Washington Irving
Erzählungen von der Eroberung Spaniens
Washington Irving

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Sechszehntes Kapitel.

Abdalasis' und Exilona's Liebe.

Abdalasis hatte zum Sitze der Regierung Sevilla gewählt, da die Lage dieser Stadt einen leichten und häufigen Verkehr mit den Küsten von Afrika sicherte. Sein Palast war von edler Bauart und mit reizenden Gärten geschmückt, welche sich bis zu den Ufern des Guadalquivir ausdehnten. In einem Theile dieses Palastes wohnten viele der schönsten christlichen Fräulein und Frauen, welche als Gefangene oder vielmehr als Geiseln zurückbehalten wurden, um die Ruhe des Landes zu sichern. Die, welche edeln Standes waren, lebten in Ueppigkeit und Pracht; man gab ihnen Sklavinnen, welche sie bedienen mußten, und sie kleideten sich in die reichsten Gewänder und schmückten sich mit den kostbarsten Kleinodien. Die von zartem Alter wurden in Allem, was ihr Stand forderte, unterrichtet, und selbst, wenn Arbeiten gefordert wurden, waren es Arbeiten der zierlichsten und angenehmsten Art.

Sie stickten, sangen, tanzten und verbrachten ihre Zeit in heiterer Ergötzlichkeit. Viele wurden durch diese leichte und üppige Lebensweise eingelullt; die Schreckens-Scenen, welche sie überstanden hatten, erloschen nach und nach in ihrem Gedächtnisse, und der Wunsch erwachte oft in ihnen, die Augen ihrer Besieger auf sich zu ziehen.

Nach Abdalasis' Rückkehr aus seinem Feldzug in Lusitania und während der Stunden, die er keinem öffentlichen Geschäfte zu weihen hatte, erheiterte er sich in der friedlichen Stille dieses Palastes und in der Gesellschaft seiner christlichen Gefangenen. Er bemerkte eine unter ihnen, welche stets abgesondert saß und nie an den Arbeiten, noch an den Vergnügungen ihrer Gefährtinnen Theil nahm. Sie war stolzer Haltung, und die Uebrigen zollten ihr stets hohe Achtung; der Kummer hatte aber ihren Reizen eine große Milde gegeben und ihre Schönheit ergreifend für das Herz gemacht.

Abdalasis fand sie eines Tags mit ihren Gefährtinnen in den Gärten. Sie hatten sich das Haupt mit Blumen geschmückt und sangen die Lieder ihres Landes; aber sie saß allein und weinte. Den jungen Emir rührten ihre Thränen, und er näherte sich ihr mit freundlichen Worten.

»O schönste der Frauen!« sagte er, »warum weinst du und warum ist dein Herz betrübt?«

»Ach,« erwiederte sie, »habe ich nicht Ursache zu weinen, wenn ich meiner traurigen Lage gedenke und der Höhe, von welcher man mich gestürzt hat? Du siehst in mir die unglückliche Exilona, vor kurzer Zeit noch die Gemahlin Don Roderich's und die Königin Spaniens, und nun eine Gefangene und Sklavin!«

Nachdem sie diese Worte gesagt, heftete sie ihre Augen zu Boden, und ihre Thränen begannen von Neuem zu fließen.

Abdalasis' edle Gefühle wurden durch den Anblick der schönen, weinenden Königin erregt. Er befahl, Exilona in einer ihrem früheren Range angemesseneren Weise zu behandeln; seinen Anordnungen zufolge mußte eine Schaar von Dienerinnen ihrer Wünsche harren und eine Ehrenwache sie vor dem Zutritte Unberufener schützen. Jede Stunde, die er von den öffentlichen Geschäften erübrigen konnte, brachte er in ihrer Gesellschaft hin; ja, er vernachlässigte seinen Divan und ließ seine Räthe vergeblich harren, während er in den Gemächern und Gärten des Palastes weilte und der süßen Stimme Exilona's lauschte.

Der weise Ayub sah die Gefahr, in welche sich Abdalasis begab.

»O Abdalasis,« sagte er, »erinnere dich der Worte deines Vaters: »»Hüte dich, mein Sohn, vor den Verführungen der Liebe! Sie macht den Mächtigen schwach und wandelt Fürsten in Sklaven um.«« Das waren die Worte des Schreibens.«

Schamröthe überzog Abdalasis' Wangen, und er schwieg einen Augenblick.

»Warum,« sagte er endlich, »suchst du mich solcher Schwäche zu bezüchtigen? Von den Reizen eines Weibes bezaubert sein, ist etwas ganz Anderes, als durch ihr Unglück gerührt zu werden. Meine Stellung verlangt es, daß ich eine Fürstin tröste, welche durch die Siege unserer Waffen die größte Demüthigung erfahren hat. Indem ich dies thue, höre ich nur auf das Gebot wahrer Großmuth.«

Ayub schwieg, aber seine Stirne war umwölkt, und zum ersten Male schied Abdalasis unzufrieden von seinem Rathgeber. Je unzufriedener er mit sich und Andern war, desto eifriger suchte er die Gesellschaft der schönen Exilona; denn in ihrer Unterhaltung war ein Zauber, der jeden Kummer verbannte. Er wurde täglich verliebter, und Exilona hörte allmählig auf zu weinen und begann, mit heimlicher Freude auf die Worte ihres arabischen Freundes zu lauschen. Als er jedoch auf seine Leidenschaft hindeutete, gedachte sie der geringen Achtung, welche die Anhänger Mahomed's ihrem Geschlechte zu erweisen pflegten, und ihr Antlitz wurde ernst und streng.

»Das Schicksal,« sagte sie, »hat mich dir zu Füßen geworfen; sieh, ich bin deine Gefangene – deine Beute. Obgleich aber meine Person in deiner Gewalt ist, so ist meine Seele doch unbesiegt; und du mußt wissen, daß ich, wenn es mir auch an Kraft fehlt, meine Ehre zu schützen, doch Entschlossenheit genug habe, jeden Mackel derselben mit meinem Blute abzuwaschen. Ich vertraue jedoch in deine edle Sitte als Ritter, daß du mich in meinem Unglücke achtest, indem du gedenkst, wer ich gewesen, und daß, obschon die Krone von meinem Haupte gerissen worden, das königliche Blut noch warm in meinen Adern fließt.Faxardo, Corona gothica. T. I. p. 492. – Juan Mariana, De Rebus Hispan. l. VI. c. 27.Der Verf.

Exilona's erhabener Geist und ihre stolze Sprödigkeit dienten nur dazu, Abdalasis' Leidenschaft zu erhöhen. Er bat sie, ihr Schicksal mit dem seinigen zu vereinigen und seine Macht und Herrschaft zu theilen, indem er ihr versprach, sie werde in seinem Herzen keine Nebenbuhlerin oder Mitgenossin haben. Welche Zweifel auch die gefangene Königin ursprünglich gegen eine Verbindung mit einem der Besieger ihres Gemahls und mit einem Feinde des von ihr angenommenen Glaubens, gehegt haben mogte, – sie wurde leicht zerstreut, und Exilona wurde Abdalasis' Verlobte. Gern hätte er sie überredet, zu dem Glauben ihrer Väter zurückzukehren; allein, obgleich sie maurischen Ursprungs und in den Lehren des Islam auferzogen worden war, hatte sie sich doch dem christlichen Glauben zu innig hingegeben und blickte mit Widerwillen auf eine Religion, welche dem Manne gestattete, mehrere Frauen zu haben.

Als der weise Ayub den Entschluß Abdalasis' vernahm, Exilona zu ehelichen, gerieth er in Verzweiflung.

»Ach, mein Vetter!« sagte er: »wie bist du geblendet und bezaubert! Hast du das Schreiben deines Vaters gänzlich vergessen? »»Hüte dich, mein Sohn, vor der Liebe; sie ist eine eitle Leidenschaft, welche das Herz schwächt und das Urtheil blendet.«« So lauteten die Worte deines Vaters –«

Aber Abdalasis unterbrach ihn ungeduldig und sagte: »Mein Vater sprach nur von dem Zauber üppiger Liebe, und gegen diese bin ich durch meine tugendhafte Neigung zu Exilona gesichert.«

Ayub hätte ihm gern die Gefahren vorgestellt, welchen er sich unterzog, indem er den Verdacht des Kalifen und die Unzufriedenheit der Moslemen durch eine Heirath mit der Gemahlin des besiegten Königs Roderich und mit einer Feindin der Religion Mahomed's erregen mußte; aber der jugendliche Liebende hörte nur auf seine Leidenschaft.

Die Vermählung wurde zu Sevilla mit großem Prunk und mit vielen Festen gefeiert, und Abdalasis gab seiner Gemahlin den Namen Omalisam, das heißt »das Köstlichste der Juwelen;« aber sie behielt bei den Christen fortwährend den Namen Exilona.Conde, p. I. cap. 17.


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