Paul Heyse
Spielmannslegende
Paul Heyse

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Da sah er auf einem Ruhebänkchen am Ofen, auf das ein rotes Kissen gelegt war, seine Liebste sitzen, den schlanken, jungen Leib nachlässig gegen die grüne Ofenwand zurückgelehnt, so daß die Haare, die in freien Locken hingen, wie ein weicher Schleier ihre Schultern umgaben. Obwohl es ein Werktag war, trug sie ein reichverziertes Kleid und eine feine goldene Kette um den blanken Hals, dazu nach der Unsitte, die eben erst aufzukommen begann, die milchweiße junge Brust bis zur Hälfte entblößt, wie es ihr Verlobter früher nie an ihr gesehen. Sie war noch größer und völliger geworden in jenen zwei Jahren und die Grübchen in ihren Wangen noch reizender, so oft sie die etwas zu feinen Lippen in Rede oder Lächeln bewegte. Und ein besonderes Wunder erschienen bei ihrem goldhellen Haar die langen, dunklen Augenwimpern, die ihren Blick mit einem geheimnisvollen Helldunkel umschleierten, jetzt zumal wo von einem schwebenden weitausgreifenden Leuchter das Licht dreier Kerzen von oben herniederfloß, ihr kleines Ohr durchleuchtete wie ein Rosenblatt und ein liebliches Spiel wankender Lichter und Schatten über Gesicht und Gestalt des üppig blühenden Menschenbildes warf. Auf ihrem Schoße hatte sie ein winzig kleines, mit zottigen Haaren dicht überhangenes Hündchen ruhen, dem sie mit den weißen Fingerchen leise das Fell kraulte. Vor ihr aber, auf einem niederen Schemel, saß ein junger Gesell mit langem braunem Haarschopf, der ihm bei jeder Bewegung über die niedere Stirn fiel. Sein Gesicht war nicht häßlich, nur durch einen Zug von verwegener Tücke entstellt, den selbst sein galantestes Lächeln nicht ganz zu vermischen vermochte. Auch er liebkoste das Hündchen, doch war es ihm offenbar nur darum zu tun, auf diese Weise mit dem schönen Mädchen handgemein zu werden. Denn sooft er dem Tiere über den Rücken strich, mußte er die weißen Finger streifen, die es sich eine Weile gefallen ließen, plötzlich aber sich erhoben, um den Übermütigen zu strafen auf irgendeine gelinde Art, die einer Ermutigung ähnlicher sah als einer Buße. Während dieses Spiels redete der junge Fant beständig mit halblauter Stimme, wie es schien, von sehr lustigen Sachen; denn das zurückgelehnte Gesicht des Fräuleins funkelte beständig von heller Lustigkeit und nur zuweilen wollten die zarten Brauen sich wie im Unwillen über eine allzu dreiste Rede zusammenziehen, wozu es aber der lachende Mund, der dann all seine blanken Zähne zeigte, nicht kommen ließ.

Sie waren in diese Unterhaltung so vertieft, daß sie es völlig überhörten, wie draußen am Haustor der Klopfer erklang und ein rascher Schritt sich der Erkerstube näherte. Als dann die Tür hastig aufgerissen wurde und plötzlich der dunkle Schatten des Bräutigams auf der Schwelle erschien, machte die unerwartete Störung durchaus nicht eine so lebhafte Wirkung, wie man hätte denken sollen. Der langhaarige junge Mensch blieb sogar ruhig sitzen, während Imagina sich gelassen erhob und das Hündchen sorglich in den linken Arm nahm. Sie war kaum ein wenig röter geworden, trat ihrem Verlobten ohne große Hast entgegen, und während sie ihm das rechte Händchen darreichte, nicht viel anders, als hätte ihre Trennung nur Tag und Nacht gedauert, sagte sie lächelnd: Seid Ihr's wirklich, Gerhard? Ich hatte Euch morgen erst erwartet. Aber es ist hübsch von Euch, daß Ihr Eure Ungeduld nicht länger habt zügeln können. Seht, da ist mein Vetter Reinhart Tilemann, des Stadtschreibers Sohn, der ist vor acht Tagen von der hohen Schule zurückgekehrt. Und hier ist Pilgram, mein Hündchen, das mir der Vater geschenkt, damit ich nicht ganz allein wäre, indessen Ihr die halbe Welt durchstreiftet. Ist er nicht eine herzige Kreatur? Euch macht er noch eine feindselige Miene und knurrt Euch an. Aber wenn Ihr artig mit ihm seid, wird er Euch bald so zutraulich anschauen wie den Vetter Reinhart. Nun? Sagt Ihr mir kein Wort, daß ich inzwischen schöner geworden sei, wie doch die allgemeine Rede geht? Oder seid Ihr gar ungehalten, daß ich mich nicht bleich und mager gehärmt habe, aus schmerzlicher Sehnsucht? Damit hätte ich eine rechte Torheit getan. Nicht wahr, Vetter Reinhart? Kommt und setzt Euch zu uns, und bis der Vater nach Hause kommt, erzählt mir, wie es in Flandern aussieht, was die schönen Frauen dort für Gewänder tragen, und ob Ihr mir auch etwas Hübsches und Kostbares mitgebracht habt.

Während dies neckische Geplauder dem schönen Wesen in heiterem Gleichmut von den Lippen floß, stand Gerhard wie zur Säule erstarrt ihr gegenüber. Ihr Händchen lag so kühl und glatt in seiner Hand, ihre dunkelblauen Augen waren mit so neugieriger Munterkeit auf die seinigen gerichtet – er fragte sich, während er keines Wortes mächtig war, mit tödlicher Angst, ob dies dasselbe Menschenkind sei, nach welchem er zwei lange Jahre im Wachen und Träumen heimverlangt hatte. Als er so seltsam stumm blieb, glitt plötzlich die kleine Hand mit einer unmutigen Gebärde aus der seinigen, die sie nicht festzuhalten strebte, und begann den Kopf des Hündchens zu streicheln, das den Fremden immer noch mit feindlichem Zähnefletschen ankläffte. Der Vetter hatte sich langsam von seinem Sitz erhoben, doch ohne den Gast anders als mit einem schier hochmütigen Kopfnicken zu grüßen. Auch machte er keine Miene, als ob er gehen und dem Bräutigam das Feld räumen wolle, und der Braut schien es ebensowenig darum zu tun, mit ihrem langentbehrten Liebsten allein zu sein. Vielmehr lud sie die beiden jungen Leute ein, nun gemeinsam zu ihren Füßen Platz zu nehmen, und ließ sich selbst, immer das Hündchen im Arm, wieder auf ihrem erhöhten Sitze nieder, Gerhard auf einen zweiten Schemel hinweisend, der in der Erkernische stand. Da schüttelte dieser die Erstarrung ab, die ihn befangen hatte, und erwiderte: es sei ihm leider nicht vergönnt, seinen Herrn Schwiegervater abzuwarten, seine Mutter habe ihm nur kurzen Urlaub gegeben, um sich der Braut als heimgekehrt zu zeigen. Da er sie nun wohlauf und in so trefflicher Laune gefunden, auch in der besten Gesellschaft, die ihr die Zeit wohl verkürzen werde, wolle er für heute die Mutter, die er nur flüchtig umarmt, nicht länger warten lassen und werde sich morgen bei schicklicher Zeit wieder einfinden, wo er dann auch die Andenken von seiner Reise, die er seiner Liebsten zugedacht, nicht wie heute im Mantelsack stecken lassen werde.

Hiermit verneigte er sich steif und förmlich vor dem sehr erstaunten Kinde, das eines solchen Tones von seinem zärtlichen Liebhaber sich nicht versehen hatte, und verließ, ohne den Vetter eines Blickes zu würdigen, mit hastigen Schritten das Gemach.

Draußen aber, als er in die nächste dunkle Gasse eingebogen war, mußte er stille stehen und sich an die Mauer lehnen, da er am ganzen Leibe so heftig zitterte, als ob er einen Stoß mit stumpfer Lanze gerade gegen das Herz erhalten hätte. Zudem schien es ihm immer noch unmöglich, daß sie ihm nicht nachstürzen, den kaltherzigen Empfang entschuldigen und ihn mit zärtlicher Gewalt ins Haus zurückführen sollte. In der Tat hatte sie dergleichen im Sinn; aber der Spott des Vetters über den hölzernen Bräutigam und sein Rat, ihn kurz zu halten, um wenigstens einen gehorsamen Ehemann aus ihm zu erziehen, hielt sie im Zimmer zurück, obwohl ihr bei dem Handel nicht ganz geheuer war. Indessen dachte sie, morgen am hellen Tage den Spuk zu bannen, und vertraute auf ihre Macht, mit einigen Liebkosungen wie vor Zeiten jede trübsinnige Anwandlung aus der Seele ihres Bräutigams zu verscheuchen. Als daher Gerhard noch einmal, obwohl heimlich knirschend über seine Schwäche, zu dem Erkerfenster zurückschlich, sah er das junge weiße Gesicht wieder von derselben Heiterkeit glänzen wie zuvor, nur daß der Vetter jetzt neben ihr stand und eine Strähne ihres Haares spielend durch die Finger gleiten ließ.

Bei diesem Anblick verstummte die Stimme in seinem Innern, die das schöne Geschöpf hatte entschuldigen wollen: die Gegenwart eines Dritten habe ihr Zwang angetan, und was als leichtherzige Gleichgültigkeit erschienen, sei nichts gewesen als jungfräuliche Scheu, ihrem Verlobtem vor fremden Augen sich an den Hals zu werfen. Alle die eitlen Worte, mit denen sie ihn empfangen, rief er sich wieder zurück und mußte sich mit bitterem Kummer gestehen, daß kein Herz daraus gesprochen, nur ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. So floh er, da er Schritte vernahm, mit einem dumpfen Seufzer von ihrem Hause hinweg, konnte es aber nicht über sich gewinnen, schon zu den Eltern heimzukehren, sondern strich, den Hut tief in die Stirn gedrückt, durch die ödesten Gäßchen ruhelos auf und ab, nach dem Fluß hinunter, an der steinernen Brücke vorbei und wieder in die Stadt hinauf, bis er nach einer Stunde ziellosen Schweifens ruhig genug zu sein glaubte, um den Seinigen unter die Augen treten zu können.

Er fand sie noch beisammen und mußte sich Gewalt antun, nachdem er sich entschuldigt, daß er so lang im Hause der Braut verweilt, an dem Mahle teilzunehmen, das die Mutter mit sorgender Liebe reichlicher als sonst gerüstet hatte. Daß er nur wenig aß, schob er auf die Übermüdung durch den langen Ritt und begehrte bald zu Bett zu gehen. Auch hatte sein Vater kein Arg an seinem zerstreuten, hastigen Wesen. Die Mutter aber, da er sich gute Nacht wünschend zurückgezogen hatte, schlich ihm auf seine Kammer nach und wußte ihm ein halbes Geständnis zu entlocken, daß das Wiedersehen mit seiner Liebsten nicht, wie er sich's geträumt, von statten gegangen sei. Sie tröstete ihn aber, so gut sie konnte. Das junge Kind sei ohne mütterliche Zucht und Hut aufgewachsen und durch ein schmeichlerisches Gesinde und törichte Verwandte, die ihrem Vater damit zu gefallen dächten, verhätschelt und verwöhnt worden. Doch vertraue sie, daß ein rechter Mann noch ein frommes und demütiges Weib an ihr gewinnen könne, zumal sie selbst, wenn sie als Schwiegerin erst einige Macht besäße, redlich dazu mithelfen wolle.

Als sie so eine Weile in ihn hineingeredet und ihn ein wenig beschwichtigt zu haben glaubte, ließ sie ihn allein und hörte auch wirklich, da sie nach einer Stunde zu seiner Kammertür zurückschlich, an seinen friedlichen Atemzügen, daß der Streit in seinem Busen zur Ruhe gekommen war. Hierzu hatte am meisten ein hingeworfenes Wort geholfen: daß sie damals, da sie sich ihm verlobt, noch schwerlich gewußt, was Liebe sei, und es nun erst lernen werde, wenn er selbst die Mühe, ihr Herz zu erwecken, sich nicht verdrießen lasse.

Mit diesem Entschlusse und zugleich das reizende Bild vor Augen, das ihm trotz all seines Unmutes begehrenswerter als je erschienen war, schlief er zeitig ein und erwachte am späten Morgen in leidlicher Stimmung, die freilich nicht lange vorhielt. Denn es erging ihm wie so manchem, der nach langer Abwesenheit eine geliebte Heimat mit verwandelten Augen betrachtet. Nicht nur das eigene Haus schien ihm eng und düster, auch die Gesichter der Nachbarn, die sich einfanden, um ihn zu begrüßen, musterte er mit schärferem Blick und fand einen engen, zahmen und krämerhaften Zug, der ihm früher entgangen war. Zwei seiner vertrautesten Jugendgefährten stürmten seine Tür und schüttelten ihm in alter Zutraulichkeit die Hände. Doch in kurzem, da die erste Freude des Wiedersehens verflogen war und das Gespräch über Stadtgeschichten und Tagesneuigkeiten erging, fühlte der Heimgekehrte, daß er dieser kleinen Welt durch seinen Ausblick in eine größere und freiere entfremdet war. Die Abenteuer, die seine alten Genossen wichtig nahmen, erschienen ihm herzlich schal und unersprießlich, ihre Ansichten vom Glück des Lebens, die ihn schon früher wenig erbaut, fand er jetzt so kümmerlich, ihre Wünsche und Ziele so armselig, daß er bald nur mit einsilbigen Lauten ihre Reden begleitete und sich erleichtert fühlte, als sie ihn endlich verließen, um ihren eigenen Angelegenheiten nachzugehen.

Diese Erkenntnis hatte ihn traurig gemacht, und er war froh, mit den Seinigen zum Gottesdienst zu gehen, wo er ein paar Stunden in dem feierlichen Raum der alten Stiftskirche sein vielbewegtes Gemüt sammeln durfte. Er erblickte da, wo die Frauen saßen, auch seine Braut, deren andächtige Miene sie ihm fast so kindlich und unverfälscht wieder erscheinen ließ, wie sie ihm vor zwei Jahren das Herz gewonnen hatte. Als sie dann vor dem Portal zusammentrafen, begrüßte ihn ihr Vater, der Herr Rode, mit würdiger Zurückhaltung, doch unverstellter Herzlichkeit und lud ihn ein, am Nachmittag ihn und seine Tochter nach einem nahen Dorf oberhalb am Flusse zu begleiten, wo heute Kirchweih gehalten werde. Er selbst sei fast verpflichtet, daran teilzunehmen, da er dort einen kleinen Hof und Äcker und Weinberge besitze. Gerhard, von einem freundlichen Blick seiner Liebsten ermuntert, sagte mit Freuden zu, konnte aber doch, als er sich am Haustor von dem schönen Kinde verabschiedete, sich nicht erwehren, ihr zuzuraunen: er hoffe, der Vetter werde nicht auch von der Partie sein, da er nach so langer Trennung wohl verlangen könne, daß kein unberufener Dritter sich zwischen sie dränge. – Nicht einmal das Hündchen soll zwischen uns stehen, hatte sie mit einem halb schalkhaften, halb verlegenen Lächeln erwidert, obwohl Pilgram es sehr übel nimmt, wenn er sonntags allein zu Hause bleiben soll. Ihr aber, wie ich sehe, fangt zeitig an, den Herrn und Gebieter zu spielen. Da muß ein armes Weib sich beizeiten ergeben lernen.

Er wußte nicht, ob er diese Worte für einen stillen Hohn oder den Beginn einer besseren Erkenntnis nehmen sollte. Doch hatte ihn ihre Schönheit wieder so ganz bezaubert, daß er die festgesetzte Stunde kaum erwarten konnte. Wirklich fand er sie allein, ohne den Verhaßten, über den er am Morgen von seinen Freunden genug Unliebsames vernommen, um ihm auch ohne den besonderen Anlaß nicht eben grün zu sein. Sie kam ihm immer noch mit einiger Kühle entgegen, doch liebreicher, als am Abend vorher, und als er die schönen Kleinodien, die er in Flandern und England für sie gekauft, eins nach dem andern aus dem Schächtelchen nahm und ihr in den Schoß legte, sah er mit Vergnügen die kindische Freudenglut, die ihr im Gesicht entbrannte, und fühlte plötzlich mit seligem Schauer ihre weichen Arme um seinen Hals und die zarten jungen Lippen auf seinem Munde.

Das Glück dieses herzlichen Wiederfindens wurde aber bald gestört, indem der Vater Imaginas an die Tür pochte und hereinrief, ob das junge Paar zum Spaziergange bereit sei. Er stand draußen mit einem seiner Freunde vom Rat, den er sich zugesellt hatte, da er wohl dachte, daß seine eigene Unterhaltung gering sein würde, wenn er allein mit den beiden Verlobten den langen Nachmittag verbringen sollte. So gingen die beiden stattlichen alten Herren vorauf, und in ziemlicher Entfernung folgten ihnen die zwei Liebesleute, nicht Arm in Arm oder Hand in Hand verschlingend, was zu jener Zeit nicht der Brauch war, sondern als sie, vor die Stadt gelangt, nun an dem einsameren Flußufer hinwandelten, nur gelegentlich einmal mit den Ellbogen sich anrührend oder Schulter an Schulter lehnend. Doch auch dies vermied der Bräutigam, nachdem sie nur eine mäßige Strecke zurückgelegt hatten. Denn er glaubte wahrzunehmen, daß seine Liebste, selbst wenn sie sich mit einer zärtlichen Gebärde an ihn schmiegte, nicht versäumte, nach den Leuten zu schielen, die an ihnen vorübergingen, ob sie ihr auch den gebührenden Zoll der Bewunderung entrichteten und, wenn es junge Gesellen waren, den beneideten, dem ihre schöne Gestalt sich so traulich zuneigte. Wieder überkam ihn ein unseliges Gefühl, und die ihm die Nächste und Liebste sein sollte, wurde ihm plötzlich entfremdet und entrückt, so daß ihm war, als gingen sie durch einen tiefen Abgrund und geschieden nebeneinander her und ein kalter Nebel steige aus der Tiefe herauf und mache ihm das Blut gefrieren. Sie bemerkte es wohl, daß er plötzlich ernst und schweigsam wurde, und suchte mit Scherzreden ihn aufzumuntern, fragte ihn, ob er in London die neuen englischen Tänze gelernt habe und ob er heut auf der Kirchweih mit ihr tanzen werde. – Er habe alles Tanzen verschworen, entgegnete er mit düsterem Gesicht, seit er im vorigen Sommer zu Köln am Rhein die entsetzliche Heimsuchung der Menschheit durch den Teufel miterlebt, die man die Tanzwut genannt habe. Zwei gegen einen hätten da die armen Besessenen auf einer und derselben Stelle getanzt und in wilden Verzerrungen gerast, oft einen halben Tag lang ohne Aufhören, bis sie wie unsinnig niedergefallen seien. Dann aber hätten sie begehrt, daß man sie mit Füßen treten solle, und seien jählings wieder aufgesprungen, das Tanzen fortzusetzen; oder sie hätten geschrien, daß sie nun genesen seien, und Geld von den Umstehenden erbettelt. Die ganze Stadt und viele andere Städte und Flecken den Rhein und die Mosel hinab seien voll gewesen von diesem gotteslästerlichen Unfug, und die Laster und Greuel, die damit Hand in Hand gegangen, könne kein ehrbarer Mund wiedererzählen. Seitdem, so oft er an Tanzen gedenke, ständen ihm jene Gespenster vor Augen und sträubte sich ihm das Haar.


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