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Balsamine! Schlagadodro!
Macht der Schönheit! Kraft der Tugend!
Auf der Mauer saß der Riese,
Mit den Beinen düster baumelnd,
Tief im Herzen schwarzen Vorsatz,
Traurigkeit im finstern Auge
Über seine strenge Tugend,
Die ihn morden hieß, den Guten.
Und er sprach zu seinen Mohren:
«Grabet eine Gruft, sechs Schuh tief,
Unterm Ringe dieser Mauer!
Meine Liebste schlag' ich heute
Tot und werf hinab die Leiche.»
Knull, der Obermohr, die andern
Kohlpechschwarzen Untermohren
Neigten sich und gingen eiligst,
Schaufelten das Grab sechs Schuh tief
An der Mauer von Brambambra.
Kam die Zofe Violette,
Sprach mit ihrem schnipp'schen Munde:
«Meine gnädigste Prinzessin
Läßt Euch fragen, langer Recke,
Weshalb Ihr seit dreien Tagen
Gänzlich sie vermieden habet?
Seit drei Tagen sitzt Ihr, baumelnd
Mit den Beinen, auf der Mauer,
Kommt nicht mehr zum Tee, zum Essen;
Die Prinzessin heischt Erklärung
Wegen dieser großen Grobheit.»
Es versetzte Schlagadodro,
Ungeschlachtens Sohn und Erbe:
«Ich vermeide Tee und Essen,
Sitze baumelnd auf der Mauer,
Meine Unschuld vor Verführung
In der Einsamkeit zu schützen.»
Maulend ging hinweg das Zöfchen.
Zu der Mohren Schaufelchore
Rief hinab der Tugendriese:
«Grabt ein zweites Loch, ihr Schwarzen,
Dran soll auch die Kammerkatze!»
Unten auf der Felsenplatte
Aus dem Arm der holden Schützrin
Sprang der Held, Don Tulifäntchen.
Schlugs Visier auf, tapfer-kühnlich,
Von dem Helm von Haselnußschal'.
Sprach zur goldbeschwingten Fee:
«Göttin, was beginn' ich jetzo?»
Drauf versetzte Fee Libelle
Mit den goldenblauen Flügeln:
«Dieses sage dein Gemüt dir.
Deine Tat sei deines Herzens
Eingebornes Kind, Geliebter!»
Sprach der Held, Don Tulifäntchen:
«Mir gebeut das Herz, das edle,
Erst noch einmal Schlagadodro
Herzufordern mir zum Schwertkampf,
Ehrlich, auf den freien Streitplan.
Denn die List gebraucht der Wackre
Nur, wenn offne Schlacht versagt ist.»
Ihm die Augen küssend, sprach
Fee Libelle: «Handle also!
Du bist immerdar derselbe.»
Und hinauf rief Tulifäntchen
Zu dem tugendhaften Riesen:
«Komm herab, du Kornverderber!
Komm herab, du Schafverschlinger!
Komm herab, du Äpfelfresser!
Luftzerreißer! Sonnenfeind!
Komm herab, du Mörder Quintens!
Komm herab, Prinzessin-Räuber!
Vor sein Schwert zum letzten Male
Lud der Sohn Don Tulifantens
Nieder deinen langen Leib!»
Oben sagte Schlagadodro,
Ungeschlachtens Sohn und Erbe:
«Wie das Heimchen unten zirpet!
Unglückseligste Prinzessin,
Dieses Heimchen singt dein Grablied.»
Rief der Held, Don Tulifäntchen:
«Nicht einmal mir Antwort gibt
Dieser schändlichste der Riesen!
Ha, so büße deinen Hochmut!»
Rief's und ging und kroch ins Löchlein
Links der Pforte. Fee Libelle
Schwebte nah im Sonnengolde;
Schimmel trabte ausgelassen,
Wie verrückt, rings um die Mauer.
Balsamine! Schlagadodro!
Macht der Schönheit! Kraft der Tugend!
Kam die Zofe Violette,
Sprach zum Riesen schnipp'schen Mundes:
«Meine gnädigste Prinzessin
Will mit Euch Französisch treiben.
Sie erwartet Euch im Divan.»
Riese, Riese, laß die Tugend!
Unter dir miniert das Schicksal.
Geh zur genialen Schönheit,
Zur lavendelduft'gen Fürstin!
Es erseufzte Schlagadodro,
Ungeschlachtens Sohn und Erbe,
So ganz überaus erschrecklich,
Daß die Zofe Violette
Ward vom Luftzug umgeworfen.
Darauf sprach er: «Dieser Seufzer
War der Menschheit Überbleibsel;
Jetzo fühl' ich mich als Halbgott.
Sage deiner Herrin, eilends
Soll sie sich zu mir verfügen!
Du kommst auch mit, schnippischer Grasaff'.
Damit holla, Punktum, basta!»
Zitternd raffte sich das Zöfchen
Auf und ging. Der biedre Riese
War allein mit seiner Größe.
Sprach: «Zwei Dinge kenn' ich einzig,
Die mir einzuflößen Ehrfurcht
Sind imstande. Nämlich erstens
Mein Charakter. Darauf zweitens
Diese Mauer. Beide passen
Wie gegossen aufeinander;
Ganz massiv sind alle beide,
Für die Ewigkeit gegründet.
Bagatellen sind dagegen
Höll' und Himmel. Wohl das beste
Wär's, ich gäb' den ganzen Kram auf,
Religion und Gott und Teufel,
Glaubte künftig an mich selbst nur
Und an meine eh'rne Mauer!
Doch wie ist mir denn? Was wackelt
Also seltsam unterm Kreuzbein?»
Und es bebt' und wippt' und wiegte,
Und es schwankt' und schwappt' und schwaumelt',
Und es kreischt', es riß, zerspliß,
Ritz an Ritz, die Mauer rings!
Und es stöhnt' und schrie und jaulte
Zeternd Schlagadodro, brüllend
Sank er in zerborstne Klüfte.
Und es schwand und starb sein Laut hin
Ins Getöse, das wild aufdrang
Aus dem neugebornen Chaos.
Schollernd, knallend, krachend, platzend
Rutschten nieder die gelösten
Eisenstücke; Eisenbalken
Quetschten sich dazwischen gellend!
Türme nickten, stürzten drüber,
Diese Balken überwuchtend,
Und sie brachen! Und hinunter
Stürzten Balken, Stücke, Türme,
Die zerrissen in dem Absturz!
Wirrsal, Strudel, Stampfen, Qualmschutt,
Donnertosende Zerstörung,
Fiel die große Riesenmauer,
Fiel die Mauer von Brambambra! –
Aber unter Donnersturz-Graus
Stand der Held, Don Tulifäntchen,
Festgelehnt aufs Schwert, das gute,
In dem Lärmen blickend freudig
Aus den unbewegten Wimpern,
Wohlbeschützt. – Ob seinem Haupte
Flatterte die Fee beschirmend,
Ausgespannt die beiden Flügel
Wie ein Dach; so wahrte gütig
Die Unsterbliche den Helden.
Platten, Stein' und Balken glitten
Federn gleich, vom Wind verhauchet,
Links und rechts vom Haupt des Helden
Nieder auf den Boden harmlos.
Wohl dem Manne, dem die Götter
Schützen das geliebte Leben!
Lange stand er so. Der Qualm zog
Um die wilde Trümmerstätte
Schwer, erstickend, deckendichte,
Lang, die Aussicht ihm verbergend.
Als der Himmel wieder blaute,
Sprach der Held, Don Tulifäntchen:
«Göttliche, wenn dir's genehm ist,
Laß uns schaun des Tages Opfer!»
Ihm versetzte Fee Libelle,
Faltend ihre goldnen Flügel:
«Das geschehe, wie du's wünschest!»
Und sie faßt' ihn bei der Locke,
Schritt voran; voll freudgen Trotzes
Folgt' ihr nach der kleine Kampfherr;
Und so gingen Held und Fee
Über Trümmer durch das Schlachtfeld. |