Edmund Josef von Horváth
Ein Kind unserer Zeit
Edmund Josef von Horváth

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Die Ballade von der Soldatenbraut

Ich erkenne den Tag nicht mehr.

Er ist anders geworden.

Ich erkenne die Nacht nicht mehr.

Sie wurde länger.

Ein Schifflein fährt über das Meer mit goldenen Segeln. Und der Wind ist Musik und die Segel sind voller Musik und das Meer kommt über meine Seele –

Mensch, komm zu dir!

Was denkst du da?

Bist du besoffen?

Ja, ja, ich bin besoffen!

Denn jetzt weiß ich es erst, daß sie mich liebt. Seit vorgestern Abend. Wo ich sie nach Hause brachte. Und sie sagte: »Unter dem Tor steh ich nicht gern.« Jetzt weiß ich erst, daß sie mich mag – jetzt weiß ich es erst, daß wir am nächsten Sonntag zusammen sein werden. Richtig. Ich werde sie abholen, denn dann hat sie keinen Dienst und wir fahren hinaus zu ihr. Dorthin, wo sie allein ist.

Und seit ich das weiß, vertrag ich weniger und bin schon eher besoffen. Aber anders als früher.

Früher wenn ich besoffen war, bin ich aufgestanden und hab gestänkert. »Was haben Sie für Schuhe an?«

Heut stänker ich nicht.

Heut bin ich glücklich.

Glücklich mit meiner Zukunft –

Und meine Zukunft besteht nur aus acht Tagen.

Montag, Dienstag, Mittwoch – bis zum Sonntag.

Ich weiß, daß alles vergeht, also auch acht Tage.

Ich weiß, daß ich sie dann treffen werde.

Sie wird nicht mehr an der Kasse sitzen.

Wir treffen uns vor dem Kaufhaus Singer.

Ich seh sie schon kommen –

Ich liebe ihre Kniee –

Und die Woche vergeht so langsam. Montag, Dienstag, Mittwoch – ... (usw.)


Und dann kommt sie.

Im Schrebergarten. Der Einbruch. Wie lang liegt das alles zurück! Draußen die Gletscher.

Und dann sagt sie: »Wir können uns nie mehr sehen. Ich bin nämlich verheiratet –«

Und ich gehe weg. Sie gehört jemand anderem.

Ich: Warum hast du dich dann mit mir eingelassen?

Sie: Weil ich das Gefühl hatte, daß du mich brauchst.«

Ich: Ich brauche niemand.

Ich gehe weg. Bös, verärgert. Ich bin mir selber genug.

(Adieu!)


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