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3.

Die Briefe des Septemvirs.

Szentirmay kam ein Jahr lang von seinem Gute nicht nach Pest; seiner Familie war auch so vieles rätselhaft geblieben an der überstürzten Abreise Zoltáns, um wieviel mehr hatte es sie befremden müssen, wenn sie nach Pest gekommen wären und ihr Liebling, ihr teuerer Pflegesohn, sie dort nicht einmal aufgesucht hätte. Rudolph mußte das vermeiden. Seine Familie durfte nicht einmal wissen, daß Zoltán nach Szentirma nicht korrespondierte.

Er wußte trotzdem immer Auskunft zu geben über ihn. Er war von jedem Schritt und Tritt Zoltáns unterrichtet; jede Woche erhielt er von Pest einen Brief, dessen Handschrift ihm völlig unbekannt war, und dessen Schreiber ihn über das Befinden, die Fortschritte, die kleinen Leiden und Sorgen seines gewesenen Mündels benachrichtigte; vorausgeschickt war, daß diese Briefe im Auftrage seines hohen Chefs, des Septemvirs, geschrieben seien, da Schreiber selbst weiter nichts als ein armer juratus tabulae regiae notarius sei, Kovács mit Namen.

Den Grafen überraschte allerdings manchmal der warme, teilnehmende Ton, in dem die im Auftrag geschriebenen Briefe des Juraten gehalten waren; auch schrieb er sehr viel, jedesmal vier eng beschriebene Seiten. Das war immerhin schön von einem Juraten, der auch in vier Zeilen einer derartigen, keine Accidenzen abwerfenden Kommission sich hätte entledigen können; weit mehr als über diese Teilnahme des jungen Menschen mußte er sich jedoch wundern über die ungewöhnliche Aufmerksamkeit des gnädigen Herrn Tarnaváry, für die er auch nicht unterließ, sich bei letzterem einigemale in warmen, männlichen Worten zu bedanken, bei deren Lesung dann der Septemvir nicht wußte, welche Grobheit er über Rudolph denken solle, daß Rudolph nicht bei Verstand, oder daß er mit ihm anbinden wolle? Er fürwahr hat mit keinem Wort irgend jemand den Auftrag gegeben, dem Grafen jede Woche zu schreiben. Wahrscheinlich ist's nur ein Witz, mit dem Rudolph sich dafür rächen will, daß der Septemvir auch noch nicht ein einziges Mal daran gedacht hat, ihm von Zoltán Nachricht zu geben.

Nach den Trauertagen der Pester Überschwemmung erhielt Szentirmay von Kovács einen Brief, worin Zoltáns Verhalten in den Stunden der Gefahr geschildert war. Szentirmay las den Brief seiner Gattin und seiner Tochter vor, und das tief empfundene Schreiben des jungen Mannes erntete den Lohn, daß es benetzt wurde von Thränen aus den schönsten Augen. O wenn in diesem Augenblick Zoltán in ihrer Mitte hatte sein können!

Nach Empfang dieses Schreibens verstrichen Wochen, Monate, ohne daß Rudolph eine neuere Mitteilung erhielt. Anfangs wartete er nur, dann fing er an ungeduldig zu werden, endlich schrieb er an Tarnaváry, er möchte doch die zarte Aufmerksamkeit, die er ihm bisher erwiesen, ihm noch fernerhin zu erweisen die Güte haben, und wenn vielleicht der Jurat Kovács zur Fortsetzung der bis jetzt von ihm besorgten Korrespondenz keine Zeit übrig haben sollte, irgend einen andern seiner unbeschäftigten Leute damit betrauen.

Nun auf das hin war der Septemvir doch genötigt, seine eingefleischte Trägheit zu überwinden, er that sich Gewalt an und schrieb eigenhändig an Rudolph. Wäre dieser Brief einem Archäologen in die Hände gefallen, so hätte dieser gewiß chaldäische Runenschriften oder skandinavische Kryptographien aus ihm herausgelesen, in so excentrischer Weise waren die regellos untereinander geworfenen Buchstaben hingesetzt mit breitspuriger, widerspenstiger Feder, welche die Tinte rings herum spritzte, nach allen Seiten hin Doppelpunkte und Ausrufungzeichen oktroierend, wo sie nicht hingehörten, manches Mal schien eine ganze Zeile aus lauter » m« zu bestehen, nur hier und da ragten Kopf und Schwanz eines längeren Buchstabens ein wenig hervor, nirgends war ein Komma gesetzt, dafür desto mehr etcetera, um jedoch einen Begriff von den willkürlichen Abkürzungen zu geben, von denen der Brief wimmelt, wird es genügen, nur die ersten Zellen hierher zu setzen, welche folgendermaßen lauteten:

»Lb. Fr.! hoch. Hr. Gr.!

Ich w. so glkl. im L. d. J. mehr. Bfe. v. dir z. erhalten, a. d. ich ersehe, d. ein j. t. r. n. dir pr. Dil Reln macht ü. d. jg Hrn.«

Lies:

»Lieber Freund! hochgeborner Herr Graf!

Ich war so glücklich, im Laufe dieses Jahres mehrere Briefe von dir zu erhalten, aus denen ich ersehe, daß ein juratus tabulae regiae notarius dir propria, diligentia Relationen macht über den jungen Herrn.«

(Man sieht, daß man sich auf diese Weise eine Menge Buchstaben ersparen kann, und daß daher diese Art zu schreiben großen Herren, welche kein Manuskript für den Setzer zu liefern haben, nicht genug empfohlen werden kann.)

»Ich weiß davon nichts, denn ich habe ihm dazu keinen Auftrag erteilt (so ging es weiter in den septemvirilischen Hieroglyphen); wenn es Kovács gethan hat, hat er es aus eigenem guten Willen gethan. Ich kann wahrlich für dergleichen Allotria mir keine eigene Kanzlei halten. Daß die erwähnten Briefe aufgehört haben, davon ist der Grund der: Kovács hat die Censur abgelegt – mit praeclarum – und hat sohin aufgehört mein Jurat zu sein, der junge Herr aber hat sich in den Kopf gesetzt, ins Ausland zu reisen und will dort ein paar Jahre bleiben; schlecht genug von ihm, daß er dich nicht selbst davon benachrichtigt hat, während du ihn auch jetzt noch in so gutem Andenken hast, nachdem er dich in eine solche Patsche gebracht. Der Prozeß steht übrigens sehr gut für dich; wenn du dich überwinden könntest, dich ein wenig zu exponieren, so könntest du ihn eklatanter gewinnen, Köcserepy seinerseits schmiedet tüchtig das Eisen; ich bin ihm schon hinter das Interesse gekommen, das er in der Sache hat: er besitzt eine Cession von jenem Narren, Zoltán hat ihm bei der Überschwemmung seine einzige Tochter gerettet. Ein verteufelter Junge das. Ich selber hatte damals beinahe eingepackt; seitdem trinke ich keinen Rostopschin mehr. Freund, das war dir eine furchtbare Geschichte! doch du wirst's ja in den Zeitungen gelesen haben. Zoltán bekam ich drei Tage lang nicht zu Gesichte, er war immer an Nikolaus' Seite; wird auch so ein verteufelter Kerl werden, wie der; dem kann auch nichts etwas anhaben. Der ich im übrigen verbleibe dein aufrichtiger Freund und ergebener Diener Tarnaváry.

P. S. Hätte beinahe vergessen, daß Kovács nach abgelegter Censur nach Hause gereist ist zu seinen Eltern, von wo der junge Herr ihn zu sich berufen hat als Reisebegleiter, er wird dir gewiß Nachricht geben.

N. B. Deine Briefe hab ich verbrannt; wenn sie in die Hände deiner Gegner fielen, könnten dir Ungelegenheiten daraus entstehen, ich selber bin mit Auskultanten umgeben, dieser Köcserepy hat seine Augen überall.«

Der wackere Herr hatte noch ein Postskript angefangen, aber wieder ausgestrichen, sich für diesmal begnügend, damit einen Beweis gegeben zu haben, wie lästig es ihm falle, früher darüber nachdenken zu sollen, was er niederschreiben wird.

Sonst pflegte er jeden Brief damit zu schließen, daß er schon nicht mehr schreiben könne, weil er mit dem Papier zu Ende sei, oder weil die Post schon abgehe und er sich Ausführlicheres für den nächsten Brief vorbehalte, und was dergleichen unnütze Entschuldigungen mehr sind, wie sie den faulen Briefschreibern geläufig.

Rudolph erfuhr daraus soviel, daß Zoltán in der großen Welt herumreise, in Begleitung eines jungen Mannes, der ihm (dem Grafen) völlig unbekannt war. Er suchte die Briefe des Juraten hervor und suchte aus ihrem Inhalte sowohl, als auch aus den Zügen der Handschrift den Charakter des Schreibers zu ergründen. Diese sauber, aber mit männlicher Festigkeit hingeworfenen Schriftzüge deuten auf einen offenen Charakter hin, die Einfachheit der großen Anfangsbuchstaben auf liberale Grundsätze, in der zarteren Federführung, so oft Zoltáns Name vorkommt, verrät sich die Liebe zu dem jungen Zögling und in der unverschnörkelten Unterschrift giebt sich die von jeder Selbstüberschätzung freie Bescheidenheit des ernsten, nüchternen Mannes zu erkennen.

Das alles können trügerische Kriterien sein, allein der denkende Kopf weiß auch aus den geringfügigsten Dingen tiefen Geheimnissen auf die Spur zu kommen. Rudolph kehrte oft zu diesem Gedanken zurück und fand stets Beruhigung darin. Für die Zukunft eines jungen Gemütes ist die erste Zuneigung, die erste Liebe von großem Einflusse. Ich denke dabei an gesunde Gemüter: für den Kretin giebt es keine Sympathie, keine Liebe.

Rudolph war überzeugt, daß er nach diesem mühsam im Schweiß seines Angesichtes geschriebenen Briefe Tarnavárys eine Ewigkeit werde warten können, bis er einen zweiten Brief erhält. Wie groß war daher sein Erstaunen, als, ehe noch kaum ein paar Wochen verstrichen waren, neuerdings die unverhofften lieben Hieroglyphen sich einstellten, aus denen man die Adresse auf der Pester Post zwar nicht herauslesen konnte, da jedoch soviel zu entziffern war, daß der Brief nach Szentirma bestimmt sei, so hatte man ihn auf gut Glück abgeschickt, hoffend, daß derjenige, dem er gehört, sich schon dazu melden werde.

Rudolph wischte bebend den Streusand weg, der nicht schon früher bei Eröffnung des Briefes herausgefallen war, denn der Septemvir pflegte so verschwenderisch mit dem Streusandfaß umzugehen, daß Graf Széchenyi seine Briefe, wenn er deren erhielt, in der Regel, bevor er sie las, zum Kammerdiener hinausschickte, um sie ausbürsten zu lassen Der edle Graf hatte bekanntlich gegen Streusand eine große Antipathie, so daß er nicht nur für seine Person sich desselben nie bediente, sondern auch diejenigen, welche für ihn Abschriften, Übersetzungen u. dergl. zu besorgen hatten, ersuchte, dieselben doch ja nicht zu bestreuen. Anm. des Übersetzers.. Seine Hieroglyphen hatten auch darin Ähnlichkeit mit den ägyptischen, daß man beide erst aus dem Sande ausgraben mußte.

Der Brief war so eng geschrieben. daß auch die Ränder nach der Quere und Breite noch vollgeschrieben waren und man Mühe hatte, Anfang und Ende des Briefes herauszufinden, der jenen Mänteln Johann Calvins glich, auf dem die zehn Gebote und die Glaubensartikel geschrieben stehen Von unsern Lesern werden sich manche noch der einst üblichen Bilder erinnern, auf denen nur das Gesicht der großen Reformatoren gezeichnet war, während die Konturen des Anzugs und Faltenwurfes aus einer einzigen langen Schriftzeile bestanden, welche die fundamentalen Glaubenssätze enthielt; in früherer Zeit konnte man diese charakteristischen Bilder in Ungarn fast in jedem protestantischen Hause antreffen. Anm. d. Verf..

Nachdem der Chiffernschlüssel gefunden war, las Rudolph, allerdings nicht ohne Kopfzerbrechen, ungefähr Folgendes heraus:

»Lb. Fr. Hochg. Hr. Gf.

Mitten unter den zahllosen Geschäften, mit denen ich überhäuft bin (»und die ich nie beende«, hätte er in Parenthesen hinzusetzen können), nehme ich mir die Mühe, diesen Brief an dich zu schreiben. Du weißt aber, wie wenig das Briefschreiben meine Sache ist, so daß ich imstande bin, wenn ich jemand eine Nachricht zu geben habe, lieber zu Fuß hinzulaufen, als mich hinzusetzen und sie niederzuschreiben.

Frater Zoltán hält sich in Deutschland auf, ich habe von ihm zwei, von Kovács drei Briefe erhalten. Was Zoltán schreibt, habe ich nicht recht verstanden, es ist mir zu hoch; aber aus Kovácsens Briefen entnehme ich Folgendes.

Der Junge – zu welchem Kuckuck, das wissen die Götter – ist in Berlin in den philosophischen Kurs eingetreten und hat dieser Tage das Doktorat abgelegt; er hat mir auch einen ganzen Pack gedruckter Dissertationen geschickt, ich hab ihn gar nicht aufgemacht und sende ihn dir, wie er ist; laß ihn im Familienarchiv hinterlegen. Umsonst; jeder Karpáthi hat nun einmal seinen Sporn, Herr János hatte in diesem Alter schon Mädchen entführt, Abellino aber schon mit dreierlei Schuldengefängnissen Bekanntschaft gemacht: dieser Blitzjunge macht das Doktorat, alle Wetter! was soll das einem Menschen, der jährlich eine halbe Million auszugeben hat? Einer seiner Vorfahren hatte sich in den Kopf gesetzt, in Karpátfalva ein Kollegium zu bauen, als ob es ihn geschwant hätte, einer seiner Enkel werde einmal ein Professor werden, um dort den Fröschen und Schilfmusen Prälektionen zu halten.

Wenn der alte Nabob das wüßte, er würde sich noch im Grabe umdrehen; er, der nicht einmal die Syntax absolviert hat und dem alles verhaßt war, was Doktor tituliert wird, bis auf den Viehdoktor herab.

Der Bursche ist kaum noch vierzehn Jahre vorüber, in dem Alter sollte er noch Ball spielen; als ich vierzehn Jahre alt war, wie oft bin ich da noch durchgebläut worden, weil ich meine Lektion nicht lernen wollte, und doch habe ich jetzt das corpus juris im kleinen Finger. Das taugt nichts, diese Frühreife, so einer nützt sich um so schneller ab. Meine Bengel wissen keiner noch, auf welchem Baume die Bücher wachsen, und doch ist der eine Schlingel schon elf Jahre alt, deshalb aber wette ich doch, daß sie noch einmal als Staatsmänner glänzen werden. Ich hab auch dem Herrn Vetter geschrieben, mich in Zukunft mit derlei Narreteien zu verschonen; er soll trachten, je eher fortzukommen aus dem gelehrten Deutschland und nach Paris gehen; dort sei es seine erste Sorge, irgend eine schöne Grisette aufzusuchen, oder so was dergleichen; die wird ihn dann schon in die Sitten der feinen Welt einführen, nur davor soll er sich in acht nehmen, daß er unter diesen französischen Windbeuteln sich nicht in ein Duell verwickelt; wenn ihn jemand herausfordert, so antworte er: mit Vergnügen, aber ich schlage mich nur mit der Faust! Das ist nicht gefährlich, und da fürchte ich für den Bengel nicht, seine Fäuste sind kräftig genug, wenn er anders nicht herabgekommen ist durch das Doktorat und die preußische Kost.

Doch ich bin schon zu Ende mit meinem Papier und schließe daher meinen Brief, indem ich verbleibe etc.

P. S. (An den Rändern des Briefes.) Köcserepy ist ein Teufelskerl! Er hat dem Advokaten deiner Gegenpartei, Maßlaczky, hübsch aufgezäumt; wie ich bemerke, hat er ihm Hoffnung gemacht, daß er ihm seine Tochter geben werde. Ist er nicht ein halber Narr? Und der andere ist der ganze Narr, es zu glauben und setzt Erde und Himmel in Bewegung gegen dich und gegen Zoltán. Ich wundere mich nur, daß der Donnerkeil, der an so vielen Orten einschlagt, diesen Menschen nicht zu treffen weiß. Ergebenst T.«

Rudolph fühlte sich ganz erheitert durch den originellen, in wildem Humor geschriebenen Brief des Septemvirs, der nach Art roher Kraftnaturen nur bei der ersten Erscheinung etwas Abstoßendes hat, bei längerer Bekanntschaft aber uns einen Einblick gewährt in das lauterste, kerngesunde Herz. Der fragliche Prozeß beunruhigte Rudolph nicht mehr; der Einfluß Köcserepys fand ein hinlängliches Gegengewicht an Tarnavárys hartnäckiger Festigkeit: davon, daß Abellino Karpáthi durch diesen Prozeß Zoltán schaden könne, konnte nicht mehr die Rede sein und an die Unannehmlichkeiten, die ihm für seine Person daraus erwuchsen, hatte Rudolph sich schon gewöhnt.

Er antwortete sogleich dem Septemvir und dankte ihm für seine freundschaftliche Aufmerksamkeit.

Kaum waren einige Monate verstrichen, als er einen neuen Brief von ihm erhielt. Es scheint, der Septemvir fängt an, Vergnügen zu finden am Briefschreiben, das durch die Absonderlichkeit des Gegenstandes immer mehr Interesse für ihn gewinnt.

»Lber Frd etc.

Ich komme gar nicht heraus aus der Verwunderung. Zoltán verfällt von einer Narrheit in die andere. Statt meinem klugen Rat zu folgen und geradeswegs nach Paris zu gehen, reist er nach Genua, schifft sich dort ein und schreibt mir von Bord des Schiffes poetische Tiraden übers Meer, wie schön das Meer, wie das prächtig sei, so ein Seesturm, welche Unterhaltung es gewähre, im Heulen des Orkans sich anzuklammern im Takelwerk u. s. w. Und das mir, der ich einen Abscheu habe vor dem Meer und allen Gewässern, welcherlei Namen sie führen mögen, der ich über kein Wasser setze, außer auf einer stehenden Brücke, und mich auf kein Dampfboot setzen würde, wenn Széchenyi selber der Steuermann wäre, und wenn jedes Haar auf meinem Kopfe versichert wäre bei drei Assekuranzgesellschaften. Dann bittet er um die Erlaubnis, die Hafenstädte des Littorales besuchen zu dürfen, sehr weise auseinander setzend, wie not es dem Ungar thue, sich vertraut zu machen mit dem Meer, wie herrlich es wäre, wenn ungarische Jünglinge sich zu Seeleuten heranbilden würden, und welche Lust er hätte, hierin anderen mit gutem Beispiel voranzugehen. Nun, der soll mir nur heimkommen. Also deshalb haben wir dich erzogen zu einem rechtschaffenen, vernünftigen Menschen, um dich von den Walfischen speisen zu lassen, deshalb hast du zweiundvierzigtausend Joch Grundbesitz in der fruchtbarsten Gegend des Landes, um auf schwimmenden Brettern im Salzwasser herum zu kutschieren? Ich geriet in solche Wut, daß mein ältester Sohn heute noch von der Ohrfeige zu erzählen weiß, die er zufällig statt Zoltán von mir erwischte. Ich habe sogleich eine Stafette dem Bengel nachgeschickt, er soll augenblicklich von dem Bretterkasten ans Land steigen, denn ich lasse ihn sonst in Eisen zurückbringen, ich bin dem ganzen Komitat verantwortlich für sein Leben, wenn er zufällig Schiffbruch leidet, so ist das Wasser aller Meere nicht imstande, mich von dem Verdacht rein zu waschen, daß ich seinen Gegnern zu Liebe ihn umgebracht.

Per se ist der Brief ihm nicht zugekommen; in meiner Rage hatte ich ganz übersehen, daß es im Meer weder Poststationen noch Gasthöfe giebt; von da an volle zwei Monate hörte ich kein Sterbenswörtchen von ihm. Du kannst dir denken, welche Angst ich in der Zeit ausgestanden. Wo treibt er sich herum, was kann alles mit ihm geschehen sein? Ist das Schiff nicht mit ihm untergegangen? Hat es ihn nicht an irgend einer öden Insel ausgeworfen, wie Robinson? Wie, wenn sie sich auf dem Meere verirrt haben, wenn ihnen die Lebensmittel ausgegangen sind und sie jetzt ihre Stiefeln kochen und, wenn diese alle sind, zuletzt sich selber auffressen? Oder wenn irgend ein tunesischer Seeräuber sie gekapert und fortgeschleppt und ihn verkauft hat an einen Mohrenfürsten? Damit wäre ihm eigentlich nur recht geschehen.

Zwei volle Monate mußte ich solche Höllenqualen ausstehen, da erhalte ich einen Brief aus Calais. Der Henker weiß, wie er dahin gekommen.

Nun, daß er nur da ist, der Blitzjunge; ich war wirklich schon besorgt, daß ich einen von meinen Buben statt seiner werde hergeben müssen, wenn er zu Grunde geht. Hab ihn aber auch gehörig heruntergescholten in meinem Brief, den er sich sicherlich nicht auf den Hut stecken wird: das Meer schickt sich nicht für den Ungar, der Engländer selbst würde sich nicht darauf begeben, wenn er nur Platz hätte auf dem festen Lande, aber dort sitzen sie einer über dem andern, wie die Feigenblätter, wir aber sehen von einem Turm nicht bis zum andern, was zum Henker haben wir also auf dem Wasser zu suchen?

Nun, endlich erhalte ich doch einen Brief aus Paris. Hier, dachte ich mir, wird er doch einmal zur Raison kommen: wenn er von allem Schönen und Guten, das sein Onkel Abellino dort mit Löffeln gefressen, nur den zehnten Teil genießt, so wird er genug daran haben, um sich auszutoben, wie jeder junge Mensch sich austoben muß, je früher, desto besser. Ich erbrach auch seinen Brief mit der Überzeugung, daß er mich darin um Geld bitten wird; Theater, Unterhaltungen kosten viel in dieser teuern Stadt, und es schickt sich auch für einen ungarischen Magnaten, wenn er sich einmal sehen läßt, der großthuenden Welt zu zeigen, daß wir hier in Ungarn nicht von Kürbißkernen leben. Kein Wort davon! Mein Zoltán, statt sich in standesgemäße Klubs einführen zu lassen, sucht über Hals und Kopf die Bekanntschaft auf von schäbigen Gelehrten, lumpigem Komödiantengesindel, winselnden Poeten und andern dergleichen Landstreichern, bringt unter ihnen seine Zeit zu, soupiert mit ihnen, verschwendet an sie sein Talent. Er schrieb mir einen ganzen Stoß unaussprechlicher Namen zusammen und will mich damit breitschlagen, daß er bei jedem hinzusetzt, der ist so und der ist so berühmt. Könnt ich nur unter sie fahren, ich weiß, sie würden noch berühmter werden. Diese Leute haben Zoltán ganz den Kopf verdreht. Sogar ein Theaterstück hat er geschrieben, zu dem Viktor Hugo (wenn ich nur wüßte, welcher sein Taufname ist) gesagt haben soll, es sei ganz ein Werk im Geiste der romantischen Schule. Ja, einmal vergaß er sich soweit, in einer Gesellschaft von Striblern und geldhungerigen Leuten ( i. e. Komödianten) in verschiedenen Sprachen zu deklamieren, welche jene nicht kannten, und einstimmig die ungarische für die wohlklingendste von allen erklärten. Nun, das will ich glauben, daß ihnen die ungarische am besten gefiel, aber doch ist's schrecklich, daß der Sprößling eines ungarischen Magnaten in öffentlichen Soireen sich hinstellt vor die Leute und herumficht und lärmt zu ihrer Unterhaltung, wie die Tiroler Sänger in den Pester Kaffeehäusern. Wenn man nur hier nichts davon erfährt, ich würde in die Erde versinken vor Scham. In meinem Zorn wollte ich ihm schreiben, daß ich ihm, wenn er sich nicht anständiger aufführt da draußen, kein Geld mehr schicken werde; aber am Schluß des Briefes ist er mir zuvorgekommen, denn er schreibt, ich möchte mich nicht bemühen, ihm Geld zu schicken; mit dem, was er mitgenommen, könne er noch für zwei Jahre ausreichen. Pfui! Schickt sich das für einen ungarischen Magnaten, eine solche Knauserei? Besonders im Ausland, wo man gleich denken wird, er sei ein armer Schlucker. Nun, ich möchte nicht, daß amice Maßlaczky einen dieser Briefe in die Hände bekäme, denn damit könnte er vor der ganzen Welt beweisen, daß Zoltán nicht der Sohn seines Vaters.

In seinem letzten Briefe spielt er darauf an, daß er heute oder morgen Paris verlassen und nach England hinüber will. Ich möchte wissen, was er dort für neue Wunder aushecken wird zu meinem Ärger; denn ohne das wird's nicht abgehen. In Deutschland hat er sich bis zu den Achseln in die Wissenschaften vertieft, in Genua bis an den Hals ins Meer, in Paris bis über die Ohren in die Poesie; jetzt ist in England noch Teer und Sirup übrig, da, weiß ich, wird schon gar nichts mehr von ihm herausgucken.

Mit dem nächsten Eilwagen erhältst du das fragliche Theaterstück, wenn eine Komödiantentruppe sich zu euch verirrt, kannst du es aufführen lassen im Karpáthfalver Theater. Warum lebt der alte Herr János nicht mehr, um sich's ansehen zu können!

Beigelegt ist auch noch ein Bündel Gedichte, die der junge Herr Zoltán aus dem Französischen übersetzt hat von einem gewissen Berengar (oder vielleicht Beranger?), der eben auch was Rechtes sein muß, denn Zoltán schreibt von ihm, daß er auch eingesperrt war. Davon hätte er besser gethan zu schweigen.

Binnen kurzem kannst du einen neuen Brief von mir erwarten, auch bis dahin verbleibe ich u. s. w. Tarnaváry.«

Rudolph lachte beim Lesen dieses Briefes nach Herzenslust. War es der originelle Gesichtspunkt, von dem aus der wackere, urwüchsige, widerhaarige Patriot, der in keiner Brühe weich zu kochen, die Dinge ansieht, worüber er lachte, oder that er es in der Freude darüber, daß er Zoltán in einer edeln, über das Gemeine erhabenen Richtung einherschreiten sieht? Alles, was er thut, was er fühlt, ist die Manifestation eines überströmenden, reichen, jugendlichen Gemütes; seine Wißbegierde, dieser Ehrgeiz, der Drang, zu nützen, das kühne Aufsuchen von Gefahren, der poetische, schwärmerische Hang – das alles sind die schönsten Zierden eines hochherzigen Jünglings, der dazu berufen, von seinen Kindesjahren an männlicher Vollkommenheit als seinem Ideale nachzujagen. In der That, dazu wollte er ihn erziehen; er hätte sich wundern müssen, wenn er sich anders ausgewachsen hätte und es war für ihn die erste Genugthuung, die er vom Schicksal erhielt, daß der Jüngling, sich allein in der Welt überlassen, das geblieben, wozu er ihn erzogen hatte.

Der Septemvir hielt, was er versprochen.

Der Brief, den er bald darauf sandte, war länger, als alle früheren.

»Lieber Freund u. s. w.

Mit Teer und Sirup habe ich meinen letzten Brief geschlossen und mit Teer und Sirup fange ich diesen an. Betrachte mich als einen, der nicht länger mehr Septemvir bleibt, sondern Zucker sieden wird; auch du wirst nicht länger Obergespan sein, sondern dich auf die Tuchweberei verlegen, Zoltán wird, sobald er nach Hause kommt, für einen von uns eine Zuckerfabrik anlegen, bei der er mich anstellt und daneben eine Tuchfabrik, über die wirst du gesetzt, für sich selbst errichtet er eine ungeheuere Schmiedewerkstätte, dort wird eine Unzahl von Schaufeln, Sensen, Federmessern und Dampfmaschinen verfertigt werden. Darin wird künftighin der Beruf des Ungars bestehen. Die vielen Advokaten, Táblabirós, die vielen verschnürten Helden, die hochansehnlichen Stände werden alle, die einen spinnen, die andern weben, noch andere Hufnägel schmieden lernen und die löblichen Status et Ordines werden von einem Dorf zum andern Seidenfäden spinnen, daß es eine Freude sein wird; in den Schulen wird man hinfort nicht Syntax und Grammatik, Metaphysik und Mythologie lehren, sondern man wird die vertrackten Schlingel darin unterrichten, Porzellan zu machen, Indigo zu sieden und die Szürs ihrer Eltern eigenhändig grün oder blau zu färben. So eine Welt wird das werden, wenn Zoltán einmal da ist.

Was bisher mit dem Jungen vorgegangen, war noch alles Spaß. Bisher war er nur in Versen verrückt, jetzt ist er's auch in Prosa. Er hat sich in England so mit Reformen vollgefressen, daß er, wenn's bei ihm stünde, jeden von uns vom Kopf bis zur Zehe neu equipieren würde, selbst die Hörner unserer Ochsen müßten eine andere Gestalt annehmen. Was das dort für eine Glückseligkeit ist, wie reich die Nation ist, wie groß der Kredit, wie riesenhaft die Industrie, welche Menge neuer Erfindungen, welcher Verkehr und rascher Aufschwung, (Ich begreife wahrlich nicht, warum wir noch hier im Lande bleiben und nicht allesamt dahin auswandern!) Er schreckt uns damit, wenn er nur wieder daheim sei, werde er uns schon zeigen, wie man durch Fleiß und Wissen den Nationalwohlstand verzehnfachen könne. Hoho, nicht so eilig, Brüderchen! Laß uns in Ruhe mit deinem England. Hier bei uns werfen wir freilich nicht mit Millionen herum, und sehen den schon groß an, der in Konventionsmünze spricht; dafür sterben aber auch bei uns die Menschen nicht zu Hunderten und Tausenden vor Hunger, und wenn wir auch keinen Kredit haben, so haben wir auch keine Schulden, wie dein England, daß man dreimal ringsherum belegen könnte mit den Thalern, die es nicht imstande ist zu zahlen.

* * *

Wenn der Himmel meinen lieben Pflegesohn groß werden läßt, so werden wir noch Wunder an ihm erleben. Bis jetzt nahm ich die Sache nur scherzhaft, jetzt aber sehe ich, daß er uns ernsthaft bedroht. Sein letzter Brief war aus London datiert; ich würde dir ihn schicken, aber ich will ihn mir aufbewahren, als ein Kuriosum. Die Hauptstellen schreibe ich dir heraus, zugleich mit dem nötigen Kommentar. Der Brief fängt so an: ›Nach den Worten der heiligen Schrift ist's leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher ins Himmelreich komme.‹

(– Hier bemerkt er in Paranthesen, daß die alten Übersetzer aus dem Hebräischen fehlerhaft statt Schiffstau Kameel übersetzt haben; – wo zum Henker hat der Bursche jüdisch gelernt?)

›Ein trauriger Urteilsspruch für die Reichen!

Die Logik der Bibelstelle ist, daß die Reichen viel mehr Gelegenheit und Mittel haben, zu sündigen. Ihre Leidenschaften machen das Volk mit der Sittenverderbnis bekannt, ihr Geld lockt die Tugend auf den Markt; auf dem Markt, wo die Unschuld feilgeboten wird, sind sie die einzigen Konsumenten; ihr sinnloser Luxus entzieht den Bestrebungen zur Vervollkommnung, zur Hebung der Nation die besseren Lebenssäfte; ihre Gleichgültigkeit wälzt sich wie ein Eisberg, wie eine kalte Schneewolke zwischen Himmel und Erde und bringt die wärmer schlagenden Herzen zur Verzweiflung, die ohne sie vergeblich ringen nach allem Großen und Schönen; ihr Ehrgeiz, ihre Zwistigkeiten stiften Unheil und Verderben, und für alles, was sie begehen mögen, erreicht sie keine Strafe hier auf Erden. Darum können sie auch nicht ins Himmelreich gelangen.‹

(Bis hierher war das eine ziemlich strenge Strafpredigt; aber die Absolution kommt gleich nach.)

›Jener große Geist, der dies strenge Urteil über die Reichen gefällt, welche Freude muß er nicht empfinden dort im Himmel, wenn er während der letzten Jahre von da herabblickt auf unsere kleine Erde und auf unser kleines Stück Land auf dieser kleinen Erde und sieht, wie der größte Teil unserer Mächtigen gleich einem dünnen Seidenfaden durchs Nadelöhr geht, wie sie bemüht sind, die tiefen Wunden, welche die Hand des Herrn unserm Vaterland und unserer Gesellschaft geschlagen, mit ihren Opfergaben zu verdecken, und sich ein zwiefaches Himmelreich zu erwerben, das eine als Menschenfreunde, das andere als gute Patrioten.

O erst jetzt fühle ich, welche süße Pflicht der Herr demjenigen auferlegt, dem er Reichtum giebt; er kann an einem Tage soviel Gutes thun, wie ein anderer in seinem ganzen Leben; woran ganze Generationen sich vergeblich abgemüht, das braucht er nur zu denken, zu wollen – und es kommt zustande; er kann seine Nation glücklich, groß, gebildet machen und selbst ins Himmelreich hält er nicht allein seinen Einzug, er nimmt auch dorthin noch Tausende mit sich.

O des edeln, erhabenen Berufes, reich und mächtig zu sein! Wenn ich zurückkehre in mein geliebtes Vaterland, so gelobe ich bei Gott, daß ich nicht der letzte sein werde in der Erfüllung dieses Berufes. Erst jetzt sehe ich, wie arm wir sind daheim und wie reich wir sein könnten.

Andere Nationen haben welterleuchtende Geister; auch wir hätten deren genug, aber sie sind in Dunkelheit vergraben; wir werden sie aufsuchen, sie aufrichten, damit sie uns neuen Glanz, neue Größe leihen und uns mit sich emporheben. Andere Nationen haben großartige Monumente; auch bei uns giebt es Männer, welche solche verdienen würden; es ist unsere Pflicht, sie der Vergessenheit zu entreißen. Andere Nationen blühen durch Künste und Wissenschaft, Industrie, Reichtum und Macht, und fehlt es der unserigen denn an natürlicher Begabung, an Fleiß, Fülle und Kraft, um sich alles das zu erwerben? Nur einen Führer braucht sie.

Ich habe mich nie darüber gefreut, daß mich das Schicksal reich und vornehm geboren werden ließ, jetzt freue ich mich dessen.

England ist eine gute Schule für den, der lernen will und zu lernen weiß.

Wenn ich den ganzen Tag durch Londons Straßen gewandert bin, des Morgens beginnend mit den Industrieniederlagen und den Abend beschließend im Drurylane-Theater oder in den Nachtsitzungen des Parlamentes und dann nach Hause gekehrt, meine Lampe auslösche und die Augen schließe, dann sehe ich vor mir – Pest.

Als ich es verließ, war es eine zusammengestürzte, entvölkerte Ruine; guter Gott, was kann es nicht werden, wenn wir nur zwanzig Jahre unermüdlich daran fortbauen.

Ich sehe vor mir die Reihen von Palästen, die sich mit ihren glänzenden Fensterreihen in den Wellen der Donau spiegeln. Jeder ungarische Magnat hat sich ein Haus hingebaut in der Hauptstadt der Nation, um mit seinen Vergnügungen, seinem Glanz, die er sonst anders wohin trug, dort einzukehren; dort wieder wogt das Volk zu hohen Säulenhallen, welche für große, zahlreich besuchte Institute errichtet wurden; das Auge des Fremden fesseln unsere Nationalmuseen, in deren Sälen die wertvollen Kleinodien unserer Vergangenheit zusammengetragen sind; er wandelt befriedigt durch die Wölbungen unserer luftigen Bazare, wo die reiche Auswahl vaterländischer Boden- und Gewerbeerzeugnisse unsern Fortschritt bekundet, und mag immerhin einen Blick in das Innere unserer öffentlichen Anstalten werfen; unsere Hochschulen, Theater, öffentlichen Gebäude werden ein vergleichendes Urteil nicht zu scheuen haben, und alles, was er sieht, wird ihn hinreißen, so daß, wenn er Pest mit seinen schattigen Promenaden, seinen kühlen Springbrunnen wieder verlassen muß, ihm das Herz weh thun und er noch immer zurückblicken wird, wenn auch schon die Nebel der Dämmerung die Stadt seinen Blicken entziehen und nur der Glanz von tausend und abertausend Lampen ihm noch die Stelle zeigt, wo ein Stück gestirnter Himmel sich herniedergelassen auf die Erde.‹

(– – Notabene: gestern nachts um elf Uhr warf mein Wagen um in der Göttergasse, die Straßenlampen waren schon ausgegangen und mitten aus der Gasse gerieten wir auf einen Haufen Mauerschutt. Ich hatte gewünscht, Zoltán hätte an meiner Seite sitzen können, als er von allen diesen Herrlichkeiten mit geschlossenen Augen träumte.)

›Und damit keine Kluft mehr die beiden Schwesterstädte trenne, wird dort, wie es jetzt erst in der Zeichnung zu sehen, als achtes Weltwunder, die Kettenbrücke sich erheben, ein Ufer mit dem andern verbindend, als ob Giganten zu ihrem Meisterwerk sie aufgeführt hätten!‹

(– – Hier bleiben wir noch auf ein Wort stehen. Von diesem Wunderding habe ich auch Széchenyi schon sprechen gehört, und muß daher ein Wort darüber fallen lassen: fürs erste, weil ich's nicht verstehe, fürs zweite, weil ich nicht daran glaube, und zum dritten und tausendstenmale, weil ich's nicht brauche; nein und wieder nein. Wenn es auch möglich wäre, daß jemals ein solches Monstrum zustande käme, so will ich mir den Fuß brechen, wenn ich je darüber gehe und mich der Gefahr aussetze, als alter Edelmann von irgend einem Mauteinnehmer am Rock festgehalten zu werden und dort aus meiner Tasche einen Kreuzer hervorsuchen zu müssen, wie ein armer reisender Handwerksbursche, und am andern Ende der Brücke mir einen Zettel abverlangen zu lassen, wie ein pfundsohliger, schmieriger Bauer. Lieber lasse ich mich in einem Kahn übersetzen! trotzdem, daß ich vor nichts so große Scheu habe, wie vor dem Wasser, und nie ein Schiff bestiegen habe; aber ich setze mich in einen Kahn und fahre hinüber, denn ich fürchte mich weder vor der Donau, noch vor dem Meer so sehr, wie vor dem Gedanken, daß ich oder mein Wagen in der gehörigen Mitte Ungarns angehalten werde wegen ein, zwei lumpiger Kreuzer.)


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