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Die Gerichtsstube wird vorgestellt. Ein Richter. Ein Schreiber. Gerichtsdiener. Leander. Zuerst kommt ein Gerichtsdiener mit einer Räucherpfanne, indem er sagt: »Ich muß räuchern, damit die Zauberei keine Macht hat.« Darauf kommt der Richter und setzt sich an das eine Ende des Tisches und der Schreiber an das andere. Die Gerichtsdiener stehen in der Nähe des Richters.
Der Richter. Na, Kinder, mit solcher Angst wie heute habe ich noch niemals zu Gericht gesessen. Denn hier ist nicht von Mord oder Diebstahl oder Raub die Rede, sondern davon, eine Zauberei auszurotten, die vielleicht schon viel weiter um sich gegriffen hat, als wir denken. – Führt den Hauptverbrecher zuerst herein, damit wir ihn allein hören, nachher wollen wir die Andern vernehmen, und zuletzt wollen wir sie alle confrontiren. Ach, ach, unsere gute Stadt!
(Der Angeklagte tritt ein.)
Laßt ihn mir nur nicht zu nahe kommen, hört Ihr wol? Bleib' da stehen, Mensch, da neben dem Schreiber!
(Der Schreiber rückt an den Richter heran.)
Bleibt nur sitzen, Herr Schreiber.
Der Schreiber (zitternd). Ich möchte gern hier sitzen und schreiben, Herr Richter, da drüben ist es so finster.
Der Richter. Ei, bleibt nur sitzen, es ist da gerade so hell wie hier.
Der Schreiber. Bitt' um Verzeihung, ich kann da wahrhaftig keinen Buchstaben sehen. 274
Der Richter. Ich befehle Euch aber, auf Eurem gewöhnlichen Platze zu bleiben.
(Schreiber setzt sich mit Zittern wieder hin, sieht sich öfters um und fährt jedesmal in die Höhe, sowie der Angeklagte sich ihm nähert, und das geht so durch den ganzen Akt.)
Höre, junger Mensch, gestehst Du die Schuld, um deren willen Du in Verhaft genommen bist?
Leander. Gewiß thue ich es, Herr Richter; ich werde niemals meine Handschrift verleugnen.
Der Richter (leise). Ha ha, nun wissen wir also doch, daß er einen schriftlichen Contract mit dem Teufel geschlossen hat. (Laut) Hast Du sie mit Deinem eigenen Blute geschrieben?
Leander. Das ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, eine seltsame Frage, Herr Richter; so lange ich Tinte zum Schreiben habe, brauche ich kein Blut.
Der Richter (leise zu den Nächststehenden). Kann man sich dem Teufel auch mit Tinte verschreiben?
Gerichtsdiener. Ja, ich glaube, Herr Richter, man hat Exempel davon.
Der Richter. Was diesen betrifft, so bedarf es also keiner weiteren Untersuchung, da er ja selbst alles zugesteht.
Leander. Gewiß habe ich es nie geleugnet, Herr Richter, nur begreife ich nicht, wie man mich um einer solchen geringfügigen Sache halber so behandeln und mich ins Gefängniß setzen kann.
Der Richter. Hilf Himmel, ist das eine geringfügige Sache? Schreibt, Herr Schreiber, daß er öffentlich vor Gericht gesagt hat, es wäre eine geringfügige Sache!
Leander. Ja, und in Betreff des Weiteren erbiete ich mich, sofort einundzwanzig Thaler bei Gericht zu deponiren.
Der Richter. Schreibt, Herr Schreiber, daß er öffentlich die Absicht zu erkennen gegeben hat, das Gericht zu bestechen!
Leander. Das Gericht bestechen will ich nicht, aber . . . .
Der Richter. Halt' Du Dein Maul, bis Du gefragt wirst! Wie lange ist es denn her seit der Verschreibung?
Leander. Der Wechsel ist sechs Monate alt, aber . . . . 275
Der Richter. Sechs Monate! (Leise) Es ist wirklich spaßhaft, daß er dies einen Wechsel nennt und auf die Art den Teufel zum Banquier macht.
Der Schreiber. Der Teufel, Herr Richter, ahmt dem Menschen in allen Stücken nach und so macht er denn jetzt auch den Banquier; ich vermuthe, er nennt den Contract einen Wechsel, weil bekanntlich das Wechselrecht am strengsten ist.
Der Richter (laut). Es ist aber doch schrecklich, daß sich so etwas hat ein ganzes Jahr lang hinziehen können.
Leander. Der Mann hatte Geduld mit mir und prolongirte.
Der Richter. Du hättest klug genug sein sollen, Dich vor dem Manne in Acht zu nehmen.
Leander. Wie so? Es ist ja sonst ein ganz honneter Mann.
Der Richter. Schreibt, Herr Schreiber, er nennt ihn einen honneten Mann! (Leise) Das ist der leibhaftige Teufel, der aus ihm spricht.
Leander. Er hat mich sonst nie gedrückt, sondern mir immer Credit gegeben, bis heute.
Der Richter. Ja, stelle Dich nur dumm, Patron, als ob Du nicht wüßtest, daß er nur darum einige Zeit Credit giebt, um nachher desto unerbittlicher zu sein! Wann warst Du denn zuletzt in der Kirche?
Leander. Das ist noch nicht acht Tage her. Aber ich begreife wiederum nicht, warum ich in dieser lumpigen Sache nach solchen Dingen gefragt werde?
Der Richter. Bist Du es selbst, junger Mensch, der Du redest, oder spricht der Teufel aus Dir? – Schreibt, Herr Schreiber, er nennt das eine lumpige Sache.
Leander (ein wenig bei Seite tretend). Ich glaube, der Richter und die ganze Stadt sind toll im Kopfe; ich muß nur auch thun, als wäre ich toll, vielleicht geht es auf die Art besser.
Der Richter. In welcher Kirche bist Du getauft?
Leander (verzerrt das Gesicht und stellt sich, als wäre er toll).
Der Richter. Ach, Himmel, seht, was er für Convulsionen 276 kriegt, sowie ich von Getauftsein spreche! Schreibt, Herr Schreiber . . . .
(Der Schreiber kriecht unter den Tisch.)
Wo ist denn nur aber der Schreiber? Hilf Himmel, das nenn' ich Zauberei! Er ist verschwunden, glaub' ich!
Ein Gerichtsdiener. Nein, Herr Richter, er sitzt unter dem Tische.
(Leander verzerrt das Gesicht nochmals und wird in Folge dessen hinausgeführt, worauf der Schreiber wieder hervorkriecht.)
Der Richter. Ich wollte, wir hätten die Sache erst glücklich zu Ende; mit solcher Art Leuten zu thun zu haben, ist was Furchtbares. Aber freilich, seine Amtspflicht muß man erfüllen.
Der Schreiber. Ja, gewiß, Herr Richter, wie geschrieben steht: Scheu' das Recht und thu' dem Teufel nichts.
Der Richter. Ja, Ihr habt auch wol mitzureden, unter den Tisch seid Ihr gekrochen.
Der Schreiber. Mir war blos eine Feder heruntergefallen, Herr Richter, aus Furcht habe ich es wahrhaftig nicht gethan.
Der Richter. Na, dann paßt nur gut auf, daß Euch keine Federn mehr herunterfallen, es wird hier sich gleich noch ein ganz anderer Sturm erheben.
Die beiden Schauspieler. Die Vorigen.
Der Richter. Ich ermahne Euch, Eure Unthat freiwillig zu bekennen und uns nicht zu Mitteln zu nöthigen, zu denen wir nur ungern greifen, nämlich Euch die Wahrheit durch ein peinliches Verhör abzuzwingen. Euer Kamerad hat Euch sämmtlich angegeben und seine Missethat frei bekannt, er ist dadurch dem, was Euch noch droht, entgangen und wird ohne weitere Marter für feine Sünden kurzweg vom Leben zum Tode gebracht werden. Folgt seinem Beispiele, es ist der beste Rath, den ich Euch ertheilen kann, und gebt Eure Mitschuldigen an. 277
Erster Schauspieler. Wir haben nie gethan, noch gedacht zu thun, wessen man uns beschuldigt, leben daher auch der Hoffnung, daß man uns nicht auf die falsche und leichtfertige Anklage eines bösen Menschen hin verdammen wird; kann man uns jedoch dergleichen überführen, so sind wir gerne bereit, uns jeder Strafe zu unterwerfen, die das Gesetz über uns verhängt.
Der Richter. Das ist denn doch nicht wahrscheinlich, daß eines Menschen Bosheit so weit gehen sollte, ohne Aussicht auf den geringsten Nutzen oder Vortheil seine Freunde mit sich in solchen Abgrund zu ziehen; ich merke daraus, daß Ihr verstockte Sünder seid und mit Gewalt auf die Folter gebracht werden wollt.
Erster Schauspieler. Aber da wir ganz unschuldig sind, können wir uns doch unmöglich selbst solche Missethaten andichten?!
Der Richter. Herr Schreiber, examinirt sie denn nach bestem Wissen und Vermögen; wir wollen es erst mit den sanften Mitteln versuchen, bevor wir zu den strengen schreiten.
(Der Schreiber, welcher dasitzt und ein Riechfläschchen unter die Nase hält, stellt sich, als ob er auf einmal heiser wäre, schlägt sich vor die Brust und sagt mit einer ganz erloschenen Stimme, es wäre ihm so erbärmlich auf der Brust, daß er unmöglich reden könne.)
Der Richter. Die Heiserkeit ist Euch sehr schnell gekommen; pfui doch, wer wird so furchtsam sein! Bleibt nur sitzen, ich werde es schon selbst besorgen. Sagt denn, Ihr Verbrecher, wer hat Euch zuerst zur schwarzen Kunst verführt?
Erster Schauspieler. Niemand hat uns verführt, und unser letztes Wort ist und bleibt, daß wir diese Kunst niemals getrieben haben.
Der Richter. Sagt mir denn, wie lange ist es her, daß Euer Kamerad sich zuerst damit befaßt hat?
Beide. Auch davon wissen wir nicht das Mindeste. Hätten wir etwas davon gewußt, würden wir es sogleich angezeigt haben.
Der Richter. Ihr wollt also wirklich nicht bekennen? So laßt den Ersten wieder hereinkommen, der wird sie schon überführen. 278
Leander. Die Vorigen.
(Der Schreiber kriecht wieder unter den Tisch.)
Der Richter. Wir haben Euch nochmals hierher rufen lassen, nicht in Eurer eigenen Angelegenheit, sondern um gegen Eure Spießgesellen auszusagen, die in ihrer beispiellosen Hartnäckigkeit nichts gestehen wollen.
Leander. Das geht mich nichts an, Herr Richter; jeder mag sich selbst verantworten, mein Päckchen ist gerade schwer genug.
Der Richter. Habt Ihr nicht gestanden, daß die Uebrigen von der Bande ebenso schuldig sind wie Ihr?
Leander. Ja, gesagt habe ich es allerdings, aber kümmern thut es mich nicht.
Erster Schauspieler. Wenn Ihr gesagt habt, Monsieur Leander, daß wir ebensowol schuldig sind als Ihr, so habt Ihr nicht als ehrlicher Mann gesprochen; wir wissen uns durchaus rein und frei davon.
Leander. Nun seht, was die sich heilig stellen; na, ich möchte wahrhaftig nicht Euer Advocat sein. Ich sage blos, daß Ihr ebenfalls schuldig seid, und darin liegt ja weiter kein Vorwurf, da Ihr es ja leicht gut machen könnt.
Der Richter. Ach, welch ein Spötter! Schreibt, Herr Schreiber – aber wo ist der Schreiber nun wieder geblieben?
Ein Gerichtsdiener. Er sitzt wieder unter dem Tische, glaub' ich.
Der Richter. Holt ihn vor, er hat sich heute so betragen, daß er nie wieder mit zu Gericht sitzen kann.
Der Gerichtsdiener. Ach, Herr Richter, er ist ohnmächtig.
Der Richter. Seht zu, daß Ihr ihn herausbekommt, sonst ist er noch des Todes, rein vor Furcht.
(Man trägt ihn hinaus.)
Zweiter Schauspieler. Aber was haben wir Euch denn nur zu Leide gethan, Monsieur Leander, daß Ihr uns so etwas auf den Hals redet und uns dadurch ins Unglück stürzet? 279
Leander. In was für ein Unglück stürze ich Euch denn? Ich habe blos gesagt, warum ich in meinem dumpfigen Loch sitzen soll, während Andere frei sind, die ebenso viel schuldig wie ich.
Zweiter Schauspieler. So habt Ihr uns also nicht namentlich angegeben?
Leander. Wie sollte mir das einfallen, Messieurs, Euch anzugeben? Ich sage blos, daß die meisten von unserer Bande nicht weniger schuldig sind als ich.
Zweiter Schauspieler. Das ist der reine Teufel, der Euch verleitet, so etwas zu sagen.
Leander. Ich glaube wirklich, Ihr seid toll im Kopfe; seid Ihr nichts schuldig, so ist das ja desto besser für Euch.
Erster Schauspieler. Aber warum habt Ihr uns denn angegeben?
Leander. Ich habe Euch nicht angegeben, ich sagte blos . . . .
Der Richter. Bringt die Folterbank her!
Leander. Die Folterbank wegen eines lumpigen Wechsels von fünfzig Thalern, wovon ich die Hälfte stehenden Fußes bezahlen will, so daß blos noch fünfundzwanzig Thaler bleiben, die ich in drei Tagen bezahlen kann!
Der Richter. Ach, Himmel, nun ist er ganz toll!
Erster Schauspieler. Der Herr Richter hört, daß er den Verstand verloren, und also kann auch kein Werth gelegt werden auf das, was er uns schuld giebt.
Leander. Und mir scheint, daß alle, die ich diese ganze Zeit über gesprochen habe, toll und verrückt sind.
Der Richter. Das ist eben das rechte Kennzeichen der Verrücktheit, wenn Einer sich einbildet, allein klug zu sein, während alle andern verrückt sind.
Erster Schauspieler. Scheint dem Herrn Richter nicht zweckmäßig, daß Ihr ihm erst zur Ader ließet und hinterdrein hörtet, ob er noch bei seiner Anklage stehen bleibt?
Der Richter (zum Gerichtsdiener). Geh' auf der Stelle zu Meister Hermann, er soll doch mal so gut sein, mit seiner Lanzette herzukommen! 280
Leander. Das ist ganz überflüssig; wer seinen richtigen Verstand hat, wird mir einräumen, daß es ein viel größeres Zeichen von Verrücktheit ist, einen ehrlichen Kerl in ein finsteres Loch zu werfen um fünfzig Thaler willen, die er in drei Tagen zu bezahlen verspricht, als über solche Behandlung Klage zu führen.
Der Richter. Horch, nun spricht er wieder vom Wechsel; es ist wahrhaftig ein starker Paroxysmus.
Leander. O mein Herr Richter, ich bin noch völlig bei Verstande.
Erster Schauspieler. Das kommt Euch blos so vor, Monsieur Leander.
Leander. Hol' Euch der Henker mit Eurem Vorkommen, muß ich nicht am besten selbst wissen, wie es mit mir steht?
Erster Schauspieler. Nein, erst wenn der Patient merkt, daß er krank ist, ist Hoffnung zur Besserung.
Meister Herrmann. Die Vorigen.
Meister Hermann. Wer ist das, dem ich hier zur Ader lassen soll?
Der Richter. Da steht er.
Leander (zeigt auf den zweiten Schauspieler). Nein, der ist es, Meister.
(Der Barbier kriegt den unrechten zu fassen und will ihm mit Gewalt zur Ader lassen; er läuft fort und schreit »Ich bin es nicht!« Der Barbier läuft ihm nach.)
Der Richter (leise zum Barbier). Nein, Meister, der Andere ist es; er ist angeklagt wegen Zauberei und hat bereits vor Gericht gestanden, daß er sich in der That dem Teufel verschrieben hat. Nun wir ihn aber weiter verhören, schwatzt er dummes Zeug von einem Wechsel von fünfzig Thalern. Aber ganz gewiß stellt er sich blos so, um die Sache in die Länge zu ziehen. Die zwei Andern dagegen, die er als seine Spießgesellen angegeben hat, behaupten, er wäre verrückt, und verlangen vom 281 Gerichtshofe, daß er zur Ader gelassen wird, um zu sehen, ob er dann noch bei seiner Klage beharren wird. Glaubt Ihr nun wol, daß dies angebracht ist?
Meister Hermann. Ja versteht sich. Vom Aderlassen rathe ich niemand ab; ein einziger Aderlaß hilft dem Patienten mehr, als wenn er die Pillen des Doctor Bombastus ein ganzes Jahr durch braucht. Ich will dem Herrn Richter sagen, weil das Blut, auf Latein sanguis, obstruxirt ist, so folgt ja nothsächlich, daß die Ader oder vena muß eröffnet werden. Sextus Empiricus schreibt sehr gründlich davon also –
Der Richter. Wir haben jetzt keine Zeit zu hören, was Sextus Empiricus schreibt; vollzieht hier nur rasch Euer Geschäft, damit wir endlich mit dieser verfluchten Geschichte zu Ende kommen.
Meister Hermann. Aber sollte der Andere nicht auch zur Ader gelassen werden? Schaden kann es nicht, ein gutes Mittel läßt sich ja nie zu oft anwenden.
Der Richter. Nein, nein, blos dieser Eine.
Meister Hermann. Nach Befehl. Aber gut wäre es doch, daß alle zusammen zur Ader ließen, der Herr Richter mit eingeschlossen, in einer halben Stunde sollten sie alle zusammen expediret sein. (Zum Angeklagten) Nun, mein Freund, wo wollt Ihr denn nun zur Ader lassen, am Arm, am Fuß oder an der Stirn?
Leander. Nirgend will ich zur Ader lassen, denn mir fehlt überhaupt nichts.
Meister Hermann. Ja was geht das mich an, hier liegt ein interlocutorisches Urtheil vor, wonach Ihr zur Ader gelassen werden sollt; ich wollte, es würden bei Gericht lauter solche Urtheile gefällt, da wäre doch noch was zu verdienen. Nun kommt, Kamerad, setzt Euch her, ich mache das so geschickt, daß Ihr es kaum fühlen sollt.
Leander. Bleibt mir vom Leibe, sag' ich, Euch selbst thut ein Aderlaß wol mehr noth als mir!
Der Richter. Geht mal hin, zwei Mann, und haltet ihn!
Leander. Ach, Herr Richter, verfahrt doch nicht so 282 grausam mit mir, bedenkt, ich habe das Recht, an die höhere Instanz zu appelliren! Ich bin wahrhaftig so gesund und frisch, wie ich nur jemals gewesen bin; wenn mir etwas weh thut, so ist es blos der Kummer, mich so unschuldig mißhandelt zu sehen.
Der Richter. Aber Ihr habt doch selbst erst vor Gericht zugestanden, daß Ihr Euch vor sechs Monaten dem Teufel verschrieben, habt die Andern von der Bande angegeben, habt den Teufel als einen honneten Mann und Eure Sache als eine Kleinigkeit bezeichnet, zuletzt aber, wenn man Euch weiter befragt wegen der schwarzen Kunst, so antwortet Ihr uns etwas von einem Wechsel von fünfzig Thalern; wie soll man nun wol so etwas nennen?
Meister Hermann. Das heißt nichts anderes als furorem oder mania.
Leander. Ach, Herr Richter, hier muß nothwendig ein Mißverständniß vorliegen. Da wird nämlich ein Wechsel auf mich protestirt, gleich kommt Einer gelaufen und warnt mich, daß ich in Arrest gebracht werden soll; nachher kommen die Stadtwächter und wollen mein Haus stürmen; das war mir nun auch noch einigermaßen begreiflich, weil ich dachte, es handle sich um den Wechsel. Das Uebrige dagegen, was nun folgt, das waren böhmische Wälder für mich. Denn wie ich mich erbot, Bürgschaft zu stellen, da gaben sie zur Antwort, nicht die ganze Welt könnte für mich Bürgschaft stellen, und da ich sagte, das wäre doch nicht die Sache, um Einen deshalb ins Gefängniß zu werfen, so nannten sie mich einen Gotteslästerer. Hinterdrein kamen dann verschiedene Leute und wollten mich um Rath fragen von wegen der schwarzen Kunst, und endlich höre ich zu meinem Entsetzen, daß es nicht der Wechsel ist, weshalb ich angeklagt bin, sondern wegen Zauberei. Ich möchte darauf sterben, Herr Richter, daß ich mit jemand anders verwechselt worden, dem ich vermuthlich ähnlich sehe.
Der Richter. Was Henker ist das? Seid Ihr denn nicht wegen Zauberei verklagt?
Leander. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich nicht weiß, was Zauberei ist. 283
Der Richter. Aber warum sagtet Ihr denn da zu Anfang, Ihr wäret schuldig?
Leander. Wie der Richter mich fragte, dachte ich, er spräche von dem Wechsel.
Der Richter. Aber hier sind ja doch Leute, die selbst mit angehört haben, wie Ihr den Teufel citirtet?
Leander. Ich bitte gehorsamst, mir die Leute gegenüberzustellen.
Glaubegern (tritt vor). Ich bin der Mann, Herr Richter, der zuerst dahintergekommen ist; ich habe gehört sowol wie gesehen, wie er den Teufel citirte.
Der Richter. Habt Ihr den Teufel selbst gesehen?
Glaubegern. Nein, aber es kam mir vor, als hörte ich ein ungeheures Gepolter.
Leander. Ich bitte gehorsamst, der Richter wolle mir gestatten, dem Manne einige Fragen vorzulegen, die Licht in die Sache bringen werden. Um welche Zeit war es denn wol, daß Ihr mich die schwarze Kunst ausüben hörtet?
Glaubegern. Das war heute früh neun Uhr.
Leander. Und wo that ich es?
Glaubegern. Auf dem Vorsaal Eures Hauses.
Leander. Könnt Ihr Euch nicht noch an die Worte erinnern, die ich dabei brauchte?
Glaubegern. So ziemlich. Ihr citirtet einen bösen Geist mit Namen Mephistopheles und verbotet ihm, einen Kreis zu beschreiten, den Ihr auf den Boden gezogen hattet; eine halbe Stunde später hörte ich zugleich mit noch einem andern Bürger, wie Ihr noch einen zweiten Geist citirtet, mit Namen Polidorus.
Leander. Eben dieser Mann, der mich anklagt, soll mich auch freisprechen.
Der Richter. Mir scheint das Gegentheil.
Erster Schauspieler. Wohledler Herr Richter, jetzt rührt sich auch mein Gewissen und zwingt mir das Bekenntniß ab, daß Monsieur Leander in der That den Teufel citirt hat und daß wir seine Mitschuldigen dabei sind. 284
Der Richter. Na das freut mich, daß Ihr endlich in Euch geht.
Leander. Ich getraue mir sogar zu beweisen, daß Meister Hermann, der Barbier, ebenfalls unser Mitschuldiger ist.
Meister Hermann. Wer? ich? Nu seh' Einer die verfluchten Kerle an! Glaubt ihnen nicht, Herr Richter, ich bin bekannt als ein ehrlicher Mann und ein abgesagter Feind von all diesen Geschichten; ja mit dieser meiner eigenen Hand habe ich ein Haus angesteckt, das wegen Zauberei in Verdacht stand, und doch wurden die Bewohner, die dabei sämmtlich ums Leben kamen, hinterher unschuldig befunden, so daß ich also sechs unschuldige Menschen auf einmal aus der Welt geschafft habe, ja es fehlte nicht viel, so hätte ich aus lauter frommem Eifer die ganze Stadt angesteckt.
Leander. Stellt Euch nur so fromm, wie Ihr wollt, Meister Hermann, ich werde es doch ganz genau mit allen Umständen beweisen, so daß Ihr es selber noch eingestehen sollt.
Der Richter. Hilf Himmel, wie schnell die Sünde die Oberhand gewinnt; zuletzt ist noch die ganze Stadt mit Zauberei angesteckt!
Meister Hermann. Aber der Herr Richter merken ja doch wol, daß er das blos sagt, um uns mit ins Verderben zu ziehen?
Leander. Ich verlange durchaus nicht, daß man mir aufs Wort glauben soll, wol aber erbiete ich mich, solche Zeugen beizubringen, daß alle Welt beistimmen soll, daß Ihr in der That mein Mitschuldiger seid.
(Meister Hermann weint.)
Der Richter. Ja, mein guter Meister Hermann, jetzt kommt das Weinen zu spät, das hättet Ihr früher bedenken sollen.
Meister Hermann. Ach, ach, ich bin so unschuldig als ein Schaf!
Der Richter. Es thut mir nur leid um Eurer hübschen Frau und Kinder willen. Darauf übrigens könnt Ihr Euch verlassen, wenn nicht noch andere gerichtliche Beweise 285 vorliegen, auf diese bloße Aussage hin sollt Ihr nicht verurtheilt werden.
Leander. Ich will ihn dazu bringen, daß er selbst bekennt.
Der Richter. Habt Ihr vielleicht noch sonst jemand anzugeben?
Leander. Ja, Herr Richter, wenn ich ein bischen nachdenke, so würde das schon gehen; unter andern kann ich beweisen, daß der Schreiber beim Gericht hier ein ganzes Jahr lang Mitwisser gewesen.
Der Richter. Der Schreiber?! Nun begreife ich auch, warum der Schuft unter den Tisch kriecht; das war noch mehr aus bösem Gewissen, als aus Furcht vor diesem Zauberer. Wo ist er geblieben?
Ein Gerichtsdiener. Wir haben ihn in das Cabinet gebracht, gleich hier nebenan.
Der Richter. Ist ihm wieder wohl?
Der Gerichtsdiener. Ei ja, er sitzt und spielt Dame mit des Herrn Richters Lakai.
Der Richter. Er soll mal auf der Stelle hereinkommen.
(Der Schreiber wird hereingeschleppt, wobei er gottsjämmerlich schreit.)
Der Schreiber. Aber, Herr Richter, wenn ich von lauter Zauberern umgeben bin, so kann ich doch unmöglich meinem Amt vorstehen, sie haben mir die Hände so verhext, daß ich nicht eine Silbe schreiben kann!
Der Richter. Ei ei, was Ihr für ein frommer Mann seid! Und wenn man Euch nun beweist, daß Ihr ebenfalls mit der schwarzen Kunst Bescheid wißt?
Leander. Zehnfacher Strafe will ich mich unterwerfen, wenn ich nicht beweisen kann, daß er zu verschiedenen Malen Augen- und Ohrenzeuge bei dem gewesen, dessen wir angeklagt sind.
Die beiden Schauspieler. Wir erbieten uns ebenfalls, es zu beweisen.
Der Richter. Pfui, schämt Euch, so dazustehen! Ihr seid Beamter des Gerichts und sollt daher doppelte Strafe leiden.
Der Schreiber. Ich bin jetzt vierzig Jahre alt, aber wenn ich bis zu diesem meinen vierzigsten Jahre auch nur so viel 286 gesehen habe von einem Kobold oder Wichtelmännchen, geschweige denn von einem ordentlichen ausgewachsenen Teufel, so will ich auf der Stelle selbst des Teufels sein.
Der Richter. Wenn nur erst die Zeugen vernommen werden, da wird die Wahrheit schon an den Tag kommen.
Der Schreiber. Was scheeren mich alle Zeugen der Welt, ich muß das ja doch selbst am besten wissen.
Leander. Jetzt werde ich Euch allen sofort aus dem Traume helfen. Habt Ihr nicht vergangenes Jahr eine Tragödie gesehen, Polidorus betitelt?
Der Schreiber. Allerdings.
Leander. Erinnert Ihr Euch noch, daß in dieser Tragödie eine Scene vorkommt, in welcher der Teufel citirt wird?
Der Schreiber. Ja gewiß erinnere ich mich, und zwar heißt der Teufel, der citirt wird, Mephistopheles. Aber das war nur ein Spiel.
Leander. Und ein bloßes Spiel hat auch diesen großen Lärm veranlaßt. Die Sache ist diese: um neun Uhr ging ich auf meinem Vorsaal auf und nieder und memorirte meine Rolle in der genannten Tragödie, die morgen zur Aufführung kommen sollte. Der Biedermann hier hat dabei gestanden, hat es gehört, hat es für Ernst genommen und hat mich in der ganzen Stadt als Zauberer ausgeschrieen. Da ist die Geschichte denn noch ausgeschmückt worden, wie das so zu geschehen pflegt, und in dieser Gestalt ist sie denn der Obrigkeit zu Ohren gekommen, und die hat nun sofort die Polizei geschickt, mich greifen zu lassen. Nun war eben zu derselben Zeit ein Wechsel mit Protest auf mich zurückgekommen, ich glaubte, es wäre aus diesem Grunde, daß man mich einsperren wollte, und darum habe ich dem Gericht auch ganz ehrlich bekannt, daß ich allerdings schuldig – nämlich Geld schuldig, nicht aber der Zauberei, an die ich auch nicht im Traume gedacht habe. Zum Beweise dieser meiner Aussage überreiche ich hiermit dem Kläger meine Rolle, er kann sich daraus selbst überzeugen, ob nicht genau dieselben Worte darin stehen, die er gehört hat.
Der Kläger (liest darin und fällt auf die Kniee). Ach ja. Herr 287 Richter, es sind wirklich dieselben Worte! Aber der Lärm, den ich verursacht habe, ist gewiß nicht böse gemeint gewesen, sondern ein bloßes Mißverständniß; der Mann ist ganz unschuldig und ich bitte demüthigst, mich mit einer bloßen Abbitte und Ehrenerklärung zu entlassen.
Der Richter. Na, so soll Euch doch das Donnerwetter mit Euren verfluchten Denunciationen! (Geht ab, indem er den Kopf hängen läßt.)
Die Mutter eines der Schauspieler. Leanders Braut. Die drei Schauspieler. Der Schreiber.
Die Mutter (indem sie den Schreiber zu packen kriegt). Ach, Herr Schreiber, verfahrt doch nicht so grausam mit meinem Sohne!
Die Braut (zerrt ihn nach der andern Seite hin). Ach, Herr Schreiber, legt doch ein gutes Wort für meinen Bräutigam ein!
Der Schreiber. Ei, laßt mich in Ruhe!
Die Mutter. Ach, Herr Schreiber, ein junger Mensch ist ja doch so leicht verführt!
Die Braut. Ach, Herr Schreiber, legt doch ein gutes Wort für ihn ein bei dem Herrn Richter!
Der Schreiber. Daß Euch das Donnerwetter, wenn Ihr mich nicht in Ruhe laßt!
Die Mutter. Ach, Herr Schreiber, wir sind doch alle Menschen!
Die Braut. Ach, Herr Schreiber, laßt ihn doch nur wenigstens ehrlich unter die Erde kommen!
Der Schreiber. Laßt mich in Ruhe, sonst soll Euch das Donnerwetter!
Die Mutter. Ach, Herr Schreiber, wir lassen Euch nicht los, bis Ihr uns versprochen habt, zu helfen!
Der Schreiber. Heda, Gewalt!
(Die beiden Frauen werfen sich dem Schreiber zu Füßen und umklammern seine Beine mit solcher Gewalt, daß er umfällt; er springt in die Höhe und läuft fort, während die Frauenzimmer ihn verfolgen.) 288
Leander (an die Zuschauer).
Hier waltet Glaubenslosigkeit Und dort herrscht Aberglaube, Und beiden wird Religion Und Landeswohl zum Raube. Und fragst Du, was das Schlimmste sei, Nur einen winz'gen Unterschied Er brüstet sich mit Mord und Brand, |