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Fünftes Kapitel

Ein halbes Jahr nach Edeles Tod verlor eine Cousine Lyhnes ihren Mann, den Tonwarenfabrikanten Refstrup. Das Geschäft war niemals glänzend gewesen, die lange Krankheit des Mannes hatte es noch mehr heruntergebracht, und es stand nicht mehr viel zwischen der Witwe und der Armut. Sieben Kinder waren mehr, als sie ernähren konnte. Die beiden jüngsten und der älteste, der in der Fabrik angestellt war, blieben bei ihr, die übrigen nahm die Familie zu sich. Lyhnes bekamen den nächstältesten Knaben; er hieß Erich, war vierzehn Jahre alt und hatte auf dem Gymnasium der Stadt einen Freiplatz gehabt; jetzt erhielt er zusammen mit Niels und Frithjof Petersen, des Pfarrers Frithjof, Unterricht bei Herrn Bigum.

Es war nicht mit seinem Einverständnis, daß er zum Studieren angehalten wurde, denn er wollte Bildhauer werden. Der Vater hatte gesagt, das sei Unsinn; aber Lyhne hatte nichts dagegen, er glaubte, daß der Knabe Talent besitze, doch wollte er, daß er erst seine Reifeprüfung mache, dann hatte er immer einen festen Haltepunkt; übrigens war ja klassische Bildung notwendig für einen Bildhauer oder doch auf alle Fälle sehr zu empfehlen. Dabei blieb es vorläufig, und Erich mußte sich mit der nicht unbedeutenden Sammlung guter Kupferstiche und hübscher Bronzen trösten, die er auf Lönborghof vorfand. Das waren jedenfalls große Dinge für einen, der nur den Schund gesehen hatte, den ein mehr wunderlicher als kunstverständiger Drechsler der Stiftsbibliothek testamentarisch vermacht hatte; und Erich war bald eifrig mit dem Bleistift und dem Modellierholz beschäftigt. Nichts sprach ihn so an wie Guido Reni, der ja auch in jenen Tagen einen größeren Namen hatte als Raffael und die Größten. Und vielleicht gibt es nichts, was die jungen Augen besser für die Schönheiten eines Kunstwerkes öffnet, als das sichere Wissen, daß ihre Bewunderung bis zu den höchsten Höhen berechtigt ist. Andrea del Sarto, Parmeggianino und Luini, der später, als sein Talent und er sich gefunden hatten, so viel für ihn bedeuten sollte, die ließen ihn jetzt gleichgültig, während das Schneidige bei Tintoretto, das Bittre bei Salvator Rosa und Caravaggio ihn entzückten; denn das Süße in der Kunst hat keinen Reiz für die ganz Jungen; der lieblichste Miniaturenmaler hat seine Laufbahn in Buonarottis Spuren begonnen, der gemütlichste Lyriker hat seine erste Ausfahrt mit schwarzen Segeln im Blut der Tragödien gemacht.

Aber bis jetzt war dies Beschäftigen mit der Kunst für ihn nur ein Spiel, das ihm ein wenig besser gefiel als andere Spiele, und er war nicht stolzer auf einen gut modellierten Kopf oder ein flott ausgeschnittenes Pferd, als er es war, wenn er mit einem Stein die Wetterfahne der Kirchturms traf oder wenn er bis Sönderhagen hinausgeschwommen war und wieder zurück, ohne sich auszuruhen; denn solche Spiele liebte er, wo es auf Körpergewandtheit, auf Kraft, Ausdauer und auf eine sichere Hand, auf ein geübtes Auge ankam, und nicht die Spiele, wie Niels und Frithjof sie pflegten, wo die Phantasie die Hauptrolle spielte und wo die Handlung und das Gelingen der Handlung stets nur in der Einbildung bestand. Bald jedoch verließen sie ihren alten Zeitvertreib, um Erich zu folgen. Die Romane wurden beiseitegelegt, und die endlose Geschichte bekam bei ihrem letzten heimlichen Zusammentreffen auf dem Heuboden ein etwas gewaltsames Ende; und tiefes Schweigen brütete über dem hastig aufgeworfenen Grabhügel, denn sie mochten nicht mit Erich hiervon sprechen, sie ahnten schon, nachdem ihre Bekanntschaft mit ihm erst wenige Tage alt war, daß er sich sowohl über sie, wie auch über ihre Geschichte lustig machen, sie in ihren eignen Augen herabsetzen und sie beschämen würde. Diese Macht besaß er nämlich, weil er frei war von allem, was Träumerei, Exaltation oder Phantasterei hieß. Und da sein klarer, praktischer Knabenverstand mit seiner tadellosen Gesundheit geistigen Gebrechen gegenüber ebenso schonungslos war und bereit zum Hohn, wie es die Kinder im allgemeinen den körperlichen gegenüber sind, so fürchteten Niels und Frithjof sich vor ihm, und sie bildeten sich nach ihm, verleugneten viel und verheimlichten noch mehr. Besonders war Niels schnell bereit, all das bei sich zu unterdrücken, was nicht zu Erichs Welt gehörte; und mit dem heißen Eifer eines Renegaten verhöhnte er Frithjof und machte sich lächerlich über ihn, dessen langsamere und treuere Natur nicht sofort das Alte über das Neue vergessen konnte. Aber was Niels hauptsächlich zu diesem lieblosen Verhalten trieb, war die Eifersucht, denn schon am ersten Tage hatte er sich in Erich verliebt, der scheu und kühl, nur widerstrebend und halb verächtlich kaum duldete, daß man ihn liebte.

Ob es unter allen Gefühlsverhältnissen des Lebens etwas gibt, das zarter, edler, inniger ist als die leidenschaftliche und doch so schüchterne Verliebtheit eines Knaben in einen andern? Eine solche Liebe, die niemals spricht, die sich niemals Luft in einer Liebkosung, einem Blick oder einem Wort zu machen wagt, so eine sehende Liebe, die bitter über einen jeden Mangel oder Fehler bei dem trauert, den sie liebt, und die Sehnsucht ist und Bewunderung und Selbstvergessen und Stolz, Demut und ruhig atmendes Glück.

Nur ein oder anderthalb Jahre blieb Erich auf Lönborghof; denn während eines Besuchs in Kopenhagen hatte Lyhne mit einem der hervorragendsten Bildhauer gesprochen und ihm die Skizzen des Knaben gezeigt, und Mikkelsen, der Bildhauer, hatte gesagt, daß Talent vorhanden und daß das Studieren ein Zeitverlust sei; es sei keine sonderlich klassische Bildung dazu erforderlich, um einem nackten Menschen einen griechischen Namen zu geben. Darum wurde abgemacht, daß Erich sofort herüberreisen sollte, um die Akademie zu besuchen und in Mikkelsens Atelier zu arbeiten.

Am letzten Nachmittag saßen Niels und Erich auf ihrem Zimmer. Niels besah Bilder in einem illustrierten Blatt, Erich war in Spenglers beschreibenden Katalog der Kristiansborger Gemäldesammlung vertieft. Wie oft hatte er dies Buch nicht durchblättert und versucht, sich nach den naiven Beschreibungen eine Vorstellung von den Gemälden zu bilden, fast krank vor Sehnsucht, all diese Kunst und Schönheit wirklich zu schauen, wirklich mit dem Auge zu genießen und mit dem Auge wirklich all die Herrlichkeit der Linien und Farben zu erfassen, so daß sie durch seine Bewunderung sein Eigentum wurden; und wie oft hatte er dann nicht dies Buch geschlossen, müde, in den treibenden, phantastischen Nebel der Worte hineinzustarren, der nicht haften, sich nicht formen, der nichts gebären wollte, um nur in vagem, irreleitendem Wechsel zu wallen und zu gleiten, zu wallen und zu gleiten.

Heute aber war es anders; heute aber wußte er, wie bald sie nicht mehr Schatten aus dem Traumland sein würden, und er fühlte sich so reich durch alle Versprechungen des Buches, und heute nahmen die Bilder Gestalt an, deutlich wie nie zuvor, und brachen hervor in flüchtigem Blinken, wie farbenstarke Sonnen aus einem Nebel, der golden war von tanzendem Gold.

»Was besiehst du da?« fragte er Niels.

Niels zeigte ihm Lassen in seinem Buch, den Helden des zweiten April.

»Wie häßlich er ist«, sagte Erich.

»Häßlich! er war ja ein Held – nennst du diesen auch häßlich?«

Niels hatte zu dem Bilde eines großen Dichters zurückgeblättert.

»Entsetzlich häßlich!« versicherte Erich und machte eine Grimasse mit dem Mund. »Was für eine Nase hat er? Und dann der Mund und die Augen, und die Strähnen, die ihm vom Kopf abstehen!«

Niels sah, daß er häßlich war, und wurde ganz still; es war ihm niemals eingefallen, daß das, was groß war, nicht immer in eine schöne Form gegossen war.

»Das ist ja wahr,« sagte Erich und schloß seinen Spengler, »ich darf nicht vergessen, dir den Schlüssel zum Roof zu geben.«

Niels machte eine schwermütig abweisende Bewegung, aber Erich hängte ihm trotzdem einen kleinen Vorlegeschloßschlüssel an einem breiten Band um den Hals.

»Wollen wir jetzt dorthin gehen?« fragte er.

Sie gingen. Frithjof trafen sie am Gartenzaun; er lag da und aß unreife Stachelbeeren und hatte anläßlich des Abschiedes Tränen in den Augen.

Außerdem war er darüber beleidigt, daß sie ihn nicht früher aufgesucht hatten; zwar pflegte er stets von selbst zu kommen, aber an einem solchen Tage wie dem heutigen fand er, daß es etwas formeller zugehen müsse. Schweigend hielt er ihnen eine Handvoll der grünen Frucht hin; sie aber hatten ihre Leibgerichte zu Mittag bekommen und waren wählerisch.

»Sauer!« sagte Erich, und ihn schauderte.

»Ungesundes Zeug!« fügte Niels überlegen hinzu und sah auf die dargebotenen Beeren herab; »wie kannst du nur? schmeiß das Zeug weg; wir gehen zum Roof«, und er deutete mit dem Kinn auf das Schlüsselband, denn die Hände hatte er in der Tasche.

Dann gingen sie alle drei hinunter.

Der Roof war ein altes, grün angestrichenes Schiffsroof, das einmal gelegentlich einer Strandungsauktion gekauft war. Es stand unten am Fjord und hatte zu der Zeit, als der Damm aufgeworfen wurde, als Vorratsschuppen gedient, jetzt aber wurde es nicht mehr benutzt, und die Knaben hatten es in Besitz genommen und versteckten dort ihre Fahrzeuge, Flitzbogen, Springstöcke und andere Herrlichkeiten, namentlich die verbotenen, aber unentbehrlichen Dinge wie Pulver, Tabak und Schwefelhölzer.

Mit einer Art finsterer Feierlichkeit öffnete Niels die Rooftür, und sie traten ein und suchten ihre Sachen aus den dunklen Winkeln in den leeren Kojenräumen hervor.

»Wißt ihr was!« sagte Erich, den Kopf ganz drinnen in einer fernen Ecke, »ich will meins in die Luft sprengen.«

»Meins und Frithjofs auch«, antwortete Niels und begleitete seine Worte mit einer feierlich schwörenden Bewegung der Hand.

»Nein, zum Kuckuck auch, meins nicht«, rief Frithjof, »womit sollten wir wohl segeln, wenn Erich fort ist.«

»Das stimmt«, sagte Niels und wandte sich verächtlich von ihm ab.

Frithjof fühlte sich ein wenig unsicher; als aber die andern vor die Tür gegangen waren, zog er sein Fahrzeug in ein sichereres Versteck.

Draußen hatten sie das Pulver bald in ein Nest von teergetränktem Werg unten in den Schuten angebracht; dann legten sie die Lunten zurecht, richteten die Segel, zündeten an und sprangen zurück. Und am Strande entlang liefen sie, machten der Mannschaft an Bord Zeichen und erklärten einander mit lauten Stimmen die zufälligen Wendungen und Bewegungen des Schiffes als Wirkungen der nautischen Intelligenz ihrer tüchtigen Kapitäne.

Aber die Schuten strandeten auf der Landzunge, ohne daß die gewünschte Explosion stattgefunden hatte, und dadurch bekam Frithjof Gelegenheit, edelmütig die Wattierung seiner Mütze zur Anfertigung neuer und besserer Lunten zu opfern.

Mit vollen Segeln steuerten die Schuten auf die Klippen Seelands zu; die schweren Fregatten der Engländer stampften wuchtig in undurchdringbarem Kreis heran, während der Schaum hell unter dem schwarzen Bug zischte und die Kanonen die Luft mit dem scharfen Knattern füllten. Näher und näher; – blau und rot leuchtete es, golden schimmerte es von den klafterhohen Galionen des »Albion« und »Conqueror«; die grauweißen Segelmassen verdeckten den Horizont, der Pulverdampf wälzte sich vor in weißen Wolken und wurde dann wie verschleierter Nebel dicht über das sonnenblanke Blinken der Wogen hingetrieben; da wurde das Verdeck von Erichs kleinem Fahrzeug mit einem schwachen, kleinen Knall zersprengt; das Werg fing Feuer, die rote Flamme schlug heraus, und an den Wanten entlang und in die Rahen hinauf liefen die geschwinden Flammen, fraßen sich langsam schwelend durch das Leik der Segel und schlugen dann gleich langen Blitzen in das Segeltuch ein, das sich brennend aufrollte und auseinanderkrümmte und in großen, schwarzen Schlacken weit über das Meer flog. Noch wehte der Danebrog von der schlanken Spitze des wolkenhohen Schonermastes herab; die Flaggenleine war durchgebrannt, so daß sie wild flatterte, als schlüge sie kampfbereit mit roten Flügeln um sich, – aber die Flamme strich sie in einem kurzen Aufflackern, und ohne Steuer und ohne Steuermann trieb jetzt das rauchschwarze Schiff tot und willenlos dahin, ein Spiel des Windes und der Wellen. Niels Fahrzeug brannte nicht so gut. Das Pulver hatte sich zwar entzündet, und der Rauch war hervorgequollen, aber das war das ganze, und das war zu wenig.

»Hallo, Leute,« rief Niels draußen von der Landzunge her, »bohrt sie in den Grund! Richtet die Kanonen durch die Achterluke und macht ihr den Garaus.« Im selben Augenblick bückte er sich nach einem Stein. »Gebt Feuer!« Und der Stein flog aus seiner Hand.

Erich und Frithjof ließen mit der Hilfe nicht lange auf sich warten, so daß der Rumpf des Schiffes und auch Erichs Fahrzeug bald zersplittert war.

Die Überreste wurden aufs Trockne gebracht, denn jetzt sollten sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden.

Aus ihnen, aus trocknem Seetang und welkem Gras war bald ein brennender, dichtqualmender Haufe gebildet, auf dem die kleinen Kiesel, die mit dem Tang hineingekommen waren, in der starken Hitze eifrig knatterten und knisterten.

Eine Zeitlang saßen die Knaben schweigend um den Scheiterhaufen, aber plötzlich sprang der immer noch finster dreinschauende Niels auf und holte alle seine Sachen aus dem Roof, zerbrach sie in Stücke und warf sie auf das Feuer. Dann holte Erich seine, und Frithjof holte auch etwas. Jetzt schlugen die Flammen des Opferfeuers hoch in die Luft, so daß Erich bedenklich wurde, man könne sie vielleicht oben vom Felde aus sehen, und anfing, es mit angefeuchtetem Tang zu dämpfen; aber Niels stand ruhig da und starrte sorgenvoll dem über den Strand dahintreibenden Rauch nach. Frithjof hielt sich weiter zurück und summte einen Heldengesang vor sich hin, den er von Zeit zu Zeit mit wilden, bardenartigen Griffen in die Saiten einer unsichtbaren Harfe begleitete.

Schließlich erlosch das Feuer, und Erich und Frithjof gingen heimwärts, während Niels zurückblieb, um das Roof zu schließen. Als das geschehen war, sah er sich vorsichtig nach den andern um und warf dann den Schlüssel mit dem Band weit in den Fjord hinaus. Erich hatte sich gerade im selben Augenblick umgedreht und sah ihn fallen, aber er wandte den Kopf hastig ab und begann mit Frithjof um die Wette zu laufen.

Am Tage darauf reiste er ab.

 

In der ersten Zeit wurde er schmerzlich vermißt, denn alles war für die beiden Zurückbleibenden gleichsam ins Stocken geraten. Das Leben hatte sich allmählich von der Voraussetzung aus geformt, daß sie drei waren, die es lebten; drei, das war Gesellschaft, Mannigfaltigkeit, Abwechslung; zwei, das war Einsamkeit und gar nichts.

Was in aller Welt sollten sie vornehmen?

Konnten zwei ein Scheibenschießen sein, konnten zwei Ball spielen? Sie konnten Freitag und Robinson Crusoe sein, aber wer sollte dann die Wilden spielen?

Welche Sonntage! Niels war des Daseins so überdrüssig, daß er zuerst anfing, seine geographischen Kenntnisse zu wiederholen, und sie darauf mit Hilfe von Herrn Bigums großem Atlas weit über die vorgeschriebenen Grenzen hinaus erweiterte. Schließlich begann er, die ganze Bibel durchzulesen und Tagebuch zu führen, aber Frithjof suchte in seiner völligen Verlassenheit einen entwürdigenden Trost darin, mit seinen Schwestern zu spielen.

Allmählich wurde die Vergangenheit weniger deutlich und die Sehnsucht milder; sie konnte an so einem stillen Abend kommen, wenn das Sonnenrot die Wand in der einsamen Kammer beleuchtete und der ferne, eintönige Ruf der Kuckucks ganz aufhörte und die Stille gleichsam weiter und größer machte, – dann konnte die Sehnsucht kommen und alles krank machen und konnte ihre Mattigkeit in das Gemüt hineinstehlen; aber sie quälte nicht mehr, sie kam so unbestimmt, und ihre Last war so weich, daß sie halbwegs süß war wie ein betäubender Schmerz.

Auch die Briefe zeigten diesen Weg. Anfangs waren sie voller Klagen, voll von Fragen und Wünschen, die sich lose aneinanderreihten; aber dann wurden sie länger, versuchten mehr abzuschweifen und zu erzählen, und jetzt waren sie ganz stilvoll, wohlgeschrieben, und es sprach eine gewisse Freude aus ihnen, so wohl versteckt zwischen den Linien schreiben zu können.

Wie es nun so ging, tauchte auch allerlei auf, das nicht gewagt haben würde, den Kopf zu erheben, solange Erich dort war. Die Phantasie schüttete ihre Flimmerblüten aus über die langsame, gleiche Stille des ereignislosen Lebens; die Traumluft legte sich auf das Gemüt, aufreizend, zehrend mit ihrem Duft von Leben und mit den feinen Giften lebensdurstiger Ahnungen, die in diesem Duft verborgen lagen.

Und so wächst denn Niels auf, und alle Kindheitseinflüsse formen an dem weichen Ton, alles formt, alles hat Bedeutung, das, was ist, und das, was erträumt wird, das, was man weiß, und das, was man ahnt, – alles legt seinen leichten, aber sicher gezogenen Gang von Linien, der dann nachgeformt und vertieft, der dann abgeschwächt und verwischt werden soll.


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