Jean Paul
Dr. Katzenbergers Badereise
Jean Paul

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III.
Polymeter

Das Menschen-Herz

Mir träumte, ich sei unnennbar selig, aber ohne Gestalten und ohne alles und ohne Ich, und die Wonne war selber das Ich. Als ich erwachte, so rauschte und brannte vor mir der Frühling mit seinen Freudengüssen wie ein von der Morgensonne durchstrahlter Wasserfall, die Erde war ein aufgedeckter Göttertisch, und alles war Blüte, Klang und Duft und Lust. Ich schloß froh weinend das Auge und sehnte mich nach meinem Traume wieder.

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Der Mensch der Bedürfnisse und der höhere Mensch

Der Mensch, gepreßt wie die gekrümmte Feder in der Uhr, dreht an seiner Kette die Stundenräder, um sich wieder auszudehnen, und hat er sich für einen Tag befreit: so wird die Uhr schnell aufgezogen, und er windet wieder die Kette langsam von neuem ab. Der höhere Mensch geht als eine Welt in dem Himmel und wendet sich täglich um seine Sonne.

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Die Menschenfreude

Stets zwischen zwei Disteln reift die Ananas. Aber stets zwischen zwei Ananassen reift unsere stechende Gegenwart, zwischen der Erinnerung und der Hoffnung.

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Der Eichenwald

Fälle meinen heiligen Eichenwald nicht, o Fürst, sagte die Dryade, ich strafe dich hart. Er fällte ihn aber. Nach vielen Jahren mußte er sein Haupt auf den Richtblock hinstrecken, und er sah den Block aufmerksam an und rief: er ist von Eichenholz.

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Der Pfeil des Todes

Sobald wir anfangen zu leben, drückt oben das Schicksal den Pfeil des Todes aus der Ewigkeit ab – er fliegt so lange, als wir atmen, und wenn er ankommt, so hören wir auf. »O stürben wir doch auch so alt und lebenssatt wie unser Jubel-Greis!« sagen dann diejenigen, deren Pfeile noch fliegen.

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Ährenlesen armer Kinder

Seht hier Blüten, die schon Früchte tragen!

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Die Tränen

Wir haben alle schon geweint, jeder Glückliche einmal vor Weh, jeder Unglückliche einmal vor Lust.

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Völker-Proben

Nur mit den gewaltigen Brennspiegeln werden Edelsteine untersucht, mit Eroberern die Völker.

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Der Eroberer

O wie gleichst du so oft deinem Rom! Voll eroberter Weltschätze, voll Götterbilder und Größen, bist du mit Öde und Tod umgeben – nichts grünt um Rom als der giftige Sumpf, alles ist leer und wild, und kein Dörfchen schaut nach der Peterskirche. Du allein mit deiner Sünde schwillst unter dem Sturm, wie unter Gewittern Leichen sich aufblähen.

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Der traurige Tag

Umfängt dich der traurige Tag mit seinem Nebel, der leer, dumpf, dicht und grau dir die ganze Welt verhüllt: so denke daran, in was ihn verwandelt die Vergangenheit und Dichtkunst; in leichten glänzenden Wölkchen steht er am Himmel oder in Abendröten – oder er schimmert, niedergefallen, als Morgentau auf den Auen, die er dir bedeckt hatte.

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Die Blumen auf dem Sarge der Jungfrau

Streuet nur Blumen auf sie, ihr blühenden Freundinnen! Ihr brachtet ja sonst ihr Blumen bei den Wiegenfesten. Jetzo feiert sie ihr größtes; denn die Bahre ist die Wiege des Himmels.

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Die Treulosigkeit

Dem treuen Mädchen brach das Herz nachdem sie den Treulosen geliebt. Ach, sagte sie, warum bricht es zu spät? Der Demant zerspringt schon, wenn ein treuloses Herz nur annaht, und warnt das treue.

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Die Verkannte

Unglückliche, du trägst die Dornenkrone auf dem blutigen Haupte, doch ewige Rosen blühen auf deiner Brust.

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Die Zeiten

Die Vergangenheit und die Zukunft verhüllen sich uns – aber jene trägt den Witwen-Schleier und diese den jungfräulichen.

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Der Dichter

Der Dichter gleicht der Saite: er selber macht sich unsichtbar, wenn er sich schwingt und Wohllaut gibt.

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Das Leben

Ihr nennt das Leben mit Recht die Bühne. Den Geistern, die uns zuschauen, sind unsere trüben Versenkungen und frohen Aufflüge auf der Bühne keine von beiden, sondern nur unser Spielen.

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Die Treue

»O ich wohne ja in deinem Auge«, sagte der kleine Bruder, als er sich im schwesterlichen erblickte. »Und ich wohne gar in deinem!« sagte die Schwester. – »Gewiß, so lange ihr euch seht,« dachte der Vater, »denn die Augen der Menschen sind ihren Herzen ähnlich.«

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Die Hof- und die Landtrauer

Nur der Hof und Große dürfen um einen Fürsten öffentlich trauern; nun so sei es um einen bösen. Aber den Landesvater beweine das ganze Land. Das ärmste Kind ist ja seine Waise.

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Der Dichter

Wohl habe ich Früchte und Blumen zusammengebunden, wie im Blüten-Strauße auch die reife Pomeranze erscheint; aber auch die Frucht ist nur Blüte, und der Herbst duftet mit dem Frühling zugleich.

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Die Freuden des Dichters

Gönnt und gebt dem Dichter Freuden; er bringt sie euch verklärt als Gedichte zurück, und er genießt die Blumen, um sie fortzupflanzen; denn er ist der Biene ähnlich, die von den Blumen, aus denen sie Süßigkeit trinkt, den Blumenstaub weiterträgt und zu neuen jungen Blumen aussäet. Laßt ihn nach Italien fliegen, denn er bringt es auf seinen Flügeln als hängenden Garten der Dichtkunst mit.

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Rat

Sprecht nicht: wir wollen leiden; denn ihr müßt. Sprecht aber: wir wollen handeln; denn ihr müßt nicht.

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Die Politik

Sie verhüllt wohl sich, aber sie zeigt der Welt ihre Toten, ihre Schlachtfelder und Schlachtstädte und ihre neuen Flüsse, die sich halb aus Blut, halb aus Tränen durch die Auen schlängeln. So geht in Rom die Brüderschaft der Leichen weiß vermummt, aber ihre Toten trägt sie aufgedeckt, und die Mittagsonne scheint auf das kalte, blinde Gesicht.

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An die Feinde der Freiheit

Zerschlagt nur jeden Bund ihrer Freunde und zerstückt jedes Buch sogar mit dem, der es hinstellte, um darin die Geister-Sonne, die Freiheit, im Aufgange zu zeigen: nun glänzt die Sonne nicht mehr aus einem Spiegel, sondern neu aus jeder Scherbe des zertrümmerten. Die ruhige Meer-Ebene mit einer stillen Sonne im Busen lodert aufgestürmt mit verworrenen zahllosen Sonnen auf den zahllosen Wogen.

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Der All-Geist

Tausend Sonnen schießen in Augenblicken über das Feld des SternrohrsIn einer Viertelstunde flogen 116000 Sterne durch das Feld von Herschels Teleskop.
, und neue Tausend fliegen nach. Der All-Geist ruht und schauet; und die Sonnen und das All eilen vorüber, aber ihr wetterleuchtender Flug ist ihm ein unbeweglicher Glanz, und vor ihm steht das verfliegende All fest.


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