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Nehmt es mir nicht übel auf, sagte der Einsame endlich, daß ich Euch nicht unter mein Dach führe. Es ist eng und dumpfig darinnen und reicht nur eben für die Notdurft eines einzelnen Mannes. Ich habe mir's selbst im vorigen Herbst aus den angeschwemmten Brettern und Pfählen zurechtgezimmert, weil mir diese Stätte gefiel. Ihr wißt ja wohl, daß ein Verbannter und Unreiner, wie ich nun einmal bis an mein Lebensende bleiben werde, nicht einmal der Zuflucht zu den Altären des Herrn teilhaftig werden darf, mit der Gemeinde seiner Brüder und Schwestern die ewige Barmherzigkeit anzurufen. Ja das allerheiligste Sakrament hat mir in diesen neun Jahren nur zweimal ein mitleidiger Priester gespendet, an einem Stäbchen mir die geweihte Hostie herüberreichend und den Segen über mich sprechend. So schien es mir lieblich, hier unten im Schatten des heiligen Münsters zu wohnen, wo ich an Sonn- und Festtagen den Gesang und das Orgelspiel vernehmen kann und, wenn zur Vesper die Lichter angezündet werden, sie durch die Fenster des Chores zu mir herabschimmern sehe. Aber wenn ich auch mit meinem armen Lose ausgesöhnt und darüber getröstet bin, daß die Menschen nicht mehr für mich leben, nur ich noch hin und wieder ihnen etwas zu erweisen vermag, so weiß ich doch, daß dies nicht die gemeine Ordnung der Welt und der Wille Gottes für alle ist, daß vielmehr jeder, den nicht ein gleiches Unglück betroffen hat, aus allen Kräften danach streben soll, menschlich unter den Menschen sein Leben zu führen, sie zu ertragen und milde über ihre Menschlichkeit zu denken. Was Ihr mir anvertraut habt, mein junger Freund, ist mir gar nicht wohl zu Herzen gegangen. Ich meine aber, daß Ihr Unrecht tut an Euch und den anderen, nach der kurzen Erfahrung eines einzigen Tages daran zu verzweifeln, daß es je anders und besser werden möchte. Ihr habt die Welt draußen immer nur mit den Augen eines Gastes betrachtet, der weil er flüchtig vorüberzieht und die Schwere des Tagwerks nicht empfindet, die jeden Angesessenen drückt, überall nur die Feiertagsmiene der Dinge und Menschen gewahrt. Glaubt mir, der ich weit herumgekommen bin: wo Ihr auch Euer Haus bauen wolltet, ein Hauskreuz würdet Ihr bald genug auf Eurer Schulter fühlen. Denn die Mehrzahl der Menschen ist sich allerorten gleich, eine dumpfe, dem Staube zugekehrte Herde mühseliger Arbeiter, die nur dann die Köpfe aufrichten, wenn ein Strahl oder Klang von oben an ihre Seele rührt. Wenn Ihr nun ein solcher seid, der nach etwas Höherem und Göttlicherem trachtet, so ist es Eures Amtes, unter den niedriger Gearteten geduldig auszuharren und nach Eurem besten Vermögen sie aus dem Staube emporzuziehen. Wem aber wäret Ihr diesen Liebesdienst nicht schuldig, als dem Weibe, mit dem Ihr Euch für das Leben verbinden sollt? Ich habe dies junge Kind nur von fern und durch kurze Augenblicke gesehen und glaube Eurem Wort, daß viel an ihr versäumt worden ist. Doch ist sie noch so jung, und ihre Seele kann nicht völlig erstarrt sein im kalten Hauch des Leichtsinns und der Weltlust. Müßtet Ihr es Euch nicht dereinst zum Vorwurf machen, wenn Ihr ohne jeden Versuch, sie umzuschaffen, von ihr ginget und überließet sie dem ersten besten, in dessen Händen ihre Seele vollends dem Ewigen abstürbe und in lauter Gedanken der Eitelkeit zugrunde ginge?
Sehet, fuhr er nach einer Pause fort, da Gerhard trübsinnig vor sich hinstarrte, ich habe es an mir selbst erfahren, daß es einem redlichen Gemüte kein Heil bringt, sich den Menschen zu entziehen, weil man sich über sie erhaben dünkt. Ich meinte, ich hätte guten Grund, die Welt zu verachten, in der mir übel mitgespielt worden war, und die ich in Wahn und feiger Torheit befangen sah. Denn Ihr müßt wissen, daß ich vor zwanzig Jahren ein glücklicher Mann war, meines Zeichens ein Seidenwirker, gar kunstreich in meinem Gewerbe, so daß ich Arbeit und Ehre vollauf hatte und dazu eine junge Hausfrau, die ich über alles liebte, wie sie es auch wert war, und sie hatte mir einen Knaben geschenkt, der unser Glück vollkommen machte. Da kam das große Sterben ins Land, das zweite seit Menschengedenken, sieben Jahre nach dem ersten, das ich nicht miterlebt, weil ich gerade auf der Wanderschaft war und in den Städten des mittägigen Frankreichs meiner Kunst nachging. Ich wußte also nicht, wie grausam man den armen Siechen mitgespielt, daß man sie von aller menschlichen Hilfe und Gemeinschaft alsbald abgesondert in dumpfe Leprosenhäuser eingesperrt hatte, oder aufs freie Feld verbannt, wo ihnen keine milde Hand in ihren Leiden und kein Trosteswort in ihrer letzten bangen Stunde nahen konnte. Nun sah ich mit Entsetzen, daß die Seuche alle menschlichen Bande löste, daß beim geringsten Anzeichen, wo vielleicht noch Hilfe gewesen wäre, das Kind von der Mutter, der Mann vom Weibe gerissen und bei lebendigem Leibe das Kreuz über sie geschlagen wie über Tote. Also hütete ich Weib und Kind, wie der Geizige seine Schätze, und hielt sie sorgsam im Hause eingeschlossen. Doch konnte ich es nicht wehren, daß der oder jener von meinen Kunden zu mir ins Haus kam, und da es nun der Zaghaften und Gespenstersichtigen nicht wenige gibt, trat ein solcher auch einmal über meine Schwelle, und nachdem er einen Blick auf mein Weib geworfen, das von der ungewohnten Zimmerhaft ein wenig bleich und matt erschien, fragte er mich, indem er eilig an einem mit Essig getränkten Tüchlein roch, ob es auch noch geheuer bei uns sei. Ich lachte dieser unzeitigen Furcht; meine Liebste aber, die Tag und Nacht nur das eine Gebet hatte, daß Gott diese Plage in Gnaden an uns wolle vorübergehen lassen, erschrak so heftig, daß sie an ein Spieglein lief und sich das Gesicht beschaute. Denselbigen Nachmittag fühlte sie eine Schwäche in den Gliedern, daß sie sich niederlegen mußte. Ich tröstete sie, so gut ich konnte, gab ihr einen kühlenden Trank und hoffte, sie werde es verschlafen. Auch wurde sie ruhiger und schlief wirklich ein, und das Kind neben ihr. Da nahm ich ein fertig Stück Brokat, das ich abliefern sollte, womit es freilich gar nicht geeilt hätte. Aber Gott verblendete mich, daß ich die abendliche Ruhezeit dazu nutzen und die Arbeit dem Kaufmann überbringen wollte. Wie ich eine Stunde später nach meinem Hause zurückkehrte, fand ich einen Haufen Weiber und Kinder vor der Tür und wurde tödlich bestürzt und fragte, wem der Auflauf gelte. Und eine der Nachbarinnen, die mich erkannte, schrie laut auf und wehrte mir ab, daß ich nicht weitergehen solle: der Stadtvogt habe soeben die Leprosenknechte geschickt; es sei ruchbar geworden, daß ich mein Weib, so von der Krankheit befallen, wider die strenge Verordnung im Hause gehalten, und nun sei sie in der Sänfte abgeholt und bereits zu den anderen in jene Mauern eingeschlossen worden, aus denen von hunderten kaum zwei oder drei wieder ans Tageslicht hervorkamen.
Und das Kind, schrie ich, das Kind?
Der Knabe sei, als der Ansteckung verdächtig, und weil die Mutter sich wie eine Besessene gewehrt, ihn aus ihren Armen zu lassen, mit ihr hinweggetragen worden und ohne Zweifel bei ihr verblieben.
Noch jetzt, wenn ich an jene Stunde zurückdenke, ist es mir, als fühlte ich den Schwindel wieder mir ums Herz kreisen, der mich damals packte, so daß ich bewußtlos zu Boden sank. Doch kam ich alsbald wieder zu meinen Sinnen, stürzte, ohne auf irgendeinen Zuspruch zu achten, nach dem furchtbaren Kerker, der mein Liebstes verschlungen hatte, und pochte wie ein Rasender mit den Fäusten ans Tor. Als dies erfolglos blieb, die Wächter vielmehr mich ergriffen und mit Gewalt hinwegführten, stürmte ich aufs Rathaus, wo gerade der Bürgermeister und ein ehrbarer Rat versammelt waren, um für die Not der Zeit nach ihrem kurzsichtigen Ermessen Fürsorge zu treffen. Ich verlangte dort, entweder solle Weib und Kind mir ausgeliefert, oder ich selbst zu ihnen hineingelassen werden. Was ich dann für unehrerbietige Schmähungen ausgestoßen haben mag, als mir beides verweigert wurde, weiß ich nicht. Die wohledlen Herren mochten besorgen, daß ich in meiner Wut das geringe Volk, das solche Notzeit gern zu allerlei Unfug mißbraucht, gegen die Väter der Stadt aufwiegeln möchte. Genug, ich wurde dem Fronvogt überliefert und in den Turm geschlossen. Aus diesem kam ich bereits am siebenten Tage wieder heraus. Es war nun keine Gefahr mehr. In der großen Grube, die so viele arme Opfer aufgenommen, war auch mein blühendes junges Weib und mein holder Knabe zur ewigen Ruhe gebettet worden. –
Da versagte dem Graubärtigen das Wort, er drückte die Augen zu und lehnte den Kopf zurück gegen den Türpfosten, um von der Qual der Erinnerung ein wenig zu rasten. Plötzlich fühlte er eine Hand an der Seinigen, die sie mit sanftem Druck umschloß, und wie er die Augen aufschlug, sah er den jungen Freund vor sich stehen, der es draußen am Gitterpförtchen nicht ausgehalten, sondern sachte den Riegel geöffnet und sich hereingeschlichen hatte. Der andere trat unwillkürlich zurück, aus alter Gewohnheit, hielt aber dann die Hand des jungen Mannes fest und erwiderte ihren Druck. Ich dank' Euch, sagte er still vor sich hin. Es ist lange her, daß ich eine Menschenhand in der meinigen gefühlt. Auch könnt Ihr sie dreist berühren. Es ist eines redlichen Mannes Hand, die mehr Gutes als Unnützes verrichtet hat und an der kein Flecken haftet. Aber daß ich mit meinem Bericht zu Ende komme: damals, als mir das widerfahren, war das Blut, das diese Hand durchströmte, nicht so zahm wie heut. Wer mir damals einen Feuerbrand in die Faust gegeben hätte, die Welt damit in Brand zu stecken, dem hätte ich meine Seele dafür verschrieben. Ich hatte aber zum Glück einen entfernten Vetter unter den Barfüßermönchen des dortigen Klosters. Der erbarmte sich meines wahnwitzigen Zustandes und nahm mich in seinen Gewahrsam, bis der Sturm in mir vertobt haben würde. Wie dann die klaffende Wunde ein wenig verharscht war, brauchte es nicht viel Zuredens, daß ich selbst Profeß tat und, da ich die Welt haßte und verachtete, den Rest meines Lebens ihr abgekehrt in müßigem Brüten und Beten zu verbringen gedachte. Doch lebte etwas in mir fort, das murrte gegen den öden Klosterzwang und schrie nach Wirken und Schaffen. Und wie dann neun Jahre später die dritte göttliche Heimsuchung kam, da wußte ich, was ich zu tun hatte.
Sehet, fuhr er fort, obwohl es Euch die himmlische Barmherzigkeit erspart hat, ähnliches zu erleben, so habt Ihr doch ein ahnungsvolles Herz und könnt Euch vorstellen, wie es der schärfste Stachel in all meinen Qualen gewesen, daß mein liebstes Leben in jenem furchtbaren Hause hatte sterben und verderben müssen, und ich war fern gewesen und hatte ihre erkaltende Hand nicht fassen und in ihre verzagende Seele kein Wort des Trostes träufeln dürfen. Was ich an dieser Geliebtesten so jammervoll versäumt, das wollte ich nun anderen armen Verdammten zugute kommen lassen, da sonst niemand in ihrer letzten Not sich ihrer erbarmte. Und glaubt nicht, daß ich mir dies Werk der Barmherzigkeit zu einem besonderen Verdienste rechne. Es war viel Trotz und Ingrimm dabei im Spiel, und daß ich auf die Häupter der Menschen, die ich insgeheim für eine Herde wilder Tiere ansah, feurige Kohlen sammelte, geschah nicht in christlicher Liebe und Milde, wenigstens zu Anfang, sondern als eine Art Rache, an der ich meinen eigenen wilden Gram sättigte. Es ward aber anders mit der Zeit, da ich das ganze unsägliche Elend betrachtete, unter welchem das schwache Menschengeschlecht seufzt, und wieviel heimliche Tugend und Heldenstärke zwischen dem Unkraut der eitlen Lüste und blinden Leidenschaften erblüht. Da hat mich ein tiefes Mitleid mit meinen Brüdern überkommen, und auch hernach, da ich Undank aller Art erfuhr, von solchen, denen ich in bitteren Nöten der einzige Helfer gewesen, von ihren Türen weggescholten wie ein räudiger Hund – nie wieder hat sich mein Herz zu Haß und Wut verhärtet, sondern je böser und gottunähnlicher ich sie fand, je lauter rief es in mir: das sind die am härtesten mit Siechtum Geschlagenen, und daß sie sich für gesund gehalten, ist ihr schlimmstes Gebrechen. Denn so nun wehren sie dem Arzt, der sie noch retten möchte, und machen ihr Leiden unheilbar und taumeln einem Tode zu, der nicht ins ewige Heil führt, sondern in die Stätten der Verdammnis.
Während er dies sprach, leuchteten seine Augen, wie Gerhard nie ein Augenpaar hatte leuchten sehen, und wenig fehlte, so wäre er vor diesem starken und guten Menschen in die Knie gesunken, wie vor einem der heiligen Märtyrer, deren Bilder in den Kirchen verehrt werden. Auf einmal aber fühlte er sich am Arm ergriffen und sah den Blick des Einsamen mit verwandeltem Ausdruck auf eine Stelle am Ufer gerichtet, wo ein schlanker Schatten sich näherte und jetzt hinter dem Wurzelgestrüpp des Weidenbaumes verschwand. Wenn Ihr keinen Abscheu dagegen empfindet, so tretet einen Augenblick in die Hütte, hörte er den Bärtigen raunen. Ich sehe drüben eine Gestalt, die nach uns herüberspäht. Sie haben mir von Rats wegen hier zu wohnen gestattet nur unter der Bedingung, daß ich mit niemand einen Verkehr unterhielte. Nicht minder aber, als mir selbst, möchte es Euch Nachteil bringen, wenn es herumkäme, daß Ihr bei nächtlicher Zeit den Verbannten und Ausgezählten heimgesucht habt. Bergt Euch also lieber hier innen, bis der Spürer und Späher seiner Wege gegangen. Er zog ihn in die Hütte hinein, in der es wohnlicher war, als man dem äußeren Anschein hätte zutrauen mögen. Der Raum war nicht größer als anderthalb Mannslängen im Geviert, und nach der Rückseite senkte sich das Dach, daß man dort nicht aufrecht stehen konnte. Nach der Morgenseite aber ließ ein viereckiger Ausschnitt in der Bretterwand hinlängliche Helle herein, daß man das Lager von dürrem Schilf darunter erkannte, über welches eine wollene Decke gebreitet war. An der Wand gegenüber war ein Sitz aus Steinen aufgeschichtet, mit einem Schaffell überdeckt. Darüber hing an einem rostigen Nagel die kleine schwarze Geige, und ein Krug und eine Schüssel standen in einem Winkel. Von einer Feuerstätte keine Spur.
Ihr müßt Euch dort niedersetzen, sagte der Wirt dieses engen Hauses, und wenn Ihr es nicht verschmäht, aus einem Kruge mit mir zu trinken – in der Schenke heute abend haben sie mir einen Nachttrunk mitgegeben, den ich noch zur Hälfte gespart habe. Denn ich muß sehr auf der Hut sein vor dem Wein, der ein gefährlicher Freund des Einsamen ist und ihn leicht um Sinn und Verstand bringt. Wenn Euch etwa hungern sollte, ich hab' auch noch ein wenig Brot und gedörrtes Fleisch im Vorrat; denn die Bauern lassen mich nicht darben, und wenn ich abends vor ihren Häusern geige, bringen sie mir, was ich bedarf, teils aus gutem Herzen und umsonst, teils für geringes Geld, das sie sich freilich scheuen aus meiner Hand zu empfangen. Sie stellen dann ein Schüsselein mit Wasser an den Weg, und die Münzen, die ich da hineingleiten lasse, nehmen sie ohne Sorge, sich zu beflecken. Auch lassen sie es geschehen, daß ich mir dann und wann – zumal an Fasttagen – ein Gericht Fische angle aus dem Fluß und in einem Pfännlein draußen vor der Hütte brate. Im übrigen bin ich hart gewöhnt und habe auch den Winter überstanden ohne anderes Ungemach, als daß ich eine und die andere Nacht auf meinem von Eis umstarrten Lager mich vor dem Einschlafen hüten mußte, wenn ich überhaupt wieder aufwachen wollte.
Gebt mir einen Trunk, bat Gerhard, mehr um zu zeigen, daß er keine Gemeinschaft mit diesem Gemiedenen scheute, als weil ihn gedürstet hätte. Als er dann seine Lippen genetzt und auf dem Steinsitz sich niedergelassen hatte, sah er über sich nach der seltsam geformten Geige und fragte, seit wann sein Gastfreund diese Kunst betrieben und wer sie ihn gelehrt habe.
Da lächelte der ernsthafte Mann zum ersten Male. Er wisse von keiner Kunst und keiner Lehre, sagte er. Schon da er noch ein weltliches Gewerbe ausgeübt, habe er an Feierabenden sich damit vergnügt, dies uralte Saitenspiel erklingen zu lassen, daß sein Weib sich oft die Ohren mit ihren kleinen Händen zugehalten und gefleht habe, er solle ihrer schonen. Doch habe er nicht nachgelassen, bis er dem schwarzen Holz eine Seele abgelockt und aller Griffe und Striche Meister geworden sei. Im Kloster dann habe er fleißig acht gegeben auf die geistlichen Gesänge und die Hymnen, die an den hohen Festen mit allerlei Instrumenten begleitet wurden. Und wie er dann in das Siechenhaus eingetreten, habe er nichts mitgenommen als diese Geige. Da sei es ihm erst aufgegangen, welch ein Labsal in den Tönen verborgen sei. Denn mitten in der ärgsten Leibesnot und Verzweiflung, wenn er zu spielen begonnen und sein Bestes getan, Wohllaut und Einklang aus dem armen Holz hervorzulocken, habe er wahrgenommen, wie die verzerrten, angstbeklommenen Mienen sich besänftigt, das Ächzen stiller geworden und manch einer unter seinen Weisen sanft hinübergeschlummert sei wie ein Kind, das die Mutter in Schlaf singt.