Ludvig Holberg
Ulysses von Ithacia oder Eine deutsche Komödie
Ludvig Holberg

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Zweiter Akt.

Erste Scene.

Mit der Ansicht von Troja.

Kilian allein.

Kilian. Ei, ei, was die Zeit vergeht! Nun sind wir schon vor Troja angekommen, das doch vierhundert Meilen von unserer Heimath liegt. Sähe ich die Stadt nicht vor meinen Augen, ich dächte, es ginge hier zu wie in der deutschen Komödie, wo man mitunter auch mit einem Fußaufheben tausend Meilen macht und in einem Abend vierzig Jahre älter wird, als man war. Aber die Sache hat ihre Richtigkeit; hier liegt Troja, wo ich mit dem Finger hinzeige. (Er nimmt ein Licht und geht auf die Decoration zu.) Hier steht es ja angeschrieben mit Fractur: Dieses bedeutet Troja. Aber da sehe ich einen trojanischen Bauern kommen, ich muß ihn doch fragen, wie es in der Stadt aussieht.

Zweite Scene.

Kilian. Ein Trojaner.

Kilian. Guten Tag, Kamerad, wo seid Ihr zu Hause?

Der Trojaner. Ich bin in Troja zu Hause.

Kilian. Da soll ja eine fremde Jungfer sein, mit Namen Helena; kennt Ihr die?

Der Trojaner. Nu gewiß kenne ich sie, die gute Jungfer; sie ist erst vor Kurzem mit Zwillingen in die Wochen gekommen. 105

Kilian. Na, da dächt' ich, wäre sie doch keine Jungfer mehr?

Der Trojaner. Ja, bei uns werden sie noch für Jungfern gerechnet, und wenn sie sechzehn Kinder gehabt haben, bis sie sich verheirathen.

Kilian. Also just wie bei uns.

Der Trojaner. Wo seid Ihr denn zu Hause, Landsmann, daß Ihr so fragt?

Kilian. Ich bin ein fremder Kaufmann. Aber was für ein Schlag Leute sind denn die Trojaner?

Der Trojaner. Je nun, es sind ziemlich arme und hoffärtige Leute, denn sowie Einer zwei Mark in der Tasche hat, so kann man sich auch darauf verlassen, daß er den Tag nicht mehr zu Fuße geht.

Kilian. Just wie bei uns.

Der Trojaner. Die größte Tugend bei uns ist, mehr zu verzehren, als man im Stande ist zu verdienen.

Kilian. Just wie bei uns. Aber was für ein Ende nimmt das?

Der Trojaner. Das Ende ist, daß Hab' und Gut vermöbelt wird, und dann kriegen sie zuletzt freies Quartier auf dem Rathhaus oder in ähnlichen öffentlichen Anstalten, wo sie dann sacht zu Tode gefüttert werden.

Kilian. Just wie bei uns. Aber sind die Richter auch hübsch unbestechlich bei Euch?

Der Trojaner. Verflucht unbestechlich; sie nehmen niemals Geschenke, sondern um sich ein reines Gewissen zu bewahren, lassen sie dieselben von ihren Frauen annehmen.

Kilian. Just ebenso geht es bei uns. Aber wird bei Euch stark Wucher getrieben?

Der Trojaner. Nein, damit geht's so leidlich. Oeffentlich werden niemals mehr als fünf Procent genommenDies war seit 1695 der gesetzliche Zinsfuß in Dänemark, der vorher sechs Procent betragen hatte, 1767 aber auf vier Procent herabgesetzt ward. A.d.Ü., um kein Aergerniß zu geben; aber unter der Hand, damit das Gesetz hübsch unverletzt bleibt, lassen sie sich von den Schuldnern zwanzig Procent vorausbezahlen.

Kilian. Just so geht es bei uns. Aber Eure Weiber, halten die gut Haus? 106

Der Trojaner. Haus halten sie wol, das Unglück ist nur, daß das Haus sie nicht halten kann. Doch muß man ihnen das Zugeständniß machen, daß sie niemals vor Morgens um zehn ausgehen.

Kilian. Aufs Haar wie bei uns. Werden denn auch die Straßen bei Euch hübsch rein gehalten?

Der Trojaner. O ja, so im Julimonat, da läßt sich nichts daran ausstellen. Aber freilich den Rest vom Jahre kann man nicht wohl ausgehen, ohne daß man riskirt, im Schmutz zu ertrinken. Doch das sind blos elf Monate im Jahre, die vergehen rasch. Könnte man überhaupt nur Anstalten treffen, daß es niemals regnete, so wollt' ich mal die Stadt sehen, wo es so rein sein sollte wie bei uns.

Kilian. Just wie bei uns. Aber gehen die Frauenzimmer bei Euch auch so viel aus?

Der Trojaner. Nein, das wären schlechte Menschen, die ihnen das nachsagen wollten; sie gehen nicht, sie fahren blos alle, bis zu den geringsten Handwerkerfrauen; in diesem Betracht könnte das Weibsvolk bei uns die Füße ganz entbehren.

Kilian. Just wie bei uns. Aber arbeiten sie recht fleißig?

Der Trojaner. Nein, nicht sonderlich.

Kilian. So könnten sie also auch die Hände entbehren?

Der Trojaner. Na, richtig, womit sollten sie dann Karten spielen? Was hätten die jungen Herren zu küssen?

Kilian. Bravo, just wie bei uns. Aber machen die Gelehrten bei Euch viele Bücher?

Der Trojaner. Nein, blos Kinder.

Kilian. Just wie bei uns. Werden bei Euch viele nützliche Projecte gemacht?

Der Trojaner. Ich habe noch kein Project gesehen, das viel Nutzen gebracht hätte, ausgenommen für die Projectenmacher selbst.

Kilian. Just wie bei uns. Aber sind die Dienstboten bei Euch hübsch hurtig?

Der Trojaner. Teufelsmäßig; unsere Dienstmädchen sind so hurtig und so flink, daß sie nicht einen Monat bei einer 107 Herrschaft bleiben, sondern ihren Dienst zwölfmal des Jahres verändern.

Kilian. Just wie bei uns. Aber sind die Leute bei Euch recht gottesfürchtig?

Der Trojaner. Sehr gottesfürchtig.

Kilian. Leben sie auch nach Gottes Geboten?

Der Trojaner. Nein, sie halten es mehr mit den Gebeten als mit den Geboten.

Kilian. Just wie bei uns. Aber was ist Euer Hauptzeitvertreib? Habt Ihr Komödien oder Opern?

Der Trojaner. Ei, freilich.

Kilian. Wie sind denn Eure Opern?

Der Trojaner. Possierlich genug. Wenn zum Exempel ein Herr seinem Diener sagen will, er soll ihm die Stiefel ausziehen, so sagt er das singend und trillernd als: (singend) Höre Klaus, zieh' mir meine Stie . . . fel aus . . .

Kilian. Just wie bei uns.

Der Trojaner. Adieu, mein Herr, ich muß gehen; ich bin von ganzem Herzen Sein ergebener Diener.

Kilian. Na, das hat doch wol nicht viel zu bedeuten?

Der Trojaner. Ei, bewahre, nicht das Mindeste, das ist blos so eine Redensart bei uns. (Geht ab.)

Kilian. Just wie bei uns, adieu. Es ist eine wahre Sünde, daß wir Krieg führen sollen mit diesen Leuten, die uns in allen Stücken so ähnlich sind, und noch dazu wegen einer Jungfer, die bereits Zwillinge gehabt hat. Nun hab' ich ausspionirt, wie es mit der Stadt bestellt ist; sie kann, glaub' ich, keine achttägige Belagerung aushalten. Kenntniß von der Lage des Feindes haben ist die Hauptsache im Kriege. Wird die Stadt nun eingenommen, so hat doch, wie es in der Regel geschieht, Ulysses oder Holofernes den Ruhm davon, und ich werde nicht einmal in den Zeitungen genannt. Ach, es ist doch eine rechte Lumperei, so ein Subalterner zu sein! Aber da seh' ich das Kriegsheer kommen. 108

Dritte Scene.

Kilian. Ulysses. Holofernes.

Das Kriegsheer kommt herein und wird in Schlachtordnung gestellt.

Holofernes (hält folgende Rede). Ihr stolzen Ritter und streitbaren Helden! Wir sind hierhergekommen, nicht um Länder zu erobern oder uns zu bereichern, sondern um Rache zu nehmen für einen Jungfrauenraub, so daß also nie ein Krieg aus honnetern Gründen geführt worden ist. Spiegelt Euch alle nur an meinem Exempel, fechtet mannhaft und haltet gute Kriegsdisciplin. Die Hauptsache, worauf Ihr Acht haben müßt, ist das richtige Tempo, eins, zwei, drei, und daß Ihr alle zu gleicher Zeit mit der Hand an die Patrontasche schlagt. Denn wenn Ihr darauf nicht ganz genau Acht habt, so geb' ich für das Uebrige keine vier Schillinge.

Ulysses. Hört, Ihr guten Herren! Bevor wir zur Belagerung schreiten, ist es das Beste, wir schicken den Kilian zum König Priapus mit einem Oelzweig in der Hand und bieten ihm Frieden an, unter der Bedingung, daß er uns die schöne Helena zurückgiebt. (Alle stimmen dem bei.)

Kilian. Ihr guten Herren, ich wünschte sehr, daß ein Anderer Ambassadeur sein möchte. Denn wie leicht könnte es nicht geschehen, daß König Priapus, der ein hitziger Mann ist, mir den Kopf abschlagen ließe, und das wäre doch ein schlechter Spaß, wenn ich dann so ohne Kopf dastände.

Ulysses. Damit hat es keine Gefahr, Kilian; läßt er Dir den Kopf abschlagen, so werden wir desgleichen thun mit zwanzig von den vornehmsten Trojanern, welche uns zuerst in die Hände fallen.

Kilian. Schon recht, Herr; aber wer weiß, ob von all den zwanzig Köpfen ein einziger auf meinen Rumpf paßt?

Ulysses. Ei geh' Du nur hin, das Völkerrecht bricht er nicht.

Kilian. Nun nun, so will ich denn gehen.

Ulysses. Wir wollen uns so lange mit der Armee zurückziehen. 109

Vierte Scene.

Kilian allein.

Kilian. Wo soll ich nun aber in der Geschwindigkeit einen Oelzweig herkriegen? Sieh, das trifft sich glücklich, da find' ich ja einen. (Hebt einen Besen auf, der auf der Bühne liegt, und nimmt ihn in den Arm. Zu den Zuschauern:) Nein, wahrhaftig, das ist kein Besen, Messieurs! Ihr seid ja doch, hoff' ich, nicht blind – da könnt Ihr nun sehen, daß das ein Oelzweig ist! Ihr müßt ja kein Körnchen Respect mehr haben vor einem Ambassadeur, daß Ihr ihn so auslacht; der Teufel soll Euer Narr sein, wißt Ihr das? Nun geh' ich nach Troja. (Klopft an.)

Fünfte Scene.

Helena. Kilian.

Helena. Wer erdreistet sich in Kriegszeiten dermaßen an das Thor von Troja zu klopfen? Mit wem wollt Ihr sprechen? Ich bin Helena!

Kilian. Ei sieh da, liebe Jungfer, muß Sie sich selber noch bemühen, mir aufzumachen? Die Jungfer kennt mich wol nicht mehr?

Helena. Ich dächte, ich hätte Ihn schon wo gesehen.

Kilian. Ich bin der Ambassadeur von Kilian.

Helena. Ach, nun erinnere ich mich, Du bist des stolzen Ritters Ulysses treuer Diener.

Kilian. Nein, schön Dank, jetzt nicht mehr, jetzt bin ich Ambassadeur extraordinair von der ganzen Armee und dependire von niemand, als allein vom General Holofernes, welcher sieben und eine Viertel Elle lang ist. Die ganze Armee präsentirt das Gewehr vor mir, wenn ich vorbeigehe. Denn Ihr müßt wissen, Jungfer, extraordinäre Ambassadeure die wachsen nicht so auf den Bäumen.

Helena. Das glaub' ich schon, daß man so leicht keinen 110 Ambassadeur findet, der so extraordinär ist wie Du. Aber was hast Du sonst zu bestellen?

Kilian. General Holofernes, welcher sieben und eine Viertel Elle lang ist, läßt schön grüßen und König Priapus soll ihm die Jungfer wieder zurückgeben oder soll sich gefaßt machen, daß wir die Stadt belagern.

Helena. Darauf kannst Du Dich verlassen, daß ich nicht ausgeliefert werde, so lange noch ein Mann in Troja ist; darauf hat König Priapus geschworen.

Kilian. Ja, Ihr guten Leute, so müßt Ihr tragen was folgt. Ich muß nur rasch wieder nach Hause und muß Stiefel anziehen: denn morgen hoff' ich im Blut der Trojaner zu gehen bis an die Kniee.

Helena. Ach, unglücklich die Stunde, da ich geboren ward, daß ich durch meine Schönheit die Veranlassung geben soll zu solchem Blutvergießen! Wie viel besser doch wäre mir, ich wäre mißgestaltet zur Welt gekommen, so hätte ich doch vergnügt und ruhig leben können, während ich nun meiner Schönheit halber gehaßt und verachtet bin von allen Frauenzimmern, ja von den Göttinnen selbst! (Sie weint.)

Kilian. Jungfer, was mir öffentlich aufgetragen, das hab' ich nun ausgerichtet; aber wie alle Ambassadeurs geheime Anliegen zu haben pflegen, so bin ich auch beordert, mich unter der Hand zu erkundigen, wie es mit der Jungfer ihrem Kränzchen steht?

Helena. Ich schwöre Dir, Kilian . . .

Kilian. Ei was, Kilian! ich heiße Ihro Excellenz.

Helena. Ich schwöre Ihro Excellenz, daß nie eine Mannsperson mich auch nur mit dem kleinen Finger angerührt hat, seit ich entführt bin.

Kilian. Ei Jungfer, die Finger sind dazu auch weiter nicht nöthig; ich habe einen Mann gekannt, dem waren beide Arme abgeschossen und doch wurde er sechsmal vors Consistorium citirtDas früher besprochene »Tamperret«, das auch über Alimentationsklagen &c. entschied A.d.Ü.. Aber ich muß fort. (Helena ab.) 111

Sechste Scene.

Kilian allein.

Kilian. Entweder ich bin blind, oder alle andern Menschen sind es. Denn so viel meine Augen sehen können, sieht die ja mehr aus wie eine Hebamme, als wie Eine, welche von den Göttinnen selbst wegen ihrer Schönheit beneidet wird. Wie ich sie zuerst sah, dacht' ich doch wahrhaftig, es wäre Peter Wagnern seine Dörte, so stach sie mir in die Augen. Aber ich bin wol blind, sowol hierin als wie in allem Uebrigen, was diese Historie angeht. Nun muß ich hin und der Armee die Antwort sagen. Präsentirt's Gewehr, ihr Carnalien! Aber richtig, da stehen sie und sperren das Maul auf. Ihr Herren, jetzt heißt es Krieg; sie wollen lieber das Aeußerste abwarten, als die Helena ausliefern.

Siebente Scene.

Ulysses. Kilian. Holofernes. Hauptleute.

Ulysses. Ihr habt nun gehört, Ihr stolzen Ritter, was Troja uns geantwortet hat, und müssen wir uns also rüsten, die Stadt mit der äußersten Gewalt anzugreifen. Inzwischen, Ihr guten Herren, dünkt es mich doch das Beste, wenn Einer von uns nach alter löblicher Manier Einen von den Trojanern zum Zweikampf heransforderte. Nun weiß ich freilich, daß Euch allen zusammen das ritterliche Haupt nach einem Lorbeerkranze juckt und daß Ihr alle Verlangen tragt nach der Ehrensäule, welche der Sieger verdient hat. Daher um zu verhindern, daß keine Saat der Mißgunst zwischen uns gestreut werde, halte ich es für das Rathsamste, daß wir darum würfeln. Wem dann das Loos zufällt, den kann keine Mißgunst treffen, da nicht Volksgunst und Gewogenheit und Faveur ihm den Weg bahnen, auf welchem er sein Haupt mit dem Lorbeerkranze schmücken wird. Versteht Ihr mich recht, Ihr edlen und stolzen Ritter? 112

Kilian (leise). Zur Noth.

Ulysses. Bringt denn also Würfel her!

(Sie würfeln.)

Kilian. Ich habe wol nicht nöthig mitzuwürfeln, Ihr Herren, weil ich doch nicht unter die Malice gehöre, sondern eine Civilperson bin, ein extraordinärer Ambassadeur?

Ulysses. Ei Kilian, vor solchem alten treuen Diener, wie Du bist, hab' ich viel zu viel Hochachtung, als daß ich Dich der Gelegenheit berauben sollte, Ehre einzulegen, und Dir im Wege sein, wenn das Glück auf seiner Kugel Dir den Kranz aufs Haupt setzen will, den sie vielleicht für Dich allein geflochten hat.

Kilian. Glaubt der Herr etwa, ich wäre bange? Ei ja doch, ich wollte wahrhaftig den Hector selbst auf mein Gewissen nehmen. Es geht aber unmöglich an, der Herr weiß ja selbst, was für verflucht lose Mäuler die Leute haben. Sie haben schon jetzt genug zu klatschen, nämlich, daß wir wie die Narren von Haus und Hof, Frau und Kindern rennen, blos um ein Weibsstück wieder zu bekommen, das ein Anderer, nämlich Paris, König Priapi Sohn, schon ein ganzes Jahr gehabt hat, und unterdessen . . . . ich darf nichts weiter sagen; wer weiß, was unsere Frauen uns für Possen spielen können. Ich habe einen Mann gekannt, der reiste auch Jahre lang, um seinen einzigen Sohn wiederzufinden, der ihm geraubt war, und wie er zurückkam, fand er vier Söhne; aber er soll nicht sonderlich vergnügt darüber gewesen sein. Sollen die Leute nun noch obendrein in den Zeitungen ihre Glossen darüber machen, daß ich, als eine Civilperson, ein Ambassadeur, von der Armee abgeschickt bin, einen Trojaner zum Zweikampf zu fordern, so würde das Ende schlimmer als der Anfang.

Ulysses. Ei pfui doch, Kilian, sich so etwas merken zu lassen! Ich befehle Dir augenblicklich zu würfeln.

(Kilian wirft alle Sechsen; die Andern nehmen die Hüte ab und gratuliren ihm.)

Kilian. Hört, Ihr guten Herren, ich sehe schon, daß es auf mich abgesehen ist; die Würfel sind falsch, darauf lass' ich meinen Kopf; noch nie, so lang' ich lebe, hab' ich können alle Sechsen werfen, und nun sollte ich sie just heute treffen? 113

Ulysses. Mach' mir keine Schande, Kilian, ich habe Dich erst vorhin beim General gerühmt wegen Deiner Tapferkeit. Geh' gleich und rüste Dich zum Kampf! Ich werde Dir mein eigenes Schwert Theuerdank leihen, welches mit Drachenblut getüncht ist. Stelle Dich doch nicht so an, man muß ja denken, Du wärst bange.

Kilian. Bange bin ich wahrhaftig nicht, aber ich bin ein Politicus, das ist bekannt vor Gott und den Menschen, darum schickt es sich für mich nicht, daß ich mich schlage. Ja, wenn ich nicht Politicus wäre, da fragte ich den Henker danach. Aber ich kann mich nicht entschließen, etwas zu thun, was sich für meinen Charakter nicht paßt. Ich bestehe auf den Rechten meines civilen Standes, diene in Friedenszeiten als ein ehrlicher Mann und wage Leib und Leben für die Polizei, aber mit dieser Art Geschichten hab' ich nichts zu thun.

Holofernes. Ja, da muß Standrecht über ihn gehalten werden; wir merken schon, daß er in Güte nicht will.

Kilian. Ach, Ihr guten Herren, ehe ich Standrecht über mich halten lasse, da will ich es lieber freiwillig thun. Nur das bitt' ich mir aus, und dafür muß gesorgt werden, daß der, mit dem ich mich schlagen soll, keine Hand an mich legt; denn Hand an einen Ambassadeur zu legen, ist gegen das Völkerrecht.

Holofernes. Hört, Ihr stolzen Ritter, damit wir ihm die politischen Gedanken aus dem Kopf bringen, so will ich ihn zum Obersten machen, damit sind dann alle Hindernisse beseitigt.

Kilian (leise). Na, wer Dich das gelehrt hat, Du langer Lümmel, den soll auch der Teufel holen! (Kilian wird vom Kopf bis zu Fuß bewaffnet.) Zum wenigsten muß ich jetzt noch einen kleinen Cornelius haben, bevor ich in den Kampf gehe. (Trinkt ein Glas Branntwein.)

(Alle wünschen ihm Glück und gehen ab.)

Ulysses. Wenn Du als Sieger zurückkommst, ist Dir ein Lorbeerkranz gewiß.

Kilian (leise). Ich scheere mich nichts um Lorbeeren, ausgenommen wenn ich sie in einer Pastete oder Torte sehe. 114

Achte Scene.

Kilian allein.

Kilian. Hol' der Henker den Kerl, der zuerst den Krieg erfand! Es ist ja ein ganz dummer Einfall, daß man hingehen soll und soll einen Menschen morden, den man nicht kennt. Aber ich werde doch noch ein Mittel finden, ihnen eine Nase zu drehen. Ich will sehen, daß ich Paradiesens Diener Marcolfus zu packen kriege. Ich war zweimal mit ihm in Gesellschaft in Ithacien, da haben wir Smollis mit einander getrunken; ich werde ihm ein Paar Mark in die Hand drücken, daß er vor mir davonläuft. Hört, Ihr trojanischen Männer, ich habe etwas Wichtiges mit Paradiesens Diener Marcolfus zu sprechen; bitte, schickt ihn doch heraus zu mir.

Neunte Scene.

Kilian. Marcolfus.

Kilian. Serviteur, Marcolfus, wie geht's?

Marcolfus. Sieh da., Kilian, wie kommst Du denn dazu, im Harnisch zu gehen?

Kilian. Es sind ja Kriegszeiten, da muß man doch bewaffnet gehen, Du hast ja auch so einen kleinen Lichtspieß an der Seite.

Marcolfus. Aber warum seid Ihr denn mit so großer Macht hierhergekommen, unsere Stadt zu belagern? Ich dächte doch, es wäre der Mühe nicht werth, solch ein Aufhebens zu machen wegen eines Weibsstücks?

Kilian. Ich denke wahrhaftig ebenso; auch war ich erst heute so dreist, dem General Holofernes genau dasselbe unter die Nase zu sagen. Du und ich, Marcolfus, sind nur Diener: aber wir sind, glaub' ich, die Einzigen, die noch ihren Verstand haben von allen in und außer der Stadt.

Marcolfus. Ha ha ha, das glaub' ich wahrhaftig auch: 115 der Helena wenigstens, um die man sich schlägt, möchte ich keinen Liebesdienst mehr erweisen und wenn sie mir einen Thaler für die Nacht geben wollte. In Ithacien hab' ich schöne Weiber die Menge gesehen, von geringem Stande, die man für achtundzwanzig Schillinge kriegen konnte; da war eine Frau mit Namen Polidora, gleich an der Ecke bei der ägyptischen Marmorsäule, bei der bin ich verschiedene Male gewesen und habe ihr nie mehr gegeben.

Kilian. Eine Frau mit Namen Polidora?

Marcolfus. Ja, Polidora.

Kilian. In einem Eckhause?

Marcolfus. Ganz recht, in einem Eckhause.

Kilian. Gerade über der ägyptischen Säule?

Marcolfus. Wie ich sage. Aber weshalb wirst Du so bestürzt? Ich will doch nicht hoffen, daß es Deine Frau gewesen ist?

Kilian. Allerdings war es meine Frau, Marcolfus; na der soll es schlecht gehen, wenn ich zurückkomme.

Marcolfus. Das bedaure ich ja sehr, Herzensbruder, daß ich Dich wider meinen Willen zum Hahnrei gemacht habe.

Holofernes. Was mag das wol bedeuten, daß die beiden Helden so lange mit einander reden, bevor sie sich schlagen?

Ulysses. Ich denke mir, Herr General, sie werden sich wol gegenseitig ihre Stammbäume vorrechnen, Geburt und Herkunft nebst den Thaten ihrer Ahnen, bevor sie den Kampf beginnen.

Kilian. Höre, Marcolfus, ich bin bereit, Dir Dein Vergehen zu verzeihen, wenn Du mir einen kleinen Dienst erweisen willst.

Marcolfus. Und was für einen, Schwager? Willst Du vielleicht bei meiner Frau liegen, damit wir doppelte Schwäger werden?

Kilian. Nein, das nicht. Ich bin abgeschickt vom Kriegsherrn, einen Trojaner zum Kampf herauszufordern, aber gegen meinen Willen. Denn Kilian hat zwar jederzeit Courage gehabt, jedermann unter die Augen zu treten, aber laß Dir dienen, mein Herzensbruder: warum sollt' ich hingehen und Einen 116 morden, der mir nichts gethan hat? Das wäre ja so zu sagen bestialisch. Nun will ich Dich bitten: stelle Dich an, als ob Du Dich eine Weile mit mir schlägst, und zuletzt begieb Dich auf die Flucht. Mir thust Du einen großen Dienst damit und Dir schadet es nichts. Denn die Trojaner wissen nicht, warum Du hierhergekommen bist; meine Leute aber stehen und warten auf den Ausgang des Kampfes.

Marcolfus. Willst Du mir schwören, daß, wenn Eure Leute die Stadt einnehmen, Ihr mich und meine Eltern verschonen wollt?

Kilian. Ja, das schwöre ich Dir.

(Die Trompeter blasen, sie schlagen sich verstellter Weise. Die übrigen Hauptleute fallen auf die Kniee und beten um Sieg für Kilian.)

Ulysses. Ha, halte Dich brav, Kilian! Die Ehre der ganzen Armee hängt an diesem Kampf. Ach Himmel, nun ist es vorbei mit uns, nun kriegt der Feind die Oberhand! Sollen wir hin und ihm beistehen?

Holofernes. Nein, das wäre gegen die Kriegsregel.

Ulysses. Es ist auch schon nicht mehr nöthig, Herr General, ich sehe schon, er erholt sich wieder. Hei, frischen Muth, Kilian! Der Sieg ist wahrhaftig Dein! Schon wendet der Feind den Rücken; wir sind gerettet!

(Alle erheben ein großes Freudengeschrei und Kilian verfolgt den Marcolfus bis ans Thor. Kilian wird im Triumph ins Lager geführt und unter dem Schall der Trompeten wird ihm ein Lorbeerkranz aufs Haupt gesetzt.) 117


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