu stiften) erhebt sich zuerst die Frage: welches Recht hat der Staat gegen seine eigene Untertanen sie zum Kriege gegen andere Staaten zu brauchen, ihre Güter, ja ihr Leben dabei aufzuwenden, oder aufs Spiel zu setzen: so daß es nicht von dieser ihrem eigenen Urteil abhängt, ob sie in den Krieg ziehen wollen oder nicht, sondern der Oberbefehl des Souveräns sie hineinschicken darf?
Dieses Recht scheint sich leicht dartun zu lassen; nämlich aus dem Rechte mit dem Seinen (Eigentum) zu tun, was man will. Was jemand aber der Substanz nach selbst gemacht hat, davon hat er ein unbestrittenes Eigentum. – Hier ist also die Deduktion, so wie sie ein bloßer Jurist abfassen würde.
Es gibt mancherlei Naturprodukte in einem Lande, die doch, was die Menge derselben von einer gewissen Art betrifft, zugleich als Gemächsel (artefacta) des Staats angesehen werden müssen, weil das Land sie in solcher Menge nicht liefern würde, wenn es nicht einen Staat und eine ordentliche machthabende Regierung gäbe, sondern die Bewohner im Stande der Natur wären. – Haushühner (die nützlichste Art des Geflügels), Schafe, Schweine, das Rindergeschlecht u. a. m. würden entweder aus Mangel an Futter, oder der Raubtiere wegen in dem Lande, wo ich lebe, entweder gar nicht, oder höchst sparsam anzutreffen sein, wenn es darin nicht eine Regierung gäbe, welche den Einwohnern ihren Erwerb und Besitz sicherte. – Eben das gilt auch von der Menschenzahl, die eben so wie in den amerikanischen Wüsten, ja selbst dann, wenn man diesen den größten Fleiß (den jene nicht haben) beilegte, nur gering sein kann. Die Einwohner würden nur sehr dünn gesäet sein, weil keiner derselben sich mit samt seinem Gesinde auf einem Boden weit verbreiten könnte, der immer in Gefahr ist, von Menschen oder wilden und Raubtieren verwüstet zu werden; mithin sich für eine so große Menge von Menschen, als jetzt auf einem Lande leben, kein hinlänglicher Unterhalt finden würde. – – So wie man nun von Gewächsen (z. B. den Kartoffeln) und von Haustieren, weil sie, was die Menge betrifft, ein Machwerk der Menschen sind, sagen kann, daß man sie gebrauchen, verbrauchen und verzehren (töten lassen) kann: so, scheint es, könne man auch von der obersten Gewalt im Staat, dem Souverän, sagen, er habe das Recht, seine Untertanen, die dem größten Teil nach sein eigenes Produkt sind, in den Krieg wie auf eine Jagd und zu einer Feldschlacht wie auf eine Lustpartie zu führen.
Dieser Rechtsgrund aber (der vermutlich den Monarchen auch dunkel vorschweben mag) gilt zwar freilich in Ansehung der Tiere, die ein Eigentum des Menschen sein können, will sich aber doch schlechterdings nicht auf den Menschen, vornehmlich als Staatsbürger, anwenden lassen, der im Staat immer als mitgesetzgebendes Glied betrachtet werden muß (nicht bloß als Mittel, sondern auch zugleich als Zweck an sich selbst), und der also zum Kriegführen nicht allein überhaupt, sondern auch zu jeder besondern Kriegserklärung vermittelst seiner Repräsentanten seine freie Beistimmung geben muß, unter welcher einschränkenden Bedingung allein der Staat über seinen gefahrvollen Dienst disponieren kann.
Wir werden also wohl dieses Recht von der Pflicht des Souveräns gegen das Volk (nicht umgekehrt) abzuleiten haben; wobei dieses dafür angesehen werden muß, daß es seine Stimme dazu gegeben habe, in welcher Qualität es, obzwar passiv (mit sich machen läßt), doch auch selbsttätig ist und den Souverän selbst vorstellt.
Im natürlichen Zustande der Staaten ist das Recht zum Kriege (zu Hostilitäten) die erlaubte Art, wodurch ein Staat sein Recht gegen einen anderen Staat verfolgt, nämlich, wenn er von diesem sich lädiert glaubt, durch eigene Gewalt: weil es durch einen Prozeß (als durch den allein die Zwistigkeiten im rechtlichen Zustande ausgeglichen werden) in jenem Zustande nicht geschehen kann. – Außer der tätigen Verletzung (der ersten Aggression, welche von der ersten Hostilität unterschieden ist) ist es die Bedrohung. Hiezu gehört entweder eine zuerst vorgenommene Zurüstung, worauf sich das Recht des Zuvorkommens (ius praeventionis) gründet, oder auch bloß die fürchterlich (durch Ländererwerbung) anwachsende Macht (potentia tremenda) eines anderen Staats. Diese ist eine Läsion des Mindermächtigen bloß durch den Zustand vor aller Tat des Übermächtigen, und im Naturzustande ist dieser Angriff allerdings rechtmäßig. Hierauf gründet sich also das Recht des Gleichgewichts aller einander tätig berührenden Staaten.
Was die tätige Verletzung betrifft, die ein Recht zum Kriege gibt, so gehört dazu die selbstgenommene Genugtuung für die Beleidigung des einen Volks durch das Volk des anderen Staats, die Wiedervergeltung (retorsio), ohne eine Erstattung (durch friedliche Wege) bei dem anderen Staate zu suchen, womit der Förmlichkeit nach der Ausbruch des Krieges ohne vorhergehende Aufkündigung des Friedens ( Kriegsankündigung) eine Ähnlichkeit hat: weil, wenn man einmal ein Recht im Kriegszustande finden will, etwas Analogisches mit einem Vertrag angenommen werden muß, nämlich Annahme der Erklärung des anderen Teils, daß beide ihr Recht auf diese Art suchen wollen.
Das Recht im Kriege ist gerade das im Völkerrecht, wobei die meiste Schwierigkeit ist, um sich auch nur einen Begriff davon zu machen und ein Gesetz in diesem gesetzlosen Zustande zu denken ( inter arma silent leges), ohne sich selbst zu widersprechen; es müßte denn dasjenige sein: den Krieg nach solchen Grundsätzen zu führen, nach welchen es immer noch möglich bleibt, aus jenem Naturzustande der Staaten (im äußeren Verhältnis gegen einander) herauszugehen und in einen rechtlichen zu treten.
Kein Krieg unabhängiger Staaten gegen einander kann ein Strafkrieg (bellum punitivum) sein. Denn Strafe findet nur im Verhältnisse eines Obern ( imperantis) gegen den Unterworfenen ( subditum) statt, welches Verhältnis nicht das der Staaten gegen einander ist. – Aber auch weder ein Ausrottungs- (bellum internecinum) noch Unterjochungskrieg (bellum subiugatorium), der eine moralische Vertilgung eines Staats (dessen Volk nun mit dem des Überwinders entweder in eine Masse verschmelzt, oder in Knechtschaft verfällt) sein würde. Nicht als ob dieses Notmittel des Staats zum Friedenszustande zu gelangen an sich dem Rechte eines Staats widerspräche, sondern weil die Idee des Völkerrechts bloß den Begriff eines Antagonismus nach Prinzipien der äußeren Freiheit bei sich führt, um sich bei dem Seinen zu erhalten, aber nicht eine Art zu erwerben, als welche durch Vergrößerung der Macht des einen Staats für den anderen bedrohend sein kann.
Verteidigungsmittel aller Art sind dem bekriegten Staat erlaubt, nur nicht solche, deren Gebrauch die Untertanen desselben, Staatsbürger zu sein, unfähig machen würde; denn alsdann machte er sich selbst zugleich unfähig im Staatenverhältnisse nach dem Völkerrecht für eine Person zu gelten (die gleicher Rechte mit andern teilhaftig wäre). Darunter gehört: seine eigne Untertanen zu Spionen, diese, ja auch Auswärtige zu Meuchelmördern, Giftmischern (in welche Klasse auch wohl die so genannten Scharfschützen, welche Einzelen im Hinterhalte auflauern, gehören möchten), oder auch nur zur Verbreitung falscher Nachrichten zu gebrauchen; mit einem Wort, sich solcher heimtückischen Mittel zu bedienen, die das Vertrauen, welches zur künftigen Gründung eines dauerhaften Friedens erforderlich ist, vernichten würden.
Im Kriege ist es erlaubt, dem überwältigten Feinde Lieferungen und Kontribution aufzulegen, aber nicht das Volk zu plündern, d. i. einzelnen Personen das Ihrige abzuzwingen (denn das wäre Raub: weil nicht das überwundene Volk, sondern der Staat, unter dessen Herrschaft es war, durch dasselbe Krieg führte): sondern durch Ausschreibungen gegen ausgestellte Scheine, um bei nachfolgendem Frieden die dem Lande oder der Provinz aufgelegte Last proportionierlich zu verteilen.
Das Recht nach dem Kriege, d. i. im Zeitpunkte des Friedensvertrags und in Hinsicht auf die Folgen desselben, besteht darin: der Sieger macht die Bedingungen, über die mit dem Besiegten übereinzukommen und zum Friedensschluß zu gelangen Traktaten gepflogen werden, und zwar nicht gemäß irgend einem vorzuschützenden Recht, was ihm wegen der vorgeblichen Läsion seines Gegners zustehe, sondern, indem er diese Frage auf sich beruhen läßt, sich stützend auf seine Gewalt. Daher kann der Überwinder nicht auf Erstattung der Kriegskosten antragen, weil er den Krieg seines Gegners alsdann für ungerecht ausgeben müßte: sondern ob er sich gleich dieses Argument denken mag, so darf er es doch nicht anführen, weil er ihn sonst für einen Bestrafungskrieg erklären und so wiederum eine Beleidigung ausüben würde. Hiezu gehört auch die (auf keinen Loskauf zu stellende) Auswechselung der Gefangenen, ohne auf Gleichheit der Zahl zu sehen.
Der überwundene Staat, oder dessen Untertanen verlieren durch die Eroberung des Landes nicht ihre staatsbürgerliche Freiheit, so daß jener zur Kolonie, diese zu Leibeigenen abgewürdigt würden; denn sonst wäre es ein Strafkrieg gewesen, der an sich selbst widersprechend ist. – Eine Kolonie oder Provinz ist ein Volk, das zwar seine eigene Verfassung, Gesetzgebung, Boden hat, auf welchem die zu einem anderen Staat Gehörige nur Fremdlinge sind, der dennoch über jenes die oberste ausübende Gewalt hat. Der letztere heißt der Mutterstaat. Der Tochterstaat wird von jenem beherrscht, aber doch von sich selbst (durch sein eigenes Parlament, allenfalls unter dem Vorsitz eines Vizekönigs) regiert (civitas hybrida). Dergleichen war Athen in Beziehung auf verschiedene Inseln und ist jetzt Großbritannien in Ansehung Irlands.
Noch weniger kann Leibeigenschaft und ihre Rechtmäßigkeit von der Überwältigung eines Volks durch Krieg abgeleitet werden, weil man hiezu einen Strafkrieg annehmen müßte. Am allerwenigsten eine erbliche Leibeigenschaft, die überhaupt absurd ist, weil die Schuld aus jemandes Verbrechen nicht anerben kann.
Daß mit dem Friedensschlusse auch die Amnestie verbunden sei, liegt schon im Begriffe desselben.
Das Recht des Friedens ist 1. das im Frieden zu sein, wenn in der Nachbarschaft Krieg ist, oder das der Neutralität; 2. sich die Fortdauer des geschlossenen Friedens zusichern zu lassen, d. i. das der Garantie; 3. zu wechselseitiger Verbindung (Bundsgenossenschaft) mehrerer Staaten, sich gegen alle äußere oder innere etwanige Angriffe gemeinschaftlich zu verteidigen; nicht ein Bund zum Angreifen und innerer Vergrößerung.
Das Recht eines Staats gegen einen ungerechten Feind hat keine Grenzen (wohl zwar der Qualität, aber nicht der Quantität, d. i. dem Grade, nach): d. i. der beeinträchtigte Staat darf sich zwar nicht aller Mittel, aber doch der an sich zulässigen in dem Maße bedienen, um das Seine zu behaupten, als er dazu Kräfte hat. – Was ist aber nun nach Begriffen des Völkerrechts, in welchem wie überhaupt im Naturzustande ein jeder Staat in seiner eigenen Sache Richter ist, ein ungerechter Feind? Es ist derjenige, dessen öffentlich (es sei wörtlich oder tätlich) geäußerter Wille eine Maxime verrät, nach welcher, wenn sie zur allgemeinen Regel gemacht würde, kein Friedenszustand unter Völkern möglich, sondern der Naturzustand verewigt werden müßte. Dergleichen ist die Verletzung öffentlicher Verträge, von welcher man voraussetzen kann, daß sie die Sache aller Völker betrifft, deren Freiheit dadurch bedroht wird, und die dadurch aufgefordert werden, sich gegen einen solchen Unfug zu vereinigen und ihm die Macht dazu zu nehmen; – aber doch auch nicht, um sich in sein Land zu teilen, einen Staat gleichsam auf der Erde verschwinden zu machen; denn das wäre Ungerechtigkeit gegen das Volk, welches sein ursprüngliches Recht, sich in ein gemeines Wesen zu verbinden, nicht verlieren kann, sondern es eine neue Verfassung annehmen zu lassen, die ihrer Natur nach der Neigung zum Kriege ungünstig ist.
Übrigens ist der Ausdruck eines ungerechten Feindes im Naturzustande pleonastisch; denn der Naturzustand ist selbst ein Zustand der Ungerechtigkeit. Ein gerechter Feind würde der sein, welchem meinerseits zu widerstehen ich unrecht tun würde; dieser würde aber alsdann auch nicht mein Feind sein.
Da der Naturzustand der Völker eben so wohl als einzelner Menschen ein Zustand ist, aus dem man herausgehen soll, um in einen gesetzlichen zu treten: so ist vor diesem Ereignis alles Recht der Völker und alles durch den Krieg erwerbliche oder erhaltbare äußere Mein und Dein der Staaten bloß provisorisch und kann nur in einem allgemeinen Staatenverein (analogisch mit dem, wodurch ein Volk Staat wird) peremtorisch geltend und ein wahrer Friedenszustand werden. Weil aber bei gar zu großer Ausdehnung eines solchen Völkerstaats über weite Landstriche die Regierung desselben, mithin auch die Beschützung eines jeden Gliedes endlich unmöglich werden muß, eine Menge solcher Korporationen aber wiederum einen Kriegszustand herbeiführt: so ist der ewige Friede (das letzte Ziel des ganzen Völkerrechts) freilich eine unausführbare Idee. Die politische Grundsätze aber, die darauf abzwecken, nämlich solche Verbindungen der Staaten einzugehen, als zur kontinuierlichen Annäherung zu demselben dienen, sind es nicht, sondern, so wie diese eine auf der Pflicht, mithin auch auf dem Recht der Menschen und Staaten gegründete Aufgabe ist, allerdings ausführbar.
Man kann einen solchen Verein einiger Staaten, um den Frieden zu erhalten, den permanenten Staatenkongreß nennen, zu welchem sich zu gesellen jedem benachbarten unbenommen bleibt; dergleichen (wenigstens was die Förmlichkeiten des Völkerrechts in Absicht auf Erhaltung des Friedens betrifft) in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in der Versammlung der Generalstaaten im Haag noch statt fand; wo die Minister der meisten europäischen Höfe und selbst der kleinsten Republiken ihre Beschwerden über die Befehdungen, die einem von dem anderen widerfahren waren, anbrachten und so sich ganz Europa als einen einzigen föderierten Staat dachten, den sie in jener ihren öffentlichen Streitigkeiten gleichsam als Schiedsrichter annahmen, statt dessen späterhin das Völkerrecht bloß in Büchern übrig geblieben, aus Kabinetten aber verschwunden, oder nach schon verübter Gewalt in Form der Deduktionen der Dunkelheit der Archive anvertraut worden ist.
Unter einem Kongreß wird hier aber nur eine willkürliche, zu aller Zeit auflösliche Zusammentretung verschiedener Staaten, nicht eine solche Verbindung, welche (so wie die der amerikanischen Staaten) auf einer Staatsverfassung gegründet und daher unauflöslich ist, verstanden; – durch welchen allein die Idee eines zu errichtenden öffentlichen Rechts der Völker, ihre Streitigkeiten auf zivile Art, gleichsam durch einen Prozeß, nicht auf barbarische (nach Art der Wilden), nämlich durch Krieg, zu entscheiden, realisiert werden kann.
Diese Vernunftidee einer friedlichen, wenn gleich noch nicht freundschaftlichen, durchgängigen Gemeinschaft aller Völker auf Erden, die unter einander in wirksame Verhältnisse kommen können, ist nicht etwa philanthropisch (ethisch), sondern ein rechtliches Prinzip. Die Natur hat sie alle zusammen (vermöge der Kugelgestalt ihres Aufenthalts, als globus terraqueus) in bestimmte Grenzen eingeschlossen; und da der Besitz des Bodens, worauf der Erdbewohner leben kann, immer nur als Besitz von einem Teil eines bestimmten Ganzen, folglich als ein solcher, auf den jeder derselben ursprünglich ein Recht hat, gedacht werden kann: so stehen alle Völker ursprünglich in einer Gemeinschaft des Bodens, nicht aber der rechtlichen Gemeinschaft des Besitzes ( communio) und hiemit des Gebrauchs, oder des Eigentums an demselben, sondern der physischen möglichen Wechselwirkung (commercium), d. i. in einem durchgängigen Verhältnisse eines zu allen Anderen, sich zum Verkehr unter einander anzubieten, und haben ein Recht, den Versuch mit demselben zu machen, ohne daß der Auswärtige ihm darum als einem Feind zu begegnen berechtigt wäre. – Dieses Recht, so fern es auf die mögliche Vereinigung aller Völker in Absicht auf gewisse allgemeine Gesetze ihres möglichen Verkehrs geht, kann das weltbürgerliche (ius cosmopoliticum) genannt werden.
Meere können Völker aus aller Gemeinschaft mit einander zu setzen scheinen, und dennoch sind sie vermittelst der Schiffahrt gerade die glücklichsten Naturanlagen zu ihrem Verkehr, welcher, je mehr es einander nahe Küsten gibt (wie die des mittelländischen), nur desto lebhafter sein kann, deren Besuchung gleichwohl, noch mehr aber die Niederlassung auf denselben, um sie mit dem Mutterlande zu verknüpfen, zugleich die Veranlassung dazu gibt, daß Übel und Gewalttätigkeit an einem Orte unseres Globs an allen gefühlt wird. Dieser mögliche Mißbrauch kann aber das Recht des Erdbürgers nicht aufheben, die Gemeinschaft mit allen zu versuchen und zu diesem Zweck alle Gegenden der Erde zu besuchen, wenn es gleich nicht ein Recht der Ansiedelung auf dem Boden eines anderen Volks ( ius incolatus) ist, als zu welchem ein besonderer Vertrag erfordert wird.
Es frägt sich aber: ob ein Volk in neuentdeckten Ländern eine Anwohnung (accolatus) und Besitznehmung in der Nachbarschaft eines Volks, das in einem solchen Landstriche schon Platz genommen hat, auch ohne seine Einwilligung unternehmen dürfe. –
Wenn Anbauung in solcher Entlegenheit vom Sitz des ersteren geschieht, daß keines derselben im Gebrauch seines Bodens dem anderen Eintrag tut, so ist das Recht dazu nicht zu bezweifeln; wenn es aber Hirten- oder Jagdvölker sind (wie die Hottentotten, Tungusen und die meisten amerikanischen Nationen), deren Unterhalt von großen öden Landstrecken abhängt, so würde dies nicht mit Gewalt, sondern nur durch Vertrag, und selbst dieser nicht mit Benutzung der Unwissenheit jener Einwohner in Ansehung der Abtretung solcher Ländereien geschehen können; obzwar die Rechtfertigungsgründe scheinbar genug sind, daß eine solche Gewalttätigkeit zum Weltbesten gereiche; teils durch Kultur roher Völker (wie der Vorwand, durch den selbst Büsching die blutige Einführung der christlichen Religion in Deutschland entschuldigen will), teils zur Reinigung seines eigenen Landes von verderbten Menschen und gehoffter Besserung derselben oder ihrer Nachkommenschaft in einem anderen Weltteile (wie in Neuholland); denn alle diese vermeintlich gute Absichten können doch den Flecken der Ungerechtigkeit in den dazu gebrauchten Mitteln nicht abwaschen. – Wendet man hiegegen ein: daß bei solcher Bedenklichkeit, mit der Gewalt den Anfang zu Gründung eines gesetzlichen Zustandes zu machen, vielleicht die ganze Erde noch in gesetzlosem Zustande sein würde: so kann das eben so wenig jene Rechtsbedingung aufheben, als der Vorwand der Staatsrevolutionisten, daß es auch, wenn Verfassungen verunartet sind, dem Volk zustehe, sie mit Gewalt umzuformen und überhaupt einmal für allemal ungerecht zu sein, um nachher die Gerechtigkeit desto sicherer zu gründen und aufblühen zu machen.
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Beschluß
Wenn jemand nicht beweisen kann, daß ein Ding ist, so mag er versuchen zu beweisen, daß es nicht ist. Will es ihm mit keinem von beiden gelingen (ein Fall, der oft eintritt), so kann er noch fragen: ob es ihn interessiere, das Eine oder das Andere (durch eine Hypothese) anzunehmen, und dies zwar entweder in theoretischer, oder in praktischer Rücksicht, d. i. entweder um sich bloß ein gewisses Phänomen (wie z. B. für den Astronom das des Rückganges und Stillstandes der Planeten) zu erklären, oder um einen gewissen Zweck zu erreichen, der nun wiederum entweder pragmatisch (bloßer Kunstzweck) oder moralisch, d. i. ein solcher Zweck sein kann, den sich zu setzen die Maxime selbst Pflicht ist. – Es versteht sich von selbst: daß nicht das Annehmen (suppositio) der Ausführbarkeit jenes Zwecks, welches ein bloß theoretisches und dazu noch problematisches Urteil ist, hier zur Pflicht gemacht werde, denn dazu (etwas zu glauben) gibts keine Verbindlichkeit; sondern das Handeln nach der Idee jenes Zwecks, wenn auch nicht die mindeste theoretische Wahrscheinlichkeit da ist, daß er ausgeführt werden könne, dennoch aber seine Unmöglichkeit gleichfalls nicht demonstriert werden kann, das ist es, wozu uns eine Pflicht obliegt.
Nun spricht die moralisch-praktische Vernunft in uns ihr unwiderstehliches Veto aus: Es soll kein Krieg sein; weder der, welcher zwischen Mir und Dir im Naturzustande, noch zwischen uns als Staaten, die, obzwar innerlich im gesetzlichen, doch äußerlich (in Verhältnis gegen einander) im gesetzlosen Zustande sind; – denn das ist nicht die Art, wie jedermann sein Recht suchen soll. Also ist nicht mehr die Frage: ob der ewige Friede ein Ding oder Unding sei, und ob wir uns nicht in unserem theoretischen Urteile betrügen, wenn wir das erstere annehmen, sondern wir müssen so handeln, als ob das Ding sei, was vielleicht nicht ist, auf Begründung desselben und diejenige Konstitution, die uns dazu die tauglichste scheint (vielleicht den Republikanism aller Staaten samt und sonders) hinwirken, um ihn herbei zu führen und dem heillosen Kriegführen, worauf als den Hauptzweck bisher alle Staaten ohne Ausnahme ihre innere Anstalten gerichtet haben, ein Ende zu machen. Und wenn das letztere, was die Vollendung dieser Absicht betrifft, auch immer ein frommer Wunsch bliebe, so betrügen wir uns doch gewiß nicht mit der Annahme der Maxime dahin unablässig zu wirken; denn diese ist Pflicht; das moralische Gesetz aber in uns selbst für betrüglich anzunehmen, würde den Abscheu erregenden Wunsch hervorbringen, lieber aller Vernunft zu entbehren und sich seinen Grundsätzen nach mit den übrigen Tierklassen in einen gleichen Mechanism der Natur geworfen anzusehen.
Man kann sagen, daß diese allgemeine und fortdauernde Friedensstiftung nicht bloß einen Teil, sondern den ganzen Endzweck der Rechtslehre innerhalb den Grenzen der bloßen Vernunft ausmache; denn der Friedenszustand ist allein der unter Gesetzen gesicherte Zustand des Mein und Dein in einer Menge einander benachbarter Menschen, mithin die in einer Verfassung zusammen sind, deren Regel aber nicht von der Erfahrung derjenigen, die sich bisher am besten dabei befunden haben, als einer Norm für Andere, sondern die durch die Vernunft a priori von dem Ideal einer rechtlichen Verbindung der Menschen unter öffentlichen Gesetzen überhaupt hergenommen werden muß, weil alle Beispiele (als die nur erläutern, aber nichts beweisen können) trüglich sind, und so allerdings einer Metaphysik bedürfen, deren Notwendigkeit diejenigen, die dieser spotten, doch unvorsichtiger Weise selbst zugestehen, wenn sie z. B., wie sie es oft tun, sagen: »Die beste Verfassung ist die, wo nicht die Menschen, sondern die Gesetze machthabend sind.« Denn was kann mehr metaphysisch sublimiert sein, als eben diese Idee, welche gleichwohl nach jener ihrer eigenen Behauptung die bewährteste objektive Realität hat, die sich auch in vorkommenden Fällen leicht darstellen läßt, und welche allein, wenn sie nicht revolutionsmäßig, durch einen Sprung, d. i. durch gewaltsame Umstürzung einer bisher bestandenen fehlerhaften – (denn da würde sich zwischeninne ein Augenblick der Vernichtung alles rechtlichen Zustandes ereignen), sondern durch allmählige Reform nach festen Grundsätzen versucht und durchgeführt wird, in kontinuierlicher Annäherung zum höchsten politischen Gut, zum ewigen Frieden, hinleiten kann.