Ludvig Holberg
Hexerei oder Blinder Lärm
Ludvig Holberg

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Zweiter Akt.

Erste Scene.

Leander. Nachher zwei Drehorgeljungen.

Leander. Nun kann ich meine Rolle an den Fingern hersagen. Ich wollte, das Stück wäre noch heute Abend, da nähme ich gleich etwas Geld ein, um den Wechsel zu bezahlen. Ich fürchte nur, sie bringen mich noch vorher in Arrest, darum muß ich mich vor niemand sehen lassen. Käme es übrigens zum Aeußersten, so sollte ich doch meinen, daß sich jemand erbarmte und für fünfzig Thaler für mich gut sagte.

(unterdessen ist ein Junge eingetreten, zupft ihn am Arm.(

Der Junge. Kaufen der Herr nicht das neue Lied von dem Kerl, der sich dem Teufel verschrieben hat, auf Deutsch und auf Dänisch?

Leander. Verschreiben sich die Leute dem Teufel denn jetzt auf Deutsch und Dänisch? Ich dächte, es wäre an einem genug.

Der Junge. Nein, das ist nicht so gemeint: das Lied ist deutsch und dänisch zu haben.

Leander. Diese Art Lieder machen, was die Schnelligkeit der Uebersetzung anbetrifft, mehr Glück als unsere besten Komödien. Nein, Kamerad, Deine neuen Lieder mußt Du an die alten Weiber verkaufen, ich brauche dergleichen nicht.

Ein zweiter Junge (tritt ein). Monsieur, eine funkelnagelneue Relation von dem Teufel, der Einem erschienen ist in Kaufmannsgestalt mit Hörnern vor dem Kopfe!

Leander. Bist Du nicht bei Trost, Junge? Gehen denn 230 die Kaufleute mit Hörnern vor dem Kopfe? Aber freilich, auf gewisse Art ist es doch ganz richtig. Nein, ich kaufe nichts, mach' fort mit Deinen Geschichten. – Das ist was Schreckliches in der Stadt mit diesen neuen Liedern; man hat prophezeit, die Welt werde durch Feuer untergehen, wenn das aber so fort geht, so geht sie, glaub' ich, vielmehr durch neue Lieder unter.

Leanders Junges. Monsieur, jetzt heißt es untergekrochen, die Schaarwache ist auf dem Wege, um Euch ins Loch zu stecken.

Leander. Alle tausend, hab' ich's doch gedacht! Das ist doch verflucht hart, einen ehrlichen Kerl um lumpige fünfzig Thaler einzuschweißen, besonders wenn man weiß, daß er etwas verdienen kann. Aber wahrhaftig, da kommen sie, ich muß laufen und die Thüre hinter mit zuschließen.

(Sie gehen ab.)

Zweite Scene.

Eine ansehnliche Schaar Bewaffneter kommt. Lars. Nachher Leander und Heinrich.

Der Anführer. Hört, Leute, gehe Einer von Euch zuerst hin und poche an die Thüre; wenn keiner aufmacht, so erbrechen wir sie mit Gewalt, hört Ihr wol? Ich glaube gar, Ihr seid bange; vorwärts, oder es setzt meiner Seele Hiebe! Lars, geh' Du mal hin und klopfe an, Dir fehlt es ja sonst nicht an Courage.

Lars. Nein, allerdings, vor Menschen bin ich nicht bange, und wenn ihrer noch so viele sind, aber gegen den Teufel, da bin ich der reine Hasenfuß.

Der Anführer. Ei, Possen, was kann er Dir denn anhaben, so lange Du in Deinem Berufe bist?

Lars. Warum geht Ihr denn nicht selbst?

Der Anführer. Na, das werde ich auch, ich bin nicht bange vor dem Teufel. (Geht einige Schritte vorwärts, kehrt jedoch gleich wieder um.) Hört Ihr wol, Leute, geht gleich hin und pocht, oder Ihr sollt die Schwerenoth kriegen! Ist das nicht der reine Scandal, wir kommen hier zu ganzen Haufen und nicht Einer hat Courage! 231 Ei, Ihr Hundsfötter, so viel Ihr seid, nun sollt Ihr gleich sehen, wie ich anpochen werde! (Geht vorwärts, kehrt aber wieder um.) Wir wollen mal lieber rufen und sehen, ob er vielleicht aufmacht.

(Alle rufen: Aufgemacht!)

Leander (oben am Fenster). Ach, Ihr lieben Leute, ich bin ja doch ein ansässiger Mann, ich laufe Euch ja nicht fort!

Der Anführer (leise). Wir wollen ihm gute Worte geben, um ihn herauszulocken. (Laut) Na kommt nur heraus, Kamerad; seid Ihr unschuldig, so wird Euch ja auch nichts Böses geschehen.

Leander. Schuldig bin ich, das kann ich nicht in Abrede stellen. Aber um einen ehrlichen Mann gleich ins Loch zu werfen, dazu ist die Sache doch nicht angethan?

Der Anführer. Ha ha, nicht dazu angethan?

Leander. Dazu angethan oder nicht, so sind jedenfalls hundert Menschen in der Stadt, die mehr schuldig sind als ich und doch nicht gleich eingesteckt werden.

Der Anführer. Das thut uns leid zu hören, daß in einer christlichen Stadt so viel gottlose Menschen sind. Wenn Ihr ins Verhör kommt, müßt Ihr sie alle angeben, so viel wie Ihr kennt, das rathe ich Euch; es ist der einzige Weg, auf dem Ihr noch Pardon bekommen könnt.

Leander. Was zum Henker geht es mich an, ob sie schuldig sind oder nicht? Das mag jeder für sich selbst bekennen.

Der Anführer. Ja gewiß, jeder soll für sich selbst bekennen, aber Ihr müßt sie nur erst angeben.

Leander. Ich soll sie angeben? Die Kerle müssen wirklich verrückt sein.

Lars. Sprecht nicht weiter mit ihm, er ist besessen, es ist der böse Feind, der aus seinem Munde spricht.

Leander. Und aus Deinem Munde, glaub' ich, spricht der Branntwein.

Der Anführer. Hört, Monsieur, kommt in Güte heraus, sonst geht es Euch schlecht; Ihr wißt ja wol selbst, was das heißt, sich der Wache widersetzen.

Leander. Einsperren lasse ich mich meiner Seel' nicht; 232 auch habt Ihr gar kein Recht dazu, indem ich mich erbiete, in Zeit einer Stunde Sicherheit zu stellen.

Der Anführer. Sicherheit? Nicht die ganze Welt kann Sicherheit für Euch stellen.

Leander. Hört, Messieurs, nun geht Eurer Wege und schlaft Euren Rausch aus, Ihr seid im Thrane, merk' ich.

Der Anführer. Na, das soll Ihm theuer zu stehen kommen!

Leander. Na, dann habt Ihr den Verstand verloren, eines von beiden muß sein; denn sonst könntet Ihr unmöglich sagen, die ganze Welt könnte nicht Sicherheit stellen für solche Lumperei.

Der Anführer. Ei, Du Bösewicht, nennst Du das eine Lumperei? Du bist doch wirklich des schmählichsten Todes werth!

Leander. Und Ihr seid werth, mit sammt Eurer ganzen Gevatterschaft in den Narrenthurm gesperrt zu werden. Ein- für allemal: wenn Ihr Euch nicht packt, so soll Euch das Donnerwetter auf den Hals kommen, so viele Euer sind!

Der Anführer. Hört, Leute, wir müssen das Haus mit Sturm nehmen, formirt Euch in zwei Glieder, ich werde den Rücken decken. Durch bloße Drohungen dürfen wir uns nicht schrecken lassen; mag er so viel Teufel beschwören, wie er will, an uns haben sie keine Macht, sintemal wir in unserm löblichen Berufe sind. Na, so marschirt doch los, was steht Ihr so verzagt? Frisch zu, faßt Euch ein Herz und bedenkt, daß es uns ja für ewige Zeiten zu Spott und Schande gereichte, müßten wir unverrichteter Sache wieder umkehren! Denkt auch an den Zorn Eurer Vorgesetzten und daß Ihr kassirt werdet ohne Paß und Abschied! Ihr habt doch bei verschiedenen anderen Gelegenheiten ein männliches Herz gezeigt; seid Ihr denn nicht mehr dieselben? Wo ist Eure alte Tapferkeit geblieben? Vorwärts, sag' ich!

Lars. Ein Schuft will ich sein, wenn ich vorangehe! Das ist nicht unser Metier, uns mit dem Teufel zu schlagen; habt Ihr nicht gehört, wie er uns drohte? Auch nützt es gar nichts, ihn anzugreifen, er hat sich fest gemacht, und wenn wir schießen, so kehren die Kugeln auf uns selbst zurück. 233

Der Anführer. Auf der Stelle mir gefolgt! Die Spieße gefällt! Das muß nun biegen oder brechen!

(Leander feuert eine Pistole ab, worauf die ganze Wache zur Erde fällt.)

Leander. Ha ha ha! Das sind auch die richtigen Kerle, die man zu einer Execution ausschickt. Heinrich, komm mal schnell her, hier ist was Hübsches zu sehen. – Na, aber steht der Narr nun nicht noch und übt sich mit der Doctormaschine? Komm doch her, Heinrich, und sieh!

(Heinrich kommt heraus in der Doctormaschine; die Wache springt auf, schreit und ergreift die Flucht.)

Dritte Scene.

Leander. Heinrich.

Heinrich. Was Teufel sind das für Geschichten? Ich komme heraus und finde die ganze Straße übersäet mit einem halben Hundert von Bettelvögten und Häschern, und meine bloße Annäherung reicht hin, sie vom Tode zu erwecken und in die Flucht zu treiben; gewinne ich noch mehr solche Bataillen, so ist Alexander Magnus gegen mich ein dummer Junge.

Leander. Sie sind alle fort, wie ich sehe, Heinrich.

Heinrich. Ja, versteht sich.

Leander. Wo sind sie denn geblieben?

Heinrich. Ja, frage, wo die geblieben sind; mit dieser Hand schlug ich ihren rechten, mit dieser ihren linken Flügel in die Flucht und mit der Spitze meines Doctorhuts durchbrach ich ihr Centrum. Eigentlich, Monsieur, wäre es wol in der Ordnung, daß Ihr den Hut abnehmt, wenn Ihr mit einem Mann sprecht, wie ich bin.

Leander. Soll das etwa eine Heldenthat heißen, so bin ich ein noch größerer Held: denn ich habe ganz allein einem lebendigen Kriegsheer Stand gehalten, Du aber blos einem todten.

Heinrich. Das ist keine Kunst, Leute todt zu schlagen, das können noch andere Doctoren als ich: aber sie wieder lebendig machen, das will was heißen. 234

Leander. Aber wo blieben sie nur?

Heinrich. Sie liefen fort, die undankbaren Hunde, ohne mir meine Mühe zu vergüten.

Leander. Nimm Dich nur in Acht, daß sie Dir nicht das Fell ausklopfen, wenn sie Dich erwischen.

Heinrich. Das wäre ja eine schöne Geschichte: dem Doctor, der die Todten lebendig macht, wird das Fell ausgeklopft, der dagegen, der Lebendige todt schlägt, kriegt von den Erben der Verstorbenen sein Salair.

Leander. Aber genug des Spaßes; kannst Du irgend etwas hiervon begreifen?

Heinrich. Der Teufel soll den holen, der nur das Mindeste begreift!

Leander. Mir ist ganz wirre davon im Kopfe.

Heinrich. Und mir schwindelt, als wäre ich aus dem Monde gefallen.

Leander. Daß man mich Schulden halber einsperren will, das kann ich allenfalls begreifen, die Redensarten aber, deren sie sich dabei bedienten, sind mir ganz unfaßbar.

Heinrich. Ich begreife das Eine so wenig wie das Andere. Oder was hat Euer Gläubiger davon, daß er Euch einstecken läßt? Im Gegentheil, es wäre ja gegen sein Interesse, wenn er einen von den Schauspielern greifen ließe. Es ist gar nicht die Wache gewesen, Monsieur, sondern einige Spaßvögel, die sich verkleidet haben, um uns einen Schabernack zu spielen.

Leander. Glaubst Du wirklich, Heinrich?

Heinrich. Ja, was soll ich anders glauben? Denkt Ihr, Ihr könnt mit einem einzigen Pistolenknall den ganzen Magistrat zu Boden strecken oder mit einem halben Quentchen Zündkraut die ganze streitbare Häscherfacultät in die Pfanne hauen?

Leander. Aber man hat mich schon vorher gewarnt, daß mein Gläubiger mich will festnehmen lassen?

Heinrich. Der größte Dienst, den Ihr Eurem Gläubiger jetzt erweisen könnt, ist, daß Ihr Eure Rolle gehörig memorirt; das will ich ebenfalls thun und kein Wort mehr über die Narrenspossen verlieren. (Heinrich geht hinein.) 235

Vierte Scene.

Leander allein.

Leander. Es ist mir doch nicht denkbar, daß diejenigen, die mich auf die böse Absicht meines Gläubigers aufmerksam machten, einen bloßen Scherz mit mir getrieben haben sollten. Denn daß der Wechsel nicht acceptirt worden, ist gewiß; er konnte auch nicht acceptirt werden, weil ich die fünfzig Thaler dafür nicht aufzutreiben wußte, wenigstens nicht in der kurzen Zeit, auf die der Wechsel gestellt war. Aber was hätte er davon, mich einsperren zu lassen? Höchstens, daß er sich einbildet, die andern Schauspieler würden mich auslösen. Da müßte doch wirklich noch ein Artikel ins Gesetzbuch aufgenommen werden, daß niemand einen Schauspieler dürfte einstecken lassen; vielleicht läßt sich auf uns anwenden, was von den Beamten gilt, daß niemand in Ausübung seines Berufes verhaftet werden darf. Darum will ich nur meine Rolle weiter studiren, damit, falls noch einige solcher Vogel GreifsHolberg hat hier einen vortrefflichen, vielleicht dem Rabelais nachgebildeten Ausdruck, der noch jetzt in Dänemark für untergeordnete Polizei und Gerichtsdiener oder überhaupt für unbekannte, zweideutige Menschen in Gebrauch ist: Gripomaenus. Der Ursprung vom französischen griper, gripper ist unverkennbar; der Ausdruck bei Rabelais heißt Grippeminaud. A.d.Ü. kommen, ich sagen kann: Messieurs, Ihr seht, ich bin in meinem löblichen Amte und Berufe. (Geht wieder auf und nieder und murmelt, mit der Rolle in der Hand.)

Fünfte Scene.

Leander. Zwei Mädchen.

Erstes Mädchen. Hier also wohnt er, Schwester?

Zweites Mädchen. Ja, und da geht er selbst und murmelt.

Erstes Mädchen. Gewiß stellt er Beschwörungen an, um verlorene Sachen nachzuweisen.

Zweites Mädchen. Sieh einmal, wie er den Kopf in die Höhe wirft!

Erstes Mädchen. Ja, so Geister zu beschwören, das kostet Anstrengung. 236

Zweites Mädchen. Darum lassen sie sich auch tüchtig dafür bezahlen.

Erstes Mädchen. Ich möchte doch keinen Geist sehen.

Zweites Mädchen. Wir kriegen sie auch gar nicht zu sehen, der Hexenmeister sieht sie ganz allein, und übrigens hab' ich auch einen Stahl in der TascheEin Stück Eisen oder Stahl bei sich zu tragen, galt für ein sicheres Mittel, etwaige Bezauberungen abzuwenden. A.d.Ü., da brauche ich nicht bange zu sein. Aber sieh mal, wie er sich nun anstellt!

Leander. Mit wem wollt Ihr sprechen, Ihr Mädel?

Erstes Mädchen. Er ist ja wol der, der hier wohnt?

Leander. Warum fragt Ihr so, wollt Ihr hier etwa spioniren?

Erstes Mädchen. Nein, wahrhaftig, wir verrathen Ihn gewiß nicht, wir sind nicht von der Sorte.

Leander. Das hoffe ich ebenfalls; es ist hier ein Lärm gemacht um gar nichts, daß man aus der Haut fahren möchte. Ist das nicht wunderlich, Ihr Kinderchen? Da kommen sie hierher ein ganzes Regiment stark und wollen mich ins Gefängniß bringen um nichts und wieder nichts.

Erstes Mädchen. Monsieur mag wol sagen: um nichts und wieder nichts, ich wollte nur, wir hätten mehr solche Leute in der Stadt wie Er, da würden die Diebe das Stehlen hübsch bleiben lassen.

Leander. Schön Dank für die gute Meinung, die Ihr von mir habt: aber ich wüßte doch nicht, auf welche Weise ich den Dieben das Handwerk legte.

Erstes Mädchen. Nun allerdings, so eigentlich nicht, mein Herr. Aber wenn die Obrigkeit nicht helfen will, so muß man doch seine Zuflucht zu solchen guten Leuten nehmen, wie Er ist.

Leander. Alle Wetter, wofür haltet Ihr mich? Denkt Ihr, ich bin die Polizei hier in der Stadt?

Erstes Mädchen. Ei nein, wir kennen Monsieur recht gut.

Leander. Nun, wer bin ich denn?

Erstes Mädchen. Seinen Namen weiß ich zwar nicht, aber meine Madame kennt Ihn; sie schickt mich her und läßt bitten, Monsieur möchte doch so gut sein, Einem, der kürzlich eine 237 goldene Uhr bei ihr gestohlen hat, für Geld und gute Worte ein Auge auszuschlagen.Eine Hauptkunst der Wahrsager und Zauberer war, Einem durch magische Mittel, je nach Gelegenheit, ein oder auch beide Augen zu blenden. A.d.Ü.

Leander. Hol' Euch der Teufel, Dich und Deine Madame mitsammt Eurer goldenen Uhr! Schlag' ich etwa den Leuten die Augen aus?

Erstes Mädchen. Ja, ich weiß es ja recht gut, daß Monsieur das nicht will bekannt werden lassen. Aber meine Madame verspricht auch heilig, daß sie Ihn nicht verrathen will, und will sich auch nichts merken lassen gegen keine Menschenseele.

Leander. Hört, mein Kind, ich will Euch nichts zu Leide thun, Ihr seid vermuthlich ein einfältiges Geschöpf, das man in den April geschickt hat: aber nun geht auch Eurer Wege mit dem Geschwätz.

Erstes Mädchen. Ach mein theuerster Monsieur, ich weiß ja, daß Er sich nicht Jedem zu erkennen giebt, aber so wahr ich ehrlich bin, wir verrathen Keinem was.

Zweites Mädchen. Das versichere ich ebenfalls; ich will tausendmal lieber ein Beest sein, ehe das über meine Lippen kommen soll.

Leander. Die ganze Stadt, glaube ich, ist von einer Krankheit befallen, die sie verrückt macht; eben erst war die Wache hier und wollte mich zwingen, die Leute in der Stadt anzugeben, die etwas schuldig sind, und nun wieder kommen diese hier und verlangen, ich soll den Leuten die Augen ausschlagen. Hört mal, wer hat Euch denn geschickt?

Erstes Mädchen. Das hat Madame mir verboten zu sagen; aber diese zwei Ducaten hat sie mir für Monsieur mitgegeben, und wenn der Dieb die Uhr wiederbringt, will sie gern noch mehr geben.

Leander (zu der zweiten). Und Euer Auftrag?

Zweites Mädchen. Ich komme von einer jungen Dame, die hat ein zärtliches Verhältniß zu einem jungen Herrn, in den sie verliebt ist, aber er erwidert ihre Liebe nicht, und darum möchte sie nun gern, daß Monsieur vermittelst seiner Kunst ihn ebenfalls in sie verliebt machte; zu dem Ende schickt sie hier zehn Reichsthaler als Vorausbezahlung. 238

Leander. Hört jetzt, was ich Euch sage: seid so gut und vermeldet der Madame sowol wie der jungen Dame meinen gehorsamsten Respect und sagt ihnen, ich hielte sie alle beide für ein Paar Canaillen, bis sie den Beweis führen würden, daß ich ein Hexenmeister bin. Und was Euch anbelangt, wenn Ihr Bestien nun nicht gleich Eurer Wege geht, so haue ich Euch das Fell durch! (Will gehen, sie aber halten ihn zurück, bald zupft ihn die Eine, bald die Andere und zwingt ihm das Geld auf.)

Leander (bei Seite). Das sind vierzehn Thaler, die mir hier ganz unvermuthet aufgedrungen werden. Könnte ich das Geld nicht sachte behalten und mich stellen, als wäre ich wirklich ein Hexenmeister? Riskiren thue ich dabei nichts, da sie sich ebenso wenig davon merken lassen dürfen wie ich, und da sie mir das Geld vorausbezahlen, so kann ich ihnen ja in Gottes Namen versprechen, was sie wollen. (Laut) Hört, liebe Kinder, da Ihr versprecht, niemand nachzusagen, daß ich diese Kunst wirklich übe, so will ich Euch darin zu Diensten sein; ich thue es nicht für Jeden, sondern blos für gute Freunde, von denen ich weiß, daß sie schweigen. Die Obrigkeit ist auf Leute meiner Profession nicht gut zu sprechen, obwol wir unser Pfund lediglich zu unseres Nächsten Besten verwenden. Und nun hört zu! Montag früh, so gegen neun Uhr, da wird der Dieb kommen, auf einem Auge blind, und wird die Uhr zurückbringen; aber Ihr dürft ihm kein Leid weiter thun, er ist schon bestraft genug, daß er sein Auge eingebüßt hat. Was die andere Affaire angeht, so soll der Herr, der jetzt kaltsinnig ist, ebenso verliebt in die junge Dame werden, wie sie jetzt in ihn ist, und sie soll so kaltsinnig werden, als sie bisher in Flammen stand.

Zweites Mädchen. Nein, mein Herr, das ist nicht, was sie wünscht, sie will so verliebt bleiben, wie sie ist, aber er soll ebenso feurig werden; verstanden?

Leander. Allerdings versteh' ich, die Sache ist aber nicht leicht. Indessen, weil Sie es ist, werde ich ein Uebriges thun; es ist aber gerade noch mal so schwer wie das Andere.

Erstes Mädchen. Aber, mein Herr, dürfte ich Euch wol noch etwas unter vier Augen anvertrauen, ich möchte nicht gern, 239 daß Gertrud das hört. Ich bin nämlich des Nachts so erschrecklich von Erscheinungen geplagt; bald schwebt mir dies, bald jenes Mannsbild vor Augen und hindert mich am Einschlafen, und dabei brennen mir die Glieder, als ob ich im hitzigen Fieber läge.

Leander. Es taugt Euch nicht, allein zu schlafen, mein Kind; Ihr müßt den Bedienten oder den Kutscher bitten, daß er bei Euch schläft, natürlich unter der Bedingung, daß sie Euch keinen Schaden anrichten.

Erstes Mädchen. Nein, das wage ich doch nicht.

Leander. So will ich Euch einen andern Vorschlag machen: nehmt einen guten reifen Apfel, theilt ihn in drei Stücke, auf das erste Stück thut Ihr ein bischen Senf und eßt es den ersten Tag, auf das zweite Stück thut Ihr ein wenig Kampher und eßt es den zweiten Tag, auf das dritte Stück streut Ihr ein wenig Kaffe, der darf aber nicht gemahlen sein, blos gestoßen, und eßt es den dritten Tag; damit fahrt drei Tage fort, ohne etwas anderes zu Euch zu nehmen, und wenn die Erscheinungen dann nicht fort sind, dann sollt Ihr Euer Geld wieder haben.

Erstes Mädchen. Das ist eine harte Kur, da werde ich doch wol lieber Euren ersten Rath befolgen.

Leander. Ja, allerdings, der ist sicher und hat schon vielen geholfen; die Anwesenheit eines Mannes im Schlafzimmer eines Frauenzimmers vertreibt vermittelst der Sympathie, die zwischen beiden ist, die bösen Geister, die sonst da ihr Wesen treiben. Gefahr ist weiter nicht dabei, und wenn Ihr den Männern den Grund sagt und daß Ihr es blos gesundheitshalber thut, und bittet sie, hübsch still zu liegen, so thun sie es gewiß mit dem größten Vergnügen.

Erstes Mädchen. Also der Herr glaubt, daß mir niemand einen Vorwurf daraus machen kann, da ich es blos gesundheitshalber thue?

Leander. Ei, bewahre, die Gesundheit ist ja das kostbarste Kleinod, das wir besitzen.

Erstes Mädchen. Das ist meiner Treu ein vortrefflicher Rath, ich hatte wol schon selbst daran gedacht, ich dachte aber – na, Monsieur kann sich wol denken, was ich meine. 240

Leander. Ja wohl, ich kenne diese und alle Eure sonstigen Gedanken.

Erstes Mädchen. Ist es möglich? Kann Monsieur mir da wol sagen, was ich jetzt eben denke?

Leander. Ihr denkt, dieser brave Mann, der mir solchen guten Rath gegeben, hätte für seine Mühe wol eine kleine Aufmerksamkeit verdient.

Erstes Mädchen. Zum wenigsten hätte ich es denken sollen; will Monsieur diese zwei Mark nicht verschmähen und wollt Ihr mir außerdem auch wol sagen, wen ich liebe?

Leander. Ihr habt schon Verschiedene geliebt, jetzt aber richten sich Eure Gedanken am meisten auf einen gewissen . . . . Laß sehen, nun werd' ich den Namen gleich haben. Eine Mannsperson ist es, das weiß ich sicher . . . .

Erstes Mädchen. Ja gewiß, in dem Punkt hat Monsieur es getroffen.

Leander. Er ist ein großgewachsener Mensch –

Erstes Mädchen. Nein, von Statur ist er doch nur mittelmäßig.

Leander. Wenn man es so nehmen will, allerdings, aber er ist doch einen ganzen Kopf größer als Ihr.

Erstes Mädchen. Wenn Ihr ihn mit mir vergleicht, so habt Ihr allerdings Recht.

Leander. Na, das wollt' ich meinen; wenn ich sagte, er wäre groß gewachsen, so that ich das in Beziehung auf Euch, mit wem hätte ich ihn auch wol besser vergleichen können?

Erstes Mädchen. Könnt Ihr ihn mir noch weiter beschreiben?

Leander. Das ist meine geringste Kunst; er ist bildschön.

Erstes Mädchen. Na, davon wollen die Leute nun so eigentlich nichts wissen.

Leander. Was scheeren mich die Leute, wer kann allen gefallen? Er ist schön, behaupte ich, in meinen Augen und ist nicht minder schön in Euren Augen.

Erstes Mädchen. Ja, das ist meiner Seele richtig. Aber hält Monsieur ihn in der That nicht für recht niedlich? 241

Leander. Es ist einer von den schönsten Mannsbildern, die mir je vor Augen gekommen sind.

Erstes Mädchen. Das freut mich, daß er Andern doch ebenso erscheint wie mir. Aber was hat er denn für eine Profession?

Leander. Er ist Commissionär.

Erstes Mädchen. Nein, in dem Punkt seid Ihr irre, er ist Sergeant.

Leander. Na, das meine ich ja eben, der Sergeant ist ja des Fähnrichs Commissionär. Wenn der Fähnrich nicht da ist, habt Ihr da nicht gesehen, wie der Sergeant für ihn eintritt und die Fahne trägt? Denkt Ihr, ich verstehe meine Profession nicht? Ich bin im Stande und beschreibe ihn Euch von oben bis unten; er spricht nicht übel deutsch?Da die Kenntniß der deutschen Sprache damals in Dänemark, namentlich in Kopenhagen, sehr verbreitet war, sogar noch verbreiteter als jetzt, so ließ sich dies allerdings leicht prophezeien. A.d.Ü.

Erstes Mädchen. Ja wahrhaftig, das thut er.

Leander. Er trägt sein eigenes Haar und eine Schnur um den Hut.

Erstes Mädchen. Ja.

Leander. Aber wenn er zu Hause ist, da trägt er eine Mütze.

Erstes Mädchen. Ach genug, genug, mein Herr, ich mag gar nicht mehr fragen, ich höre schon, daß Ihr doch alles wißt. (Zu dem andern Mädchen) Ach, Schwester, das ist ein erstaunlicher Mann, der weiß alles, das Vergangene und das Zukünftige.

Zweites Mädchen. Ach, Schwester, komm, laß uns gehen, ich bin bange, er weiß am Ende auch etwas, wovon ich nicht möchte, daß irgend ein Mensch es je zu wissen kriegt.

Erstes Mädchen. So geh' hin und bitte ihn, so sagt er gewiß nichts nach, er ist ein sehr honneter Mann.

Zweites Mädchen. Ach, mein theurer Monsieur, ich bin bange, Ihr wißt, was letzte Nacht passirt ist –

Leander. Ja gewiß, das weiß ich alles haarklein. Erst kam –

Zweites Mädchen (leise zu ihm). Ach, Monsieur, nicht weiter, ich will nicht, daß die Andere das hören soll; denn wenn es herauskäme, bliebe der Hausknecht nicht eine Stunde länger im 42 Dienste. Möchte Monsieur doch diese achtundzwanzig Schillinge nicht verschmähen –

Leander. Schön Dank.

Zweites Mädchen. Ihr werdet mich also nicht verrathen?

Leander. Nein, Ihr könnt Euch darauf verlassen. Adieu, alle beide, und mein Compliment an die Madame und das Fräulein. Will sich sonst noch jemand Raths bei mir erholen, so bin ich gleich hier gegenüber zu finden. (Die Mädchen ab.)

Sechste Scene.

Leander allein.

Leander. Je länger, je toller; laß sehen, ob ich noch alles zusammenbringe. Bewaffnete Mannschaft vor meiner Thüre; die Sicherheit der ganzen Welt nicht ausreichend für fünfzig Thaler; ein Verbrechen, fünfzig Thaler eine Lumperei zu nennen; Aufforderung, sämmtliche Debitoren der Stadt anzuzeigen. »Viele Empfehlungen von der Madame und sie läßt schön bitten, Er möchte doch einem Dieb ein Auge ausschlagen.« »Eine schöne Empfehlung von dem Fräulein und sie läßt schön bitten, Er möchte doch einen jungen Herrn in sie verliebt machen.« Hier zwei Ducaten in diese Hand, da zehn Reichsthaler in die andere Hand. Was Henker heißt das? Entweder ich bin toll und kenne mich selbst nicht mehr, oder die ganze Stadt ist toll. Ist die ganze Stadt toll, so wünsche ich blos, daß sie nicht eher wieder klug wird, als bis ich sie heile, damit würde ich wenigstens für einige Zeit meine Rechnung finden. Diese Mädchen werden mich um meiner Kunst willen weiter recommandiren und in kürzester Zeit werde ich so viel Geld einnehmen, daß ich meinen Wechsel damit bezahlen kann. Und so will ich denn nur wieder ins Haus gehen; wenn jemand kommt und nach mir fragt, so kann der Junge unterdeß sagen, ich wäre aufs Land und kassirte Geld ein, um bei meiner Rückkunft die fünfzig Thaler zu bezahlen, und wenn jemand kommt, der mich als Hexenmeister consultiren will, so soll er ihn mir nur hineinschicken. 243


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