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Ein Schwarm von Kindern trieb sich im Dorfe herum, ein unbequemes Völkchen, das von den Männern von einem Ende des Wohnplatzes zum anderen gejagt wurde; die Mütter dagegen verhätschelten sie, nahmen Partei für sie und trösteten sie, wenn sie gefallen waren, indem sie zum Schein den bösen Stein schlugen, an dem sie sich gestoßen hatten und sie »warfen den Kummer der Kleinen auf die Katze«, taten, als ob sie ganze Hände voll von der schmerzenden Stelle nahmen und in die Richtung des Waldes warfen. Bei ihnen fanden sie immer Teilnahme. Die dritte Großmacht im Dorfe waren die Hunde; mit ihnen stand man sich verschieden, bald balgte man sich um einen Darm oder einen Knochen, die Hunde am einen Ende, die Kinder am anderen, bald spielte man in tiefstem Frieden selbander, und schlief eng umschlungen in der Nacht; die Jüngsten, die kaum auf ihren Beinen stehen konnten, schleppten sich mit den jungen Hunden herum, sie waren ihre besten Spielgenossen. Im übrigen patschte die Jugend den ganzen Tag in dem seichten Wasser des Strandes, wo sie nicht zu Schaden kommen konnte, oder spielte im Sande und ahmte im Kleinen die Arbeit der Männer nach. Der Wald war verbotenes Gebiet, dort konnte man von den Wölfen geholt werden; auf der Jagd duldeten die Männer die Knaben nicht; wenn sie aber in der Gesellschaft der Männer aufgenommen worden waren, war die Welt der Kindheit bald vergessen.
Gast hatte die Enge dieser Welt frühzeitig empfunden, ohne daß es ihn danach verlangte in den Bund der Erwachsenen aufgenommen zu werden, denn mit ihnen stand er auf gespanntem Fuße. Nach und nach reiften Pläne in ihm, wie er der Welt der Männer teilhaftig werden konnte, ohne sie danach zu fragen oder sich von ihnen abhängig zu machen; und hierbei fand er in entscheidenden Dingen an seiner Mutter Gro einen Bundesgenossen.
Von klein auf hatte er gebastelt, zuerst mit Spielzeug, später mit richtigen Gerätschaften, wie die Erwachsenen sie verwandten; er hatte einen eigenen kleinen Arbeitsplatz neben einem Stein, den er sich abseits vom Wohnplatz ausgesucht hatte.
Dort saß er die langen Sommertage und fertigte sich seine erste Axt. Bei allem, was er unternahm, fehlte ihm die Axt, und da keiner ihm eine leihen wollte, versuchte er sie sich selbst zu verschaffen. Im Dorfe waren alle Dinge in festem Besitz, entweder gehörten sie den Erwachsenen, dem Walde, dem Meere oder den Geistern; man bekam nichts, ohne etwas dafür zu geben, und hatte man nichts zum Tauschen, dann war man auf seine eigenen Produkte angewiesen. Diese Erfahrung hatte Gast gemacht, so jung er war.
Da aber war er in den Besitz eines abgeworfenen Hirschgeweihs gelangt, auf einem Schleichgang im Walde hatte er es gefunden und gleich an sich genommen, überzeugt, daß es ihm gehören sollte. Dem Hirsche sandte er einen freundlichen Gedanken und faßte es als ein Zeichen des Entgegenkommens auf, daß er ihm im Walde begegnet war.
Gast summte leise vor sich hin, während er überlegte, wie er aus dem Geweih eine Axt fertigen könnte. Den Kameraden, die mit ihm spielen wollten, kehrte er den Rücken, ein Hund, der freundlich wedelnd an ihn heransprang, wurde mit dem Ellbogen beiseite geschoben. Das Hirschgeweih war lang und zierlich, mit wenigen Zacken, wenn man sie entfernte, konnte der Stamm als Schaft dienen, das dünne Ende als Handgriff, das dicke mußte ausgehöhlt werden, damit der Flintstein eingefügt werden konnte; alles in allem eine große umständliche Arbeit; der Tag aber war lang, und als Gast sich erst einmal über die Methode klar geworden war, sang er lauter als vorher.
Mit halbem Ohr hörte er, daß neben ihm noch jemand sang, ein kleines Mädchen, Pil Weide. mit Namen, das von klein auf sein Spielkamerad gewesen war. Ihre Mutter wohnte Tür an Tür mit Gro, darum waren sie immer zusammen gewesen. Den Namen hatte sie bekommen, weil sie bei ihrer Geburt am ganzen Körper so daunig gewesen war wie ein Weidenkätzchen; so hatte ihre Mutter, die selbst noch ein Kind war, sie genannt. Schlank wie eine Weide wuchs sie heran, hatte glatte, glänzende Haare, die wie Sonnenschein waren, sie lächelte gern, war das sanfteste von allen Mädchen. Wie Gast, liebte auch sie es, allein zu spielen, war aber immer mit ihren Spielen in seiner Nähe zu finden.
Jetzt sah er, daß sie im Begriff war, Bastfasern von einem herabgefallenen Lindenast zu schälen, der so morsch war, daß die Rinde sich leicht löste, ohne daß der Bast dadurch verdorben wurde; sie teilte die Baststricke in feine Strähne und legte sie Seite an Seite auf die Erde, still entzückt über das Muster, das entstand; sie summte gedankenverloren ein Lied, das wie Sommerwind klang; offenbar war sie in eine Flecht- oder Webearbeit vertieft.
Gast ging an seine Arbeit, die ihn Stunde nach Stunde so stark in Anspruch nahm, daß er alles andere vergaß. Zuerst hämmerte er mit einem Stein die kleinen Zacken vom Geweih ab, hart am Stamm, doch ohne diesen zu beschädigen. Später wollte er die Reste entfernen und den ganzen Schaft glätten. Darauf begann er die dicke Zacke abzuhacken, wo das Loch für den Flintstein ausgehöhlt werden sollte; das erforderte Zeit, er mußte sich einen Flintstein nach dem anderen spalten, wie er es bei den Erwachsenen gesehen hatte; aber nicht immer bekam er ein brauchbares Stück, häufig mußte er sich mit einer länglichen Scherbe begnügen. Und dann hämmerte und feilte er auf der harten Zacke herum, bis der Flintstein so spröde und stumpf geworden war, daß er nichts mehr leisten konnte; der Einschnitt aber war fast nicht tiefer geworden. Gast wurde ungeduldig, sein Blut begann zu kochen, von seinen Lippen kam kein Gesang mehr; er setzte alle Kräfte ein, wurde zornig, schimpfte auf das Hirschgeweih, das blödsinnig hart war, und auf das Flintwerkzeug, das sprang, wenn es tauglich war, und nichts schaffte, wenn es hielt; er feilte wie toll auf der Zacke herum, bis ihm die Arme schmerzten und die Handflächen von den scharfen Flintscherben wund wurden; er aber ließ sich keine Zeit, die Flintsteine mit einem Schaft zu versehen, er lieh etwas Bast bei Pil, obgleich sie schüchtern Einwendungen machte, raubte die Hälfte ihres Musters, umwickelte seine Scherben damit und sägte, feilte und hackte den halben Tag, bis der Einschnitt endlich so tief war, daß man die Zacke abschlagen konnte.
Mit Eifer betrachtete er die Bruchfläche, wo das Loch gebohrt werden sollte. Glücklicherweise war das Knochengewebe in der Mitte lockerer, so daß man es leichter durchdringen konnte, doch mußten zu diesem Zweck besondere Scherben gemacht werden, und Gast hantierte und hämmerte, viele Flintsteine zerbrachen ihm, es klang ihm zwischen den Händen, so daß ein jeder hören konnte, hier arbeitete ein zorniger und eifriger Mann, und er bohrte, blies in das Loch, bohrte wieder, mit glühenden Backen; seine Hände zitterten vor Ungeduld, doch ließ er nicht locker, bevor die Axt soweit war, daß sie zu ihm sprach: ich werde gut, und er rastete nicht, bevor das Loch gebohrt war!
Triumphgeschrei erklang von seinem Arbeitsplatz zwischen den Strandsteinen, als das Loch endlich fertig war. Es war schon Mittag, Gro rief nach all ihren Kindern, es gab gebackene Austern, frisch vom Feuer, die in ihrem eigenen Salzwasser dampften; es wurde gegessen. Gast aber verschlang seinen Teil mit dem Blick auf den unfertigen Schaft gerichtet, den er in der Hand hielt, dann zum Bache und den Durst gelöscht, und schon stand er wieder über seine Arbeit gebeugt.
Der schwierigste Teil der Arbeit kam noch: einen Flintkeil mit einem scharfen Stein so zurechthauen, daß er mit dem einen Ende in das Loch hineinpaßte und festsaß. Der Flintstein aber sprang nicht, wie er sollte, das Blatt wurde unregelmäßig, er machte Versuche über Versuche, zerschlug Haufen von Flintsteinen, wenn aber der Keil an der einen Seite gut war, paßte er nicht an der anderen, wackelte im Loch, war zu groß oder zu klein; er verzweifelte, war drauf und dran, im geheimen zu weinen vor Qual über sein Mißgeschick, heiße Tränen saßen ihm unter den Brauen und schnürten ihm den Hals zu; der mißglückte Keil wurde in viele Stücke zerschlagen, zu feinstem Pulver zermalmt, er sollte vollständig vernichtet werden! Gast konnte vor Tränen und Zorn nicht mehr sehen, die Haare sträubten sich auf seinem Kopfe, er begann wieder von vorn, schneuzte die Nase, begann noch einmal gründlicher, Eile tat nicht gut; mit langsamer Gewalt kämpfte er gegen das unerhört widerspenstige, dumme Material, den elenden Stein, der lachte, wenn er zerbrach, unerlaubt dumm; jetzt aber veränderte er seine Taktik, machte das Loch tiefer, weil der Flintstein beständig darin wackelte, und begann einen entsprechend langen und schmalen Keil zu schlagen. Natürlich, das Ding brach mitten durch, als es fast fertig war! Gebrüll entrang sich seinem Munde, er haute auf die Scherben ein und traf seinen Finger, den er fast flach, jedenfalls weiß und blau schlug; er zitterte, wurde jetzt aber boshaft still, gab sich den Anschein, als ob es gar nicht sein Finger sei, obgleich der himmelschreiend schmerzte. Still! flüsterte er mit Schaum vorm Munde, wieder von vorn, elender Bengel! Und ruhig aber furchtbar, verwundet, nahm er einen neuen Flintblock und begann wieder von vorn, jetzt mit neun Fingern, weil der zehnte unbrauchbar, geschwollen, gefühllos war – und schließlich erreichte er, was er wollte!
Teils durch Berechnung, teils durch Glück war ihm ein Keil gelungen, der entsprechend lang und schmal war und nach vorsichtigem Feilen an den Kanten, in das Loch hineinpaßte und festsaß. Das Stück, das herausragte, hatte eine breite, solide Schneide, die zu allerhand Arbeit brauchbar war, aber auch, falls nötig, als kräftige Waffe dienen konnte. Gast drehte die Schneide quer vor den Schaft, so eignete die Art sich am besten für den besonderen Zweck, den er im Auge hatte.
Er hatte gesiegt, Macht über die rohen Elemente bekommen, und wie zufällig ging er mit seiner Errungenschaft an Pil vorbei; sie sah gleich, daß es ein Meisterwerk war, lachte geblendet, ehrerbietig, tief erstaunt; Gast aber machte nur eine wegwerfende Bewegung mit dem Kopfe, ach, nicht der Rede wert, ein geringes Ding nur, woran er zufällig seine Zeit verschwendet hatte. Da Pil aber keinen Blick dafür zu haben schien, machte er sie selbst darauf aufmerksam, wie sicher die Art in der Hand lag; er zog ihre Linie mit dem Finger nach, mit Worten zu sagen, wie die Biegung ihn entzückte, dazu war er nicht gewandt genug. Und wirklich schien die Axt in ihrer ganzen Form wie zum Hieb hintenüber zu liegen, sie war zum Schlage geboren. Das Unfertige an ihr berührte Gast auch wie zufällig, die Stümpfe mußten natürlich noch gefeilt, der ganze Schaft geglättet werden, ein endgültiges Urteil durfte man noch nicht fällen. Mehr zu sich selbst gewandt, erklärte er schließlich, daß das Geweihrohr, worin der Keil saß, natürlich fest umwickelt werden müßte, damit es nicht platzte, dann aber könnte man auch mit ganzer Kraft zuschlagen.
Mit gerunzelten Brauen, den gequetschten Finger im Munde, prüfte Gast darauf Pils Arbeit und nickte, nickte, das mußte man sagen, auch sie war nicht müßig gewesen. Pil hatte dem Bast eine Menge Garn abgerungen, indem sie zwei Fibern in der einen Hand hielt und sie mit der anderen gegen das Knie rollte, beide in dieselbe Richtung, worauf sie sich ganz von selbst zu einem gedrehten Faden vereinigten. Daraus nun webte sie eine Matte, aus der sie sich einen wunderschönen neuen Rock machen wollte. Der Webstuhl war von höchst einfacher Konstruktion; er bestand aus einem Stock, an dem Pil eine große Anzahl Garnenden befestigt hatte, eines dicht neben dem anderen; dazwischen webte sie mit den Fingern abwechselnd ein und aus, über und unter den Fäden; das Ganze lag auf der Erde ausgebreitet, eine großangelegte Arbeit, die man natürlich nicht an einem oder zwei Tagen fertigmachen konnte.
Gast nickte und kehrte zu dem Stein zurück, der ihm als Werkstatt diente. Jetzt wollte er sich an das Festbinden des Schaftes machen, und das bereitete ihm Sorgen, denn zum soliden Binden gehörten frische Tiersehnen oder Därme, und er fürchtete, daß er seine Arbeit heute nicht mehr vollenden könnte. Er streifte durch den Wohnplatz, suchte den Hausgraben seiner Mutter ab, fand aber nirgends etwas, was er gebrauchen könnte; denn es war kürzlich kein Tier geschlachtet worden, und nirgends trieb sich etwas Brauchbares herum, obgleich genug halbe Tierkörper herumlagen, an denen die Hunde leckten und zerrten. Gast grämte sich und schlenderte glückverlassen und kummervoll daher. Zur Abwechslung sah er sich einmal nach Pil um.
Sie hatte ihre Webearbeit beiseite gelegt und sich von einigen Freundinnen zum Spielen mit Lehm verlocken lassen. Sie hielten sich oben am Abhang auf, wo ein herabrieselnder Bach, der Ocker mit sich führte, den Kies rot färbte; dort trieben die Frauen sich häufig herum, um ihren Körper zu schmücken und sich hübsch zu machen; Pil und die anderen Mädchen waren auch im Begriff sich Farbe aufzulegen, nicht zu knapp, überall, wo sie hinreichen konnten, färbten sie sich schön gelb, nur zwischen den Schulterblättern blieb eine Stelle frei. Darauf gruben sie Lehm aus dem nassen Abhang, der sich überall zwischen den Erdschichten fand, packten große Klumpen mit den Händen und trugen sie zum Strande, suchten sich einen Platz neben einem flachen Stein, auf dem der Lehm sich gut kneten ließ, schüttelten das Haar aus dem Gesicht und begannen ihre Töpfe zu formen. Das Wasser zum Kneten holten sie sich in großen Blaumuschelschalen vom Strande. Zuerst machten sie lange Rollen, die sie ringförmig übereinander legten; wenn sie soviel Ringe übereinander gelegt hatten, wie die Kruke hoch sein sollte, kneteten sie sie zusammen und glätteten sie mit einem flachen Stein, bis der Topf fertig war und zum Trocknen in die Sonne gestellt werden konnte. Im Gegensatz zu dem ungeduldigen Gast ließen die Mädchen sich reichlich Zeit, verweilten bei ihrem Lehm, während sie plauderten und die Arbeit unter ihren Händen wachsen ließen, wie sie selbst wuchsen.
Die Kruken waren verschieden, alle aber hatten die bestimmte Grundform, wie sie nun einmal unter den Händen der Frauen entstanden war; sie ähnelten selbst Frauen, waren rund, unten ausladend, boten Platz für allerhand, die Geräumigkeit in Person; in der Mitte schlank, dann aber erweiterten sie sich wieder zum Rande; soviel wie die Kruke in sich aufnahm, soviel konnte sie auch wieder von sich geben. Einige Mädchen formten kurze, dicke Töpfe, ja manche davon waren ganz flach wie Pfannen, Pils Töpfe aber waren alle hoch und schlank wie Wasserlilien; und als alle Kruken fertig waren und in der Sonne zum Trocknen standen, waren Pils wie eine kleine Familie für sich, lauter hohe, schlanke, elegante Kruken, schwungvoller in der Gestaltung als alle anderen.
Seufzend trieb Gast sich herum und betrachtete den Zeitvertreib der Mädchen. Plötzlich aber kehrte er mit raschen Schritten zu seinem Arbeitsplatz zurück – Aalhaut!
Natürlich, Aalhaut, da weder Sehnen noch Därme zu haben waren! Etwas zäheres als Aalhaut gab es in der ganzen Welt nicht – wenn man doch einen der Eichenkähne nehmen, hinausrudern und einen Aal fangen könnte! Das aber konnte man nicht, und gerade dieser Mangel lag allen Plänen Gasts zugrunde, ein Fahrzeug! Die Eichenkähne gehörten den Erwachsenen, und wenn man sich an ihrem Eigentum vergriff, wurde man wie ein Hund verprügelt; wie andere Knaben zu fragen und ein »Nein« zu bekommen, dazu erniedrigte Gast sich nicht, lieber half er sich selbst und trieb rittlings auf einem alten Baumstamm im Wasser, der ihn mit knapper Not trug und den er ein Stück auf den Fjord hinausbugsierte. Die Ruderstange, die er verwandte, eine lange Haselgerte, war an dem oberen Ende gespalten und wurde geschickt umgedreht und als Zange verwandt, wenn er auf dem Grunde des seichten Wassers etwas entdeckte, Krabben, Stichlinge, bisweilen einen Aal, der indessen der Zange meistens entschlüpfte, bevor Gast die Gerte hochgezogen hatte. Heute, wo es eilte und das Leben galt, wollte es natürlich gar nicht glücken. Unten im Tangdickicht gab es Aale genug, ein ganzes Gewimmel, und Gast bekam auch mehrmals einen zwischen seine Zange, aber sie entschlüpften ihm immer wieder. Die Gabel sperrte sich auf dem Sandboden auf und gab dem Fisch um so mehr Spielraum, je mehr man drückte. Die Aalgabeln der Erwachsenen standen gegen Baumstämme am Waldsaum gelehnt, wenn man sie aber stieß oder gar benutzte, bekam man Ohrfeigen, daß einem der Schädel brummte. Diese Angeln hatten mehrere Gabelspitzen mit Widerhaken aus Knochen oder Hirschzacken, die in einem Bündel am Ende der Stange so festgebunden waren, daß die Widerhaken gegeneinander standen; eine ausgezeichnete Methode, wie aber sollte man sie in der Eile nachahmen? Gast ging an Land und verbesserte seine Angel, indem er Bast um die Gabelung band, so daß sie sich nicht so weit öffnen konnte, und zwischen die Gabelung klemmte er eine große, scharfe Fischgräte. Darauf stieß er sich wieder mit der Stange hinaus, und nun saß der Aal fest, wurde zwischen den Gabelspitzen eingeklemmt und von der spitzen Fischgräte festgehalten; es war ein langer, schwerer Aal, mit dem er noch kämpfen mußte, als er ihn schon geköpft hatte. Der Baumstamm drehte sich mit Gast, tauchte unter, wo es tief war, Gast schluckte tüchtig Wasser und erbrach sich, als er wieder rittlings auf seinem Stamm saß; den Aal aber hatte er nicht fahren lassen und arbeitete sich mit ihm an Land.
Er riß die Haut ab mit dem besten Gerät, das er dazu hatte, den Zähnen, nachher aber mußte die Haut in schmale Streifen geteilt werden, eine schwierige und aufreibende Arbeit, solange die Haut naß war. Er beeilte sich, wurde aber trotzdem vor Abend nicht fertig; es dunkelte bereits, alle Kinder waren drinnen, die ganze Kolonie der kleinen Kruken stand verlassen am Strande und trocknete; erst nach völligem Dunkelwerden war Gast mit seinen Streifen fertig, und das Schnüren konnte beginnen. Das eine Ende der Schnur zwischen den Zähnen, den Mund voller Aalschleim, band er den Keil am Schaft fest; wenn die Aalhaut trocken war, würde sie noch fester anliegen. In der Nacht erwachte er und erhob sich schlaftrunken, um zu fühlen, ob die Verschnürung trocken sei.
Tags darauf war er zeitig auf, um die Axt zu probieren; der Keil saß so fest, daß keine menschliche Kraft daran rütteln konnte, und daß das Rohr bei solcher Verschnürung platzen konnte, war eine Unmöglichkeit. Er ging in den Wald, um die Axt zu probieren; sie durchschnitt Haselgerten, so dick wie ein Handgelenk, geradezu spielend. Der Erfolg stieg ihm fast zu Kopfe; obgleich er die Axt selbst verfertigt hatte, traute er ihr fast übernatürliche Kräfte zu. Nicht umsonst war sie aus einem Teil des Hirsches gemacht, sie besaß Geschwindigkeit und wütende Kräfte, war zum gefährlichen Jagdgerät vorausbestimmt. Und daß sie etwas vom Fisch an sich hatte, würde sie sicher tauglich und erfolgreich auch auf dem Meere machen!
Ob sie aber auch zu dem geeignet war, wozu Gast sie recht eigentlich gebrauchen wollte, zu schwerer Zimmerarbeit, Bootsbau, das mußte sich erst zeigen.
Etwas abseits vom Wohnplatz stand am Waldessaum, ganz nah dem Strande, eine Eiche, ein großer Baum mit einem vollkommen fehlerfreien Stamm, dem man geradezu ansehen konnte, daß ein Fahrzeug in ihm steckte. Schon vor Jahren hatte Gast sich diesen Baum ausersehen und sich mehr und mehr in die Vorstellung hineingeträumt, welch ausgezeichneten Eichenkahn man daraus zimmern konnte. Der Stamm war so dick, daß ein Mann ihn kaum umspannen konnte, und sehr lang; das Fahrzeug würde nicht sehr breit werden, statt dessen konnte man es ungewöhnlich lang machen, es würde geschmeidig und flink werden und mit Leichtigkeit zwei Personen tragen. Der Baum stand äußerst am Waldrande, geradewegs vor dem Meere, als ob er soweit gewandert sei, wie er kommen konnte und auf eine Gelegenheit wartete, weiter zu reisen. Da Gast jetzt eine entsprechende Art hatte, trieb es ihn, mit dem Fällen des Baumes zu beginnen, um endlich in den Besitz eines großen ausgehöhlten Eichenkahns zu gelangen, wie die Erwachsenen ihn besaßen.
Seit er aufrecht stehen konnte, war es seine Lust gewesen, auf dem Wasser zu sein, tagelang war er in dem seichten, warmen Wasser herumgewatet und hatte gespielt, daß die großen Steine am Strande Inseln seien, zwischen denen er Schiffe, Stäbe, hin und her treiben ließ. Später höhlte er sie aus, daß sie wie die richtigen großen Boote aussahen, und unternahm große Reisen mit ihnen, zu fernen Küsten, Steinen, die weit draußen in der Bucht lagen, wo das Wasser dem Schiffer, der nebenher ging, bis an die Armhöhle reichte. Pil war immer sein getreuer Spielkamerad gewesen, und sie waren so vertieft in ihr Spiel, daß sie alles um sich her vergaßen und sich wirklich in einer fremden Welt befanden. Jetzt sollte das Spiel indessen Ernst werden.
Gast hatte die Absicht, auszuwandern. Nicht, daß er es sich ganz klar machte, alles aber, was sich während der Kindheit in ihm gesammelt und was er sich vorgenommen hatte, führte ihn wie ein Schicksal in dieselbe Richtung.
Es war kein geringes Vorhaben für einen Knaben, ganz allein die große Eiche zu fällen und zu formen; das aber waren nicht einmal die größten Schwierigkeiten, andere und schwerere Hindernisse stellten sich ihm in den Weg. Erstens durfte man den Baum überhaupt gar nicht fällen; das war ein Übergriff in die Rechte des Waldes, den man sich nur erlauben durfte, wenn man ihm statt dessen einen Dienst erwies. Zweitens durfte man kein Feuer von den Herdfeuern des Wohnplatzes nehmen, es war heilig und gehörte den Erwachsenen. Ohne Feuer aber würde die Arbeit unausführbar sein.
An dem Morgen, als Gasts Axt fertig war, holte er sich einen brennenden Zweig von dem Herde seiner Mutter und begann sich ein Feuer in der Nähe des Baumes zu machen; kaum hatte der Rauch sich bemerkbar gemacht, als schon einer der Männer ihn ernsthaft ins Gebet nahm und das Feuer mit dem Fuße austrat, wobei der Büffel sich glücklicherweise seine Zehen verbrannte. Als er fort war, zog Gast das Feuer von neuem aus der Glut auf, die in der Asche rauchte, und begann von vorn; diesmal gab es geradezu einen Aufstand im Wohnplatz, mehrere zornige Männer eilten herbei, und Gast wurde unsanft bei den Ohren zum Wohnplatz gezerrt. Gro tauchte in ihrem Hausgang auf, Gast wurde angeklagt, die Männer fuchtelten mit den Armen durch die Luft und redeten durcheinander, die Hunde fielen mit Gebell ein, wie immer, wenn es Zank gab, und sprangen sich mit gesträubten Haaren an die Kehlen; allgemeiner Alarm auf dem Kökkenmöddinger!
Die Männer aber ließen Gast bald los, irgend etwas in Gros Mienenspiel veranlaßte sie dazu. Das Gezänk wurde fortgesetzt, ohne daß sich etwas ereignete, und Gast kehrte verstockt zu seinem Feuer zurück und entfachte es zum drittenmal. Und diesmal ließ man ihn gewähren, obgleich er von weitem das Schimpfen und Bellen hören konnte.
Gast machte sich eines groben Vergehens schuldig; ein Minderjähriger wie er, noch nicht einmal im Stamme aufgenommen, begann ohne weiteres mit dem Feuer zu spielen, hatte man je etwas ähnliches erlebt? Weil er aber Gros Sohn war und sie die sanfte Bemerkung fallen ließ, daß, solange er noch nicht in der Gilde der Männer aufgenommen sei, sie ja auch noch nichts über ihn zu sagen hätten; da sie außerdem so schön aussah, wie sie mit ihrer vollen Brust im Hausgang stand, so begnügte man sich mit einem andauernden, vielstimmigen Gebell, während Gast sich ruhig ein Feuer machte und in seine Arbeit vertiefte.
Nachdem das Feuer ordentlich in Gang gekommen war, warf er Steine hinein und begann sie unverzüglich, wenn sie heiß waren, auf die Wurzeln der Eiche, rund um den Stamm zu legen; dazu benutzte er einen gegabelten Ast, den er häufig im Wasser kühlte, um ihn vorm Verkohlen zu schützen. Rauch qualmte von den Eichenwurzeln, säuerlich und von herbem Saft duftend, und bevor die Steine kalt geworden waren, hatten sie schon ein recht tiefes Loch in die Wurzeln gebrannt. Von seiner Mutter hatte er einen Topf geliehen und mit Wasser daneben gestellt, damit er sogleich löschen konnte, wenn die Glut in Brand ausarten und eigenmächtig den Stamm hinaufkriechen wollte.
Auf dem Wohnplatze konnte er wuchtige, rotmähnige Jägersleute erkennen, die wie festgewurzelt stehen blieben, als es ihnen klar geworden war, was Gast vorhatte, während sie in verbitterter Ohnmacht die Köpfe schüttelten – was fiel Gro ein, sah sie nicht, daß ihre Brut Bäume fällte? Und der Wald? Was würde geschehen, über wen würde es hergehen, wenn der Wald solch unerhörte Eigenmächtigkeit eines verantwortungslosen Bengels rächte?
Gast nickte vor sich hin, während er neue Steine auflegte, er verstand ihre Besorgnis, aber sie konnten ruhig sein, das hatte er schon alles bedacht, der Wald sollte nicht um sein Opfer kommen. Er nahm keine Eiche, ohne etwas entsprechendes dafür zu geben. Wenn er, Gast, groß geworden war, wollte er dem Wald ein gutes Schlachtopfer darbringen, und weder mit einem Hirsch noch mit einem Urochsen sollte der Wald sich begnügen, nein, einige Männer, einige der Erwachsenen waren nicht zu gut für ihn …, und Gast legte mehr Steine auf die Wurzeln der Eiche, hörte sie zischen, stellte sich die Rückenstücke von diesem oder jenem dabei vor und griff sich an seine brennenden Ohren. Warte nur, Wald, du sollst dein Opfer bekommen! Zuerst wollte er fortreisen, in einigen Jahren aber würde er wiederkehren und dem Walde geben, was ihm zukam. Das war nicht mehr als billig!
Solange Gast an seinem Boote baute, solange wurde im Orte gebrummt. Die Männer gaben sich allerdings den Anschein, als ob sie gar nicht sähen, was Gast vorhatte, aber es kränkte sie dennoch, daß ein Knabe ihre Autorität mißachtete. Gro aber hatte Macht über sie und ließ sie brummen, behandelte das Ganze wie eine Unwichtigkeit, die nicht der Rede wert war. Sie war ja nicht in die geheimnisvollen Verschwörungen der Männer eingeweiht und hatte keine Verpflichtungen gegen die Götter; von Götterzwiesprache und Opfermahlzeiten waren Frauen ja ausgeschlossen. Ihrer Meinung nach machten die Männer sich dabei mit Fleiß allerhand schwierige Umwege im Leben, anstatt geradeswegs auf eine Sache loszugehen, wie es ihre, Gros, Art war, wenn es sich um etwas handelte, was sie selbst oder ihre Kinder anging. Im Wohnplatz kam es aus diesem Grunde zu Streitigkeiten; es entstanden geradezu zwei Lager, die Frauen und Kinder auf der einen, die Männer auf der anderen Seite.
Und der Tag kam, an dem die Eiche fiel, nachdem Gast mit schwerer Mühe ihre Wurzeln durchgebrannt hatte; der große Baum senkte sich mit unheimlichem Knarren, das weithin hörbar war; es ging wie ein Schrei durch die Krone, als der Stamm brach, und ein dröhnender Seufzer machte die Erde erzittern, als der Stamm mit seinem Gewicht auf den Strand donnerte. Die Männer erwachten aus ihrem Mittagsschlaf und lärmten, wollten sich in das Unwesen eines Knaben, der alle Mächte des Waldes und Himmels herausforderte, nicht finden, und Gro mußte ihnen abermals ihre Meinung sagen.
Aus sicherer Entfernung folgten die Kinder dem Kampfe, in einem Haufen zusammengedrängt, mit Staunen sahen sie, wie Mutter Gro ganz allein den ganzen aufgeregten Schwarm von Männern zähmte, nur durch Worte, mit lächelndem Munde, während die behaarten und bewaffneten Männer lärmten und Mord ihnen aus den Augen blitzte. Als sie drauf und dran waren, sich mit Harpunen, Äxten und Bogen auf den Gotteslästerer zu stürzen, fielen ihnen die Mordwaffen aus den Händen, und sie blieben offenen Mundes stehen, nur weil Gro ihnen unter Lachen etwas zugerufen hatte! Sie schien sehr zauberkundig zu sein! Was sie gesagt hatte, konnten die Kinder nicht verstehen oder es ging über ihren Verstand, die Schlacht aber war vorbei, und Mutter Gro hatte sie ohne Anstrengung gewonnen.
Gro aber hatte den Männern zugerufen, falls sie ihre, Gros, Kinder totschlügen, brauchten sie nicht mehr damit zu rechnen, daß sie in der Dämmerung ihren Hausgang offen fänden, es fehlte gerade, daß sie sich wie wilde Stiere um ihre Freundschaft balgten und hinterher ihre Nachkommenschaft ausrotteten! Bei diesen Worten schwoll ihr der Kamm, das ging doch zu weit!
Die Aussicht, bei Gro in Ungnade zu fallen, konnte kein Mann ertragen. Einer nach dem andern legte seine Waffe nieder, es regnete geradezu mörderische Waffen. Und während sie mit leeren Händen dastanden und zu ihr hinschielten, gab Gro ihnen den Gnadenstoß, nachdem sie sie tüchtig ausgelacht hatte. Eines wollte sie sie noch fragen: War jemand von ihnen denn sicher, ob es nicht sein Sohn sei, den er drauf und dran gewesen war totzuschlagen?
Die Männer räusperten sich sehr niedergeschlagen und schüttelten die Köpfe wie Ochsen. Die Tragweite von Gros Enthüllung machte ihnen Kopfzerbrechen, das Vatergefühl regte sich in ihnen, und die Kinder im Hintergrunde sahen, wie sie sich den Bart in den Mund schoben und niedergeschlagenen Auges darauf kauten, während Mutter Gro sie tüchtig auslachte, jetzt aber mit ihrem milden Lachen, das den Kindern kündigte, daß wieder Frieden und Versöhnung unter den Erwachsenen herrschte.
Doch sollte die Sonne an diesem Tage nicht untergehen, ohne daß die Kinderschar auf andere Weise um einen Gespielen ärmer wurde; die Rachlust der Männer, die von Gro unterdrückt worden war, schaffte sich auf andere Weise Luft.
Das Geschrei und der drohende Aufruhr waren hingestorben, der Mittagsschlaf wieder aufgenommen, und der warme Tag näherte sich bereits seinem Ende, als plötzlich von neuem Geschrei im Dorfe entstand; diesmal waren es die Männer, die lachten, kein gutes Lachen, und dazwischen erklang ein kleiner, heller Schrei.
Aus mehreren Anzeichen hatte man wahrgenommen, daß ein Mädchen aus der Kinderschar nicht mehr Kind war, und unverzüglich wurde zum Brautlauf in die Hände geklatscht. Der Bursche, der es zuerst entdeckt hatte, klatschte lachend in die Hände, und sofort fielen alle Männer des Wohnplatzes mit ein; es klang, als ob eine Vögelschar aufflog, man lachte laut, ein Gewitter von Lustigkeit, die Kinderschar wurde in alle Winde auseinandergesprengt, und das arme kleine Weibchen, das entdeckt worden war, wußte Bescheid und lief zum Walde, als ob es ihr Leben gälte – die ganze Männerschar aber lachte noch lauter und klatschte noch stärker in die Hände, so war es ja gerade recht, laufen sollte sie, in dem Glauben, daß sie ihrem Schicksal entfliehen konnte, hja, hja – und unter lautem Jägergeschrei, mit blutigem Hundegekläff begann die Verfolgung.
Sie dauerte längere oder kürzere Zeit, je nachdem das Mädchen leichtfüßig war und sich zu verstecken verstand; bisweilen waren sogar die Hunde gnädig und gingen ihr nicht auf die Spur, wenn das Mädchen gut gegen sie gewesen war; die Jagd war gleichzeitig eine Probe für den schnellsten und ausdauerndsten Läufer des Ortes, endete aber immer damit, daß das Opfer eingeholt wurde.
Hinterher konnte man die Ärmste, die bis dahin Spielkamerad in der Kinderschar gewesen war, in der dunkelsten Ecke eines Winterhauses zusammengekrochen finden, blutend, noch viele Stunden zitternd, den Kopf in die Haare vergraben, untröstlich.
Und damit war sie der Frauenschar einverleibt, bekam einen Grabestock und mußte den Jägern Schaltiere verschaffen, wenn sie vom Raubzuge heimkehrten und am Feuer gähnten; nie durfte sie mehr an den Spielen teilnehmen.
Von Gasts Arbeitsplatz am Waldsaum erklangen den lieben langen Tag taktfeste Axtschläge, einen Sommertag nach dem anderen, einschläfernd für die, die sie hörten; Gast war an der Arbeit.
In seiner Nähe saß Pil mit ihrem Sonnenhaar; sie störte ihn nicht, denn sie war selbst in ihre Arbeit vertieft, flocht die schönsten Muster, flüsterte mit sich selbst, zufrieden und glücklich bei ihrem einsamen Spiel. Nur wenn ihr ein Span von Gasts Axt an den Kopf flog, blickte sie auf und es zitterte nervös unter ihren Augen: Gast schien zornig zu sein, mit seiner Arbeit entzweit! Wie der Junge tobte und sich das Leben schwer machte!
Nachdem der Baum gefällt war, hatte Gast begonnen, ihn von außen zu formen; wie ein kleiner Riese ging er um die gewaltige Eiche herum und griff sie mit seiner Flintart an, offenbar ein ungleicher, aussichtsloser Kampf; der Holzbulle lag schwer und gewichtig da, und es dröhnte durch die ungeheure Holzmasse, von der das meiste entfernt werden sollte. Gast aber nagte sich mit Zähigkeit vorwärts, von dem Gedanken behext, fertig zu werden.
Zuerst hatte er ein Loch in die Rinde gebohrt und sie in großen Stücken abgesprengt, und als der Stamm bloß lag und er seine Form besser beurteilen konnte, machte er ein Feuer unter dem Ende, wo die Wurzel war, brannte sie ab, schätzte die Länge, die das Boot haben sollte, und brannte die Eiche auch am anderen Ende durch, eine Arbeit, die das Feuer fast allein besorgte; er brauchte nur mit Wasser zu löschen, wenn es zu weit fressen wollte. Und darauf begann das äußere Formen. Hätte er den Bullen nur umdrehen und oben auf ihm arbeiten können, statt dessen mußte er sich unter ihm durchhauen; einigermaßen spitz sollte er ja gern werden, jedenfalls an dem einen Ende.
Es dauerte viele, viele Tage. Gast wurde ganz stumm in dieser Zeit; er haute und haute Span nach Span, schärfte die Axt, wenn sie nicht mehr beißen wollte; das kostete ihm halbe Tage; sein Gesicht wurde gefurcht, eine Falte zeichnete sich zwischen den Brauen, seiner Jugend zum Trotz. Das Verlangen, das Schiff fertig zu sehen, wie er es im Kopf hatte, trieb ihn vorwärts, es drängte ihn weiter mit einer Leidenschaft, daß er sich selbst vergaß und mit dem Holzbullen, den Spänen eines wurde; jeder einzige sprach auf seine besondere Weise zu ihm und leistete Widerstand; er versank wie für ewig in dem herben Geruch des frischen Eichenholzes, das seine Hände schwarz färbte. Und endlich, endlich war die äußere Form, wie er sie haben wollte.
Ohne eine Minute zu verlieren, begann er das Aushöhlen, auf das er sich schon so lange ungeduldig gefreut hatte. Zuerst mußte die obere Rundung des Holzbullen entfernt werden, ungefähr bis zur Hälfte des Stammes; durch diese Arbeit axte er sich viele, viele Tage hindurch, mit Blasen an den Händen, die zu Wunden wurden und wieder heilten; darauf legte er heiße Steine auf die Fläche und begann das Aushöhlen getrost, denn jetzt sah er das Ende der Arbeit nahen; es galt aber vorsichtig sein, damit die Steine sich nicht zu tief einbrannten, die ganze Zeit mit einem Eimer Wasser Wache stehen und beizeiten löschen. Die ausgebrannten und verkohlten Stellen glättete er mit der Axt, brannte wieder und glättete von neuem; und damit fuhr er fort, bis die Eiche ganz bis auf den Grund hohl war, ein langer, schmaler Trog. Jetzt war sie reif, um ins Wasser gesetzt zu werden.
Eines Tages ertönte lautes Siegesgeschrei von dem Arbeitsplatz des behexten Gast, als ob jemand vor Entzücken verginge, und obgleich die Männer sich im stillen geschworen hatten, dem Vorhaben des Knaben gar keine Beachtung zu schenken, weil sie es ja doch nicht hindern konnten, gingen sie dennoch wie zufällig in der Nähe des Ortes vorbei, um zu sehen, wie weit er gekommen war.
Gast aber stand jetzt ganz stumm neben seinem fertigen Schiff; die Freudenrufe waren ihm im Halse stecken geblieben, denn er hatte eines vergessen: wie sollte er die Eiche von der Stelle bewegen? Bis zum Wasser waren es nur wenige Schritte, als er aber um die Reeling faßte, merkte er, daß das Schiff wie festgewachsen an der Erde lag, unerschütterlich für seine Kräfte, wie ein Riesenstein. Er hatte vergessen, Rollen unter den Baum zu legen, als er ihn fällte!
Mehrere Burschen kamen aus dem Walde, wo sie ihn belauert hatten, und fragten mit falscher Teilnahme, warum die Eiche sich nicht bewegen wolle; sie schüttelten sich vor unterdrücktem Lachen, andere kamen hinzu, eine ganze Schar Männer mit zuckenden Bärten, und schließlich brachen alle in Hohngelächter aus über diesen elenden Jungen, stützten sich gegeneinander, um nicht vor Vergnügen umzufallen; nein, wie das guttat!
Plötzlich tauchte Gro zwischen ihnen auf, durch das Gelächter herbeigelockt, und auch sie lachte. Gast sah, daß sie lachte – aber noch während sie girrte, denn Mutter Gro lachte immer wie eine große Waldtaube, etwas engbrüstig wegen ihres Fettes, ging sie zum Steven der Eiche, hob sie ohne Umstände hoch und schleppte das Fahrzeug mit zwei, drei Sätzen ins Wasser! Als sie sah, daß es schwamm, gab sie ihm noch einen Puff, watete mit einem Lächeln auf ihren Sohn zu und sah, wie untröstlicher Kummer sich in seinem Gesicht zu Glück wandelte; er lächelte durch Tränen.
»Jetzt kannst du weiter sehen,« sagte sie zu ihrem Sohn, und ihre Stimme hatte einen singenden Klang; den Männern sandte sie einen verächtlichen Blick, wendete ihnen den Rücken und ging wieder zu den Hütten.
Da standen die Männer! Sie sahen, wie die Erde dort, wo das Achterende der Eiche eine Furche gegraben hatte, rauchte, und von dort wanderte ihr Blick verstohlen zu Gros Rücken – daß sie so stark war, das hatten sie nicht geahnt! Es war die Kraft von vier Männern!
Sie betrachteten ihren Rücken, wie sie dort schritt; imposant, gemächlich in ihrer Fülle war sie, ihre schweren Hüften wiegten sich bei jedem Schritt, die Knie waren einwärts gebogen wie bei jeder Frau, die Arme standen wegen ihrer Fülle etwas vom Körper ab; der Boden hallte von ihren Schritten wider – wie schön sie war!
Daß sie aber auch so stark war …, ganz verdutzt sahen die Burschen sich an. Einer blickte zum Himmel hinauf, nach den Wetteraussichten spähend, ein anderer rollte verlegen einen Strohhalm zwischen den Fingern, ein dritter nieste heftig und schneuzte sich die Nase. Andere hatten sich schon davongeschlichen, der Rest löste sich bald auf. Von dem Ereignis wurde nie wieder gesprochen.
Gast aber hatte das Doppelruder ergriffen, das er schon vor langer Zeit aus einem Ast zurechtgehauen hatte, sprang in die Eiche, die ihn mit einem hohlen und schönen Holzklang empfing, während sie das Wasser unter ihm tätschelte; herrlich lag sie auf dem Wasserspiegel, ihr Wesen als Fahrzeug alsbald kundtuend. Und bald darauf sah man Gast mit seinem neuen, leuchtenden Eichenboot auf der Bucht, während das Ruder abwechselnd von der einen zur anderen Seite wanderte.
So gelangte Gast zu einem Schiff.
Nach einigen Tagen fiel es bald diesem, bald jenem auf, daß man von Gast nichts mehr hörte und sah. Es vergeht Zeit, bis man merkt, daß jemand verschwunden ist, dem man keine weitere Beachtung geschenkt hat. Schließlich aber wurde es doch allen klar, daß er fort war; Gast war mitsamt seinem neuen Boot verschwunden. Und auch das kleine Mädchen, das Pil hieß, zeigte ihren blonden Kopf nicht mehr in der Kinderschar. Zuerst wußten es die Frauen, später wurde es auch den Männern klar, und sie fühlten sich gekränkt, weil sie nicht gefragt worden waren; den Raub des Mädchens schrieben sie dem aufsässigen Knaben auch mit auf die Rechnung. Gro aber konnte Aufklärung geben: Gast war wirklich auf und davon und hatte seine Spielkameradin mitgenommen; Gro hatte sich seinem Vorhaben nicht widersetzt. Mehr wurde nicht über den Fall gesprochen.
Und bald waren die Kinder vergessen, und Gasts Name würde vielleicht nie wieder genannt worden sein, wenn nicht bald darauf ein Ereignis eingetroffen wäre, das sein Vergehen auf peinliche Weise in Erinnerung brachte.
Ein junger Mann verunglückte unter besonderen Umständen auf der Jagd. Abends war er nicht mit den anderen heimgekehrt, und als man ihn am nächsten Tage suchte, fand man ihn auf dem Pfahl seiner eigenen Fallgrube aufgespießt, in die er im Dunkeln gefallen war. Als man ihn fand, lebte er noch und konnte mit seinen Gedärmen in der Hand nach Hause gehen. Vor Gros Hausgang legte er sich nieder, und sie hielt seinen Kopf zwischen ihren Knien, bis er ausgeatmet hatte. Er war einer der besten Jäger des Stammes gewesen, ein hübscher und lustiger Vogel. Gro hatte ihn sehr geliebt und weinte einen ganzen Tag und eine ganze Nacht um ihn; man konnte das schmerzliche, unterirdische Geheul aus Gros Höhle, wo sie im Dunkeln lag und trauerte, im ganzen Wohnplatz hören.
Gros Schmerz behagte den anderen Jägern nicht, und als sie ihn, der doch ein guter Freund und Kamerad gewesen, beerdigten, sorgten sie dafür, daß er nicht zurückkehren konnte, indem sie einen tüchtigen Steinhaufen auf sein Grab wälzten. Ein ausgezeichneter Mensch war er gewesen, gewiß, wenn Gros Augen aber nicht mehr freundlich auf ihm ruhen konnten, so kam es anderen zugute …,
Über die Ursache, den Fingerzeig des Unglückes aber, waren die Männer nicht im Zweifel. Sie äußerten sich darüber nicht zu Gro, denn sie pflegte selbst den nächstliegenden Schlußfolgerungen gegenüber vollkommen unzugänglich zu sein, außerdem war sie hier Partei, untereinander aber besprachen sie das Ereignis fleißig. Die Sache war ja klar. Gasts Ruchlosigkeit hatte Strafe auf den Stamm herabbeschworen, wie man vorausgesagt; der Wald war gekränkt worden und hatte sich gerächt.
Gast aber war verschwunden, und nur Gro wußte, wo er sich hingewandt hatte.