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Meine Damen und Herren! Der Titel meines Vortrages ist etwas lang; er wäre kürzer, wenn wir keine Zensur hätten. Es ist der Vorteil der Zensur immer schon gewesen, daß der Zensurierte sich anstrengen muß, Bilder zu finden. Die Zensur fördert also die Bildbegabung, die visionäre Schau, mit anderen Worten: aus der Zensur entsteht das Symbol. Und auch kein dichterisches Bild. Denn ein dichterisches Bild, das der Zensur gefällt, ist kein dichterisches Bild, sondern die Träumerei einer unbefriedigten Briefschreiberin.
Sie werden nun mit Recht einwenden, daß wir keine Zensur haben oder nur so ein ganz bisserl eine, die sich auf alle öffentlichen Gebiete, auch des Geisteslebens, erstreckt. Nun, es ist möglich, daß der eine oder andere Staat des Abendlandes keine Zensur hat, so besteht aber eine individuelle, und die besteht immer. Und so wollen wir nun die Zensur definieren. Die Zensur ist ein Produkt der Angst.
Die Angst hat viele Kinder. Ich erwähne nur die Lüge, die Hemmung, die Tücke, und zum Teil auch die Unwissenheit – (aber da ist noch ein anderer Vater dabei) – aber nicht die Dummheit! Oh nein! Die Dummheit, das ist ein eigenes Gebiet, die bewohnt ein feines, schönes Haus.
Aber wir wollen nicht über die Dummheit reden. Man soll solche Worte heutzutag gar nicht in den Mund nehmen, es ist zu direkt. Man setzt sich noch der Gefahr aus, daß man eingesperrt wird. Und wenn nicht heute, dann in einem Jahr, dann kommt einer und sagt: Sie, Sie haben doch mal gesagt, ich bin dumm. Sie das ist Landesverrat. Und dann wird man geköpft. Gebrauchen wir dafür Bilder, Symbole: z. B. Nationalismus, Antisemitismus, -
Es werden noch manche sagen, er machts sich zu billig: die haben mich nicht verstanden. Ich sagte: Symbole der Dummheit. Ich könnte auch sagen, das Symbol der Dummheit wär ein Idiot in einem Abendkleid. Weder das Abendkleid ist dumm, noch die Schuhe – aber der Inhalt.
Die Zensur übt jeder privat.
Jeder sagt privat: Nein, davon will ich nichts wissen. Das ist mir zu frei, d. h. zu unangenehm. Sie sehen, er übt auch gegen sich selbst Zensur. Er gebraucht das Bild der Freiheit für das Nichterinnertwerdenwollensein an seine Schwäche. Der Impotenzler als Freiheitskämpfer -
Aber es gibt Länder ohne Zensur; z. B. Rußland und Deutschland. In beiden Ländern braucht man keine Zensur. Denn es gibt nichts zu zensurieren. Denn beide Bewegungen sind anti-geistig. Die Materie fehlt.
Sie üben auch die Zensur nur gegen Autoren aus dem Ausland aus.
Der Schriftsteller ist kein Individualist. Aber: Nur Freude und Erfolg, d. h. Geldverdienen – das geht nicht!
Damit versündigt er sich gegenüber seinem Talent. Und die Sünde gegen das Talent, das endet in der Hölle des Stumpfsinnes. Er wird alt und nichts. Seine Kinder werden Idioten.
Verantwortung, d. h. nichts anderes, wie einfach ausgedrückt: Gewissen.
(Ich weiß nicht, was ein Schriftsteller von den Zeitungen hat?! Von der Reklame?!)