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9. Kapitel

Das Geständnis ...

Savigli war außerordentlich überrascht gewesen, als er den angeblichen Impresario Gulliver Smith gegen alles Erwarten nochmals in seinem Stammkaffee auftauchen und auf seinen Tisch zusteuern sah. Nachdem sie sich dann eine halbe Stunde über alle möglichen Dinge flüsternd unterhalten hatten, kam es Savigli sehr gelegen, daß ein Bekannter ihn abseits winkte.

»Entschuldigen Sie mich, Herr Smith ... Ein Kollege ...« und dieser Kollege gab ihm endlich die gewünschte Gelegenheit, heimlich in der Telefonzelle zu verschwinden.

Bei uns in der Arnoldstraße schnurrte der Apparat auf Haralds Schreibtisch gerade in dem Augenblick, als nun auch Fritz Menzel und ich uns über die straff gespannte Gummihaut des gefärbten Teufels beugten, auf der jetzt in blassem Rot klare Schriftzüge zu erkennen waren.

Peter Petersens Geständnis erschütterte uns beide genau so, wie es Harst zu einigen wichtigen Bemerkungen veranlaßt hatte.

*

Berlin, 2. Sept. 192 ...

Ich, Peter Petersen, einziges Kind des verstorbenen Reeders Georg Petersen, habe dieses elende Dasein jetzt endlich satt. Gewissensbisse werden mich zum Selbstmord treiben, falls nicht meine Mitschuldigen mir diesen letzten Entschluß von sich aus erleichtern oder ihm vorgreifen.

Heute ist es zwischen mir und meinen Verführern, denn ich bin ein Verführter, zu einer Aussprache gekommen, die die letzten Verbindungen zwischen uns zerriß. Wenn ich trotzdem diese Menschen schone, die mir fremder als fremd sind, so hat dies Gründe, die ich hier nicht anführen darf – – nicht darf, weil ich jemanden gleichzeitig preisgeben müßte, der, grauenvolle Tatsache, Anspruch auf jede, jede Rücksicht hat.

Ich bin von Kindheit an, obwohl Deutscher, in Haß gegen Deutschland aufgezogen worden. Man hat mir diesen Haß eingeimpft, man hat mein Kinderherz mit diesem Haß vergiftet ... Derselbe Haß machte mich vor achtzehn Jahren zum willfährigen Werkzeug von bösartigen Nichtstuern.

Ich gestehe hier, daß ich den Dampfer Triton, Kapitän Jochem Menzel, durch eine Höllenmaschine im Kanal vor achtzehn Jahren zum Sinken brachte und daß ich mit dabei half, die Goldbarren zu bergen und das Wrack zu sprengen.

Da ich mich innerlich längst von meinen Mitschuldigen losgesagt und mich von ihnen getrennt habe, schrieb ich mich hier in Berlin in der Pension Grotthus mit voller Absicht als »Milliardär« ein und mietete eine zweite Wohnung unter dem Namen Peters am Fehrbelliner Platz. In dieser Wohnung, die meine Mitschuldigen und jetzigen Verfolger bisher nicht aufgespürt haben, liegt der Ueberrest meines Beuteanteils von damals unter einem von mir hergestellten Versteck im Schlafzimmer. Außerdem habe ich für alle Fälle (also für den Fall, daß man mich beseitigt) in meinem Herrenzimmer dort über dem Schreibtisch genau dasselbe Geständnis wie dieses in derselben Art – als harmloses Spielzeug – angebracht und meine dortige Wirtin, eine feine alte Dame, gebeten, das Teufelchen mit einem versiegelten Brief der Polizei zu übergeben, falls ich vierzehn Tage lang nichts von mir hören ließe.

Ich betone nochmals, daß ich ein Opfer unseliger Verhältnisse geworden bin und meine Tat genau so bitter bereue wie meine spätere Beteiligung an den vielfachen Anschlägen, die meine Mitschuldigen aus Furcht gegen den Steuermann Fritz Menzel anzettelten.

Peter Petersen.

(Fehrbelliner Platz 19 bei Frau Geheimrat Köster.)

Harst hatte inzwischen mit Savigli telefoniert und dem Filmschauspieler die Weisung gegeben, den angeblichen Gulliver Smith in dem Kaffeehaus noch zurückzuhalten, nötigenfalls durch eine erdichtete Erzählung über unser Eingreifen und unsere Tätigkeit im Pensionat Grotthus.

Fritz Menzel, der bisher nicht so recht davon überzeugt gewesen, daß meines Freundes Schlußfolgerungen wortwörtlich stimmen könnten, da er bei seiner Charakterveranlagung einen solchen moralischen Tiefstand für undenkbar hielt, saß nun vollkommen verstört in seinem Sessel und murmelte nur immer wieder:

»Wie ist so etwas möglich?!, – – wie ist so etwas möglich!«

Harst hob den Hörer von neuem von der Gabel und rief das Polizeipräsidium an. Der Leiter der Kriminalabteilung versprach, sofort zu uns zu kommen und auch »Gulliver Smith« sofort in aller Stille verhaften zu lassen.

Gegen sieben Uhr erschien Oberregierungsrat Kloppmann, der nicht gerade zu unseren Gönnern gehörte, bei uns und brachte zwei seiner Kommissare mit.

Die Begrüßung fiel etwas sehr förmlich aus.

»Herr Harst, Ihre Andeutungen am Telefon, daß Peter Petersen absichtlich von einem Auto überfahren wurde«, erklärte er sofort, »kamen mir zuerst etwas unglaubwürdig vor. Inzwischen hatten wir jedoch den Toten nochmals durch unsere Aerzte genau untersuchen lassen, und diesen Bericht über den neuen Befund las ich gerade, als ihr Anruf erfolgte. Man hat nun in der Schläfenwunde Petersen Steinsplitterchen entdeckt, und diese sowie die Rippenbrüche haben meine Zweifel doch erheblich abgeschwächt.«

Harst reichte ihm schweigend das Brett mit dem straff gespannten Gummiteufel: Petersens Geständnis, das er bei sich getragen hatte, als die Elsens ihn für tot in sein Zimmer schafften.

Der Oberregierungsrat las, las nochmals. Sein Gesichtsausdruck wurde immer steinerner und drohender ...

»Herr Harst, – wer sind diese Mitschuldigen Petersens?«, rief er halb befehlend, »ich möchte die ganze Wahrheit wissen!«

»Die Mitschuldigen«, erwiderte mein Freund düsteren Tones, »sind Petersens Mutter und deren drei Neffen ...«

Der Beamte fuhr hoch. »Was sagen Sie da?! Das ist ja unmöglich ...! Eine geborene Gräfin Elsen und ...«

»Gestatten Sie, ich will Ihnen den ganzen Fall des seltsamen Milliardärs mit allen Einzelheilen schildern. Eingangs möchte ich bemerken, daß Peter Petersen sich im Pensionat Grotthus in bitterer Selbstironie und um seine Mitschuldigen zu ärgern, als »Milliardär« anmeldete ...«

Was er den gespannt lauschenden Herren der Polizei dann vortrug, kennt der Leser. Nur einige Sätze Harsts will ich hier wörtlich wiedergeben.

»... Der Hauptfehler der Elsens war der Diebstahl der Fotografien. Als Frau Menzel mir mittags erzählte, nachdem sie scharf nachgedacht hatte, wer alles auf den Gruppenbildern mit aufgenommen war, daß auf drei Fotos auch die Verwandten des Reedereibesitzers Georg Petersen, die ausländischen Verwandten, neben ihrem Manne und den Petersens zu sehen gewesen, da hatte ich die Bestätigung meines Argwohns erhalten. der in mir sofort aufgestiegen war, als ich mich mit Peter Petersens Eltern näher beschäftigte ... – Die zweite Unvorsichtigkeit dieser vornehmen Verbrecher war der Raub der Leiche Petersens aus der Friedhofskapelle, die dritte die Benutzung des Chauffeurs Svendsen als Spion ... – Wenn Sie Svendsen mitgebracht haben, lassen Sie ihn nachher vorführen ...«

Der Chef der Kriminalpolizei war jetzt sehr still geworden. Er saß da und strich sich nachdenklich über die Stirn.

»Gerade jetzt können wir eine politische Verstimmung mit jenem Staate, zu dessen Hochadel die Elsens gehören, wenig brauchen«, meinte er zögernd. »Ich darf in dieser Sache nichts ohne die höchsten Regierungsstellen unternehmen. Gewiß, das Beweismaterial, das Sie zusammengetragen haben, Herr Harst, ist einwandfrei überzeugend, das gebe ich zu. Aber ... nun, – – ich gebe Ihnen Nachricht, was die Regierung beschließt. Vorläufig besten Dank ...«


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