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1. Dann sah ich wieder ganz helle Luft, in der ich in allen den geschilderten Sinnbildern wunderbar verschiedene Musik hörte in Freudenliedern der Himmlischen. Dieser Schall kündete wie der Gesang einer großen Menge Zusammenklang: »Hellster Edelstein, heitere Sonnenzier ist dir eingegossen, du, dem Herzen des Vaters entspringender Quell, der das einzige Wort dessen ist, durch das er den Urstoff der Welt schuf, den Eva trübte«. Ruhmreichstes lebendiges Licht, ihr Engel, die ihr in der Gottheit die göttlichen Augen in dem mystischen Dunkel jeder Kreatur anschaut und vor Sehnsucht dabei glüht, die nie gesättigt werden kann, welch herrliche Freuden besitzt ihr in eurer Gestalt, die in euch nie von einem bösen Werk berührt wurde! Ihr prächtigen Männer, ihr alten Heiligen, habt vorhergesagt die Erlösung der verbannten und dem Tode verfallenen Seelen. Ihr kreistet wie Räder und spracht von den Mysterien des Berges, der den Himmel berührt und viele Wasser benetzt, unter euch erhob sich die helle Leuchte, die dem Berge vorauseilt und erleuchtet. Du, strahlende Apostelschar, erhebst dich in wahrer Erkenntnis, bist das klarste Licht in der schwärzesten Finsternis und die stärksten Säulen, welche die Braut des Lammes tragen, durch dessen Freude die Mutter selbst und die erste Jungfrau Bannerträgerin ist. Das Lamm ist nämlich der makellose Bräutigam, wie auch seine Braut ohne Fehle ist. Welch großen Lohn habt ihr nun, da ihr ja eure Leiber, als ihr lebtet, verachtet habt, weshalb euch das Lamm Gottes wieder einsetzte in die Erbschaft. Ihr gleicht Rosenblüten, die glücklich sind in der Vergießung ihres Blutes. Wiederum sprach die Stimme: »Ihr Nachfolger des tapfersten Löwen, ihr herrschtet für ihn dienend zwischen Tempel und Altar, wie die Engel in Lobgesängen ihre Stimme erklingen lassen und den Völkern mit ihrer Hilfe nahe sind! Ihr Nachahmer der erhabenen Persönlichkeit in dem kostbarsten und ruhmreichsten Symbol, wie herrlich ist euer Schmuck, wo der Mensch löst und bindet in Gott die Faulen und Verbannten, die Weißschimmernden und Schwarzen ziert und große Lasten nachläßt. Ihr vollziehet Engeldienst und wißt, wo die starken Grundlagen zu legen sind. Daher habt ihr auch eure große Ehre!« Ferner sprach die Stimme: »Ihr schönen, Gott anblickenden, o ihr seligen Jungfrauen, wie edel seid ihr? In euch betrachtete sich der König, und der lieblichste Garten seid ihr, der duftet in allen Wohlgerüchen.« Jetzt klagte die Stimme, als wenn eine Menge wehklagte, um zurückzurufen zu den Stufen in Harmonie: »Das ist das Wehgeschrei des größten Schmerzes! Weh, weh!« Dann sprach die Stimme, als wenn eine große Menge den Menschen zu helfen und den Teufelskünsten Widerstand zu leisten ermahnte: »Die Tugenden überwanden die Laster, und die Menschen kehrten endlich durch göttliche Eingebung zur Buße zurück.« Wir Tugenden sind in Gott und bleiben in Gott. Wir streiten für den König der Könige und sondern das Gute vom Bösen. Deshalb wollen wir jetzt kämpfen und Hilfe bringen denen, die uns anrufen und zurücktreiben die teuflischen Künste, geleiten aber zu seligen Wohnungen, die uns nachahmen wollen.
2. Klagen der Seelen, die im Fleische weilen:
»Wir sind Fremdlinge. Was taten wir, indem wir uns auf den Abweg der Sünden begaben? Königstöchter sollten wir sein und stürzten in den Schatten der Sünden. O lebendige Sonne, trage uns auf deinen Schultern zur gerechten Erbschaft, die wir in Adam verloren haben. König der Könige, in deiner Schlacht kämpfen wir!«
Die treue Seele:
»Süße Gottheit, wonniges Leben, in dem ich das herrliche Kleid tragen und empfangen möchte, welches ich verloren habe beim ersten Erscheinen, zu dir seufze ich und rufe alle Tugenden an!«
Die Tugenden:
»Glückliche Seele, süßes Gottesgeschöpf, das du erbaut bist auf die tiefgründige Höhe göttlicher Weisheit, du liebst stark!«
Die treue Seele:
»Gern käme ich zu euch, um mir den Herzenskuß geben zu lassen.«
Die Tugenden:
»Wir müssen mit dir streiten, Königstochter!«
»O schwere Arbeit und hartes Gewicht, das ich trage in diesem Lebensgewande, da es mir allzu schwer fällt, gegen das Fleisch zu kämpfen!«
Die Tugenden:
»O, auf den Willen Gottes gegründete Seele, glückliches Werkzeug, warum bist du so schwach gegen das, was Gott in der jungfräulichen Natur zertreten hat? In uns mußt du den Teufel überwinden!«
Die treue Seele:
»Eilet mir zu helfen, damit ich stehen bleiben kann!«
Die Erkenntnis Gottes:
»Siehe, Tochter der Erlösung, was das ist, was du anzogst; sei standhaft, und du wirst nie fallen!«
Die treue Seele:
»Ich weiß nicht, was ich tun soll, noch wohin fliehen. Weh mir, ich kann nicht vollenden, was meinem Gewand entspricht! Wohlan, ich will es abwerfen!«
Die Tugenden:
»Unseliges Gewissen, armselige Seele! Weshalb verbirgst du dein Antlitz vor deinem Schöpfer?«
Die Gotteserkenntnis:
»Du weißt, siehst noch kennst den, der dich erschaffen hat.«
Die getreue Seele:
»Gott schuf die Welt, ich tu kein Unrecht, wenn ich sie genießen will.«
Der Teufel:
»Törin, Törin, was nützt es dir, wenn du dich abmühst? Schau die Welt an, und sie wird dich umfangen mit großer Ehre.«
Die Tugenden:
»Weh, weh! Wir Tugenden klagen und trauern, weil das Schäflein des Herrn das Leben flieht.«
Die Demut:
»Ich bin die Demut, die Königin der Tugenden, und sage: Kommet zu mir alle Tugenden, und ich will euch stark machen, um die verlorene Drachme zu suchen und die Glückliche in ihrer Ausdauer zu krönen!«
Die Tugenden:
»Glorreiche Königin und süßeste Mittlerin, wir kommen gern!«
Die Demut:
»Darum, geliebteste Töchter, halte ich euch im königlichen Brautgemach. O Töchter Israels, unter dem Baume erweckte euch Gott, erinnert euch also in dieser Zeit seiner Pflanzung, freut euch, Töchter Sions!«
Der Teufel:
»Was ist das für eine Macht, die Gott besitzt, da nichts außer ihm ist? Ich sage also: Wer mir und meinem Willen folgen will, dem gebe ich alles. Du aber und die deinen besitzest nichts, um es zu geben, weil ihr alle nicht wißt, was ihr seid.«
Die Demut:
»Ich und meine Gefährtinnen wissen wohl, daß du der alte Drache bist, der zur höchsten Höhe fliegen wollte, aber Gott selbst stürzte dich in den tiefsten Abgrund.«
Die Tugenden:
»Wir aber wohnen alle in der Höhe.«
Die getreue Seele:
»O ihr königlichen Tugenden, wie herrlich seid ihr, erglänzend in der höchsten Sonne! Wie lieblich ist eure Wohnung, darum wehe mir, die ich euch mied!«
Die Tugenden:
»Komme, o Flüchtige, komme zu uns, Gott wird dich aufnehmen!«
Die getreue Seele:
»Ach, ach, verbrennende Wonne verschlang mich in Sünden, und so wagte ich nicht, bei euch einzutreten.«
Die Tugenden:
»Fürchte dich nicht und fliehe nicht, denn der gute Hirt sucht in dir sein verlorenes Schäflein.«
Die getreue Seele:
»Jetzt müßt ihr mich aufnehmen, da ich schlecht rieche in meinen Wunden, mit denen die alte Schlange mich befleckte.«
»Flüchtige Seele, sei stark und bekleide dich mit den Waffen des Lichts!«
Die getreue Seele:
»Du ganze königliche Tugendschar, weißschimmernde Lilien, Purpurrose, neigt euch zu mir, weil ich fern von euch in der Verbannung weilte: Helft mir, damit ich im Blute des Gottessohnes aufstehen kann. Du wahre Arznei, Demut, hilf mir, weil der Stolz in vielen Lastern mir viele Narben beibrachte. Jetzt fliehe ich zu dir! Nimm mich auf!«
Die Tugenden:
»Eile zu uns und folge jenen Spuren, auf denen du nie in unserer Gesellschaft fallen wirst, und Gott wird dich heilen.«
Die getreue Seele:
»Ich Sünderin, die das Leben floh, voll Geschwüren komme ich zu euch, damit ihr mir den Schild der Erlösung darreichet.«
Die Demut:
»Alle Tugenden, nehmt die arme Sünderin mit ihren Narben um der Wunden Christi willen auf und führet sie zu mir!«
Die Tugenden:
»Wir wollen dich zurückführen und nicht verlassen; die ganze himmlische Heerschar freut sich über dich, darum wollen wir vereinten Jubelgesang erklingen lassen.«
Die Demut:
»Arme Tochter, ich will dich umarmen, weil der große Arzt harte und bittere Wunden deinetwegen erlitten hat.«
Der Teufel:
»Wer bist du, und woher kommst du? Du hast mich umarmt, und ich habe dich in die Weite geführt, aber jetzt beschämst du mich in deiner Rückkehr, und ich werde dich in meinem Kampf vernichten.«
Die getreue Seele:
»Ich erkannte, daß alle deine Wege böse seien, und floh vor dir. Jetzt aber, o Spötter, kämpfe ich gegen dich. Darum, o Königin Demut, hilf mir mit deiner heilenden Kraft!«
»Sieg, der du ihn im Himmel überwunden hast, eile mit deinen Gefährten hinzu und bindet den Teufel!«
Der Sieg zu den Tugenden:
»Ihr tapfersten und herrlichsten Krieger, kommt und helft mir, den Betrüger zu besiegen!«
Die Tugenden:
»Süßeste Streiterin, im brausenden Gießbach ward der reißende Wolf verschlungen, glorreich Gekrönte, wir wollen gern mit dir kämpfen wider den Betrüger der Seelen.«
Die Demut:
»Bindet jenen also, ihr herrlichen Tugenden!«
Die Tugenden:
»Dir, als unserer Königin, gehorchen wir und erfüllen alle deine Befehle.«
Der Sieg:
»Freut euch, Schwestern, die alte Schlange ist gefesselt.«
Die Tugenden:
»Lob sei dir, Christe, König der Engel! O Gott, wer bist du, der du in dir selbst so große Weisheit hast, mit der du in Zöllnern und Sündern das Höllengebräu vernichtest, welche jetzt in übernatürlicher Güte erstrahlen. Lobpreis sei dir, o König, allmächtiger Vater, aus dir fließt die Quelle in feuriger Glut, führe deine Söhne auf rechten Weg und laß rechten Wind die Segel schwellen, so daß wir sie zum himmlischen Jerusalem geleiten.«
3. Diese Stimmen waren so laut, als wenn es eine ganze Menge von Stimmen wären. Ihr Klang durchdrang mich so, daß ich sie ohne Mühe verstehen konnte.
4. Ich hörte eine Stimme aus derselben hellen Luft zu mir sprechen: »Lobpreis muß dem höchsten Schöpfer ohne Unterlaß mit Herz und Mund dargebracht werden, da er nicht nur die Stehenden und Aufrechten, sondern auch die Fallenden und Niedergebeugten in seiner Gnade auf himmlische Sitze sich niederlassen heißt.«
5. Daher siehst du, o Mensch, die hellstrahlende Luft, welche den Glanz der Freude der Himmelsbewohner darstellt. In ihr höre ich in allen den gesagten Sinnbildern auf wunderbare Weise verschiedenartige Musik, Lobgesänge auf die freudigen Himmelsbewohner. Diese haben tapfer auf dem Weg der Wahrheit ausgehalten; zu ihnen gesellen sich die klagend Zurückgerufenen zum Lob ihrer Freuden, denn die Luft faßt und erhält alles, was unter dem Himmel ist. Wie in allen dir dargezeigten Wundertaten Gottes hörst du eine liebliche und süße Freudensymphonie, die Wunder der Auserwählten in der himmlischen Stadt, die in Gott mit lieblicher Ehrfurcht stehen. Klage erschallt über die Niederbeugung jener, welche die alte Schlange zu zerstören trachtete, die göttliche Kraft aber machtvoll in die Gemeinschaft glückseliger Freuden führte, indem sie in ihnen jene Geheimnisse hervorbrachte, welche dem zur Erde gewandten Geist unbekannt sind. Dann hörst du die Wechselchöre der sich anspornenden Gotteskräfte, den Völkern zu helfen, mit denen teuflischer Neid kämpft; sie sind es auch, die die Teufelskünste niedertreten, so daß die gläubigen Menschen dennoch von den Sünden zum Himmel durch Buße gehen. Nachdem sie aber mit größter Anstrengung überwunden sind, kehren die in Sünden gefallenen Menschen durch göttlichen Willen zur Buße zurück, indem sie ihre früheren bösen Taten erforschen und beweinen und spätere sorgfältig meiden.
6. Dieser Klang, der wie eine Menge von Stimmen in Lobpreis vom Himmel in Harmonie zusammen erklingt, will in einmütigem Jubelgesang den Ruhm und die Ehre der Himmelsbürger preisen, so daß er himmelwärts erhebt, was das Wort eröffnet.
7. So stellt das Wort den Körper dar, die Symphonie aber den Geist. Die Himmelsharmonie verkündet die Gottheit und das Wort die Menschheit des Sohnes Gottes.