Ludvig Holberg
Ulysses von Ithacia oder Eine deutsche Komödie
Ludvig Holberg

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Fünfter Akt.

Erste Scene.

Ulysses. Kilian.

Ulysses. Ach, Kilian, nun ist die Stunde gekommen, wo ich mein theures Vaterland wiedersehe; laß uns nach der alten Helden Exempel niederfallen und den heimathlichen Boden küssen.

(Sie fallen nieder und küssen den Boden.)

Kilian (springt gleich wieder auf). Twi, twi, twi, daß Dich der Henker! Wozu sind nun wol solche dummen Ceremonien? Da hat eben Einer sein Wasser abgeschlagen, ich kann es noch riechen.

Ulysses. Kilian, nun wollen wir uns beide verkleiden und zusammen als Pilger ins Schloß gehen, um Penelopen zu überraschen.

Kilian. Das ist nicht vonnöthen, Herr! Denn da wir dreißig und etliche Jahre weggewesen sind, so brauchen wir uns nicht erst zu verkleiden. Auch hab' ich gar keine Lust, meine Frau zu überraschen: denn was ich nicht mit Augen seh', davon thut mir das Herz nicht weh'.

Ulysses. Zweifle Du immerhin an der Treue Deiner Frau, an Penelopen zweifle ich nicht, dazu hab' ich schon zu große Proben von ihrer Tugend und Keuschheit.

Kilian. Ja ja, Herr, in dreißig und einigen Jahren kann sich manches verändern. Aber da kommt ein Bauer, den können wir examiniren, wenn es Euer Gnaden so beliebt. 143

Zweite Scene.

Ulysses. Kilian. Der Bauer.

Kilian. Guten Tag, Landsmann! Gehörst Du zu diesem Dorfe oder gehört dieses Dorf Dir?

Der Bauer. Keins von beiden: denn ich wohne noch im Dorfe.

Kilian. Eins von beiden muß aber doch sein?

Der Bauer. Nein, keins von beiden: denn ich wohne noch in diesem Dorfe. Um aber auch eine Frage zu thun: gehören diese langen Ziegenbärte Euch oder gehört Ihr den Ziegenbärten?

Kilian. Das ist ja eine läppische Art zu reden.

Der Bauer. Das ist wunderlich, daß Du von mir verlangst, ich soll vernünftig mit Dir reden.

Kilian. Kennst Du mich denn?

Der Bauer. Nicht weiter, als daß ich einige Male die Ehre gehabt habe, Dich im Kartenspiel zu sehen. Bist Du nicht der Treffbube?

Ulysses. Dieser Bauer hat einen offenen Kopf.

Kilian. Nein, Landsmann, laß uns ernsthaft sprechen: hast Du nicht von dem trojanischen Kriege gehört?

Der Bauer. Ja, es ist mir so, als hätt' ich einmal davon geträumt; das war ja wol der Krieg, wo Du aus dem Treffen liefst und dafür gehängt wurdest.

Kilian. Wär' ich gehängt, so könnte ich jetzt doch nicht hier sein?

Der Bauer. Ich dachte, es wäre Dein Geist; auch siehst Du zum wenigsten so aus, als hättest Du schon einmal am Galgen gehangen.

Kilian. Nein, Landsmann, am Galgen gehangen hab' ich noch niemals.

Der Bauer. Das ist Schade: denn Du siehst doch aus, als hättest Du es verdient. Aber was für Leute seid Ihr? Seid Ihr Ziegen, Böcke, Menschen, Schweine oder Esel? Entschuldigt 144 nur, daß ich so dreist frage: aber die Leute hier im Dorf sind neugierig.

Kilian. Schweine und Esel, so viel ich weiß, gehen nicht auf zwei Beinen.

Der Bauer. Ja so, ich meinte, Ihr wäret vielleicht von den zweibeinigen Eseln.

Ulysses. Höre, Landsmann, Du mußt nicht solchen Spott treiben mit fremden Leuten.

Der Bauer. Seid Ihr Fremde? Warum bleibt Ihr denn nicht zu Hause? Wir haben so schon Landstreicher genug. Aber mit Verlaub, aus welchem Lande seid Ihr?

Kilian. Wir sind aus einem Lande, das heißt Monomotapabrasiliadelphia.

Der Bauer. Was für ein Land ist das? Heißt das im Winter ebenso, wenn die Tage kurz sind?

Kilian. Das ist ein gesegnetes Land, da spazieren die gebratenen Schweine auf dem Felde mit Messer und Gabeln darin, da fliegen die gebratenen Tauben in der Luft, und für jede Stunde, die man schläft, bekommt man von der Obrigkeit einen Thaler.

Der Bauer. Ah so, so seid Ihr vermuthlich aus Jütland, weil Ihr so brav lügen könnt. Uebrigens wundert es mich, daß Ihr hierhergekommen seid und solch gutes Land verlassen habt, wo man einen Thaler bekommen kann für jede Stunde, die man verschläft.

Ulysses. Laß mich mit dem Manne allein reden, Du vertrödelst blos die Zeit mit Deinen Possen. Höre, Landsmann, wir sind nicht in dies Land gekommen, um Geld zu verdienen, sondern wegen anderer wichtiger Geschäfte. Sieh hier, da hast Du etwas, dafür mache Dich lustig.

Der Bauer (mit dem Hut unter dem Arm). Ich bedanke mich, gnädiger Herr, und wünsche nur, ich könnte Euer Wohlgeboren wieder dienen.

Ulysses. Wir verlangen nichts, als daß Du uns schickliche Antworten giebst auf unsere Fragen. Kennst Du die hochadelige Frau Penelope? 145

Der Bauer. Ja freilich kenn' ich sie; ich habe ja die ganze Woche in ihres Liebsten Hause gearbeitet.

Ulysses. Was? Liebsten? Ihr Herr ist ja nicht zu Hause, er ist in fremden Landen.

Der Bauer. Ganz recht, ich meine auch nicht ihren Mann, der ist außer Landes, wenn er noch lebt.

Ulysses. Ei freilich lebt er noch.

Der Bauer. Da bedaure ich den braven Herrn, der ist, seit er weg ist, wol sechzehnmal zum Hahnrei geworden. Aber wenn man es recht bedenkt, so ist er doch nicht zu bedauern; der Narr verläßt Frau und Kinder, um ein eitles Weibsstück wieder zu holen, mit Namen Helena. Das war auch wol der Mühe werth, außer Landes zu ziehen mit so vielen stolzen Rittern, welche unser Kaiser hinterdrein bei verschiedenen Gelegenheiten sehr vermißt hat.

Ulysses (zu Kilian). Ach Himmel, was höre ich, Kilian?

Kilian. Kennst Du auch eine Frau mit Namen Polidure?

Der Bauer. Polidure, die Hure?

Kilian. Das sagst Du wol nur so um des Reimes willen?

Der Bauer. Ob es sich reimt oder nicht, wahr ist es doch. Sie ist zu beklagen, das arme Mensch, sie hat lange nicht die Nahrung mehr, wie das erste Jahr nach Kilians, ihres Mannes, Abreise; auch ist sie kaum mehr zu gebrauchen.

Kilian. Da wird es ihr übel gehen; denn ihr Mann Kilian lebt nicht allein, sondern wird auch in wenigen Tagen hier eintreffen.

Der Bauer. Was will das sagen, ob solch ein Schlingel lebt oder nicht; kriegten wir nur unsern Herrn Ulysses wieder, der war des Kaisers andere Hand.

Kilian. Kennst Du nicht Einen, mit Namen Langulafret, der Kilians Bruder war?

Der Bauer. Ei ja, aber der ist seit zehn Jahren nicht hier gewesen.

Kilian. Warum denn nicht?

Der Bauer. Es war da ein gewisser Umstand, weshalb er 146 nicht kommen konnte: nämlich weil er schon seit elf Jahren draußen aufgehängt ist.

Kilian. Danke für gütige Nachricht; adiös.

(Der Bauer geht ab.)

Dritte Scene.

Ulysses. Kilian.

Kilian. Haben wir nicht eine schöne Reise gemacht, Herr?

Ulysses. Ach, Kilian, das Herz bricht mir, wenn . . . .

Kilian (schlägt seinen Klapphut nieder und setzt ihn verquer wieder auf).Was das bedeutet, entsinnt der Leser sich aus der »Wochenstube« A.d.Ü. Haben wir nicht eine schöne Reise gemacht, Herr?

Ulysses. Was sollen die Fratzen bedeuten?

Kilian. Ich wollte, sie bedeuteten nichts; aber wenn das Unglück da ist, so muß man sich drein schicken. Jeder muß sich in seine Lage schicken und sich danach kleiden.

Ulysses. Ach, Kilian, ist das nun Zeit zu spaßen, da uns das Unglück rings umschlossen hält?

Kilian. Ich spaße wahrhaftig nicht; es ist nicht zum Zeitvertreib, daß ich mir den Hut so setze.

Ulysses. Noch bevor die Sonne untergeht, werde ich mich für ihre Untreue rächen; ihre Buhler sollen den schmachvollsten Tod sterben und sie mit ihnen. Was werden die übrigen stolzen Ritter der Welt sagen, wenn sie das erfahren?

Kilian. Nun was wollen sie weiter sagen, als daß wir Hahnreie sind? Und das ist gewiß genug.

Ulysses. Nichts soll mich in meinem Vorhaben hindern, keine Entschuldigung soll gelten. Beruft sie sich auf meine lange Abwesenheit, auf ihre blühende Jugend, die sie mit solchen Versuchungen heimgesucht, so stopfe ich mir die Ohren zu. Denn sie soll wissen, daß sie nicht allein ihren Eheherrn beschimpft hat, sondern auch einen von den größten Helden Ithaciens, der mit seinem siegreichen Arme Asiens größte Zierde verwüstet hat, ich meine die edle und stolze Stadt Troja.

Kilian. Aber da der Herr doch von Penelopens blühenden 147 Jahren spricht – wie alt war sie denn, da wir unsere Reise antraten?

Ulysses. Sie war erst fünfundzwanzig Jahre alt; den edlen Junker Telemachus brachte sie zur Welt im sechzehnten Jahre ihres Alters, und dieser unseres Ehestandes erster Sproß und edle Pflanze war erst neun Jahre alt, da wir gen Troja zogen.

Kilian. Die Rechnung stimmt, sechzehn und neun macht fünfundzwanzig. Aber darf ich den Herrn wol fragen, wie lange wir fortgewesen sind?

Ulysses. Es ist jetzt im sechsunddreißigsten Jahre.

Kilian. Sechzehn und neun ist fünfundzwanzig und sechsunddreißig dazu macht einundsechzig. Ja freilich, sie ist noch in blühendem Alter. (Zu den Zuschauern) Ich hab' es ja vorausgesagt, in dieser Historie will ich nicht weiter nachdenken: denn sonst werd' ich verrückt im Kopfe. (Zu Ulysses) Auch mich, Herr, soll nichts daran hindern, mich an meiner Frau zu rächen, weil sie in der Blüte ihrer Jugend, die vielen Versuchungen unterworfen ist, nicht allein ihren Mann beschimpft hat, sondern auch einen extraordinären Ambassadeur, einen Helden, der von dem ganzen Kriegsheere dazu auserwählt worden, sich im Einzelkampf zu schlagen mit dem stärksten Trojaner, und zwar war das, wie ich hinterher gehört habe, niemand anders, als Hector selbst; ja, der zehn Jahre lang ohne Nasses und Trockenes auf einem Fleck gestanden hat, um der Stadt die Zufuhr abzuschneiden, und wäre das nicht geschehen, so hättet Ihr Andern mit Respect zu sagen . . . .

Ulysses. Schnell, Kilian, bring' mir meine kostbare Kleidung, ich will mich in meiner ganzen Herrlichkeit zeigen, um meinen Feinden einen desto größeren Schreck einzujagen.

Kilian (holt eilig ein prächtiges Kleid und einen Hut mit Federn; er zieht dem Ulysses den Rock an, und sagt). Element, was sieht der Herr martialisch aus. Mars steht ihm in den Augen geschrieben und Vulcanus an der Stirn! (Macht die Schnüre am Hute los und setzt ihn dem Ulysses mit ganz niederhängenden Krempen wieder auf.) 148

Ulysses. Nun sieh, Du Tölpel, mein Hut hängt ja ganz herunter.

Kilian. Ei, das soll so sein, Herr.

Ulysses. Kilian, nähme ich nicht Rücksicht auf Deine langen treuen Dienste, so sollte Dich das Dein Leben kosten; schlag' den Hut wieder in die Höhe.

Kilian. Nur einen Augenblick Geduld, Herr, ich will nur erst meinen eigenen Hut in die Höhe schlagen; denn wenn der Herr seinen Hut nicht so tragen will, so will ich meinen wahrhaftig auch nicht so tragen.

(Er klappt erst seinen Hut in die Höhe, dann nimmt er den des Ulysses.)

Ich glaube, der Teufel sitzt in dem Hute; sowie ich die eine Seite in die Höhe klappe, fällt die andere wieder herunter. Ach, Herr, laßt uns die Hüte tragen, wie sie sind.

Ulysses. Meine Geduld geht augenblicks zu Ende!

Kilian. Ach, Herr, Geduld ist eben die Tugend, die wir beide künftig am nöthigsten haben; von allen Tugenden paßt sie am besten für unsere Lage. Ach, Herr, laßt uns die Hüte tragen, wie sie sind, es hat seine Ursachen.

Ulysses. Kilian, ich warne Dich ein für allemal, daß Du mich nicht zum Zorne reizest, es würde Dich das Leben kosten.

Kilian. Ach, gnädiger Herr, ich thue das ja wahrhaftig nicht aus bösem Willen, sondern aus politischen Gründen; ich denke, wenn die Leute uns in diesem Zustande sehen, sollen sie sich desto mehr bewogen fühlen, unsere Partei zu nehmen und das Unrecht zu rächen, das uns widerfahren ist. Aber ich will dem Herrn gehorsam sein. (Klappt den Hut wieder auf.) Ach, Herr, laßt sie uns doch tragen, wie sie sind; denn . . . .

Ulysses (seinen Degen ziehend). Willst Du, Hund, Deinen Spott mit mir treiben?

Kilian (auf den Knieen). Ach, Herr, verzeiht mir meine Dreistigkeit; ich will diese Materie nie wieder berühren!

Ulysses. Steh' auf und lauf' ungesäumt in die Stadt und lasse Penelope sammt ihren Galanen, sowie sämmtliche Einwohner wissen, daß ich zurückgekommen bin, und verkündige 149 ihnen meinen Vorsatz, Rache zu nehmen für die Schmach und Schande, die meinem Hause widerfahren.

Kilian. Ach, Herr, mir ist blos bange, daß mir unterwegs ein Hund begegnet: es könnte mir gehen wie dem Actäon, welcher, nachdem er in einen Hirsch verwandelt worden, zerrissen ward von seinen eigenen Hunden.

(Geht ab.)

Vierte Scene.

Ulysses allein.

Ulysses. Jeder Augenblick dünkt mich ein Jahr zu sein, so brennt mir das Eingeweide vor Zorn und Bitterkeit gegen meine treulose Gemahlin. – Ach, ach, ich dachte, der Himmel wäre es jetzt müde, mich weiter zu verfolgen, und die vielen Jahre des Unglücks, der Beschwerden und Mühseligkeiten sollten nun versüßt werden durch Penelope's Umarmungen – Penelope, um deren willen ich das Gebot der Keuschheit so streng beobachtet, um deren willen ich mir vor der göttergleichen Dido verliebten Seufzern die Ohren zugestopft und ihre zärtlichen Anerbietungen zurückgewiesen habe. Ach, Ihr Götter, steht mir bei in meiner gerechten Rache! Die ganze Stadt soll dafür im Blut schwimmen. Erst werde ich ihre Galane opfern, dann sie selbst, damit niemand sage: der große Ulysses, der Troja zerstörte, der Helden Uebermuth dämpfte, unschuldige Jungfrauen von Berggeistern und Nixen errettete, den Stall des Augias reinigte, die Amazonen überwand, die hundertköpfigen Sirenen tödtete, verbringt den Rest seines Lebens in Schmach und Schande. Ach, ach, Penelope!

Wie konntest Du, o sprich, so den Ulyß verlassen?
Ha, selbst ein wildes Thier muß solche Untreu' hassen.
    Vergißt auch Liebe je? Kann sterben sie so leicht?
    Ist das auch Ehrlichkeit und Treu', was so entweicht? 150

Dein edler Herre, der so tapfer war, so bieder,
Ja, Dein Ulysses, ward er also Dir zuwider?
    Veracht'st Du also ihn? Hast Du Dich so gewandt
    Von dem, der also fest wie eine Mauer stand?

Ja, wie ein Fels sogar in allen Ungewittern,
Wie eine Eiche, die kein Sturmwind kann erschüttern?
    Wo ist der Himmelsstrich, das Land, das Volk, das Reich,
    Das eine That gesehn, die Deiner Untreu' gleich?

Und ob im Osten man, im Westen wollte suchen,
Doch als der Schlimmsten wird man allerwärts Dir fluchen,
    Nie las in einem Buch man solche Mordgeschicht';
    Doch paß nur auf, jetzt trifft Dich Gottes Strafgericht!

Denn ehe sollen sich die Elemente mischen,
Eh' sollen Erd' und Meer wild durch einander zischen,
    Eh' kehr' in Chaos' Nacht das Weltall ganz zurück,
    Eh' ich noch zaudere nur einen Augenblick!

Aber ich merke, daß Morpheus, der Gott des Schlummers und des Todes Bruder, sich auf meine Wimpern senkt; ich muß mich ein wenig schlafen legen, bis mein Diener zurückkommt.

(Setzt sich auf einen Stuhl und schläft, während die Musik das Lied spielt »du alter Hahnrei du!«)

Fünfte Scene.

Zwei Juden. Ulysses.

Erster Jude. Das is doch eppes Verfluchtiges mit denne Komödianter, wenn man den an Kleidung lahnt, schicke se se nimmer zurück zu rechter Zeit, und da muß man warte eine ganze Woche auf die Beßohlung.

Zweiter Jude. Des is wohr, Ephraim. Aber worum sein wir so dumm? Ober sieh en mol do: do sitzt er und schloft mit de schene Rock. Hob' ich's mer nicht gedocht? Es is eine 151 Unverschamtheit so umzugehen mit gelahene Kleiders. (Geht zu Ulysses und zerrt ihn am Arm.) Heda, Musje, is das ane Manier zu schlofen mit solche Kladerche?

Ulysses. Wer untersteht sich, mich in meinem Schlaf zu stören?

Zweiter Jude. Das bin ich. Musje kennt doch den Ephraim?

Ulysses. Ich kenne Dich nicht.

Zweiter Jude. So kenne ich ihn, Musje.

Ulysses. Ich bin der große Ulysses von Ithacien.

Zweiter Jude. Und ich bin der klane Jude Ephraim.

Ulysses. Ich bin derselbe, der die edle Stadt Troja zerstört hat, Asiens Schmuck und Augapfel.

Zweiter Jude. Und ich bin an Mann, wessen Vorfahren hoben gewohnt in der graußen Stadt Jerusalem.

Ulysses. Und bin hierher gekommen, um blutige Rache zu nehmen an meiner treulosen Gemahlin Penelope.

Zweiter Jude. Und ich bin hierher gekommen, um einzukassire de Beßohlung vor mane gelahnte Kladerche; ober des soll ablaafe ohne Blut.

Ulysses. An Deinem Bart sehe ich, daß Du ein wandernder Ritter bist.

Zweiter Jude. Wai geschrien, nur ßu sehr wandernd, sowol ich, als andere Israels-Kinder!

Ulysses. Sag' mir, edler Ritter, wie steht es in Ithacien?

Zweiter Jude. Musje, ich hob' kane Zeit, ich muß auslahne die Kladerche heit Abend ßu an Maskerod.

Ulysses. Unterstehst Du Dich, Hand zu legen an meinen edlen Leib? Pack Dich fort, augenblicks, oder Du sollst die Wirkung meines Zornes fühlen!

Zweiter Jude. Zieht Euch nur aus oder De sollst fühle de Werkung von Gesetz und Recht!

Ulysses. Ach, Himmel, so etwas soll mir begegnen nach vierzigjähriger Wanderschaft!

(Sie ziehen ihm den Rock aus.)

Die Juden. Bist De gewesen wag verzig Johr, mußt De auch 152 beßohlen fer verzig Johr, de Rechnung wulle mehr gleich mache. Adjes so lang.

Ulysses. Ach Himmel, hätte ich mir vorgesetzt, alle Juden auszurotten, statt nach Troja zu gehen, so wäre es mit meiner Ritterschaft nicht so rasch zu Ende gegangen.

(Zu den Zuschauern)

Jetzt, hoff' ich doch, wird Keiner mehr
Darüber sich beschweren,
Daß er Komödien gesehn,
Die mehre Tage währen.

Auch klagt gewißlich Keiner mehr,
Es müsse mehr geschehen;
Was gehen uns die Regeln an?
Wer zahlt, der will was sehen.

Hier giebt es für dasselbe Geld
Mehr als drei Dutzend Jahre,
Von Troja geht's nach Griechenland,
Ein Tag macht graue Haare.

Hier sieht man Helden stolz und kühn,
Belag'rungen, Kanonen,
Schlacht, Jungfernraub und Hexerei,
Und Länder aller Zonen.

Nun Einen, der aus Gram und Pein
Hand an sich selbst will legen,
Verhexte Menschen, Drachen nun,
Die durch die Lüfte fegen.

Ja, was am nöthigsten vordem,
Heut soll es auch nicht fehlen:
Ein Harlequin mit schnödem Wort
Muß seine Herrschaft quälen. 153

Drei Dutzend Jahr' sind nicht zu lang,
Will man sich amüsiren;
Was thut's, muß man auch hinterdrein
Sich lassen trepaniren.

Lehrt in Brolägger-StraßeHier hatte [Holbergs Rivale] von Quoten sein Theater. A.d.Ü. mich
Ein deutsches Schauspiel kennen,
Das besser ist, als dieses war,
Sollt Ihr mich Peter nennen.


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