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Meine Gedanken schweifen nach jenen Jugendtagen zurück; aber nicht wie vor dem inneren Blick dessen, der vom Leben Abschied nimmt, erhebt sich auf fahlem Boden als ein starrendes Nebeneinander das vielfältig nacheinander Erlebte, sondern ich lande in einem geisterhaften Raum, in dessen dunkelglänzender Fülle die Seele badet. Der Raum ist mit der Kühnheit des Traumes herrlich gestaltet, ohne daß er irgendein Gerät enthielte; ja nur ungefähr sind seine Wände angedeutet als ein Etwas, das sein geräumiges Innen von einem mit düsterem Glanz hereindrohenden Außen trennt.
Den Raum erfüllt eine Menge; aber es ist die Menge des Traumes, welche der Zahl spottet. Vielleicht sind es ihrer nicht allzu viele. Wer weiß auch, ob es durchaus sterbliche Wesen sind, deren Gegenwart dieses gedämpfte harmonische Durcheinanderwogen bildet, oder ob nicht seine eigenen Emanationen gleich abgelösten Spiegelbildern mit dem einzelnen Gast wandeln und durch die Gegenwart dieser Genien jene eigentümlich reichen Gruppen entstehen, gleich Bündeln von Masken, Garben farbigen Wassers oder erleuchteten Kandelabern, von deren Anblick dem Auge in diesem Raum so wohl wird.
Ich erkenne manchen; aber nicht auf ganz irdische Weise; und ich kann nicht sagen, daß ein Wesen in diesem Raum mir völlig fremd wäre. Ein Fetzen ihrer Unterredungen, der mir am Ohr vorbeifliegt, genügt, mich alles wissen zu lassen. Ihre Gebärden sind mir durchsichtig. Ich ahne ohne Bemühen ihre Verbundenheit, die aus einer geheimen Übereinstimmung ihrer Einsamkeiten hervorgeht. Sie sind mir so vertraut und fremd wie mein Selbst, und ich errate durch eine fortwährend geübte Analogie, deren Anwendung mich bezaubert, die verstecktere Bedeutung des Stolzes: er ist nur grenzenlose Hingabe an das Unbekannte – die Verlorenheit ihres Ichs in der Größe ihres Traumes, und der unstillbare Durst nach dem Schönen, den ihre Mienen ausdrücken. Sie gleichen Dämonen, und sie sind es: es sind lauter junge Menschen.
Aber es ist der reichste Raum, den ich jemals betreten habe oder betreten werde. Das Licht, das ihn erfüllt, ist das Licht des Morgens, aber ohne die Naivität, die dem irdischen Morgen eignet: es ist, als hätte dieser Morgen im voraus den Abend verzehrt; sein Glanz ist ahnungsvoll, und seine Schatten sind wissend. Indem ich um mich blicke, erkenne ich, wodurch die besondere Schönheit dieses Raumes bestimmt wird. Ungleich jedem andern Saal, dessen Wände sterbliche Wesen umschließen, ist es gerade die Ungesichertheit, welche diesen so verherrlicht. Wie durch einen Wolkenschleier, der überall zu reißen begierig ist, blickt das Auge, wo es will, hinaus auf ein ungeheueres Schauspiel. Die Länder und die Völker der Erde, die wimmelnden Mengen und die starrenden Einsamkeiten, die Heimlichkeiten der Zeit und des Raumes, alles steht da, geordnet zu Prozessionen, in einer ungeheuren Erwartung.
Unser Zustand gleicht dem einer Gruppe von Schicksalsgefährten vor einer Reise, deren Furchtbarkeit sich niemand verhehlt. Im Augenblick muß der Pfiff oder das Glockenzeichen, unerbittlich, diese Stille zerreißen. Aber noch bleibt dieser Augenblick aus.
Die vage Drohung, mit der die Atmosphäre sich erfüllt hat, verdichtet sich; jeder fühlt sie scharf und hart werden und, wie die Spitze einer Lanze, sein Herz suchen. Aber indem sie dieses trifft, geht die Drohung jäh über in eine Erfüllung von fast unerträglicher Herrlichkeit, und wen sie, »die scharfe Spitze der Unendlichkeit«, in diesem geisterhaften Morgenkampf getroffen hat, dem hat in dem langen Kampf, der nun anhebt, der Richter den höchsten Kranz weder zu geben noch zu weigern. Er trägt ihn. – Unverdient? – um welchen Blutpreis erkauft? – das ist sein Geheimnis.