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. . . Es war damals eine sehr helle Nacht, und ich sehe Wera Zubanoff noch immer in Gedanken vor mir, wie sie langsam die Plattentreppe emporstieg, ganz allein.
Sie hatte es so gewollt.
Sie war gekommen, als ich Owens Plan kaum gebilligt hatte, – sie hatte mir beide Hände hingestreckt, und ihre Finger hatten die meinen in zärtlicher Dankbarkeit umschmiegt.
Wir standen im Baumschatten, ihre Züge waren verschwommen, aber ihre Stimme verriet, daß ich sie zu Unrecht für oberflächlich gehalten hatte.
»Ich danke Ihnen, Olaf, Sie lieber alter Freund.«
Und dann folgte ein leises, tief bewegtes Aufschluchzen . . .
Jedem gab sie dann die Hand, wollte wissen, was wir vorhätten, – erklärte in ihrer energischen Art:
»Weshalb die Umstände?! Ich gehe!«
Und sie ging . . .
Ging und stieg die langen Stufen hinab . . . angeblich im Auftrage Cordys . . . Die fünf sollten herunterkommen, das Gold sei gefunden, es müsse schleunigst verladen werden, Cordy wolle sofort aufbrechen.
Das Gold!!
Davon versprach sich Wera alles. »Es wird das Zauberwort sein, das jeden Argwohn löscht . . .«
. . . Ich sehe sie noch . . . Mit dem Fernglas beobachtete ich den Dünenkamm . . . Ihre Gestalt hob sich so scharf gegen den klaren Nachthimmel ab . . . Erst lagen die fünf noch faul im Sande, dann kam Leben in sie . . .
Gold!!
Sie sprangen die Schieferstufen hinab . . . Einer hatte es immer eiliger als der andere, – sie kamen in weiten Abständen auf die Oase zugerannt, vorn der Neger . . .
Meine Schuld war es nicht, daß keiner von uns auf Sussik achtete, und Sussik hatte eine Repetierbüchse mit neun Schuß.
Von links her knallte es, der Schwarze schnellte hoch, schlug nach vorn in den Sand . . . –
Es war nicht schade um die fünf, und Sussik hatte allen Grund, Vergeltung zu üben. Daß ich ihn trotzdem grob anfuhr, – es war vielleicht mehr ein Versuch, mir einzureden, daß ich die Kerle gern geschont hätte.
Neben mir hatte der lange Cudderson gestanden, hinter ihm sein unvergleichlicher Diener. Zu meinem Erstaunen sagte Cudderson zu dieser blutigen Knallerei kein Wort, nur nach dem letzten Schuß wandte er den Kopf:
»Owen, hätten Sie auch so sicher getroffen?«
»Jawohl, Sir . . . Das Licht genügt, – aber ob ich auf die Köpfe gezielt hätte, das wäre zu überlegen gewesen.«
Bevor noch Wera nahte, hatten wir die Leichen ins Gebüsch gezogen . . .
Ich hatte keine Zeit, ihr wortreich zu danken. Gupa hatte schon drei Tiere gesattelt, – nach kaum fünf Minuten brachen Sussik und ich mit einem Lasttier auf . . . Acht Wasserschläuche nahmen wir mit, Whisky, Konserven . . .
Es ging wie im Fluge, und es mußte auch wie im Fluge gehen . . .
Unsere Tiere waren ausgeruht. Als wir erst die Dünen hinter uns hatten, trabten wir an, ritten vier Stunden ohne jede Rast, machten nur eine Stunde Atempause, tränkten die Tiere, – – – weiter . . .
Mittags lag das endlose Tal mit zahllosen runden Steinhäuschen vor uns.
Wir durchsuchten alle Gräber – alle . . .
Und fanden nichts – nichts!
Fanden nicht einmal mehr Fußspuren oder Huffährten.
Eine ungeheure Wut schüttelte mich. Cordy hatte uns belogen . . .
Wo war Lady Jane, wo waren ihre zwölf treuen Bischarin?!
»Sussik, was hältst du davon?«
Sussik kniete und fügte die Steine des zuletzt durchsuchten Grabes wieder ein. »Mr. Abelsen, ich weiß nicht . . .« Er erhob sich und schaute nochmals ringsum. »Hier hat es gestern Sturm gegeben . . . Vor dem Staubsturm flüchten wir Bischarin stets in Höhlen, Zelte oder . . . solche Gräber. Vielleicht ist Lady Jane gefunden worden. Vielleicht . . .« – er zögerte – »wäre es am besten wenn wir uns trennten, Mr. Abelsen . . . Ich werde die nächsten Weideplätze aufsuchen . . .«
Schwaches Mißtrauen stieg in mir auf. Wer will so leicht in der Seele dieser halbwilden Gesellen lesen?!
»Wenn Lady Jane noch lebt, werde ich sie finden«, sagte Sussik schlicht. »Wenn sie tot ist, wird der Lord uns die Stelle zeigen, wo ihre Leiche ruht. Lady Jane gehört uns, den Bischarin, und ihr Mörder wird die Stunde seiner Geburt verfluchen lernen.«
Wir trennten uns. Sussik ritt nach Osten, ich nach Nordosten. Ich hatte das Lastdromedar bei mir, und ich trabte nur bis zum grünen Talwinkel, wie Sussik mir geraten hatte, um hier die größte Tageshitze abzuwarten. – Es war jetzt drei Uhr. Vor sechs konnte ich nicht aufbrechen. Ich hatte in der Nubischen Wüste noch keinen so glutheißen Tag erlebt, abgesehen von den Stunden jenes Nuba-Sturmes, der uns in die Grabhütten gescheucht hatte.
Ich lag auf meiner Decke, rauchte und bedauerte nur eins: Daß ich Wrangel nicht bei mir hatte! Wäre er damals bei mir gewesen, würde ich zweifellos unsere Oase nicht wiedergesehen haben. Ich hatte von den Menschen wieder einmal genug, übergenug! Ich wäre mit Wrangel auf und davon geritten, wahrscheinlich nach Südost, – und dann hätte ich nach Wochen vielleicht die abessinischen Hochlande erreicht, längst das Ziel meiner Sehnsucht . . .
. . . Dann war ich doch wohl infolge der Hitze eingenickt, aber meine geschärften Sinne witterten Fremdes in der Nähe, – ich fuhr hoch, – – vor mir stand die zierliche Gussy Gollan in einem gelblichen Reitanzug mit weichen hohen Ledergamaschen, riesigem Strohhut mit Nackenschleier, Reitgerte unterm Arm, am Gürtel zwei Pistolen und ein breites Jagdmesser mit bunter Lederscheide, – gepflegt die ganze Erscheinung, pikant das frische Bubengesicht, ein Lächeln um die halb geöffneten Lippen . . .
»Starren Sie mich doch nicht so entgeistert an, Olaf!«
Sie kam näher, streckte mir die Hand hin . . .
»Ich freue mich, Sie . . . lieber Mensch! Wirklich!«
Ohne weiteres setzte sie sich dicht neben mich und blinzelte mich übermütig an . . .
»Sehr galant sind Sie gerade nicht . . . Bisher haben Sie kein Wort geäußert . . . Und um Ihretwegen habe ich mich so in Dreß geworfen, denn . . . mein Kimono genügt hier . . . Ich wohne hier nämlich, Olaf . . .«
»Wo?!« – Ich hatte mich jetzt leidlich gefaßt.
»Da drüben in den Felsen . . . Da gibt es ein Loch . . . Höhle nennt man so etwas. Dieses Ekel von Darß wollte mich ja nicht mitnehmen, und er hat doch die Expedition finanziert, er ist gar nicht Filmoperateur, – Börsenmakler ist er und sehr reich und, Gott sei's geklagt, mein Onkel noch dazu . . . Aber so reden Sie doch irgend etwas, Olaf . . . Freuen Sie sich denn so gar nicht, daß ich noch lebe?!«
»Ja . . . Natürlich – sehr, – nur – dieses Wiedersehen kam zu unerwartet, kleine Feindin! – Wo stecken denn Ihre Begleiter?«
»Ach – die suchen nach der Oase, Olaf . . .«
»Also – nach Gold!« – und ich prüfte ihren Gesichtsausdruck. – Ihre lustigen Spitzbubenaugen wichen nicht aus.
»Ja – nach Gold – ekelhaft!! Ich habe die Geschichte längst satt, Olaf . . . Seit jener Szene zwischen uns beiden, Sie wissen . . . Ich schäme mich noch heute deswegen . . .«
»Und – wie fanden Sie sich damals zu der Expedition zurück?«
»Kleinigkeit, – Howard Houston holte mich mit dem Eindecker . . . Wir haben doch auch ein kleines Sportflugzeug mit, denn die Oase soll fast unzugänglich sein . . . Genaues weiß ich nicht. Darß und Houston tun so furchtbar geheimnisvoll . . . – Kommen Sie mit, Olaf . . . In der Höhle ist es kühler . . .«
Sie hatte sich leicht an mich gelehnt . . . Ich verstand die Sprache ihrer Augen, – mit einem Male nahm sie meinen Kopf in ihre Hände und küßte mich . . .
»Du, ich habe mir es schon immer gewünscht, einem wirklichen Manne zu begegnen, du . . .! Die Gentlemen da in London – Gott behüte!! Die denken, sie seien Männer, wenn sie Sport treiben und ähnlichen Unfug . . .«
Sie gab meinen Kopf frei, sie errötete leicht . . . »Nun wirst du mich sicherlich für eine ganz leichte Fliege halten . . .« Sie senkte den Blick . . . »Du würdest mir unrecht tun . . . Ich . . . habe dich lieb . . .«
»Kleines dummes Mädel . . .!« – ich nahm ihre Hand . . . »Flackerfeuer, Gussy . . . Liebe?! – – Doch jetzt, verzeih schon, – ich muß aufbrechen. Wenn Darß und Houston in die Oase eindringen wollen, wird es blutige Köpfe geben . . . Und das ist die Sache nicht wert. Alle, die diesem Phantom Gold hier nachjagen, werden enttäuscht werden . . .«
»Bleibe – bleibe bei mir . . .« – sie schmiegte sich an mich . . . »Olaf, was kümmert es uns, daß eine Anzahl Narren ein paar Schüsse wechseln!! Darß ist feige, der gehört auf seinen Kontorbock, und Houston – – erst recht ein Waschlappen . . .! Bleib, Olaf . . .! Es ist hier so schön . . . so still. Ich verstehe dich jetzt: Die große weite Einsamkeit schenkt uns mehr als der Trubel der Großstädte. Ich bin nur ein kleines Tippmädel im Büro des Ekel-Onkels, ich bin Waise, ich war gedankenlos genug, mich zu dieser Komödie herzugeben, – ich habe Hollywood nie gesehen – – und gefilmt . . . ich?!« Sie lachte harmlos . . . Sie war überhaupt ein lieber Fratz, ein so ganz, ganz anderer Typ von Weib . . . Keine Spur sentimental, herzerquickend ehrlich, und doch nicht aufdringlich. Es lag so viel zarte Schalkhaftigkeit in ihrer ganzen Art, daß man sie gern haben mußte. Um so verwerflicher war es von diesen goldhungrigen Spekulanten, sie mit in dieses unsaubere Unternehmen hineinzuziehen.
»Olaf, und wenn es nur Flackerfeuer wäre, – ist nicht auch ein Feuerwerk schön?! Mehr als Flackerfeuer dürfte es ja nicht sein, – du – – als Ehemann!!« Sie lachte hell auf . . . »Ich kann mir Olaf nur so vorstellen, wie ich dich kennenlernte – als wilden Reiter, als tollen Draufgänger, als . . . Mann mit Herz trotzdem!«
Ich sprang auf und zog sie mit hoch.
»Dummes liebes Mädel, – entweder begleitest du mich, oder ich reite allein . . . Ich kann nicht bleiben. Und alles andere, Gussy . . . das schenke einmal einem so frischen fröhlichen Menschen von deinem Schlage!«
Ich hielt ihre Hände. Ich wollte sie nicht verletzen, ich wollte dieser schwülen Szene ein Ende machen.
Sie hob langsam den Blick und schaute mich traurig an.
»Du . . .. liebst eine . . . andere . . .!«
»Nein, – aber ich bin allzeit ein leidlich anständiger Kerl gewesen, der den Augenblicksrausch nicht ausnutzt – Kommst du mit?«
»Und ob!!«
Sie zog mich über Geröll und Felsen hinter einen dichten Busch, der ein Loch in der Talwand verdeckte . . . Lachend zeigte sie mir ihre Höhlenwohnung . . . »Da, man hat mich gut verproviantiert . . . Da – ein Kocher für Hartspiritus . . . Da das Klappbett, richtiges Tropenbett . . .«
»Und seit wann bist du hier?« fragte ich gespannt.
»Seit heute früh vor Sonnenaufgang . . . Die anderen zogen weiter. Dann kam ein schrecklicher Sturm und . . . ein großer Trupp Bischarin . . . Zum Glück blieben sie dort unten bei den Grabhäuschen. Was sie dort taten, war nicht zu erkennen, aber nachher jagten sie mit ihren weißen Dromedaren trotz des Sturmes wie die Teufel davon . . . Die ganze Luft war voller Staub, Olaf. Und die Hitze . . . – aber Angst habe ich doch nicht gehabt. Mir tut niemand etwas.«
»Sahst du bei den Bischarin vielleicht eine Frau? Lord Cordy hat seine Gattin angeblich drüben in den Gräbern eingesperrt . . . Cordy ist Cord, der euren Leitbullen stahl. Sahst du eine Frau?«
»Ja . . . ja . . .! Bestimmt, Olaf . . . Einer der Bischarin hatte sie im Sattel, aber ich glaubte, es wäre eine Eingeborene – – Was ist es mit Lady Cordy? Ihr Mann war jener Cord?!«
»Später . . . – beeilen wir uns, – wirst du im Dromedarsattel reiten können?«
»Ich kann alles, Olaf, besonders, wenn du dabei bist . . .!«
Die Nacht, hell und still, umschmeichelte uns mit ihrem geheimnisvollen Zauber.
»Durch dich lernt man erst die Schönheiten eines Landschaftsbildes richtig sehen«, meinte Gussy so munter, wie man es nach diesem Ritt, der für sie eine unerhörte Anstrengung bedeutete, nur verlangen konnte. Dann befühlte sie verstohlen ihren zierlichen Körper und seufzte. »Mir tut eigentlich alles weh, aber das schadet nichts.«
Sie gefiel mir immer mehr. In diesem Püppchen steckten Leben, Temperament und . . . der Hunger nach etwas Besserem als ein wohlfrisierter Bubikopf, kurzen Röckchen, Seidenstrümpfchen und gepuderten Wangen.
Nachher saßen wir auf dem Schieferbalken und rauchten und schwatzten. Die Dromedare ruhten neben uns, bewegten mahlend die Unterkiefer und rochen nicht angenehm. Es ist eigentümlich, daß ihr persönliches Parfüm nachts so viel intensiver ist.
Wir saßen so, daß wir das Tal in seiner ganzen Länge nach Süden zu vor uns hatten. In der Mitte der weiten Senkung lag die eigentliche Oase. Nach links zu standen wie schwarze Kulissen hohe, schmale Schieferfelsen, einem Zaun auch vergleichbar, der einen Einschnitt in der Talwand gegen Sandwehen schützte.
»Olaf!!«
Gussys ausgestreckter Arm deutete auf die dunklen Kulissen.
Ihr schreckvoller leiser Ausruf war begründet.
Wie ein Geistertrupp ritten drüben, als Hintergrund den Schieferzaun, immer zu zweien ein langer Zug Bischarin in das Tal hinab, – weiß die prachtvollen Dromedare, hell die baumwollenen Sommergewänder, – – im Schritt ritten sie, lautlos, mit selbstverständlicher Sicherheit der Bewegungen, vorn über den hohen Sätteln die Lanzen und Gewehre . . .
Ich zählte achtzig Krieger.
Sie machten nicht halt, durchquerten nur das Tal, näherten sich uns und wollten wohl die sandige Ostwand wieder empor. Aber der Zug stockte. Vor dem Zuge ritten drei einzelne Reiter nebeneinander, der mittlere dieser drei trug keine Waffen und nicht die Bischarinfrisur, sondern eine Art Turban mit Nackenschleier.
Das Licht war zu gering, die Entfernung zu groß, Gesichtszüge zu unterscheiden. Der unbewaffnete Reiter deutete auf den Boden . . . auf meine frischen Spuren vom Wasserholen. Da glitt der Bischarin rechts von ihm aus dem Sattel, – und die blitzschnellen, gewandten Bewegungen kannte ich: Es war Sussik!
Ich flüsterte dem Mädel beruhigend zu, daß keine Gefahr vorhanden.
Sussik schritt auf meiner Fährte entlang, blieb unterhalb unseres Balkons stehen und schaute empor.
»Mr. Abelsen – – hallo?!«
Gleich darauf reichte mir Lady Jane die Hand.
»Ich danke Ihnen . . . Sie waren besorgt um mich, – ich danke Ihnen.«
Ihr Gesicht war noch steinerner, verhärmter als vordem.
Für Gussy hatte sie nur ein Neigen des Kopfes.
Ein paar Bischarin sattelten unsere Tiere, – es ging weiter, Lady Jane winkte mich neben sich, fünf Krieger trabten als Vorhut voraus, – hinter uns ritten Gussy, Sussik und der Häuptling.
»Bitte berichten Sie, Mr. Abelsen . . .«
Die Frau war wie erstarrt. Sie blickte mir nie ins Gesicht, die Augen erschienen mir leer und ohne Leben.
Sie unterbrach mich durch keine Zwischenfrage. Ich sprach laut, denn wir flogen über die Sandsteppe dahin wie getrieben von bösen Ahnungen. – Ich nannte ihren Gatten immer nur Cordy – wie einen ihr völlig Fernstehenden.
Dann, als mein Bericht beendet, kam ein unsäglich bitteres Auflachen über ihre Lippen . . .:
»Gold!!«
Nichts weiter. – Eine beklemmende Pause folgte.
Hinter uns klapperten die Hufe des langen Zuges, klirrten Waffen, knarrten die Sättel . . . Hin und wieder schrie ein Dromedarhengst schrill auf.
Wir bogen in ein neues Tal ein, jenseits eine steinige Ebene, und drüben in der Ferne wie die verschleierten Konturen eines Gebirges die Sanddünen, die unsere Oase einkreisten.
Lady Jane begann unvermittelt, – wir ritten des Gerölls wegen Schritt.
»Ich bin Ihnen einige Erklärungen schuldig. Ich heiratete sehr jung, ich war Waise, sehr reich. Der Mann, den ich liebte, zerbrach mein Leben, vergeudete mein Geld in den Luxusbädern und Spielhöllen mit Dirnen und kam nicht einmal zum Begräbnis unseres einzigen Kindes nach England. – Neun Jahre hatte ich all das ertragen, mit dem Tode meines Kindes und mit dem Verlust der Reste meines Vermögens begann für mich der neue Lebensabschnitt. Ich stellte mich der Mission zur Verfügung, ich wurde nach dem Sudan geschickt, ich lebte dann viele Jahre unter den Bischarin – nicht als Missionarin, nein, denn ich hatte sehr bald erkannt, daß man jedem Volke, jeder Farbe ihren Glauben lassen soll. Phantastische Gerüchte tauchten über mich auf, – man behauptete, alle Stämme der Bischarin hätten mich als Königin anerkannt . . . Ich bin den Bischarin in Wahrheit nichts als Beraterin, Freundin. Ich genieße hohes Ansehen unter ihnen, sie sind mir blind ergeben. – Zuweilen reiste ich in aller Stille nach Kairo. So vor einem halben Jahre auch. Dort sah ich den Mann wieder, der mich zertreten hatte. Er war gealtert, verwüstet, fast nur noch ein Wrack. Er sprach mich an, er war gleißnerisch freundlich, – ich merkte, daß er mich aushorchen wollte . . . Ich wußte, daß er und sein Vater an der Nubischen Goldminen-Aktiengesellschaft stark beteiligt gewesen, daß eine Expedition, die eine gewisse Oase hier suchen sollte, verschollen war . . . Das ist Ihnen bekannt, Abelsen. – Ich trennte mich von ihm mit der Überzeugung, daß er jetzt vom Goldfieber besessen war. Ich ließ ihn in Kairo überwachen, und als gewisse Anzeichen darauf hindeuteten, daß er seine Pläne durch ein Verbrechen zu verwirklichen suchte, kam ich abermals mit einigen Bischarin in die Nähe von Kairo. – Wir trafen uns im Wadi Arabah, Abelsen, – halb als Gegner. Ich war hinter Cordy drein, ich konnte nicht verhindern, daß er Wera Zubanoff entführte, daß er Sie erschießen lassen wollte durch einen gedungenen Mörder. Nicht er feuerte bei St. Antonius auf Sie . . . Der Mordbube ist tot. – Aber ich blieb auf Cordys Spur, er zog kreuz und quer durch das Land, mich abzuschütteln. Im Tale der Gräber, in der Totenstadt der Begas, legte er uns einen Hinterhalt, erschoß acht meiner Bischarin und . . . wollte mich verhungern lassen, weil ich ihm nichts über die Oase verriet, die ich besser kenne als jeder andere . . .«
Sie hatte ohne jede Erregung gesprochen. Sie war innerlich erfroren. Dieses Scheusal von Cordy hatte sie in Wahrheit zertreten – ein Mann, der aus Goldgier die Mutter seines Kindes, immer noch sein Weib, dem Hungertode in der Grabkammer überantwortete!!
Sie schwieg. Für sie war das alles abgetan.
Ich wagte kaum zu fragen . . .
»Mylady, woher hatte Cordy den einen Goldbarren?«
»Aus der Oase . . . gefunden dort – in dem Stollen, nur den einen Barren. Er war schon früher einmal dort.« Sie sagte das sehr bedächtig, sehr zurückhaltend. – Sie sagte sicherlich nicht alles.
»Und der Zettel, den jener Houston-Fattmoore vor dem schrecklichen Ende der Expedition noch durch einen Boten wegschickte . . .?« meinte ich lediglich mit dem mäßigen Interesse, alles zu klären, auch dies.
Jetzt schaute sie mich an. In ihrem Blick war ein offenes Prüfen, ein Abtaxieren meiner Persönlichkeit. Und deshalb fügte ich hinzu:
»Mir liegt nichts an Gold oder sonstigen Werten, Mylady . . .!«
Sie nickte. »Ich weiß . . . ich glaube Ihnen. – Fragen Sie nichts mehr, Abelsen. Es ist besser so . . . Schon mancher, der sich für seelisch stark gewappnet hielt, ist beim Anblick des elenden Goldes, das vielleicht irgendwo zu Millionen und Abermillionen aufgehäuft liegt, schwach geworden.«
»Mag sein . . . – ich nicht! Ich kenne eine Stätte, Mylady, einen Eisdom, in dem vielleicht weit mehr Schätze ruhen, als je hier in Nubien gefunden worden sind. Ich hätte damals . . . reich werden können, was so die Menschen reich nennen, – es hätte mich ein Wort gekostet, und mein Freund, Erbe dieser Schätze, hätte mich reich gemacht. Mein Freund war nur ein armer indianischer Fischer und Jäger . . . Er ist tot.«
Lady Jane streckte mir die Hand hin . . . Plötzlich war ihr Ton warm und voller Güte.
»Sie betrauern ihn noch, Abelsen . . .«
»Ich werde ihn nie vergessen!«
»Dann – sind Sie . . . reich! Wer in seiner Erinnerung diesen Schatz unvergänglicher Freundschaft bewahrt, kann nie arm werden . . . wie ich! In meiner Seele ist kein solches Fundament, kein Denkmal für Treue, – – nur vielleicht das eine: Dankbarkeit gegenüber meinen Bischarin! – Ja . . . ich bin sehr . . . arm . . .« – und dann trieb sie ihr Tier an und jagte weit voraus. Sie wollte allein sein.
Das Mädel und Sussik hatten nur darauf gewartet, wieder neben mich zu kommen. Gussy Gollan, durch die Gegenwart der Bischarin zu der fremdklingenden Anrede gezwungen, fragte in harmloser Neugier: »Mr. Abelsen, – nun, wie steht es mit dem Golde?!« Es klang etwas spöttisch, aber der Spott galt dem edlen Metall. »Werden die Elefanten zum Abtransport reichen, wird Onkel-Ekel-Darß die Unkosten herausschlagen?!«
Sie lachte kichernd, und ihr Lachen verwischte die trüben Eindrücke von vorhin. Sie war jung, sie war sprühendes Leben, das der Zukunft entgegenjauchzte . . .
»Geschlagen wird sicherlich irgend etwas, irgendwer«, erwiderte ich leichten Herzens. »Aber – etwas herausschlagen, Miß Gollan, – nein, das glaube ich niemals!«
Vor uns senkte sich die Hochebene, stieg wieder an. Hier wußte ich Bescheid, hier hatte ich mit Sussik gejagt, hier hausten in Felsklüften zahllose Tiere, an sandigen Stellen sah man die Spuren der Fenneks wie die Fährten einer Hammelherde.
Ich flechte dies hier nicht ohne Grund ein, denn bei dem damaligen Nachtritt mit Jane Cordy als finsterer Führerin war es eine Schar von etwa zwanzig spitzschnäuzigen Wölfen, die genau an der Stelle aus einer Schlucht hervorbrach, die wir als Durchgang von den Dünenbergen zur offenen Wüste zu benutzen pflegten.
Hinter den Dibs aber – und das war das Wichtige – kamen drei graue Kolosse daher, ebenfalls wie in panikartigem Schreck blindlings dahinrasend, – hinter den Elefanten mehrere Reiter, Hunde, – wieder Reiter . . .
Wir hielten. Nur wir . . . Die Bischarin waren auseinandergespritzt, bildeten eine lange Kette, jagten weiter . . .
Dann – aus der Schlucht ein neuer Trupp, helle Dromedare, helle Mäntel . . .: Bischarin!!
Nun erst begriff ich alles, Lady Jane hatte auch von der »Filmexpedition« längst Kenntnis gehabt . . . Dies hier war eine gut vorbereitete, genau auf die Minute fast klappende Einkreisung!
Das Bild vor uns entwickelte sich genau so, wie ich es erwartet hatte.
Sussik war auch verschwunden . . .
»Da ist der Onkel-Ekel-Darß!« rief Gussy schrill und packte meinen rechten Arm. »Ach Olaf, sie werden sie töten . . .! Da – – die Elefanten brechen durch . . . Wenn sie nur nicht schießen würden!!«
»Wer – die Elefanten?! – Mädel, wenn du die deinen meinst: sie werden sich hüten! Sie stoppen schon, ballen sich zusammen . . . Da ist auch der lange Howard Houston . . .«
Arme Filmpiraten . . .! Sie hatten gänzlich den Kopf verloren . . . Der Kreis der Bischarin schloß sich enger und enger . . .
»Vorwärts, Gussy, – ich will dabei sein!«
Wir kamen gerade noch zurecht. Lady Jane hielt hoch zu Dromedar vor den beiden Goldsuchern Darß und Houston . . .
Lady Jane sprach nicht viel.
»Was suchen Sie hier?!«
Howard Houston-Fattmoore, jüngster von drei Brüdern, letzter von drei Brüdern, rief sichtlich erleichtert:
»Lady Cordy, – – Sie sind's?! Gott sei Dank!«
»Was suchen Sie hier?!« – ihre Stimme lehnte jede Bekanntschaft mit Houston scharf ab. »Gold – nicht wahr?! Und die Erlaubnis der Regierung für diese . . . Filmexpedition haben Sie sich erschlichen. Ich gebe Ihnen den einen guten Rat, – verschwinden Sie! Fangen Sie Ihre Elefanten wieder ein, wenden Sie sich westwärts dem Nile zu . . . Ist nach zwölf Stunden noch ein einziger von Ihnen hier in der Nähe, dann . . .« – sie wies auf den Kreis der hellen Reiter – »stehe ich für nichts ein!«
Sie riß ihr Tier herum, – Houston wollte noch irgend etwas vorbringen, – sie ritt der Schlucht zu, und die Bischarin, nun an die hundertfünfzig Krieger, schlossen sich zur langen Doppelreihe zusammen.
Ich blieb noch, Gussys wegen.
Houston, bleich, verstört, wischte sich den Schweiß von der Stirn . . . Der kleine Darß mit dem Rattengesicht aber begann zu zetern . . .
»Sie rissen zuerst aus, Sie Feigling!! Wir hätten diese Kerle zusammenschießen können, wir hatten . . .«
Was die beiden Kompagnons sich an Liebenswürdigkeiten zu sagen wußten, erregte Gussys Heiterkeit. Ihr übermütiges Lachen brachte die beiden Narren zum Schweigen . . .
»Ihr seid mir Helden!! Männer wollt ihr sein?! Jämmerlinge seid ihr! Von Gold – keine Rede!! Ihr habt euch narren lassen! Wenn ich euch einen guten Rat geben darf: Ihr habt ja Aufnahmeapparate mit . . . Photographiert hier, was ihr irgend könnt! Vielleicht lohnt es! Filmt euch selbst mit eurem farbigen Gesindel . . .! Als Titel: Nubisches Gold, – – Untertitel: Eine aufgelegte Pleite!! – Mich seht ihr nicht wieder! Ich habe genug von euch . . .!«
Das hatte ich allerdings nicht erwartet! Was sollte aus Gussy werden?! Etwa . . . meine Gefährtin?!
Sie trabte davon, – ich mußte hinterdrein . . . Ich fing gerade noch einen niederträchtigen Zuruf des Börsenschiebers auf . . . – Dann war ich neben diesem voreiligen, unberechenbaren Mädel. – »Gussy, – wie denkst du dir deine Zukunft?! Du sagtest, du hättest keine Angehörigen mehr außer Darß . . .«
Sie blickte mich übermütig an. »Ich habe dich, Olaf! Du wirst mich nicht wegschicken . . . nein, du . . . nicht!!«
Ein Glück, daß wir die letzten Bischarin erreicht hatten, – der allerletzte war Freund Sussik, und seine schwarzen Augen betrachteten Gussy nicht eben freundlich.
Wir waren in den Sanddünen, in Tälern, in denen die Dromedarhufe versanken . . . Die Tiere keuchten vor Anstrengung, langsam wand sich der lange Zug durch dieses Gebirge von Pulverstaub . . . Es waren Täler, die mir neu, – wir ritten gen Norden, bogen scharf nach Osten ab . . . Vor uns an einer Dünenwand Zelte, Kisten, ein paar erschossene Hunde, zwei tote Maultiere, – als Wächter dabei fünf Bischarin, reglos wie Statuen.
Es war Houstons verlassenes Lager. Es sah wüst aus. Vor den Zelten qualmten noch Feuer. Es stank nach verbranntem Essen, nach kohlendem Fleisch, nach Blut, Unrat. Waffen lagen umhergestreut, Pferdesättel, Maultiersättel: Es war das Bild der Panik. – Weiter hinten standen, lächerlich anzusehen, die veralteten Geschütze, Filmrequisiten nur, und Teile des Sporteindeckers.
All das war nur Bild und glitt an meinem Bewußtsein ohne Eindruck vorüber.
Lady Jane hielt fünfzig Meter weiter, wo die Düne sehr steil abfiel. Durch die Milliarden von Körnchen Sand drängten sich Mauerreste, scheinbar hell gekalkt, daher wenig auffällig, – überall auch nur winzige Zacken, die sofort verschwinden mußten, sobald man nur einen Stein emporwarf und den losen Sand ins Gleiten brachte. Dieser Sand in diesen Dünen kannte auch genau genommen keine Ruhelage. Selbst an Tagen, wo sich kein Lüftchen regte, rieselte es hier überall unmerklich. Verhielt man sich ganz still und horchte scharf, so vernahm man ein ganz feines Klingen von all den rollenden, ruhelosen winzigen Körnchen. – In der algerischen Sahara hat man ähnliche Sandberge »singende Dünen« getauft.
Irgend etwas Unnennbares zog mich nach der Stelle hin, wo Lady Jane jetzt ihr Tier hatte niederknien lassen und abgestiegen war. Mit jedem Schritt enthüllte sich mir das Geheimnis dieses Tales mehr und mehr. – Es war verschüttetes Mauerwerk. Wo Lady Jane stand, war ein hoher Torbogen, der Eingang zum Stollen. In diesem gewölbten Tore, flankiert von zwei grob ausgehauenen Isisstatuen, lag etwas unter einer braunen Decke – ein Mensch.
Die Frau, die in der Gräberstadt hatte verhungern sollen, bückte sich und zog die Decke mit einem Ruck weg. An ihrer leisen Kopfbewegung sah ich, daß der Anblick sie enttäuschte.
Es war nicht Cordy.
Gupa war es . . .
Gupa lag auf dem Rücken . . . Sein entstelltes Gesicht (die Verwesung hatte schon begonnen) war von einem schwarzen Streifen durchquert – von der Stirn bis zum Kinn: Angetrocknetes Blut.
Stirnschuß.
Ich atmete schwer. Wieder hatte ich einen Kameraden hingeben müssen, der mir viele, viele Monate Weggefährte gewesen, treu, anhänglich, voller Hingabe, – wenn auch nicht Freund. Zwischen uns hatte jener Zusammenklang der Seelen gefehlt, der der Kameradschaft erst die höhere Weihe gibt. –
Gupa mußte mindestens schon zehn Stunden tot sein. Wahrscheinlich noch länger. Da Houston aber mit seinem Troß erst abends hier angelangt sein konnte, kam keiner von ihnen als Täter in Frage. Gupa hätte sich von diesen Jämmerlingen auch niemals niederknallen lassen.
Jane Cordys Blick suchte fragend den meinen. Sie erkannte Gupa nicht. Der Tod hatte das Golemgesicht zu sehr verändert.
»Es ist der Mongole, Gupa, Mylady.«
»Dann – ist Cordy entflohen«, sagte sie leise, aber diese gedämpfte Stimme ließ meine Nerven schwingen.
». . . Wieder entflohen!!« – noch leiser dies.
Über uns beiden und dem Toten ruhte es wie das fiebernde Dunkel unausgesprochener Fragen.
»Eine Laterne!« rief Jane Cordy dem abseits stehenden Sussik zu, der mich fassungslos anstarrte. Er hatte Gupa erkannt.
Die Karbidlaterne nahm ich, die Frau mit dem vergrämten, versteinerten Gesicht, Sussik und auch Gussy folgten. – Das Tor hatte zwei nach unten aufgeklappte Türen aus demselben Holz, das man in allen uralten Grabstätten Ägyptens findet. Die Türflügel zeigten reiche Schnitzerei, eine Auflage von Harz und Wachs und ein kompliziertes großes Kunstschloß. – Man hatte einst in den Gräberfeldern von Theben (Ägypten) ein sonderbares Instrument aus Metall gefunden, das man lange Zeit für ein eigenartiges Szepter hielt. Erst ein Zufall brachte in Nubien unter Sandhügeln einen Tempel zum Vorschein, und die tadellos erhaltene Pforte hatte ein Kunstschloß, zu dem jenes »Szepter« paßte. Es war ein Schlüssel. – Dieses Schloß hier bewies mir auf den ersten Blick, wie hochentwickelt die technischen Kenntnisse der alten Ägypter gewesen waren. Das System von Riegeln, das die innen gepanzerte Tür versperrte, hätte für jeden modernen Tresor genügt.
Der Gang war drei Meter hoch, drei Meter breit, aus Nilschlammziegeln gemauert und mit denselben grünlichbraunen Platten ausgelegt. Er verlief zunächst zweihundert Meter in sanftem Bogen nach Süden und bog dann nach Westen ab. Ich zählte die Schritte, die Gesamtlänge mochte achthundert Meter betragen. Kurz vor dem Ausgang erweiterte er sich zu einer Halle mit vielen Nischen, in denen wohlerhaltene, kistenförmige Särge standen.
Scheinbar hatte der Gang hier ein Ende. Ich blickte mich suchend um, Lady nahm mir die Laterne schweigend ab, kein Wort war zwischen uns bisher gewechselt worden.
Die hagere Frau mit der stolzen Kopfhaltung beleuchtete eine Ecke der Mauer, und der kalte Lichtschein traf auf dicke blanke Metallstäbe, Räder, Ketten, Haken, schwere Gewichte.
In demselben Augenblick bewegte sich einer der Stäbe, schob sich vor, und er, nur der eine, wurde zum Büchsenlauf. Eine knarrende Stimme brüllte dazu drohend irgendeine Unliebenswürdigkeit durch die frisch gehauene Schießscharte.
»Tübbicke, ich bin's!!« – und der Lauf verschwand.
Ich wartete.
Wir warteten . . . Lady Jane und Sussik wußten, was geschehen würde.
Ein Viereck der Mauer schwang, nachdem die Gewichte, die Stangen, die Räder sich eine Weile bewegt hatten, nach innen – – ganz langsam, lautlos fast, nur mit geringem Knirschen, fast feierlich, wie es sich für ehrwürdige Dinge aus der Urzeit Ägyptens geziemt.
Es war ein sehr großes Viereck, und an der Außenseite dieser mächtigen Tür hafteten als Teile des Mauerwerks verwittertes Gestein, Grasbüschel, Mauerbrocken, ein grüner Strauch: Also ein Stück der Mauer der Oase!
In der Tür stand Tübbicke, neben ihm der Hund . . .
Wrangel heulte auf, war mit einem Satz bei mir, sprang an mir hoch, winselte, drehte sich vor Freude um sich selbst wie ein Kreisel. Ich hatte Mühe, ihn zu beruhigen, er forderte erst sein Teil Zärtlichkeit.
Freund A. A. A. verneigte sich vor Jane Cordy. Er war etwas verlegen . . .
»Mylady . . . er . . . er ist entflohen . . .« sagte er und vermied das Wort »Ihr Gatte«.
». . . Mylady, es ist uns unbegreiflich, wie er entfliehen konnte . . . Er scheint seine Fesseln an einem Nagel der Kiste durchgerieben zu haben.«
Sie, die Frau, die ein Schurke zertreten hatte, nickte nur, schritt weiter in die Oase hinein und verschwand unter den Büschen und Palmen.
Im Osten zeigte sich der erste helle Schimmer des heraufziehenden Tages.
Tübbicke drückte mir und Sussik die Hand . . . Für Gussy hatte er nur einen erstaunten Blick.
»Habt ihr Gupa gefunden?« Seine Stimme war erfüllt von Schmerz. »Ich habe die Leiche liegen lassen müssen . . . Die . . . Filmexpedition rückte an . . . Gestern nachmittag gegen sechs Uhr geschah es . . . Gupa verfolgte Cordy, Cordy erschoß ihn, ich mußte umkehren . . . – Wera bewacht die Dünentreppe. Mac ist bei ihr, Cudderson schläft noch. Er hatte vorhin die Wache . . .«
Er warf einen noch scheeleren Blick auf Gussy Gollan.
». . . Die . . . Kerle, der Houston mit seiner Bande wollte natürlich hier herein . . . Wir haben ein paar niedergeknallt, der kleine Mac trifft tadellos . . .«
Ich überschaute zerstreut das grüne Paradies.
Menschengier hatte es entweiht . . .
Wrangel rieb seine Schnauze an meinem Schenkel und zwang mich in die Gegenwart zurück. Ich fühlte einen fragenden, unsicheren, bittenden Blick, ich hatte Gussy ganz vergessen, und sie befand sich hier wie unter Feinden, sie gehörte mit zu denen da draußen in der Wüste, die nun nach ihren Elefanten suchten und dann zu ihrem Lager scheu und ängstlich zurückkehren, schleunigst packen und abziehen würden . . .
»Tübbicke«, sagte ich sehr laut. »Miß Gollan hat sich von der . . . Bande getrennt, sie gehört jetzt zu uns, und ich bitte dies zu berücksichtigen . . .!«
Freund Adolar hatte das Herz und die Ohren auf dem rechten Fleck. »Kommen Sie, Kind, Sie sehen sehr erschöpft aus . . . In meinem Zelt ist Platz genug . . . Kommen Sie nur, Sie sollen es gut haben . . .«
Gussy hatte auch das Herz auf dem rechten Fleck. Sie sah sich geborgen, sie lächelte schon wieder. »Zu Ihnen muß man Vertrauen haben, Mr. Tübbicke . . .! Ich . . . ich möchte nur bitten, daß zwei der Kisten draußen, die mit meinen Anfangsbuchstaben gezeichnet sind und meine persönlichen Sachen enthalten, hier in die Oase geschafft werden.«
»Wird gemacht, Kind . . . Das besorgt Sussik schon und Olaf . . .« Er flüsterte mir dann zu: »Denkt an Gupa!« – nahm das Mädel unter den Arm und führte sie nach den Zelten.
Sussik und ich fanden draußen im Dünental nur noch etwa vierzig Bischarin vor. Mir kam sofort der Gedanke, daß die Hauptmasse der Nomaden die Verfolgung Cordys aufgenommen habe. Aber – wer hatte dies befohlen?! Lady Jane hatte mit ihren Bischarin vorhin kein Wort gewechselt, als wir Gupa fanden und doch erst vermuteten, Cordy sei entwichen! – Ich überließ es Sussik, durch ein paar Bischarin die beiden Kisten heraussuchen zu lassen. Ein anderer half mir, Gupas Leiche in die Decke zu hüllen und begleitete mich auch bis zum Ausgang des Stollens, weigerte sich jedoch durch Zeichen, die Oase zu betreten. Er tat es mit solcher Entschiedenheit, daß auch dies eine besondere Bewandtnis haben mußte. So trug ich denn den toten Kameraden in meinen Armen allein bis zu einer sandigen Stelle im äußeren Palmenring, die für alle Ewigkeit Gupas letzte Ruhestätte werden sollte.