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5. Kapitel

Steuermann Menzel.

Harst blies das Ding prall auf. und da erst zeigte der gehörnte Teufel all seine groteske, abstoßende Häßlichkeit.

Mit kläglichem Winseln entwich die Luft, und das kleine Ungetüm schrumpfte wieder zum schlaffen bunten Beutel zusammen.

»Weshalb«, fragte Harst sehr leise, »mag wohl Peter Petersen, gebürtiger Hamburger, dieses Spielzeug mit letzter Kraft in den Spiralen des Sessels verborgen haben?«

»Vielleicht enthält das Gummiding einen Streifen Seidenpapier mit wichtigen Notizen«, erwiderte ich etwas zögernd.

Harst schüttelte den Kopf. »Da, befühle den Teufel ... Er ist leer ... Trotzdem kann deine Vermutung zutreffen, irgendeinen Wert muß das häßliche Spielzeug haben. Wir werden es daheim untersuchen. Jetzt wollen wir uns hier das Zimmer recht sorgfältig ansehen. Vielleicht finden wir noch etwas.«

Aber wir fanden nichts, gar nichts ...

Als wir den Zimmerschlüssel der Baronin abgegeben und nur noch Savigli gefragt hatten, wie denn Herr Gulliver Smith ausgesehen habe, verließen wir das Haus und blieben in der Nähe stehen. Harst kaufte eine Mittagszeitung und blätterte darin, zündete sich eine Zigarette an und übertrug mir die Aufgabe, ganz unauffällig nach Aufpassern mich umzutun. Er nahm an, das Haus würde dauernd beobachtet. Ich entdeckte keine verdächtige Gestalt, und nach einigen Minuten setzten wir unseren Weg fort, fanden eine leere Taxe und fuhren heim.

Harst klopfte mir im Auto nachsichtig auf die Schulter.

»Mein Alter, du hast nach Spionen dich umgeschaut, die da vielleicht als Müßiggänger sich Schaufensterauslagen ansahen. Aber die dunkle große Limousine hast du übersehen. Sie hatte Aehnlichkeit mit Herrn Holger Jörnsens seinem Auto, und wenn wir jetzt sofort, was eigentlich unsere Pflicht gewesen, zum Polizeipräsidium gefahren wären und Meldung erstattet hätten, würde der Fall Petersen wahrscheinlich durch die eilige Flucht der Schuldigen niemals geklärt oder gesühnt worden sein. Wir müssen also Holger Jörnsen gründlich zu täuschen suchen und ihm gegenüber die arglosen Durchschnittsdetektive spielen ...«

Daheim angelangt, mußte ich den Gummiteufel aufblasen und mit dem Rasiermesser an den Nahtstellen aufschneiden und flach mit der bunten Seite nach unten auf ein Brett spannen, wozu ich Reißzwecken benutzte.

Harst suchte im Fernsprechverzeichnis nach Fräulein Anna Jörnsens Telefonnummer und verlangte dann »Jannowitz 1813«.

»Hier Harst ... Könnte ich Fräulein Jörnsen sprechen? – So, – danke ... Ich werde dann also Ihren Bruder nach einer halben Stunde nochmals anrufen.«

Er legte den Hörer weg.

»Jörnsen ist nicht daheim, mein Alter ... Das war keine erschütternde Neuigkeit für uns ... Ich wette, er wird sich melden – in knapp zehn Minuten. Bis dahin kann er nämlich wieder zu Hause bei seiner Schwester angelangt sein ... – Nun, was macht der Gummiteufel ...? Das ist saubere Arbeit ... Das Ding sieht jetzt einer Fledermaus, die ein Lastauto breitgedrückt hat, zum Verwechseln ähnlich ...«

»Und was versprichst du dir von dieser Fledermaus, Harald?«

Er trommelte mit den Fingerspitzen leicht auf die Tischplatte. Seine Augen waren halb geschlossen, und ein nachdenklicher, unzufriedener Zug trat in sein Gesicht.

»Ich weiß nicht recht«, meinte er zerstreut, »ich habe da plötzlich das recht peinliche Gefühl, daß wir bei diesem Fall Petersen wie Blinde im Kreise umhertappen, ohne dem Endziel näherzukommen. Alles hängt nun davon ab, ob diese Gummihaut irgendwie beschriftet ist. Ich nehme es mit Sicherheit an. Zweierlei spricht dafür. Erstens: Der sterbende Petersen verbirgt das Gummispielzeug mit letzter Kraft in den Sprungfedern des Sessels, somit muß der gehörnte Teufel eine besondere Bedeutung haben und sollte keinem Unbefugten in die Hände fallen. Zweitens: Wenn du dir das häßliche Ding ganz genau angesehen hättest, würdest du bemerkt haben, daß die Naht oder die Klebelinie sich so stark markierte, daß Petersen einmal genau wie du den Gummiteufel aufgeschnitten, aber mit einer Gummilösung wieder zugeklebt hat. – Diese beiden Tatsachen mahnen uns zu behutsamstem Vorgehen bei Sichtbarmachung einer vielleicht vorhandenen Schrift. Wir können viel verderben, wenn wir dabei falsche Mittel anwenden.«

Er beugte sich ganz tief über die prall gespannte bräunliche Gummihaut. »Mit dem bloßen Auge ist nichts zu bemerken, mein Alter ... Vielleicht übernehmen wir eine zu große Verantwortung, wenn wir Experimente machen, die verhängnisvoll werden könnten. »Ich möchte mir die Sache doch erst gründlich überlegen und vorher Versuche mit ähnlicher Gummihaut anstellen. Ich werde den gehörnten Teufel also in den Geldschrank einschließen. Warten wir Holger Jörnsens Besuch ab.«

Herr Jörnsen ließ auch wirklich nicht lange auf sich warten. Eine Limousine mit einem Chauffeur in Livree fuhr vor, Jörnsen stieg eiligst aus, läutete, und Frau Kapitän Wenzel, die den Flur gerade säuberte, öffnete ihm.

Plötzlich hörten wir im Flur einen schrillen Schrei, dann hastiges Flüstern und unterdrücktes Weinen.

Harst stand mit vorgerecktem Kopf da und lauschte. Er warf mir einen vielsagenden Blick zu und flüsterte unzufrieden: »Wußte ich es doch!! Wir irren im Kreise umher. Der Fall liegt weit verzwickter, als es anfänglich den Anschein hatte.«

Dann klopfte es.

»Herein!«

Holger Jörnsen verneigte sich und drückte die Tür hinter sich zu. Sein gebräuntes Gesicht hatte einen ganz eigentümlichen tief bewegten Ausdruck. Seine Stimme klang unfrei und vibrierte leicht.

»Meine Schwester teilte mir mit, daß Sie mich zu sprechen wünschten, Herr Harst ... Ich bin schleunigst hierher gekommen, da ich annehme, daß Sie mir Wichtiges mitzuteilen haben.«

»Allerdings. Setzen Sie sich bitte, Herr Jörnsen. Ich riet Ihnen, die Polizei von Ihren Beobachtungen zu verständigen. Haben Sie dies getan?«

»Nein ...« Jörnsen blickte Harald dabei ruhig und fest an. »Ich hatte meine Gründe, die Polizei aus dem Spiel zu lassen. Mir kam es auf Ihre diskrete Hilfe an, nicht auf die der Behörden.«

Harst lehnte am Schreibtisch und betrachtete durch das Fenster die vor unserem Hause haltende Limousine.

Ich hatte bereits festgestellt, daß es zwar ebenfalls ein dunkler großer Wagen war, jedoch nicht dieselbe Fabrikmarke wie der, der uns vom Pensionat Grotthus aus gefolgt war.

Mein Freund drehte langsam den Kopf und sagte zu unserem diskret vornehm gekleideten Klienten:

»Herr Fritz Menzel, Sie haben sich ja in den vielen Jahren sehr verändert, Ihre Bilder, die ich bei Ihrer Mutter sah, zeigen Sie nur mit Spitzbart und starken Augenwimpern, Ihr Gesicht war auch voller, aber jetzt, wo ich Ihre Mutter im Flur bei Ihrem Anblick aufschreien und weinen hörte und Sie selbst Ihre tiefe Gemütsbewegung nur schwer verbergen können, halte ich Sie doch für den Vater unserer lieben, vergnügten Hausgenossin Inge. Ich denke dabei auch an die Szene heute früh im Vorgarten, als Sie Inge so eingehend musterten. Mein Freund Schraut meinte, dieses Anstarren sei unverschämt gewesen. Es war die Freude des Vaters über das prächtige Gedeihen seines Kindes.«

Er hielt den Atem an. Ich wartete auf des Fremden Gegenäußerung mit unerträglicher Spannung.

Des Mannes Gesichtszüge wurden noch schmerzlicher bewegt. Er holte tief Atem.

»Ja. ich bin Fritz Menzel«, erwiderte er leise. »Ich hatte nicht geglaubt, daß meine Mutter mich wiedererkennen würde. Meine einst sehr dichten langen Augenwimpern verlor ich, als man mich mit einem glühenden Eisen zu blenden suchte ...«


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