Edmund Josef von Horváth
Ein Kind unserer Zeit
Edmund Josef von Horváth

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Der Soldat

Ich bin Soldat. Und ich bin gerne Soldat.

Wenn morgens der Reif auf den Feldern liegt oder wenn abends die Nebel aus den Wäldern kommen, Frühling und Herbst, Sommer und Winter, ob es regnet oder schneit, Tag und Nacht – – immer wieder freut es mich, in Reih und Glied marschieren zu dürfen.

Links und rechts, links und rechts.

Es ist immer einer neben dir und du bist nie allein.

Links und rechts.

Auch wenn du allein auf Wache stehst, auch dann bist du nicht allein, denn du mußt die anderen [be]wachen und du bist nicht allein, wenn du weißt, wofür du lebst.

Ich bin so glücklich, daß ich Soldat bin!

Ich bin es erst seit einem halben Jahre, aber ich habe schon einen Stern. Und ein kleines silbernes Bändchen. Ich bin schon etwas mehr, wie die anderen.

Denn ich bin der beste Schütze meines Zuges. Ich hab die sicherste Hand und das schärfste Auge.

Oh, wie bin ich glücklich, daß ich Soldat bin! Jetzt hat mein Leben plötzlich wieder Sinn! Ich war ja schon ganz verzweifelt, was ich mit meinem Leben beginnen sollte. Am liebsten wär ich ein Bauer geworden, aber dazu braucht man Geld und da ich kein Geld habe, blieb mir doch nichts anderes übrig, als in einem Büro zu sitzen und das wäre doch eine ewige Sklaverei. Nein, nur beim Militär bin ich frei, nur hier habe ich eine Zukunft! Und außerdem ist Militär etwas ähnliches wie Sport – und ich gebe gerne meinen letzten Tropfen Blut hin fürs Vaterland!

Denn ich liebe mein Vaterland und besonders jetzt, da es stark wieder ist und seine Ehre wieder hat.

Es war eine Zeit, da liebte ich mein Vaterland nicht. Es wurde von vaterlandslosen Gesellen regiert und beherrscht, aber jetzt ist es wieder stark und mächtig – ich glaube, ich hatte damals gar kein Vaterland.

Aber jetzt ja! Jetzt soll mein Vaterland wieder mächtig werden und stark! Ein leuchtendes Vorbild, es soll auch die Welt beherrschen.

Wir müssen rüsten. Hier beim Militär habe ich eine Zukunft. Denn es gibt sicher bald einen Krieg, wieder einen Weltkrieg und den werden wir gewinnen und dann werden wir diktieren! Den Frieden!

Der Führer spricht zwar immer vom Frieden, aber wir zwinkern uns nur zu. Der Führer ist ein schlauer, kluger Mann, er wird schon die anderen hereinlegen. Sie sollens nur glauben, daß wir den Frieden wollen, sie sollen nur – wir schlagen dann plötzlich los! Blitzartig!

Es ist schon alles vorbereitet.

Was wissen auch die Anderen schon?! Nichts! Sie wissen gar nicht, wieviel wir sind. Denn wir haben keine Kasernen mehr, wir liegen in Baracken im Wald. Niemand weiß, wo –

Es darf niemand in die Nähe.

Auch die Flugplätze liegen unter der Erde. Kein feindlicher Flieger wird sie finden. Dort liegen die Flugzeuge, die schweren Bomber auch. Und täglich gibts neue Erfindungen.

Es darf niemand in die Nähe.

Wer es verrät, darüber spricht, der wird erschossen. Und dem geschieht recht. Denn das ist Landesverrat.

Ja, wir sprechen von dem Frieden – – aber das ist alles Quatsch.

Gewalt geht vor Recht!

Wir sind eine harte Generation, wir lassen uns nichts vormachen!

Mein Vater sagt immer: »Hoffentlich kommt kein Krieg mehr« –

Unsinn!

Hoffentlich ja!

Und ich sage ihm: glaubst du denn nicht, daß all die Bürohocker begeistert mitzögen, wegen der Frau loswerden und so, alle Möglichkeiten –

Er sagt: Ja, die sich nicht mehr erinnern können!

Ich sage: Die sich erinnern können, die zählen eh nicht mehr, die sind ja alle schon alt! Tröste dich, du kommst nicht mehr dran und wegen mir mußt du dir keine Sorgen machen!

Er sagt: Du bist noch naß hinter den Ohren!

Ich bin am 5. November 1915 geboren.

Ich bin ein Kriegskind. Aber ich kann mich an den Weltkrieg nicht mehr erinnern.


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