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Ulysses. Kilian.
Ulysses. Ach, Kilian, ich habe alle Mittel versucht, den Zorn des Neptunus zu besänftigen, aber Gebete, Opfer, alles ist vergebens. Nun flankiren wir schon zwanzig Jahre seit Troja's Eroberung so von einer Stelle zur andern, bis wir hierhergekommen sind nach CajanienBei seiner Krönung im Jahre 1607 hatte König Karl IX. von Schweden sich den Titel »König der Lappen und Cajaner« zugelegt, von dem freilich niemand recht wußte, was er bedeuten sollte. Doch existirt in der That eine alte Homannsche Landkarte, auf der die Provinz Ostbothnien in dem früher zu Schweden gehörigen Finnland (wo es noch jetzt ein Städtchen Cajana oder Cajaneborg giebt) mit dem Namen »Cajanien« bezeichnet wird A.d.Ü., wo die Königin Dido uns zwar versprochen hat, uns mit Schiffen zur Fortsetzung unserer Reise zu unterstützen – aber ach, die Zeit vergeht, und ich fürchte, es wird noch länger dauern, als wir denken. Denn ich fürchte etwas, woran ich nicht einmal zu denken wage – ich fürchte . . . Kilian . . .
Kilian. Na, was fürchtet der Herr?
Ulysses. Ich fürchte, Dido ist in mich verliebt!
Kilian. Kann sein . . . .
Ulysses. Ach, ich unglückseliger Mann! Wenn das wirklich so ist, Kilian, so kommen wir hier niemals wieder weg.
Kilian. Will der Herr mir nicht übel nehmen, wenn ich ihn frage, wie alt der Herr war, da wir vom Hause reisten?
Ulysses. Ich war in der Blüte meines Alters, nicht über vierzig Jahre.
Kilian. Gut: erstlich vierzig Jahre und nachher zehn Jahre bei der Belagerung macht ein halbes Hundert; zwanzig Jahre auf der Heimreise, das macht siebzig. Die gute Dido ist vermuthlich eine große Liebhaberin von Antiquitäten, daß sie so 129 kalt ist gegen so viel junge Leute, unter denen sie die Wahl haben könnte, und verliebt sich in einen steinalten Graubart.
Ulysses. Höre, Kilian, solche Raisonnements mag ich nicht hören, Du scheinst mir eine ganz falsche Rechnung zu machen. Ich bin noch in meinem besten Alter; was Du mit Augen siehst, daran darfst Du nicht länger zweifeln. Wenn Du Schnee siehst mitten im Sommer, so darfst Du nicht sagen, das ist nicht möglich, das kann kein Schnee sein, denn es ist ja Sommer; es muß Dir genug sein, daß Du den Schnee in der That siehst.
Kilian. Ich merke schon, Herr, daß ich in allem, was uns geschehen ist, die Vernunft gefangen geben muß. Ich will auch nicht mehr daran zweifeln, sondern lieber darauf denken, wie wir uns aus dieser Schlinge erretten können.
Ulysses. Auf welche Weise wollen wir uns denn retten von einem Unglück, das einmal über uns verhängt ist?
Kilian. Da ist kein anderes Mittel, als daß wir uns heimlich aus dem Lande schleichen.
Ulysses. Da hast Du auch Recht, Kilian. Ich muß gleich hin und die Sache mit meinen treuen Gefährten überlegen, bleib' Du nur so lange hier.
Kilian allein.
Kilian. Hätt' ich doch nur eine Prise Tobak, daß ich Luft kriegen könnte; es ist mir, als wär' ich verrückt im Kopfe. Wenn mein Herr zurückkommt, sagt er ganz gewiß wieder, daß zehn Jahre vorbei sind, seit er das letzte Mal mit mir gesprochen. Fünf- bis sechstausend Jahre werden wir wol werden, bis wir in unser Vaterland zurückkommen. Denn, wie ich merke, gehen wir nicht mit der Zeit, sondern die Zeit läuft vor uns, und wir bleiben stehen. Sieh, hier hab' ich noch ein Stück englischen Käse, den ich vor dreißig Jahren mit von Ithacien genommen habe und der noch ganz frisch ist. Auch ist es nicht allein die Zeit, die vor uns läuft, sondern die Erde, auf der wir stehen, 130 macht es ebenso. Denn manchmal, wenn ich meine Pfeife anstecke, sind wir im Osten der Erde, und wenn ich die Pfeife ausgeraucht habe, sind wir im Westen.
Ulysses. Kilian.
Ulysses. Ach, Himmel, ist es möglich, daß so etwas in der Natur stattfinden kann?!
Kilian. Was ist denn nun wieder los, Euer Gnaden?
Ulysses. Ach, Kilian, niemals hätte ich mir so etwas vorstellen können, wenn ich es nicht selbst mit diesen meinen Augen gesehen hätte.
Kilian. Was ist es denn, Herr?
Ulysses. Ach, Dido! Dido! Was habe ich Dir Böses gethan, daß Du solche Zauberkünste ausübst gegen meine treuen Gefährten?
Kilian. Sind sie denn verhext?
Ulysses. Höre, Kilian, die wundersamste Historie, die sich jemals zugetragen hat von Deukalions Flut bis auf diese Stunde. Ich habe in den vier Wochen, seit ich zuletzt mit Dir sprach . . . .
Kilian. Sind das nicht mehr als vier Wochen? Ich dachte, es wären vier Jahre.
Ulysses. Ich habe, sag' ich, in den vier Wochen mit meinen Gefährten überlegt, wie wir heimlich von hier wegreisen möchten. Schon waren wir bereit, an Bord zu gehen, als Dido, die den Braten gerochen hatte, um unsere Abreise zu hindern, durch Zauberkunst alle meine Gefährten in Schweine verwandelte.
Kilian. Ei, das ist ja gar nicht möglich, gnädiger Herr; (Leise) nämlich, weil es schon vorher Schweine waren.
Ulysses. Ach, es ist nur allzu gewiß, Kilian! Ich dachte, meine Augen täuschten mich, und redete sie an; aber die Sprache hatte sie ihnen auf dieselbe Weise verändert wie die Gestalt, und statt mir zu antworten, grunzten sie mich an. Sofort ergriff ich 131 die Flucht, aus Furcht, ich möchte ebenfalls in ein Schwein verwandelt werden. Aber sieh, da kommen sie; ich getraue mich nicht länger hier zu bleiben. (Geht weinend ab.)
Ulysses' Gefährten kriechen auf Händen und Füßen und grunzen wie Schweine. Kilian.
Kilian. Ha ha ha ha ha ha! Ei so hol' Euch der Henker alle mit einander! Hab' ich mein Lebtag solche Tollheit gesehen!
Die Schweine. Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh.
Kilian. Hört, Kerle, welcher Teufel reitet Euch? Seid Ihr verrückt?
Die Schweine. Wir sind Schweine, Gevatter. Oeh Oeh Oeh Oeh.
Kilian. Den Teufel mögt Ihr Schweine sein!
Die Schweine. Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh Oeh.
Kilian (fängt an ebenfalls zu kriechen). Oeh Oeh Oeh! Hört, Kerle, ist das auch sicher, daß Ihr Schweine seid?
Die Schweine. Oeh Oeh Oeh Oeh.
Kilian. Nun, wenn Ihr Schweine seid, sollt Ihr auch wahrhaftig Schweineconfect bekommen. Gleich freßt mir den Dreck, der hier liegt.
Die Schweine. Wir sind nicht hungrig, Gevatter. Oeh Oeh Oeh.
Kilian (prügelt sie mit einer Peitsche). Fort, sag' ich! Eßt mir diesen Dreck auf, oder ich schlage Euch Euren Schweinerücken in Stücke. Fort, fort! Seid Ihr Schweine, so ist das ja Eure beste Kost.
(Prügelt sie tüchtig. Die Schweine richten sich auf, werden wieder Menschen.)
Die Schweine. So wahr wir ehrlich sind, so sollt Ihr uns diese Schläge bezahlen, mein guter Mosje Wegener! Ist das nicht unverschämt, die ganze Historie so zu verderben? (Laufen fort.) 132
Ulysses. Kilian.
Kilian. Ich habe die Geschichte nicht verdorben, ich habe sie blos wieder zu zweibeinigen Schweinen gemacht, was sie vorher waren. Aber da kommt mein Herr zurück.
Ulysses. Ach, Kilian, sind sie wieder fort?
Kilian. Ja, Herr, sie sind fort und gehen wieder auf zwei Beinen wie vorher.
Ulysses. Sind sie keine Schweine mehr?
Kilian. Das sag' ich nicht, das sei ferne von mir; aber ich habe sie durch meine Arzenei so weit gebracht, daß sie wieder auf zwei Beinen stehen.
Ulysses. Ach, Du großer Sohn des Aesculapius! Du bist würdig, daß Dir zu Ehren Tempel und Altäre errichtet würden. Von welchem Gott oder Göttin hast Du diese himmlische Kunst erlernt?
Kilian. Ich legte mich ein bischen aufs Feld und beweinte mit bittern Thränen das Unglück unserer Leute. Mitten im Weinen fiel ich in den Schlaf, und da offenbarte sich mir die Göttin der Arzneikunde Proserpina (denn so heißt sie ja wol?) und sagte: Kilian, ich habe dein Weinen und dein Bitten erhört. Stehe auf und schneide einen Zweig von der ersten Birke, die du findest zu deiner linken Hand, das ist ein heiliger Baum, der noch keines Menschen Hand berühret hat. Sobald du deine Landsleute damit berührst, werden sie sich aufrichten und auf zween Beinen wandeln als zuvor – und so geschah es auch. Ob sie noch Schweine sind oder nicht, das kann ich nicht sagen; gewiß ist nur, daß sie aussehen wie zuvor, auf zwei Beinen gehen und sprechen. Denn sie zankten mit mir, weil ich sie ein bischen stark mit dem heiligen Zweig berührt hatte.
Ulysses. Ach, Kilian, mein Erretter! Laß Dich umarmen!
Kilian. Serviteur; es sollte mir ein Vergnügen sein, wenn der Herr auch ein Schwein würde, damit ich das Vergnügen haben könnte, ihn ebenfalls zu curiren. 133
Ulysses. Höre, Kilian, wir müssen machen, daß wir fortkommen, das Schiff ist ganz fertig. Laß uns unsere Leute sammeln, damit wir in aller Stille rasch davon kommen. Sieh, da ist Dido, wir müssen laufen.
(Sie gehen ab.)
Dido. Rasmus.
Dido. Ach, wer hätte denken sollen, daß ich, die ich so lange als Muster der Keuschheit und Unempfindlichkeit dagestanden, jetzt im zehnten Jahre meines Wittwenstandes von Liebesfeuer entbrennen sollte? Ach Ulysses, unglückselig war die Stunde, da Du Deinen Fuß an die Küste Cajaniens setztest, unglückselig der Wind, der Dich hierherbrachte, unglückselig die Welle, welche den Schiffbruch veranlaßte, in welchem meine Ehre und Reputation ebenfalls Schiffbruch erleiden! Ach, Diana, Diana, was habe ich wider Dich gesündiget, daß Du auf solche Weise mein Herz mit Deinen Liebespfeilen verwundest?
Rasmus. Gnädige Frau wollen sagen Cupido.
Dido. Ja, richtig; ach Cupido, Cupido, Du hast mein Herz verwundet zum Tode und mich entzündet mit einem solchen Liebesfeuer, daß ich keine Linderung habe bei Tag noch bei Nacht!
Rasmus. Hole der Henker den Cupido; er hätte müssen den Ulysses ebenfalls verwunden. Aber ich kenne den Schlingel; schießt er einen verliebten Pfeil auf den Einen, welcher liebt, so schießt er gewöhnlich einen kaltsinnigen Pfeil auf den, welcher geliebt wird, blos um die Leute desto mehr zu plagen. So ist es mir ergangen; alle, in welche ich verliebt bin, wenden mir den Rücken, und die ich nicht ausstehen kann, brennen von Zärtlichkeit gegen mich. Und solchem Kerl soll man noch Tempel errichten und Opfer bringen; ist er das wol werth? Den Teufel 134 sollte er kriegen, nicht Opfer oder gutes Räucherwerk, weder er, noch seine Mutter.
Dido. Ach, Rasmus, es ist gewiß so, wie Du sagst. Ich habe dem Ulysses unterschiedene Liebeszeichen gegeben, aber ich merke nichts an ihm als Kaltsinn. Und heute hat er sich vorgesetzt, sich heimlich aus dem Lande zu stehlen, ja vielleicht wäre er schon fort, hätte ich nicht bei Zeiten den Braten gemerkt und hätte seine Gefährten in Schweine verwandelt, in welchem Zustande sie bleiben sollen, bis er sich entschließt . . . .
Rasmus. Zu was soll er sich entschließen?
Dido. Ei, wie Du so einfältig fragst: bis er sich entschließt – zu dem, was ich verlange.
Rasmus. Und was verlangt Euer Gnaden?
Dido. Je nun, was verlangt ein verliebtes Herz?
Rasmus. Ei ja doch, ich verstehe wol, was Euer Gnaden meinen, ich frage nur blos so . . . .
Dido. Was Du weißt, danach brauchst Du nicht erst zu fragen.
Rasmus. Ja, das hat so seine Gründe. Aber da kommt Elisa, der Athem stockt ihr im Halse. Sie sieht aus, als wäre sie ebenfalls verliebt. Vermuthlich in einen von Ulysses' Gefährten, die in Schweine verwandelt sind. Wenn das so ist und sie ist wirklich in einen von ihnen verliebt, so hat sie die Schweinesucht am Halse.
Elisa. Dido. Rasmus.
Elisa. Ach, welche Zeitung bringe ich! Was wird meine Madame sagen, wenn sie erfährt, daß Ulysses' Gefährten, die wir durch unsern Zauber in Schweine verwandelt hatten, wieder Menschen geworden sind und fix und fertig dastehen zur Abreise?!
Dido. Ist das wahr, was Du sagst, Elisa?
Elisa. Ja, ich schwöre es bei allem, was heilig ist. 135
Dido. Dann muß ich hinauf in die Luft und muß meine Kunst auf eine andere Manier üben.
(Sie bläst auf einer Pfeife, worauf ein Drache aus der Luft hernieder kommt, auf welchen Dido sich setzt und in die Höhe geführt wird.)
Rasmus. Elisa.
Rasmus (mit der Nase an der Erde). Ach, Elisa, ist der Drache fort?
Elisa. Ja, steht nur wieder auf.
Rasmus. Ach, war das ein Beest von einem Drachen! Ich bin nur bange, daß er wieder kommt. Ich will Dir was sagen, Elisa: ich habe nicht Lust hier länger zu dienen; denn da könnte wieder einmal solch eine Carnalie von Drachen kommen und mich ebenfalls entführen.
Elisa. Darum mach' Dir keine Sorge, solch ein Schwein, wie Du bist, kommt nicht dazu, auf höllischen Drachen zu reiten, die Ehre erweist Jupiter blos Regenten, Propheten und Prophetinnen.
Rasmus. Ach, wie gut ist das, daß ich weder Regent noch Poet noch Poetin bin. Aber Elisa, bist Du wol auch schon einmal von solchen Drachen in die Luft geführt worden?
Elisa. O ja, mitunter, wenn Ihro Gnaden in den obersten Regionen der Luft sind und meiner bedürfen, so lassen Sie mich durch einen Drachen abholen.
Rasmus. Wo wirst Du denn da hingebracht?
Elisa. Einige tausend Meilen aufwärts in die Luft. Aber da fällt ein Brief hernieder, das ist gewiß eine Ordre von Ihro Gnaden. (Sie liest den Brief.) Element, Rasmus, Ihro Gnaden bedarf Deiner und schickt den Drachen, um Dich auf der Stelle abzuholen.
Rasmus. Ach, Elisa, fahre Du statt meiner! Ich will Dir dienen mit Gut und Blut in allem, was mir möglich ist; Du kannst der Madame ja sagen, ich wäre krank. 136
Elisa. Ei was Possen, der Madame ihrer Ordre muß nachgelebt werden. Sieh, da kommt der Drache, nun mach' schnell!
Rasmus (auf den Knieen). Ach, Mosje Drache, schont mein Leben! (Je näher der Drache zur Erde kommt, je größere Titel giebt ihm Rasmus.) Ach, wohledler Herr Drache, schont mein Leben! Ach Euer Wohlwürden, nehmt lieber die Elisa! Ach, wohlgeborner Herr Drache, verschont mich! Ich habe niemals reiten können, nicht einmal auf einer Kuh, geschweige denn auf einem Drachen! Ach, wohlgeborner Herr Skorpion! Ach, Euer Drachenexcellenz! Ach, Euer Gnaden! Ach, Euer Drachenmajestät! Ach, Herr Kaiser! Ach, Herr Papst! Ach . . . .!
(Elisa zieht ihn mit Gewalt zum Drachen und nöthigt ihn, sich auf denselben zu setzen; der Drache führt ihn in die Luft. während er aus vollem Halse schreit.)
Elisa allein.
Elisa. Ich habe herzliches Mitleid mit meiner Madame wegen ihrer Liebe; denn wie ich merke, hat dieselbe solchen Grad erreicht, daß, wenn des ithacianischen Prinzen Herz sich ihr nicht zuneigt, eine Tragödie daraus wird, die nur mit seinem oder ihrem Tode endigt. Aber Eins nimmt mich Wunder, daß meine Madame, die doch so erfahren in der Zauberkunst ist und der alle Andern, so viel in der Luft schweben, willig dienen, mit ihren Künsten nicht im Stande ist, das Herz des Ulysses umzuschaffen. Vermuthlich geht es ihr wie gewissen andern Leuten, die über Wind und Wetter gebieten, sich und Andere in wilde Thiere verwandeln, in einem Augenblick tausend Meilen reisen und doch mit all ihrer Allmächtigkeit nicht selten Noth leiden und in Armuth sterben müssen.
(Das Innere des Theaters öffnet sich und man sieht die Gefährten des Ulysses dastehen in weißen Hemden, die Hände aufrecht, mit Zweigen darin, gleichsam als wären sie in Bäume verwandelt.)
Ach, Himmel, da sehe ich eine neue Wirkung von meiner 137 Madame ihren Künsten: Ulysses' Gefährten sind in Bäume verwandelt! So muß sie doch wenigstens wieder auf Erden sein; ich muß laufen. (Ab.)
Kilian mit einem Bündel auf dem Rücken.
Kilian. Na, nun sind wir doch endlich so weit, daß die Reise losgehen wird, ich hätte meiner Treu nicht übel Lust, das Kammermädchen mitzunehmen; ich kann sie gut leiden, die hat, meiner Six, ein paar hübsche Brüste und außerdem . . . . Aber was Teufel seh' ich denn da? Hört, Kerle, seid Ihr verrückt? Ist das jetzt die Zeit, hier herumzustehen und Narrenspossen zu treiben? Ihr da, was soll die Narrheit bedeuten?
(Einer von den Bäumen sagt: Wir sind Bäume.)
Kilian. Ei so will ich auch ein Baum sein.
(Er nimmt zwei Zweige in die Hände und setzt sich in dieselbe Positur wie die Uebrigen.)
Ulysses. Die Vorigen.
Ulysses. Ach Himmel, was sehe ich hier?! Meine geliebten und treuen Gefährten sind durch Zauberkunst in Bäume verwandelt! Ach Dido, höre doch einmal auf, mich zu verfolgen! Bedenke, daß ich mich nicht aus Verachtung oder Kaltsinn weigere, Dir zu Willen zu sein, sondern aus Treue gegen meine allerliebste Penelope. Denn ehe ich gegen die nur die kleinste Untreue beginge, wollte ich ja lieber den schmachvollsten Tod sterben. (Geht auf die Bäume zu.) Ach, meine lieben Gefährten, wer soll Euch zum zweiten Male retten? Denn mein treuer Diener Kilian, durch dessen Hülfe Ihr neulich erlöst wurdet, befindet sich diesmal, wie ich sehe, in derselben Lage wie die Andern. Nach dem Exempel, das er mir gegeben, werde ich mich schlafen legen, vielleicht offenbart Aesculapius oder Apollo auch mir 138 ein Mittel, meine theuren Freunde zu erlösen. (Legt sich hin mit dem Gesicht nach unten; während dessen schlägt Kilian ihn mit seinem Zweig über den Kopf, setzt sich aber gleich darauf wieder in Positur.) Ah, ich merke schon, daß ein Gott oder eine Göttin mich berührt, ich muß mich nur wieder schlafen legen und ihre Hülfe erwarten. (Kilian giebt ihm mit der flachen Hand einen tüchtigen Schlag auf den Hintern und setzt sich sogleich wieder in Positur. Ulysses schreit und ergreift die Flucht.)
Kilian. Die Vorigen.
Kilian. Der Teufel mag hier länger stehen, die Arme sind mir schon ganz steif; laß die Schufte stehen, so lange sie wollen, ich und mein Herr können ja allein reisen. Aber bevor ich reise, will ich doch nach alter guter Sitte meinen Namen einschneiden zum Andenken in einen von diesen Bäumen, blos diese Worte: Kilian Peersen manu mea propria.
(Sucht ein Messer und fängt an, dem Einen in den Rücken zu schneiden. Der fängt an zu schreien und fällt dem Kilian in die Haare, der wieder einen andern Baum bei den Haaren kriegt, so daß eine allgemeine Schlägerei entsteht, während deren sich das Innere des Theaters schließt.)
Dido. Rasmus.
Dido. Höre Rasmus, ein ander Mal mußt Du Dich besser aufführen, wenn ich Dir so etwas befehle; Du bist nun ein gereister Mann und hast ohne Mühe und Gefahr Dinge gesehen, welche andere Menschen sich zu sehen glücklich schätzen.
Rasmus. Ich hatte wirklich gar keine Angst, gnädige Frau. ich dachte blos, mich würde vor Schrecken der Schlag rühren; ich glaube auch nicht, daß ich es jemals verwinde. Uebrigens war ich doch neugierig genug, daß ich unterwegs ein paarmal die Augen öffnete, und da sah ich einen ganzen Klump Sterne auf einmal. Ich fürchtete blos, ich würde an den Mond stoßen, 139 dem ich so nahe war, daß, hätte ich ein Messer bei mir gehabt, ich ein Stück davon hätte abschneiden können. Denn wie ich bemerkte, ist er aus dem schönsten holländischen Käse gemacht, den man sich nur wünschen kann; wär' ich nicht so bange gewesen, hätt' ich Seine Excellenz den Herrn Drachen gebeten, mir ein Messer dazu zu leihen. Früher hatt' ich mir immer eingebildet, der Mond wäre nicht so groß wie ein Eierkuchen, so etwa von acht oder neun Eiern, und wenn Maria Anna im Monde säße, so dacht' ich mir, müßte die ihn mit ihrem dicken Hintern ganz verdunkeln, besonders wenn sie ihren Reifrock mit Fischbein anhätte. Aber jetzt sehe ich, daß er größer ist, als ich dachte; denn ich will darauf schwören, daß er so groß ist wie sechzehn von den großen Sonnenblumen, die bei uns im Garten stehen. Dagegen ist er so dünn wie ein Sträußelkuchen, so daß es lauter Lügen sind, wenn die Leute sagen, im Monde wohnen Menschen, zum mindesten können die nicht größer sein wie Käsemilben.
Dido. Ei hör' doch auf mit Deinem dummen Geschwätz! Furcht und Schrecken haben Dich so verblendet, daß Du Dir einbildest, Dinge gesehen zu haben, die gar nicht existiren, Du bist blos einige Meilen in die Luft hinaufgekommen.
Rasmus. Na wie viel Meilen glauben Euer Gnaden denn, daß es zum Monde ist? Nicht über fünfviertel Meilen, und ich will darauf schwören, daß ich nicht weit vom Glashimmel gewesen bin, welcher nach Jacob Schulmeisters Berechnung über acht Meilen von der Erde ist; ich konnte schon die Sterne sehen, die in den Glashimmel eingesetzt sind, so säuberlich, wie kein Juwelier es kann. Ja ja, ich habe gute Augen, meiner Treu; ja, ich hab' etwas gesehen, meiner Treu, was noch mehr ist, nämlich die Milchstraße.
Dido. Ha, ha, ha! Was denkst Du denn, was die Milchstraße ist?
Rasmus. Nun wahrhaftig, das weiß ich jetzt ziemlich genau, das ist die Milch, die von den Himmelszeichen gemolken wird, genannt Stier und Jungfrau, davon wird der Käse gemacht, womit der Mond ausgeflickt wird, wenn er im Abnehmen ist. Rasmus ist meiner Treu nicht so dumm, wie Euer Gnaden denken. 140
Dido. Machst Du noch eine solche Reise, so wirst Du rein verrückt. Hör' auf mit Deinem Geschwätz, ich habe nun an Anderes zu denken. Ich habe Elisa ausgesandt, nachzuforschen, was Ulysses treibt, seitdem seine Gefährten in Bäume verwandelt sind. Aber da, sehe ich, kommt sie.
Dido. Rasmus. Elisa.
Elisa. Ach, gnädige Frau, alle unsere Künste, alle unsere Veranstaltungen sind vergeblich: Ulysses und seine Gefährten haben bereits die Flucht ergriffen, sie sind schon so weit fort, daß man nichts mehr von ihnen erblicken kann.
Dido. Ist das wahr, was Du sagst, Elisa?
Elisa. Nur allzu wahr, ich selbst habe das Schiff weit draußen im Meere erblickt.
Dido. Ha, Elisa, so will ich auch keine Stunde länger leben! (Sie zieht einen Dolch und setzt ihn sich auf die Brust. Elisa und Rasmus laufen herzu und halten ihre Hände.) Laßt mich los, oder es kostet Euch das Leben! Ich habe beschlossen zu sterben und ich werde sterben!
Elisa (auf den Knieen). Ach, gnädige Frau, bedenkt doch, was die Nachwelt dazu sagen wird, daß die preiswürdige Dido aus Liebe zu einer fremden Person sich das Leben genommen und durch dies unerhörte Ende alle ihre früheren Tugenden vernichtet hat! Bedenkt, gnädige Frau, die traurige Lage, in die Ihr das ganze Land versetzt, das durch solchen jähen Tod ein Raub der Feinde, eine Beute der Fremden wird! Bedenkt . . . .
Dido. Nichts kann mich in meinem blutigen Vorsatze erschüttern; wollt Ihr nicht aufhören, mich daran zu hindern, so wird mein ganzer Zorn sich auf Euch werfen.
Elisa. Ach, gnädige Frau, als treue Diener und Dienerin sind wir in solchem Falle verbunden, lästig zu fallen!
Dido. Ihr könnt mich doch nicht hindern, es sei denn für jetzt; was nicht in dieser Stunde geschieht, wird in der nächsten geschehen. Dies allein erreicht Ihr durch Eure Widersetzlichkeit, 141 daß Ihr zunächst als Rebellen wider meinen Willen bestraft werdet, und hinterdrein wird mein Vorsatz ohne Hinderniß ausgeführt werden.
(Sie reißt sich los und stößt zuerst die Elisa, welche die Flucht ergreift, und dann Rasmus von sich.)
Rasmus. Ach, gnädige Frau, stecht mich nicht todt! Ich will ja Euer Gnaden wahrhaftig nicht hindern, im Gegentheil, als ein treuer Diener will ich Euch ja in Eurem Vorsatz behülflich sein.
Dido. Willst Du mich nicht mehr hindern?
Rasmus. Nein, wahrhaftig, ich nicht.
Dido. So will ich mir auch das Leben nicht nehmen; Euch zum Trotz will ich nun leben. Auch läßt es, wenn ich es mir recht überlege, doch gar zu romanhaft. Kommt, laßt uns gehen. (Ab.)
Rasmus. Ich dachte mir schon, daß es so kommen würde; ich glaube wirklich, die alten Heldinnen, von denen die Poeten so manchen Vers gemacht, haben es nicht anders getrieben. – 142