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Leipzig und Wien
Bibliographisches Institut
[1872]
»Ulysses von Ithacia«, das zwölfte der Holbergschen Stücke, 1724 unmittelbar nach »Jacob von Tyboe« zuerst aufgeführt, ist, sowol in Betreff der Erfindung als der Ausführung, das Kühnste und Gewagteste, was die komische Muse des Dichters überhaupt geschaffen. Dasselbe ist in Form einer Parodie gegen die Ungeheuerlichkeiten der damaligen deutschen Bühne gerichtet, namentlich gegen die Haupt- und Staatsactionen, die Hanswurst- und Zauberkomödien, deren plumpe Uebertreibungen Holbergs nüchternem maßvollen Sinne doppelt anstößig waren. Nun rivalisirte eben damals ein derartiges deutsches Theater, unter Leitung eines gewissen von Quoten, mit der jungen dänischen Bühne, und so war es für Holberg zugleich ein Kampf pro domo, indem er in diesem »Ulysses von Ithacia« von Quoten und seine deutschen oder doch nach deutscher Mode zugerichteten Stücke der ausgelassensten Verspottung preisgab. Die Fabel des Stücks ist in der Hauptsache nichts Geringeres als ein komisches Zerrbild der gesammten Ilias und Odyssee, von der Entführung der schönen Helena bis zu Ulysses' Heimkehr nach Ithaka; im einzelnen haben zahlreiche Stücke des »Théâtre Italien« wie »Ulysses und Livia«, »Die Wünsche«, »Harlekin Proteus«, »Der Phönix« und andere, dazu beisteuern müssen. – Das Stück gehörte Anfangs zu den beliebtesten des Dichters; erst seit dem Regierungsantritt Friedrichs V. wurde es seltener gegeben, so daß es in den 21 Jahren von 1750 bis 1771 nur noch sechzehnmal über die Breter ging. Nachdem es dann einige Jahre ganz beiseite gelegt worden, ward es im Mai 1774 neu in Scene gesetzt, und zwar mit solchem Erfolg, daß es von da ab volle 10 Jahre hindurch (bis 1784) regelmäßig am Fastnachtabend als Carnevalstück gegeben ward. Von der Ausgelassenheit, welche, getreu dem Genius des Stücks, auch die Darstellung erfüllte, kann man sich einen Begriff machen, wenn man weiß, daß Juno und Minerva (im Urtheil des Paris) von den komischen Alten, die jüngferliche Helena aber, die in Ohnmacht fällt, so oft sie von einer Mannsperson hört, von einem Manne dargestellt wurde. – Auch in Deutschland wurde das Stück längere Zeit hindurch häufig und mit großem Beifall gegeben.